Rodeo – Bull n Bronc
15.02.25, Australien/QLD/Gympie,Tag 471 Roadtrip, 31.026 km total, Tages-km 101
Damit der letzte Tag unseres Roadtrips nicht fehlt, liefere ich hier noch den Tag vor dem Unfall nach: Wir waren beim Rodeo in Gympie.
Die größten Rinderfarmen der Welt gibt es in Australien. Wo es Rinderfarmen gibt, gibt es Cowboys. Und wo es Cowboys gibt, gibt es Rodeo. Jede Stadt im Rindergürtel Australiens veranstaltet mindesten einmal im Jahr ein Rodeo. Wir besuchen das ‚Bull n Bronc‘ in Gympie, eine mittelgroße Veranstaltung.
Die Tickets kann man bequem online bestellen. Im Eintrittspreis (33 Euro für uns zusammen) ist die Campinggebühr auf dem Showground neben der Arena enthalten. Prima, denken wir, bequemer geht es nicht. Bequem ja, aber gar nicht mal eine so gute Idee, wie sich in der Nacht herausstellen soll.
Als wir am frühen Nachmittag den Showground erreichen, sind wir so ziemlich die ersten. Noch freie Platzwahl. Vormittags hatte es gegossen wie aus Kübeln. Das Wasser steht knöcheltief auf der Wiese. Ohne Allrad-Antrieb würden wir stecken bleiben. Ein quwapschiger Schweinkram.
Der Showground ist riesig. Am Ende dann sogar fast voll.
Das Rodeo in Gympie besteht im Wesentlichen aus drei Disziplinen: Reiten auf einem Pferd mit und ohne Sattel, dem Barrel Race und der Königsdisziplin, das Bullen-Reiten. Spezial Wettkämpfe wie Lasso-Geschicklichkeit fehlen leider.
Zwei Stunden bevor die Show beginnt, werden die Bullen und Pferde geliefert.
Wir hatten keine Ahnung, dass es spezialisierte Firmen gibt, die Bullen und Pferde für Rodeo-Veranstaltungen vermieten. Diese Tiere werden extra gezüchtet und für Rodeo-Wettkämpfe trainiert.
Rodeo erfreut sich in Australien einer großen Beliebtheit. Dagegen stehen Organisationen, die diese Shows verbieten wollen. Um dies zu verhindern, wurden in Australien strenge Vorschriften eingeführt, die das Wohlergehen der Tiere gewährleisten sollen. Die Anwesenheit von Tierärzten ist Pflicht, die vor und nach der Show alle Tiere auf Verletzungen kontrollieren. Betreuer kümmern sich um Futter, Wasser und einen sicheren Transport der Tiere. Jedes Tier darf nur einmal am Tag eingesetzt und lange Pausen zwischen den Shows müssen eingehalten werden.
Am späten Nachmittag ist Einlass. Inzwischen ist die Wiese voll mit Campern. Die Pferde, die am ‚Barrel Race‘ teilnehmen, bringen die Reiter selber mit. Zwischen den Zelten stehen nun Pferde und die entsprechenden Anhänger. Die Anzahl an Barrel Race Pferden ist erstaunlich. Pferdeäpfel-Duft liegt in der Luft.
Die Barrel Race Teilnehmer bringen ihre Pferde mit auf den Showground.
Der Hut ist das wichtigste Accessoire des Tages.
Frisch gewienert bereit gestellt für die Show.
Ohne Hut geht gar nichts. Groß, größer, besser!
Das Rodeo beginnt mit einer Einlaufparade. Australische Flaggen werden geschwenkt. Die Nationalhymne gesungen. Die Hand aufs Herz gelegt. Das volle patriotische Programm.
Einlaufparade
Flaggen! Hut vom Kopf reißen, Hand ans Herz und mitsingen natürlich.
