Das Weiße muss auch runter
Fr.,11.Jan.22, Neuseeland/Whangarei, Tag 2813, 24.688 sm von HH
„Wie? Das Weiße muss auch runter?“ Ich schaue Peter ungläubig an. Wir haben ihn zur Begutachtung des Decks und Zwischenbesprechung an Bord gebeten. „Down to zero“, nickt er zustimmend. Zero Mitleid in der Stimme. Hatte ich mir etwas Lob über das blitzweiße Deck erhofft, so werde ich bitter enttäuscht. Ich bin für Lob empfänglich, ist Achim doch schon sparsam, um nicht zu sagen knickerig, damit. Für Peter scheint Lob ein ganz unbekanntes Wesen zu sein.
So können wir keine Freunde bleiben, lieber Peter.
Das schneeweiße Deck lässt Peter nicht jubeln
Bei ‚dem Weißen‘ handelt es sich um Gelcoat. Unschleifbar das Zeug. Zumindest mit unserem Schwingschleifer. Normalerweise würde man das mit der Flex und einer 36er Scheibe brutal runter hobel. Eine Flex dürfen wir allerdings nur in der Halle mit Absaug-Anlage benutzen. Draußen ist Schleifen nur mit Staubsauger am Schwingschleifer erlaubt (und der Einsatz vom Staubsauger wird vom Werft-Chef auch kontrolliert, wie ich bereits feststellen durfte).
„Umso glatter das Deck ist, desto weniger Arbeit haben wir, wenn wir das Deck wieder aufbauen. Und ihr spart dadurch Geld.“ Da war es wieder. Schieb dem Kunden die Arbeit zu. Mach sie ihm schmackhaft und wedle mit der Geld-Möhre vor dessen Nase herum. Die Philosophie der Werft ist einmalig.
Hier dachte ich noch, dass ich bald fertig bin
Gefrustet widme ich mich zunächst unseren Fenstern. Dort klebt noch Zentimeter dick Kleber an den Umrandungen. Freiwillig kommt der nicht runter. Ich versuche es sanft. Ohne Erfolg. Also die harte Tour: mit einem Plastikschaber die dicke Schicht runter, dann mit 40er Sandpapier den Rest vom Gummikleber weg rubbeln. Schleifen kann man es nicht nennen. Die dabei entstehenden Rillen schmirgel ich erst mit 100er, dann mit 180er nach. Der Rest ist Schönheit: 280er und mit 400er nass. Die werden wie neu. Aber erst, wenn sie wieder abgedichtet sind, so denke ich.
Fenster – das Schwarze muss runter
Apropos abgedichtet. Es regnet jetzt häufiger. Da die Fenster nun ihrer Dichtungen beraubt sind, tropft es natürlich rein. In der Nacht vom Montag hat es solche Mengen geregnet, dass diese es als eine Meldung in die Nachrichten schaffen. Örtlich über 450 mm. Bei uns „nur“ 150 mm. Tropf, tropf, tropf. Ins Vorschiff, ins Bett. Achim dichtet alles ab so gut, wie es eben geht. Es fehlen jetzt auch schon diverse Klampen und Lüftungs-Hutzen an Deck. Die Anzahl an Löchern nimmt täglich zu. Überall kommt Tape rüber.
Am Heck ein zaghafter Versuch das ‚Weiße‘ runter zu schleifen
Dann zeige ich Peter noch die angerichteten Gelcoat Verletzungen und einige weitere Risse an den Fensterrahmen. „Das musst Du machen, bevor der neue Belag rauf kommt. Es sei denn, du rufst gleich nach Ärger.“ Dieser Peter.
Und wieso muss ich das eigentlich machen? Ich kann das gar nicht! „Kein Problem. Wenn du alle Stellen sauber gemacht hast und sie vorbereitet sind, dann komme ich, zeige dir an einem Platzer, wie es geht. Und den Rest machst du. Und ihr spart Geld.“ Er grinst und erklärt mir dann noch kurz, was er mit „vorbereitet“ meint und zieht von dannen. Ich google noch mal nach, was von mir erwartet wird. Und widme mich vorläufig lieber dem ‚Weißen‘.
P.S. Unsere neuen Nachbarn – die Venture Lady – die wir bereits aus Tahiti kennen, bekommen ein neues Teakdeck. Das Alte wollen sie ebenfalls selber abreißen. Andy und Alison sind gerade dabei Muster zu erstellen für die neuen Holzleisten. „Alles, was ihr selber machen könnt, spart euch Geld“, lautete die Ansage.
P.S. 2 Abends haben wir Körper. Aber abends haben wir auch Gin and Tonic. Es hat sechs Wochen gedauert, bis wir auf die Idee gekommen sind, den Weft eigenen Gefrierschrank sinnbringend zu nutzen. Wir haben uns einen Eiswürfelbehälter gekauft und ab sofort Zugang zu Eiswürfeln. Wann hatten wir das zuletzt? Das Leben kann so einfach und so herrlich sein.
Work hard – play hard Freitags jetzt immer after-work-party auf Atanga
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