Kategorie: Atanga

Schiet-Wetter

18. Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3154, 24.696 sm von HH

Der Tropensturm ‚Hale‘ ist weg. Den schlimmsten Wind hat die Halbinsel Coromandel abbekommen – ungefähr 200 Kilometer entfernt. Als ein nur alle zwanzig Jahre vorkommendes Ereignis wurde dieser Restzyklon bezeichnet. Entsprechend hat der Sturm Erdrutsche, überflutete Straßen und umgeknickte Bäume hinterlassen. Auf dem Yard ist zum Glück nichts Nennenswertes passiert.

Die Sturmflut hat die Rampe im Yard fast zum Überlaufen gebracht – obwohl wir etliche Kilometer flussaufwärts liegen

Die Superlative im Wetter überschlagen sich. Der letzte Winter war der regenreichste Winter seit Wetteraufzeichnung in Neuseeland. So ein feuchtes Frühjahr wie es hinter uns liegt, hat es vierzig Jahre nicht gegeben und dieser Sommer ist der schlechteste seit „Menschengedenken“.  Ebenfalls zu viel Regen und viel zu kalt. Unser Trost, der Sommer im letzten Jahr hat den Titel ‚Jahrhundertsommer‘. Und zu Recht, letztes Jahr um diese Zeit war es einfach nur traumhaft.

 

Whangarei Falls – diesen Sommer

Whangarei Falls – letzten Sommer

Es herrscht das dritte ‚La Niña‘ in Folge. Das bedeutet, dass das Meer Im Südwest-Pazifik deutlich kälter ist als in normalen Jahren. Das ist eigentlich gut für unseren Standort. Bilden sich dann doch erheblich weniger Wirbelstürme in dieser Region. Nun, letzte Woche gab es die Ausnahme von dieser Regel.  Und vor zwei Tagen hieß es noch, dass erneut ein Zyklon in unsere Richtung unterwegs sei. Das scheint sich aber zerschlagen zu haben. Puh! Braucht kein Mensch.

Wegen des schlechten Wetters hat die Arbeit am Cockpit zwei Wochen geruht. Das ist ätzend. In dem Tempo werden wir dann ja nie fertig. Aber seit drei Tagen ärgert uns nur noch ein gelegentlicher Schauer. Die Aussichten für die nächsten Tage stehen auf „Arbeit“ – Sonne von morgens bis abends ist vorhergesagt.


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Dummheit, Zufall oder Pechsträhne?

10.Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3146, 24.696 sm von HH

„Verflixt, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu“. Erst ist es nur ein Gefühl, eine Ahnung, dass irgendwas nicht stimmt. Jetzt ist es Gewissheit. Ich finde, derjenige, der unsere Voodoo-Puppen bearbeitet, hat genug Spaß gehabt.

Mit dem abgebrochenem Urlaub im November fing es an. Den verbuchten wir noch unter ‚dumm gelaufen‘. Dann kamen wir Mitte Dezember aus Auckland zurück (viel Pech beim Wetter gehabt – Atanga berichtete) und es sollte den Abend ein schnelles Nudelgericht geben. Beim Griff in den Schrank erwische ich was eklig Wabbeliges. Eine Packung aufgeweichte Spaghetti. Ihhhh, wie kann das denn sein?  Wo kommt denn die ganze Feuchtigkeit her? Im Schrank darüber lagern ein paar Bücher und Erinnerungsfotos. Aus den Klarsichthüllen lief das blanke Wasser. Fotos bis zur Unkenntlichkeit zusammen geklebt. Erinnerungsstücke, die ich vor anderthalb Jahren aus dem Nachlass von meinem Vater mitgebracht hatte. Unwiederbringlich kaputt. So ein Pech? Nein, da waren wir noch nicht so weit. Schuld war Pfusch am Bau – beziehungsweise Boot. Eigene Schuld. Eine Pütting (Durchbruch im Deck an dem die ganzen Drahtseile für den Mast befestigt sind) hatten wir nicht vernünftig abgedichtet. Seit August hat sich Regen seinen Weg in den Schrank und in die Fotos gesucht.

Der mühsame Versuch noch etwas zu retten – die Yacht-Zeitschriften mit meinen Artikeln haben es geschafft :-)

Endlich hatten wir Fotos von unserer Hochzeit an Bord – ich hatte mich so gefreut – wie gewonnen, so zerronnen

Ein paar Tage später taucht plötzlich eine dicke Schramme im Bodenbrett in der Pantry auf. Vierzig Zentimeter quer durch den frischen Lack gezogen. Warum quer? Wie kann das sein? Sherlock Sabine und Watson Achim ermitteln. Am Vormittag hat Achim auf dem Boden gehockt und im Motorraum eine Undichtigkeit (Zufall? Voodoo? Pech?) in der Wasserleitung gesucht und gefunden. Dabei muss es passiert sein. Der Delinquent guckt unschuldig. Er habe kein schweres Werkzeug benutzt, nichts über den Boden gezogen. „War es deine Kniemanschette?“, habe ich die zündende Idee. Nein, die war es nicht, aber ein Schraubenkopf steckte im Kniebereich vom Overall fest. Unbemerkt durch die Manschette hat der Kopf die Schramme gezogen. Das ist ja nun wirklich Pech!

Dann wollten wir mit den Arbeiten am Cockpit beginnen. Anhaltend schlechtes Wetter (so ein Pech) verzögerte die Arbeiten bis Weihnachten.  Nach acht Tagen mit Sonnenschein wieder schlechtes Wetter. Drei Tage Dauerregen.  Mit Böen von 40 Knoten Wind. Ausgerechnet jetzt! Haben wir doch die Schiebe-Luke für die Arbeiten ausbauen müssen. Natürlich (!) kommt der Wind genau von hinten. So schafft der Regen es quer durch den Salon.
Achim baut aus einer Plane und zwei Latten eine provisorische Luke. Beim raus krabbeln, rutscht ihm die eine Latte weg. :mrgreen: Die fällt so unglücklich, dass sie einen tiefen Cut in unseren Handlauf ( ebenfalls frisch lackiert) haut. Es reicht irgendwie.

Frischer Cut im Holz – man, man, man – muss doch nicht sein – besonders blöd, da wir solche Cuts gerade alle schön gemacht habe

In diesem Moment in dem ich schreibe, zieht ein Sturm über die Nordinsel. Der ehemalige Zyklon Hale aus Fiji hat sich etwas abgeschwächt, ist zum Tropensturm runter degradiert worden. Der Restwind, den er mitbringt, ist mit 40 Knoten aushaltbar – kennen wir ja schon von letzter Woche. Aber natürlich kommt er wieder von hinten und bläst gegen unsere provisorische Luke. Die Regenmengen sind unbeschreiblich.  In der Spitze 40 mm in zwei Stunden. Wenn einer das Schiff verlassen muss, endet das in einer mittelschweren Überflutung.