Die Reiter vom Barrel Race sind zuerst dran. Dieser Teil der Show ist nicht der Populärste. Die Ränge sind noch ausgedünnt. Teilnehmer aller Altersgruppen versuchen in möglichst kurzer Zeit ihr Pferd mit Geschick um drei Fässer herum zu reiten. Wer gut ist, schafft die Runde unter 16 Sekunden. Der Anteil an Frauen ist deutlich in der Überzahl.
Barrel Race – für die Pferde eine ganz schöne Belastung würde ich denken,
Fässer umstoßen gibt Strafsekunden.
Auch die Kleinsten sind mit dabei.
Es folgen die Reiter auf den „Wild“pferden. Mit und ohne Sattel. Die Pferde sind weder wild noch unberitten. Dass die Pferde wild bocken und versuchen, ihren Reiter abzuwerfen, liegt an einem Flankengurt, den sie tragen. Dieser weiche Lederriemen sitzt hinter dem Rippenbogen – nicht auf den Genitalien. Er stimuliert eine natürliche Reflexbewegung. Dem Tier werden keine Schmerzen zugefügt. Dies wird von Rodeoverbänden überdeutlich betont. Sogar Kritiker sprechen ‚nur‘ von Unbehagen.
Die Reiter müssen mindestens acht Sekunden auf dem Rücken des Pferdes sitzen bleiben. Die Zeit beginnt, sobald das Tier aus dem Gatter springt. Ein Signal ertönt, wenn die acht Sekunden abgelaufen sind. Dann kommen sofort zwei ‚Pickup Rider‘, um den Rodeoreiter sicher, vom noch immer bockenden, Gaul zu bekommen. Meistens wechselt der Reiter einfach auf eins der Sicherungspferde. Die Pickup Rider sind außerdem zuständig, den Flankengurt vom Rodeopferd zu lösen. Augenblicklich ist Schluss mit der Bockerei.
Ohne Sattel.
Pferd mit Sattel.
Sobald der Reiter unten liegt oder die Zeit geschafft ist, kommen die Sicherungsreiter.
Nur wem es gelingt, die acht Sekunden auf dem Tier sitzen zu bleiben, schafft es überhaupt in die Wertung. Zwei Schiedsrichter verteilen bis zu 100 Punkte, jeweils die Hälfte für Tier und Reiter. Je mehr Widerstand das Pferd dem Reiter entgegenbringt, desto Punkte. Der Reiter erhält eine Wertung für seine persönliche Haltung auf dem Tier – festhalten ist sowieso nur mit einer Hand erlaubt – und ob er das Tier steuern und beherrschen konnte.
Die meisten Reiter auf den Rodeos sind Amateure. Cowboys aus der Umgebung. Aber es reisen auch einige Profis quer durchs Land, die ihr Einkommen nur durch Rodeoreiten bestreiten. In Gympie beträgt das Startgeld für einen Ritt auf dem Pferd 100 Dollar, bei einer Gewinnchance von maximal 1.000 Dollar.
Der Höhepunkt eines jeden Rodeos ist das Bullenreiten. Ein Blick in das Programmheft lässt das Blut in den Adern gefrieren. Es gibt eine Kategorie ‚Reiter zwischen 7 und 12 Jahren‘. Genau das richtige Hobby vom Junior für Helikopter Eltern. Die Jüngsten tragen Rücken-Protektoren und haben Helme mit Gesichtsschutz auf. Und okay, die Bullen sind nicht höher als ein großer Hund. Aber beachtlich, was die kleinen Steppkes sich trauen.
Es gibt auch ein Bullen-Reiter Mädchen
Die Bullen der erwachsenen Reiter sind da von anderem Kaliber. Das Prinzip ist das gleiche wie bei den Pferden. Auch die Bullen tragen den Flankengurt. Das Gatter wird von zwei Hilfskräften geöffnet. Bulle mit Mensch stürmt in die Arena. Meistens ist bereits nach zwei, drei Sekunden Feierabend. Der Reiter landet unsanft in der Späne der Arena. Sofort stürmen zwei ‚Clowns‘ herbei. In Australien ohne Clownskostüm, und Fässer in die sie sich retten können, gibt es ebenfalls nicht.