Natürlich sammelt sich das Wasser in den Beulen der Plane – und natürlich kann man nicht fehlerfrei einsteigen – inzwischen liegen schon ein halbes Dutzend nasse Handtücher herum

Ich würde sagen, wir haben einen Lauf! Vom erhöhten Pflasterbedarf, weil wir uns zeitgleich, aber getrennt voneinander schneiden und von der mysteriösen neuen Beule im Auto fange ich gar nicht erst an zu berichten.
Jetzt bloß nicht an eine Pechsträhne glauben.  Das führt nur zu selbstbestätigenden Prophezeiungen. Positives muss her. Wo haben wir Glück gehabt die letzte Zeit? Mir fällt der offene Joghurt im Kühlschrank ein, der nicht umgekippt und ausgelaufen ist. Immerhin. Und gestern habe ich ein Glas über den Salontisch gekippt. Nur mit Wasser. Bitte, geht doch!

Freitag ist der 13.te! Au weia. Da verlassen wir besser nicht das Schiff. Decken  die neuen Polstermit Plastikfolie ab, essen nichts mit Gräten und abends gibt es zum Trost ein Weinchen. Weißwein, aus dem Pappbecher, man weiß ja nie.


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Unterm Schottenrock

01.Jan23, Neuseeland/Waipu, Tag 3137, 24.696 sm von HH

„Unter dem Schottenrock ist gar nichts, da ist nichts und da war nichts“, dieser tiefgründigen Aussage in dem Schlager von Nico Haak aus dem Jahr 1977 wollen wir auf den Grund gehen. Jedes Jahr an Neujahr veranstaltet die Gemeinde Waipu ‚Highland Games‘. Dieses Jahr bereits zum 150ten Mal. Die größte Schottische Gemeinde findet sich zwar auf der Südinsel, aber die Nordinsel hat die ‚Highland Games‘.

Schon bei der Einlaufparade der Dudelsack-Pfeifer kommen uns die ersten Männer in Kilt entgegen. Das Tragen eines Kilts ist Männer vorbehalten. Frauen tragen auch Kariert und ebenfalls Rock, aber eben nicht den acht Meter langen Wickelrock aus Wolle.

Die Dudelsack-Gruppe mit Clan-Banner – McKanzie – McLoad – McDonald

Nicht nur dicke Backen machen – ein Pfeiffer mit vollem Einsatz

Es soll nicht stimmen – dass man anhand des Karos die Clan-Zugehörigkeit erkennt

Knielang muss der Kilt sein – soll beim in die Hocke gehen nicht den Boden berühren

Eine besondere Schnürsenkel-Bindung gehört zur Tracht

 

„Es ist Tradition, nichts darunter zu tragen, dagegen ist auch nichts einzuwenden“, ist der Tenor des Kilt-Verbandes. Getreu dem Motto „Let it swing“.
Mit billigen Tricks, wie Gegenstände fallen lassen und Schuhe zuzubinden, haben ein Heer an Touristen bereits versucht einen Blick unter Kilts zu werfen.
Wir lassen das – unsere Gelegenheit wird schon noch kommen – und folgen dem Zug auf den Festplatz.

Über dem Rock trägt der Schotte seinen Sporran – ohne Hosentasche weiß er ja nicht wohin mit seinem Geld und anderen Alltagsgegenständen

Es gibt Sackhüfen und Wettrennen für die Kinder, Freßbuden (übrigens kein Alkoholausschank, obwohl der Hauptsponsor der Spiele eine Brauerei ist) und kleine Bühnen mit schottischen Highland Dances.  Im Wettbewerb wird hier um Pokale getanzt. Die Tänze werden von einem Solo-Dudelsack begleitet. Im Orchester ein ganz schönes Instrument, solo gespielt, kommt es eher etwas eigensinnig rüber. Die Tänze haben Ballett-artige Züge und im Schwerpunkt viel Beinarbeit und Sprünge.

Nicht die schönste Tracht der Welt

Und auch nicht der schönste Tanz – um ehrlich zu sein

Aber es scheint keine Nachwuchs-Probleme zu geben

Die Hauptattraktion mit den meisten Zuschauern sind zweifelsohne die ‚Heavyweight Games‘. Zehn Kilo schwere Feldsteine oder Hämmer müssen so weit wie möglich gestoßen oder geworfen werden. Und es gilt Strohsäcke mit der Forke über eine meterhoch liegende Stange zu schleudern.

10 Kilo Feldstein-Weitstoß

Hammer Weitwurf

Der Höhepunkt ist das Baumstamm schleudern. Die Teilnehmer müssen einen Stamm von sechs Meter Länge und bis zu fünfundfünzig Kilo Gewicht senkrecht anheben, versuchen den Stamm von unten zu halten, ein bisschen Anlauf nehmen für den Schwung und dann soll der Stamm so geschleudert werden, dass er sich einmal komplett überschlägt. Dabei ist darauf zu achten, dass man selber nicht vom Stamm erschlagen wird.

In der Hocke wird mit den Händen am Baumstamm bis zum Boden entlang gefahren – Gleichgewicht finden

Anlauf nehmen

Abstoßen

Und auf den Überschlag hoffen – gelingt bei weitem nicht jedem und nicht immer

Zum Schluss gibt es noch ein Tauzieh-Wettbewerb. Wir haben lange nicht so gelacht. Gruppen von acht Personen konnten sich für ein Startgeld von 80 Dollar melden und gegeneinander antreten. Als Gewinn locken dem Sieger-Team immerhin 1600 Dollar – knapp tausend Euro.
Wenn acht männliche Muskelpakete aus der Fitness-Bude gegen die gemischte Truppe der Yoga-Freunde antreten, dann dauert es keine fünf Sekunden und der Drops ist gelutscht. Der Gegner wird förmlich über den Rasen gepflügt. Die eindeutigen Favoriten finden erst bei einer polynesischen Familie ihren Gegner. Die setzt schlicht auf ihre Masse. Die Frauen brauchen gar nicht richtig ziehen, allein ihr Schlussmann ist als Anker fest im Rasen verkeilt und kaum von der Stelle zu ziehen.

Die Muskel-Truppe – und final auch die Gewinner

Die Gruppe mit der höchsten Gewichtsklasse

Highland Games finden weltweit überall statt, wo sich Schotten angesiedelt haben. Wer mal die Gelegenheit hat, sollte sich das nicht entgehen lassen. Ein unterhaltsamer Tag. Rundherum gelungen.

Kommen wir zu dem Geheimnis zurück. Was ist denn nun unterm Schottenrock? Es war ein windiger Tag. :mrgreen: Und bei den Athleten wippt im Wettkampf nicht nur das T-Shirt hoch. Auch der Kilt wird so manches Mal angehoben. Was wir da zu sehen bekommen haben, ist bitter. Ein Mythos ist zerstört.

Mythos zerstört – ‚let it swing‘ war gestern


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Tschüss 2022 – Willkommen 2023

Silvester 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3136, 24.696 sm von HH

Atanga – ein Blog vom Segeln um die Welt … so lautet unser Motto auf der Homepage. Da kann man mal sehen, wie viel Mist tatsächlich so im Internet steht. :mrgreen: 2022 sind wir nicht eine einzige Meile gesegelt!
Bereits seit dreizehn Monaten stehen wir an Land. Unvorstellbar erschien mir das zu Beginn: Leiter hoch. Leiter runter. Und keine Toilette. Aber man gewöhnt sich an alles und im Nachgang war es gar nicht so schlimm. Was nicht zuletzt daran gelegen hat, dass wir sechs Monate nicht an Bord gewohnt haben: vier verschiedene House Sittings, diverse Air B&B und natürlich 3,5 Wochen Campingurlaub.
Unser Kahn sieht am Unterwasserschiff, unter Deck und natürlich das Deck selber fast wie neu aus. Wir haben sehr viel geschafft und können zufrieden aufs Jahr zurück blicken.
Tschüss 2022 – du warst ein gutes Jahr, trotz viel Arbeit und zu wenig Landreisen.

So soll es 2023 natürlich nicht weiter gehen (obwohl es im Augenblick noch anders aussieht… ein Foto poste ich schon Mal … Achim zerstört gerade unser Cockpit).

Prost Neujahr! Das kann ja heiter werden – nichts als Torf und Farbe hält unser Cockpit noch zusammen

Mit der Arbeit wollen wir Ende Januar fertig sein. Und dann hängt es davon ab, ob mein Fuß mitspielt oder nicht. Ist der Fuß okay, fahren wir für zwei Monate auf die Südinsel und im April kommt Atanga ins Wasser. Ist der Fuß doof, gehen wir schon im Februar ins Wasser zurück und statt wandern, wird gesegelt.

In jedem Fall schmeißt uns Neuseeland Mitte Mai leider raus. Unser Visum läuft aus. Und was kommt dann? Wie soll es weiter gehen?
Planung ist was für Optimisten, also hier unsere Idee: wir wollen zurück!
Der normale Segler-Weg führt Richtung Westen weiter – Australien oder Fiji, und/oder Neukaledonien, danach Indonesien. Und dort ist der Pazifik auch schon zu Ende. Nein, das wollen wir nicht! Wir möchten gerne noch mehr Pazifik sehen. Mussten wir doch wegen Corona an klangvollen Namen wie Tonga, Samoa und Cook Inseln gnadenlos vorbei segeln.
Also zurück. Eine Sundowner-Schnaps-Idee. Man segelt nicht mal eben einfach nach Osten zurück. Zumindest nicht auf der Barfuß-Route. Man muss sich hierfür schon in die höheren Breiten bewegen. 35 Grad Süd. Vielleicht sogar 40 Grad. Eine echte Schnapsidee, aber nach dem zweiten Bier ganz easy machbar. ;-)

Im Juni sollten wir dann in Französisch Polynesien angekommen sein. Von dort aus ist ein Besuch (hurra, von uns gemeinsam) in Deutschland geplant. Und den Rest des Jahres 2023 wollen wir die Marquesas besuchen. Die Inselgruppe von Französisch Polynesien, die eigentlich Pflichtprogramm ist und von keiner Crew ausgelassen wird, die wir aber bisher noch verpasst haben.
Willkommen 2023 – du liest, wir haben eine Menge vor mit dir. Also, packen wir es an.

Wir wünschen Euch einen guten Start ins neue Jahr. Mögen die Götter Euren Plänen gewogen sein


10

Frohe Weihnachten

Heiligabend 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3129, 24.696 sm von HH

Wir wünsche allen Lesern – nah und fern, persönlich bekannt oder nur virtuell – ein wundervolles Weihnachtsfest. Macht es Euch schön und gemütlich und habt eine großartige Zeit.

Das Boat Yard hat vor vier Wochen einen neuen Gas-Grill spendiert. Außerdem wurden die Tische und Bänke frisch geschliffen. Halleluja.  :-)
Das haben wir genutzt und es uns im überdachten Pausenraum so weihnachtlich wie möglich gemacht. Bei 25 Grad und ewiger Helligkeit am Abend ist das nicht so einfach. Aber endlich ist der Sommer in Neuseeland angekommen – scheußliches Regenwetter sollte nun endlich vorüber sein.

Merry Christmas – Peace in your world. Love in your home – Meri Kirihimete

Wir wünschen frohe Weihnachten hinaus in die Welt

Puhutukawa – der Weihnachtsbaum Neuseelands steht in voller Blüte – er funktioniert auch gut als Tischdeko

Der Chef am Grill

Ben – die Yard-Katze – ist auch in Stimmung

Keine Völlerei – sieht nur so aus – der Rest ist für Morgen – denn wir müssen Morgen gleich arbeiten – nur während der Weihnachtsferien steht uns die Halle zur Verfügung

Auf den Punkt – Yummi

Nachtisch geht immer


4

USA-Visum – alles eine Frage der Geduld

15. Dez., 22, Neuseeland/Auckland, Tag 3120, 24.696 sm von HH

Wer in die USA als Tourist einreist, braucht normalerweise kein Visum. Anders verhält es sich, wenn man mit dem Boot dort hinsegeln möchte – dann wird ein B1B2 Visum verlangt. In der Karibik und Südamerika hatten wir mehrfach die Gelegenheit an ein Visum zu gelangen, die haben wir jedoch nicht wahrgenommen. Wir sahen keinen Bedarf. In der Corona-Zeit haben wir gelernt, dass dies unseren Reise-Radius erheblich erweitert hätte, da war es aber zu spät. In Französisch Polynesien kann man das Visum nicht beantragen, weil die weder eine amerikanische Botschaft noch ein Konsulat haben. Aber jetzt haben wir die Möglichkeit in Auckland. Also auffi, packen wir’s an.

Bereits im September hat Achim die Anträge für uns fertig gemacht. Hier wird der Kuh das Kalb abgefragt: „Waren sie bereits in den USA? Wenn ja, wie lange und warum? Haben sie vor, Waffen in die USA einzuführen? Sind sie Mitglied einer terroristischen Organisation? Wollen sie Geldwäsche in den USA betreiben?“ Offensichtlich ist unser Lebenslauf lupenrein (oder zumindest die Antworten ;-) ). Wir bekommen eine Einladung zum ‚Interview‘. Bei Interview taucht vor dem geistigen Auge ein Büro mit Schreibtisch, Keksen und einer Tasse Kaffee auf.

Wir fahren also nach Auckland. Schon einen Tag vor dem Termin. Unser verregneter Besuch im Juli soll durch einen schönen Tag entschädigt werden. Kaum haben wir eingecheckt, fängt es zu nieseln an, was zum Nachmittag und Abend in Dauerregen übergeht. Bäh!
Am nächsten Vormittag dann unser Termin. Es gießt wie aus Eimern. Wir stehen etwas zu früh vor dem Konsulat. Achim schlägt vor, dass wir schon rein gehen, vielleicht kommen wir ja etwas früher dran.