Die mutigen Helfer schützen den Reiter vor dem Bullen, da der Cowboy sich häufig nach dem Sturz erstmal orientieren muss und leicht vom Bullen überrannt werden kann. Das verhindern die Clowns. Sie lösen außerdem den Flankengurt und treiben den Bullen aus der Arena. Meistens laufen die schon freiwillig in die richtige Ecke. Daran erkennt man den erfahrenen Rodeo-Profi-Bullen.
Das Tor vom Stall wird aufgezogen. Einer öffnet das Schloss – der andere zieht das Tor auf.
Bulle mit Reiter erscheint . Die beiden an der Tür bringen sich sofort in Sicherheit.
Der Bulle bockt.
Das war’s. Drei Sekunden später. Links der Clown.
Das Bullenreiten ist ungleich schwieriger als auf den Pferden zu reiten. Auf unserem Rodeo gab es nicht einen erwachsenen Reiter, der Punkte erhalten hat. Nur bei den Junioren gab es einige erfolgreiche Cowboys. Höchste Punktzahl des Abends: 72 Punkte mit einem Gewinn von 290 Dollar (Startgeld 30 Dollar).
Viel Risiko, kleiner Preis.
Hinter den Gattern. Dort wo die Cowboys auf die Bullen und Pferde gesetzt werden.
Auf der anderen Seite der Gatter.
Auch Cowboys haben ihre Groupies.
Um 21:30 Uhr ist das Rodeo zu Ende. Halt, die letzte Durchsage aus den Lautsprechern „Musik bis 1:00 Uhr“, ist kaum noch zu verstehen. Der Lautstärkeregler ist schon am Limit. Es gibt auf dem Showground eine Bar. Die ist gut besucht, denn innerhalb der Arena ist Alkohol strikt verboten.
Das Publikum ist durchweg jung. Sehr jung. Und in Feierlaune. Wir lassen die Bar links liegen und gehen zu unserem Zelt. Hier haben die einzelnen Gruppen bereits ihre eigene Disco aufgemacht. Aus allen Kanälen dröhnt Musik. Heute so einfach mit diesen kleinen Lautsprecher-Würfeln.
An Schlaf ist nicht zu denken. Wir holen uns auch ein Bier, setzten uns neben das Auto und beobachten das Geschehen. Hier kann man noch was lernen.
Um Mitternacht sind die jungen Frauen rechts neben uns derart betrunken, dass sie sich gegenseitig Kotzhilfe leisten müssen. Ein junger Man hält den Kopf, eine zweite Frau drückt auf den Magen.
Auf der matschigen Wiese drehen die ersten Auto Kreise. Der Matsch spritzt. Die Menge johlt.
Die beiden jungen Männer rechts von uns haben sich irgendwo zwei Mädchen aufgegabelt und zeigen denen die Vorteile eines Dachzelts. Wollen zeigen, besser gesagt. Nur eine der Damen lässt sich kurzfristig hinreißen in das Dachzelt zu schlüpfen. Dann lassen sie unsere Helden wieder allein zurück.
Gefrustet werfen die beiden Jungs Böller in den Graben. Das wiederum ruft zwei Pferde-Besitzerinnen drei Zelte weiter auf den Plan. Unter der Verwendung vieler F-Wörter rammen die Pferde-Mädchen die beiden Jungs unangespitzt in den Boden. Kleinlauft kriechen die dann ohne weibliche Begleitung in ihr Zelt.
Das machen wir um 2:30 Uhr dann auch. Es ist ruhiger geworden. Die Rodeo-Pferde und Bullen sind schon längst wieder abtransportiert worden. Ich glaube denen geht es besser als den Pferden vom Barrel Race, die die ganze Nacht auf dem Showground stehen mussten.
Wir haben eine kurze Nacht, aber einen guten Eindruck in australisches Leben auf dem Land gewonnen.