Beim Eintreten verschlägt es uns die Sprache. In einem winzigen Raum stehen ein Taschen-Durchleuter und ein Metalldetektor. Und vierzig andere Menschen. Die Schlange ist so lang, dass sie in einen Nebenkorridor führt. Ungefragt stellen wir uns ans Ende der Reihe. Eine gute Entscheidung, wie sich noch herausstellt.
Es ist eng wie im Flugzeug, wenn alle Passagiere gleichzeitig aufstehen. Die Luft ist zum Schneiden. Im überhitzen Raum dampfen die regennassen Klamotten.  Ein Visums-Interview soll fünf bis zehn Minuten dauern. Die Rechnung ist einfach – im schlechtesten Fall 40 mal 10 Minuten – Wartezeit ab hier noch 6 Stunden, oder wie?
Es geht nur langsam voran. „Jesus“ oder „Oh my godness“, sind die Kommentare der Neuankömmlinge. Hinter uns wächst die Schlange weiter. Erste Leute werden wieder weg geschickt. Wer fragt, verliert. „Bitte im Erdgeschoß warten, euer Termin verfällt nicht.“ Wir tauschen uns mit den Nachbarn aus. Alle haben mit fünfzehn Minuten Versatz die gleiche Uhrzeit für ihren Termin genannt bekommen. Es geht doch nichts über gute Organisation.

US Konsulat – mit verdrehter Flagge – symbolträchtig für verdrehte Terminvergabe?

Nach einer Stunde haben wir die Durchleuchtung passiert und werden in einen Nebenraum geleitet. Erneut eine Warteschlange. Dreißig Personen jetzt vor uns. Fünf Schalter geöffnet. Die Rechnung ist wieder einfach. Im schlechtesten Fall noch eine weitere Stunde Wartezeit.
Schnell verschwindet die Phantasie vom Interview mit Schreibtisch und Keksen. An Ticket-Schaltern, ähnlich wie am Bahnhof, werden die Antragsteller abgefertigt. Dank der Lautsprecher hinter der Glasscheibe bekommen wir alles mit. Hier ein Student, der nach Kalifornien möchte, dort eine Frau, die ihre Schwester seit neun Jahren nicht gesehen hat. Das asiatische Paar, was auswandern möchte und am letzten Schalter wird es richtig indiskret. Der Antrag wird heiß diskutiert, weil der Typ schon mal Ärger an der US-Grenze hatte.

Endlich sind wir an der Reihe. Unsere Story, dass wir das Visum für die Einreise mit dem Boot benötigen, kommt bei der Sachbearbeiterin gut an. Cool findet sie, dass wir um die halbe Welt mit dem Boot gesegelt sind. „Wie groß ist das Boot? Nur Ihr zwei? Habt ihr schon mal andere Schiffe unterwegs gesehen und was macht ihr dann?“ Während sie uns ausfragt, werden die Pässe gescannt, Fotos wechseln den Besitzer und wir müssen alle zehn Fingerabdrücke abgeben. „Visa genehmigt“, lächelt sie uns an.
Die werden in unsere Pässe geklebt und uns innerhalb von zehn Tagen nach Whangarei zugeschickt (in speziellen Umschlägen, die wir vorher gekauft und mitgebracht haben). Gültigkeit: zehn Jahre, Kostenpunkt: stolze 350 Euro (inklusive Fotos, Gebühren und Anreise), Wartezeit im Konsulat: zwei Stunden. God bless America.

Als wir Auckland wieder verlassen, hört es auf zu regnen. :evil:

Lichterarme Weihnachtsdeko in Auckland – hat auch nicht so viel Sinn – der längste Tag des Jahres ist nah

Schlechtes Wetter in Auckland


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Ist das ACC?

07.Dez., 22, Neuseeland/Whangarei, Tag 3112, 24.696 sm von HH

Wider besserer Ahnung, das wir erfolgreich sein werden, fahren Achim und ich zu einer orthopädische Klinik im Ort. Mein Fuß will nicht besser werden. Im Internet habe ich die Beschreibung meiner Schmerzen gefunden – die Diagnose von Doktor Google lautet: Sehnenüberlastung oder -entzündung! Die Empfehlung dazu, Schonung und 1200 mg Ibuprofen, um einer Entzündung entgegenzuwirken. Ich habe mir diese hohe Dosierung für eine gute Woche verordnet. Es wurde besser, dann kamen die Schmerzen zurück. Seitdem rolle ich den Fuß gar nicht mehr ab, sondern humpel mich vorwärts. Das führt sicher schnell zu Haltungsstörungen an der Hüfte. Das kann so nicht weiter gehen.

Nun soll also ein Fachmann einen Blick darauf werfen. Die Dame an der Rezeption in der Orthopäden-Klinik schaut freundlich, weist uns aber ab. Wir müssen eine Überweisung vom ‚White Cross‘ haben und erste Termine seien sowieso erst im März verfügbar.
Wir düsen also zum ‚White Cross‘. Das ist eine Art Notfall-Klinik. Wer nicht gerade den Kopf unterm Arm trägt, aber Beschwerden beliebiger Art oder einen Unfall hatte, wird hier vorstellig. Entsprechend voll ist der Warteraum.

Die Dame an der Rezeption ist ebenfalls sehr freundlich. Kurz beschreibe ich meine Symptome. „Ist das ACC?“, fragt sie. „Was ist ACC?“ „Wenn du einen Unfall hattest, dann fällt das unter ACC (accident compensation cooperation) und alle Behandlungen sind für dich kostenlos. Das gilt für alle Neuseeländer und jeden Gast im Land.“
Ich berichte, dass es nicht diesen einen Moment gab, keinen unmittelbaren Unfall, sondern die Schmerzen schleichend stärker geworden sind. „Ich schreib trotzdem ACC. Mit Fragezeichen. Eine Krankenschwester wird dich aufrufen und die entscheidet.“
Sie bittet uns Platz zu nehmen – Wartezeit ungefähr vier Stunden.

Merkblatt im White Cross, was alles unter ACC fällt. Unfälle, Verbrennungen und Bisse zum Beispiel. Interessant, dass extra die Bisse von Menschen erwähnt werden. ;-)

Achim war so nett mich zu begleiten. Den schicke ich weg. Es reicht, wenn mein Hintern platt gesessen wird. Schlecht vorbereitet ohne Lesestoff und mit einem Handy mit Rest-Akku von 13 Prozent sitze ich und langweile mich. Viel Zeit die anderen Patienten zu beobachten.
Dann kommt die Schwester. Meine persönlichen Daten werden aufgenommen. Ich schildere, was mir weh tut, dass es beim Wandern angefangen hat. Wieder die Frage nach einem Unfallereignis. Damit kann ich nicht dienen. Ich soll trotzdem ein Datum nennen, wann die Schmerzen begonnen haben. Ich nenne eins. Die junge Frau trägt das Datum in ihr Formular ein und lächelt. „Dann haben wir ACC. Wir wollen doch nicht dein Geld verschwenden.“ Sie fragt kurz einen Arzt, ob ein Röntgen erforderlich ist. Der nickt. Ich bekomme einen Laufzettel für die Röntgenabteilung und setzte mich danach ins Wartezimmer zurück, um auf einen Arzt zu warten.

Nach drei Stunden Wartezeit kommt Achim wieder zu mir. „Hast du was zu essen mitgebracht? Mir knurrt der Magen.“  Er schüttelt den Kopf: „Du kannst doch hier nichts essen. Niemand isst hier etwas.“  Nein natürlich isst hier niemand. Denn alle Menschen, die vor mir da waren, sind verschwunden und alle, die nach mir kommen, werden vor mir aufgerufen. Warum sollten die also etwas essen wollen?

Mit zunehmender Ungeduld warten wir bis die vier vorangekündigten Stunden vorüber sind. Ich gehe zum Tresen und frage vorsichtig (ein Schild gemahnt, dass man ja freundlich sein soll, sonst fliegt man raus), ob man mich vielleicht vergessen haben könnte. Eine neue Dame hinter der Rezeption schaut ins System. „Du bist aufgerufen worden, hast aber nicht geantwortet.“ Ausrede! Das stimmt nicht. Wir haben beide nichts gehört und außerdem ist ja auch bei jedem Aufruf jemand aufgestanden, wie wir mit Argusaugen beobachtet haben.

Es ist nicht zu ändern. Zehn Minuten später bin ich dran. Die Ärztin hat keinen Bock auf Fuß. Ich brauch nicht mal den Schuh ausziehen. Keine Beweglichkeitskontrolle, nichts. Es sei aber nichts gebrochen, versichert sie nach einem Blick auf das Röntgenbild. Auf eine weitere Diagnose will sie sich nicht einlassen. Wie auch? Ohne Untersuchung. „Versuch es mal mit 1200 mg Ibuprofen.“  :mrgreen:
Dann drückt sie mir noch eine Überweisung für eine Physiotherapie in die Hand: „Ist ja ACC – ist kostenlos für dich.“

Ich suche mir eine Praxis in der Nähe vom Boat Yard heraus und bin überrascht. Schon vier Tage später habe ich einen Termin. Dann die nächste Überraschung. Äußerst professionell werde ich von einer jungen Frau in Augenschein genommen mit verschiedenen Mobilität-Tests und einer gründlichen Prüfung, wo und wann es weh tut. Ihre Diagnose: Sehnenüberlastung.
Sie zeigt mir ein paar Übungen zur Stärkung der Muskeln um die Sehne herum. Und sie erklärt mir, wie und wie oft ich den Fuß belasten soll. Leider gibt sie mir auch eine schlechte Nachricht – die Heilung kann zwischen sechs Wochen und einem Jahr dauern. Nächsten Montag soll ich aber wieder kommen: „Dann bekommst du Stoßwellen. Die helfen einigen Patienten, leider nicht allen. Die sind aber umsonst – ist ja ACC.“
Dankeschön Neuseeland. Das ist sehr großzügig von dir.


4

Abbruch!

16.-18. Nov. 22, Neuseeland/Oakura, Tag 3091-93, 24.696 sm von HH

Ende, aus, vorbei! Wir brechen unseren Urlaub vorzeitig ab.
Die Fahrt von Wellington zum nächsten Stopp ist ein Küstentraum. Immer wieder eröffnen sich bei Sonnenschein tolle Blicke auf Strände und Felsformationen. So viele Orte in Neuseeland reizen, um tagelang zu verweilen.

An der Küste hinter Wellington – lohnenswerte Nebenstrecke

Immer wieder schöne Ausblicke auf die Küste

Unser Ziel heißt Oakura und liegt am Fuße des Taranaki. Ein majestätischer, alleinstehender Vulkan von 2600 Meter Höhe. Schon von weitem kann man seinen Schnee bedeckten Gipfel sehen. An guten Tagen. Wir sehen nur Wolken.
Der Campingplatz ist gut gewählt. Wildromantisch können wir unser Zelt direkt am schwarzen Sandstrand aufbauen. Niemand macht uns den Gemeinschafts-Grill streitig. Ein schöner Abend. Nur der Wetterbericht … brrr.

Das Zelt steht direkt am Strand – besser geht es nicht

Leerer Campingplatz für uns ganz alleine

Grillplatz mit Aussicht

Am nächsten Morgen nieselt es. Die Wolken hängen tief. Alles ist grau in grau. Ein Strandspaziergang endet im strömenden Regen. Dazu mein Hinkebein. Der Fuß will jetzt gar nicht mehr. Wir hocken in der Gemeinschaftsküche und starren in den Regen. Die Prognosen sehen schlechtes Wetter für die nächsten sieben Tage – für die komplette Nordinsel sogar. Um die Laune etwas zu heben, ziehen wir um in eine Cabin auf dem Campingplatz. Die können wir leider nur für eine Nacht bekommen, da sich fürs Wochenende ein Trupp Motorradfahrer angemeldet hat. Hüttenverlängerung also ausgeschlossen. Das gibt dann den Ausschlag: wir entscheiden uns zurück zum Schiff zu fahren. Wandern kann ich im Augenblick nicht mehr. Und das Wetter ist so schlecht, dass wir auch vom Auto aus nichts sehen außer Wolken. Das ist sehr schade. Hatte ich doch die Highlights ans Ende unserer Nordtour gelegt: den Taranaki und im Anschluss den Tongariro. Ebenfalls ein Vulkangebiet.

Ein früher Strandspaziergang ist noch drin – danach geht die Welt unter

aus wildromantisch ist düster geworden – es gießt wie aus Eimern

Eine einfache Hütte – aber mit Überdachung – sogar bei Regen können wir draußen sitzen

Wir entschließen uns, die 550 Kilometer zu Atanga in einem Rutsch zu fahren. Das ist in Neuseeland eine weite Strecke. Die sogenannten Highways sind (außer um Auckland herum) nur Landstraßen. Manchmal etwas besser, manchmal eng und kurvig. Ein Schnitt von mehr als 60 Kilometer in der Stunde ist nur selten raus zu fahren. Bei Dauerregen kein Vergnügen. Aber nach neun Stunden haben wir es geschafft.

Atanga steht unverändert wohlbehalten da. Ankunft am Freitagabend. Ein schlechtes Timing. Liegen doch unsere Sitzpolster beim Polsterer. Der hat vor ein paar Tagen angerufen, dass er mit der Arbeit fertig ist. Aber der hat jetzt bereits zu, so dass wir übers Wochenende ohne Sitzkissen auskommen müssen. Das ist machbar. Und wir sind froh, dass er seine Arbeit so zeitig vor der Abmachung schon fertig hatte. Guter Mann. Und gute Arbeit, wie wir am Montag glücklich feststellen dürfen. Jetzt fehlen noch passende Kissen. Ein erster Bezug ist in Arbeit. Eine passende Farbe nicht so leicht zu finden. Es wird wohl ein bunter MIx an Material und Muster werden. :-)
Die Arbeiten unter Deck, die wir geplant hatten, sind somit tatsächlich abgeschlossen. Ein gutes Gefühl und ein schönes neues Schiff unter Deck. Alles strahlt. Wir auch.

Am Montag dann der Einbau – die Farbe vom Stoff ist nicht einzufangen – er wirkt hier etwas trist

es ist weder so blass wie es scheint und auch nicht lila – verschiedene Rosttöne sind mit grau-beige verwoben

P.S. Wir sind jetzt bereits zwölf Tage wieder zurück. Mit leichter Befriedigung habe ich den Wetterbericht am Taranaki  und Tongariro verfolgt. Wir sind nicht zur falschen Zeit abgereist. Die Berge waren für komplette zehn Tage in den Wolken verschwunden. ;-)


9

Oh, du schönes Wellington

14./15. Nov. 22, Neuseeland/Wellington, Tag 3089/90, 24.696 sm von HH

Aufgrund der schlechten Regenstatistik in Wellington haben wir vier volle Tage eingeplant, um wenigstens einen guten Tag zu erwischen. Entgegen der Prognosen haben wir (fast) nur schönes Wetter. Umso besser. Das gibt uns viel Zeit für diese großartige Stadt.
Und Achim fällt auf, dass für ihn an dieser Stelle seine Erdumrundung bereits vorzeitig vollendet ist. Damals mit dem Flugzeug aus Westen hier gelandet und nun aus Osten kommend mit dem Schiff (und ein Stück Auto ;-) ) am selben Platz stehend. Okay, dann können wir ja die Aktion Weltumsegelung an dieser Stelle beenden. :mrgreen: Mission erfüllt.

Natürlich gehört zu einem Wellington-Besuch auch eine Fahrt mit der Cable Car dazu. Diese Straßenbahn ist gerade 120 Jahre alt geworden und erleichtert das Erreichen der Oberstadt, die steil über dem Zentrum an den Hängen klebt.
Die Cable Car endet im botanischen Garten und fast vor der Haustür unseres Air B&B. Hinter unserer Herberge beginnt gleich ein Naherholungsgebiet mit weitläufigen Wanderwegen – direkt auf einem Berg-Grat angelegt.  Mit einem weiten Blick über die ganze Bucht.

Aktuelle Waggons der Cable Car – das Design wurde mehrfach verändert

Endstation – mitten im botanischen Garten

Etwas Besonderes ist auch der alte Friedhof mitten in der Stadt.

Alt und modern – der Friedhof liegt mitten im Zentrum

Die Stadt wurde um die 150 Jahren alten Gräber einfach drum herum konstruiert

Alle Kinder an Scharlach verloren

Alle Kinder ans Feuer verloren

 

Zurück laufen wir durch durchs Wohngebiet mit aberwitziger Bauweise. Die Häuser stehen mit dem Rücken zum Berg. An der Kante steht die Bodenplatte ein paar Meter auf der Flanke vom Berg. Der Rest des Hauses steht auf Pfeilern. Zehn, fünfzehn Meter lang. Manchmal vielleicht noch mehr. Das Haus schwebt quasi über dem Abgrund. Auch ohne Erdbebengefahr eine gewöhnungsbedürftige Wohnweise.

Gewagte Hang-Architektur

Nebenstraße mitten im Zentrum von Wellington

Fast dörfliche Stimmung – drei Straßen oberhalb vom Zentrum

Im Regierungsviertel fällt besonders der sogenannte Beehive – der Bienenkorb – ins Auge. In dem extravaganten Gebäude befinden sich die Büros der  Premierministerin und der Kabinettsmitglieder. Eine Führung ist kostenlos, da sagen wir nicht nein. Das eigentliche Parlamentsgebäude ist mit dem Beehive verbunden und hundert Jahre. Es wurde 1995 mit unterirdischen Sockelisolatoren versehen. Diese großen Lager aus Gummi und Stahl sind eine neuseeländische Erfindung und sollen Erdbeben bis 7,5 absorbieren. Weltweit findet diese Technik Einsatz.

Neuseeland war das erste Land in dem das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Einer Legende nach haben die Frauen nur darum gekämpft, um das Verbot von Alkohol voran zu treiben. ;-)

Der Beehive von Wellington

Beehave mit Parlament und Bibliothek ergeben eine bunte Stil-Einheit

Staatsbibliothek

So grün ist Wellington – die Bergkette hinter dem Beehave ist ein Naherholungsgebiet

Abwechslungsreiche Tage bietet uns Wellington. Die letzte Nacht verbringen wir in Upper Hutt – einem Vorort von Wellington. Dort sind wir von einem Ex-Kollegen von Achim eingeladen worden. Erstaunlicherweise bereits der vierte Kollege bzw. Chefin auf unserer Reise  (Lissabon, Lanzarote, Ecuador und jetzt hier) – verrückte, kleine Welt.
Danke Mike und Lynley für Eure Gastfreundschaft und den leckeren Grillabend. Wir kommen wieder.

Upper Hutt – tolles Tal vor Wellington

Der Eingang zum Rosengarten von Mike und Lylin – so lässt es sich wohnen

;-)


14

Seebären

So., 13. Nov. 22, Neuseeland/Wellington, Tag 3088, 24.696 sm von HH

Wellington kann noch mehr als nur Stadt sein. Nur ein paar Kilometer außerhalb vom Zentrum gibt es eine Seebären-Kolonie. Die muss man sich allerdings erlaufen. Aber am Strand entlang ohne Steigungen bekomme ich das noch hin gehumpelt.
Zunächst hängen die Morgenwolken noch tief an der felsigen Küste. Sie gehen runter fast auf Meeresniveau. Die Cook Strait ist in grau gehüllt, nur ein paar Menschen sind hier am Sonntag unterwegs. Wunderschön öffnen sich die Blicke als der Nebel sich lichtet.

Der Hinweg noch in grau

Die Fähre zwischen den beiden Inseln kommt nach Wellington zurück

Moose – Algen – Flechten

Mystisch – neblig – schön

Frühsommer – alles blüht

Nach knapp vier Kilometern erreichen wir die ‚Red Rocks‘, hier sollen die Seebären zu sehen sein. Auf der Nordinsel gibt es nur zwei, drei Stellen an denen man Seebären sehen kann. Die meisten der 60.000 Tiere wohnen im Süden der Südinsel. Im 19.ten Jahrhundert hatte man die Neuseeländischen Seebären – die Fur Seals – fast ausgerottet. Heute sind sie geschützt und ihr Bestand gilt als gesichert. Nur noch Weiße Haie und Orkas sind ihre Feinde. Und Fischernetzte in denen sie sich verfangen können.

Die Seals liegen gut getarnt auf den Steinen. Erst nach einiger Zeit entdecken wir ein paar faule Würste zwischen den Felsen. Die Kolonie ist klein um diese Jahreszeit. Nach der Paarung im Februar wandern die Tiere umher und verteilen sich großräumiger. Aber ein paar verbliebene Jung-Männchen machen uns die Freude sich in der Sonne zu wärmen.
Die Seebären lassen sich von uns nicht stören, maximal wird eine Augenbraue gehoben. Man soll nur aufpassen, dass man nicht zwischen Wasserkante und Seal gerät. Dann kann es auch schon mal tierischen Ärger geben. Und die beinlosen Klopse sind an Land überraschend schnell unterwegs.

Suchbild zwischen den Flechten und Steinen – genau in der Mitte liegt der Seebär

Der Neuseeländische Seebär

Eingezogene Krallen

Ein Seal planscht etwas lustlos im Wasser

Ein letzter Gruß bevor der Seebär baden geht

Ausgewachsene Männchen können bis 2,5 Meter groß werden, die Weibchen sind mit anderthalb Metern deutlich kleiner. Nach rund einem Jahr Tragzeit wird immer nur ein Junges geboren. Das müsste um diese Jahreszeit passieren. Die Mutter bleibt dann zehn Tage beim Neugeborenen bevor sie wieder Fischen geht. Die Kleinen warten in einer Jungtier-Kolonie alleine an Land bis die Mütter zurück kehren. Dies bekommt man aber nur auf der Südinsel zu sehen.

Der Rückweg ist bei Sonnenschein anders schön

Die Farben leuchten am schwarzen Kieselstrand


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Wellington – schönste Hauptstadt der Welt?

12.Nov. 22, Neuseeland/Wellington, Tag 3087, 24.696 sm von HH

Zumindest wird Wellington regelmäßig von einschlägigen Reisemagazinen unter die Top 20 der schönsten Hauptstädte gewählt. Häufig bleibt dabei die Quote an Regentagen unerwähnt: über fünfzig Prozent! Folgerichtig regnet es, als wir am ersten Morgen unseres Aufenthalts einen Stadtbummel Richtung Hafen unternehmen. Okay, kein Problem, Wellington hat auch eines der schönsten Museen. Das Te Papa Tongarewa – Ort der Schätze, was es übersetzt bedeutet. Es beherbergt kulturelle Maori- und Pazifik-Schätze auf vier Etagen. Der Eintritt ist kostenlos, wow!

Am besten gefällt uns die Natur- und Geologie-Abteilung. Vieles ist zum Anfassen oder Interagieren. Es ist nicht nur für Kinder spannend, aus Bausteinen ein Erdbeben sicheres Gebäude zu bauen oder im Wellensimulator einen Tsunami zu erzeugen.
In einem Erdbeben-Raum bekommt man eine Vorstellung davon, wie es sein muss, wenn das eigene Haus anfängt zu wackeln. Achim war während seiner beruflichen Zeit häufiger in Wellington und hat mir immer von einem Grauwal-Gerippe an der Museums-Decke vorgeschwärmt. Das ist leider demontiert. Wie schade. Wahrscheinlich musste es Platz machen für eine riesige Ausstellung über den 1. Weltkrieg, die uns absolut nicht erreicht.

Geblieben sind zwei Skelette von Moas, den ausgestorbenen Riesenvögeln aus Neuseeland.  Die Strauß ähnlichen Laufvögel waren Giganten. Geschätzte 180 bis 270 Kilogramm schwer und sie haben Eier von bis 4,5 Kilogramm Gewicht gelegt. Wahrscheinlich wurden die Moas von den ersten polynesischen Siedlern ausgerottet. Die arglosen Tiere waren Menschen nicht gewöhnt, hatten keine Angst und waren leicht zu fangen. Es mussten nicht mal spezielle Jagdwaffen entwickelt werden. Dementsprechend ging die Ausrottung rasend von statten. Wissenschaftler vermuten, dass es in Coromandel nur fünf Jahre gedauert haben dürfte.

Skelette von ausgestorbenen Moas – die Besonderheit ist der Schatten. Es ist nämlich nur eine Projektion und kein echter Schatten. Plötzlich fangen die Schatten-Moas an zu grasen und weg zu laufen – schön gemacht!

Eine Besonderheit ist das ausgestopfte Exemplar eines Polynesischen Hundes. Die Reisegefährten der Polynesier, die sie in ihren Kanus mitbrachten, dienten zur Jagd und zur Gesellschaft, als Sonntagsbraten und Fell-Lieferant. Mit europäischen Hunden waren sie nicht kreuzbar, so dass sie ebenfalls ausgestorben sind. Im Te Papa steht wahrscheinlich das letzte Exemplar dieser Art.

Polynesischer Hund – er war nicht kreuzbar mit europäischen Rassen – ob es am Aussehen gelegen haben könnte?

Nach dem Museum hat sich der Regen verzogen und Wellington zeigt, warum die Stadt als Schönheit gilt. Wellington ist mit weniger als 200.000 Einwohnern sehr klein und traumhaft gelegen. Angeschmiegt an einen Naturhafen mit einem schmalen Zugang zur Cook Strait, der berüchtigten Meerenge zwischen Nord- und Südinsel. Die beiden Inseln liegen nur 22 Kilometer an der schmalsten Stelle auseinander. Ein Ansteigen des Meeresgrunds und ein Düseneffekt machen aus der Cook Strait eine der rauesten Meeresengen der Welt. Ungewöhnlich hohe Wellen sorgen häufig für den Ausfall der Fähren, die ab Wellington auf die Südinsel starten. Windy Welly trägt Wellington als Beinamen, Fallboen aus den umliegenden Bergen haben Schuld.

Wellington – the windy city – windy Welly

Davon merken wir nichts – bei vorsommerlichen Temperaturen schlendern wir weiter. Das heißt, Achim schlendert. Ich hinke hinter ihm her. Seit der Wanderung am Lake Waikaremoana kann ich den rechten Fuß nicht mehr schmerzfrei abrollen.  Schonen oder ignorieren? Liest vielleicht ein Orthopäde mit? ;-) Ich entscheide mich fürs Humpeln.

Wellington Hafen – Rechts im Bild erkennt man bereits die Cook Strait

Marina Flair im Stadtteil Mt. Victoria

Buntes Straßenbild in Wellington – Restaurants jeder Geschmacks- und Preisrichtung

Cuba Street – die quirlige Fußgängerzone

Typische Drohgebärde vom rituellen Haka (Haka bedeutet Tanz) statt bravem Ampelmännchen

Maori – Skulptur am Hafen

Untergekommen sind wir wieder in einem Air B&B. Diesmal mit glücklichem Händchen. In einer tollen Wohngegend (Thornton) wohnen wir bei Lucy in ihrem super sauberen Appartement. Das Haus steht auf einem Eckgrundstück, hat insgesamt sechs Wohnungen und liegt direkt am Fuß einer kleinen Bergkette, die mitten durch Wellington führt. Steil muss man sich die Nebenstraße zum Eingang hoch kämpfen.
Die Hauptstraße liegt direkt auf der „Fault-Line“ von Wellington, erzählt uns Lucy. Beim Kauf des Hauses sei sie ausdrücklich davor gewarnt worden. Diese Bruch- bzw. Verwerfungslinie zieht sich quer durch die Stadt. Die pazifische und australische Platte reiben sich in 25 Kilometer Tiefe genau an dieser Stelle aneinander. Genau unter unserer Unterkunft.
Alle 150 Jahre geht man von schweren Erdbeben aus – mit Land-Verschiebung von bis zu einem Meter. Gut, dass wir im Te Papa im Erdbebenhaus gelernt haben, was wir tun müssen, falls es zu wackeln beginnt. ;-)

Air B&B bei Lucy – alles in Laufnähe zum Centrum – tolles Lage, tolle Wohnung, tolle Gastgeberin

Deko bei Lucy – viel frische Blumen in allen Zimmern und alles etwas retro

Typisch für den Stadtteil Thornton – steile Wohngegend


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Der Tod einer Stadt – Napier

9./10.Nov.22, Neuseeland/Napier, Tag 3080-81, 24.688 sm von HH

Wir sitzen im Museum in Napier und schauen eine Dokumentation über das verheerende Erbeben in Napier, das am 3.Februar 1931 die Stadt dem Erdboden gleich machte. Zeitzeugen berichten in dem Film über ihre persönlichen Erlebnisse an diesem Tag. Eine Frau erzählt, sie seien aus der Schule gerannt, als die Erde zu beben begann. Stolpernd haben die Kinder sich ins Freie gerettet als hinter ihnen das Schulgebäude zuzammenstürzte. Sie habe sich dann Richtung Stadt umgedreht. Wo eben noch Häuser standen, seien nur noch Staubwolken zu sehen gewesen: „Der Tod einer Stadt“, sagt sie mit brüchiger Stimme.
Das Erdbeben hatte damals eine Stärke von 7,8 auf der Richter-Skala und kostete über 250 Menschen das Leben. Was an Gebäuden noch stehen geblieben war, wurde durch ein anschließendes Großfeuer zerstört.

Zeltunterkünfte für Obdachlose – erstaunlich finde ich die Anzahl an Autos – 1931

Der besondere Wiederaufbau der Stadt ist der Grund, warum heute Napier in keinem Reiseführer unerwähnt bleibt. Auch Napier war von den Auswirkungen der damaligen Weltwirtschaftskrise betroffen, trotzdem wollte man ein Zeichen setzen – „Lasst uns eine neue Epoche beginnen“ – und beschloss die Stadt im Art-déco-Stil wieder aufzubauen.
Dieser Stil hatte in den 1920er Jahren in Frankreich seinen Höhepunkt erreicht und zeichnet sich durch glatte, klare Formen aus. Dies war mit Betonplatten preiswert herzustellen. Und die Pastelltöne entstanden automatisch – Farbe war knapp – durch das Verdünnen mit Wasser.
Die Art-déco-Häuser werden seit hundert Jahren liebevoll erhalten und restauriert, so dass Napier heute wie ein Knallbonbon-bunter Kunst-Ort wirkt.
Eine schöne Stadt zum Schlendern und um sich von einer Bäckerei zur nächsten zu schleppen und köstliche Kuchen in der Fußgängerzone zu genießen. Aber bitte nur im Windschatten. Der Wind kommt aus südlicher Richtung und ist eiskalt. Im Windschatten sind dann wiederum zwanzig Grad.

Geometrische Linien überwiegen

alles super in Schuss

Feuer Brigade

Feuer Brigade

Symmetrisch – klare Linien

Tolles Stadtbild in Pastell

Nette Stadt an der Küste

Untergekommen sind wir in einem Air B&B, da uns die Campingplätze in Napier zu außerhalb liegen. Zu Fuß ist es von dort zu weit in die Stadt und Motels sind alle ausgebucht (Unterkunft für Obdachlose). Also Air B&B, obwohl wir es nicht so sehr mögen.
Peter und seine Frau Ann sind liebenswürdig und heißen uns herzlich willkommen. Peter fährt sofort seinen Wagen aus der Garage, damit wir unser Auto dort parken können. Ann ist schüchtern, sie wirkt wie achtzig, aber wenn man genau hinschaut, kann sie erst Mitte sechzig sein. Das Haus ist voll gestellt mit Nippes und die Wände sind gepflastert mit Bibel- und Sinnsprüchen. Unser Zimmer ist ein Traum in pink und Rüschenkissen.

Der Hintereingang in die Küche – ein hundert Jahre altes hübsches Hexenhaus

Wir unternehmen einen ersten Gang in die Stadt zur Orientierung. Als wir zurück kommen, ist auch das zweite Gästezimmer belegt. Mit einer älteren Dame. Wir haben uns aus der Stadt eine Tiefkühlpizza mitgebracht, die in den Ofen kommt. Ann und die Gästin sitzen am einzigen Tisch neben der offenen Küche, der nur zwei Stühle hat. Die beiden Damen unterhalten sich angeregt. Mal untereinander, mal werden wir ausgefragt. Dass unsere Pizza fertig ist und wir die Teile im Stehen verdrücken müssen, erkennen die beiden nicht. Sie sitzen am Tisch und sind in ihre Unterhaltung vertieft.

Am nächsten Morgen zum Frühstück wird es noch besser. Ein Freund der Familie ist da. Er komme immer mal vorbei, trinkt einen Kaffe und hält ein Schwätzchen. Peter, Ann, der Freund, die Gästin und wir – macht sechs Personen. Und zwei Stühle am Tisch. Als wir uns einen Kaffe und Tee kochen, kommt Peter mit einem Besen und fegt Krümmel zwischen uns zusammen. Alle laufen durcheinander, alle quatschen durcheinander. Wir werden an den Tisch genötigt zu Sitzen. Ahh! Der kalbsgroße Hund der Famile (Cosmo) legt seinen Kopf auf den Tisch. Zwischen meinen Teller und den Becher. Es ist ein Tollhaus. :mrgreen:
Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder wir werden bekloppt oder lassen uns darauf ein. Wir lassen uns ein und erfahren erneut interessante Dinge über Neuseeland und seine Menschen. Als ich unser Geschirr abwaschen möchte, widerspricht Peter: „Dieses Haus hat nur eine Regel: unsere Gäste sollen nicht arbeiten“.

P.S. Der zweite Morgen ist das totale Gegenteil. Keiner da außer uns. Selbst der Hund ist weg. Ein Tisch ist gedeckt mit Brot, Cerelalien, Joghurt und Früchten. Wir sollen uns nach Herzenslust bedienen. Air B&B – ein echter Abenteuer-Spielplatz mit Überraschungen.

Die Küche von Peter und Ann

 


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