Kategorie: Atanga

Mit dem Auto in den Osten

Mi., 24.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2734, 24.688 sm von HH

Am letzten Auto-Tag fahren wir nach Kawakawa – aufs Klo.
Friedensreich Hundertwasser, der fast 30 Jahre in Kawakawa lebte, hinterließ dem Ort kurz vor seinem Tod (2000) eine öffentliche Toilette in seinem typischen Stil. Krumme Fugen, bunte Fliesen, integrierte Skulpturen und Wände mit eingemauerten Flaschen. Das Klo ist die Hauptattraktion von Kawakawa. Es wird häufiger zum Fotografieren aufgesucht als zum Pinkeln. Männer auf der Damen-Toilette und umgekehrt, in Kawakawa ist das Normalität.
Das ist ganz witzig, letztendlich bleibt es allerdings ein öffentliches Klo mit dem dazu gehörenden eigentümlichen Geruch. Aber gegen die Toiletten in Neuseeland gibt es nichts zu meckern. An jeder Ecke vorhanden, sauber, und immer mit Toilettenpapier und Seife bestückt. Wobei ich gelesen habe, dass das Reinigungspersonal in Kawakawa über die vielen krunkeligen Fugen beim Saubermachen nicht begeistert sein soll.

So kann ein Eingang einer öffentlichen Toilette auch aussehen – im Hintergrund das Museum

Pinkeln bei den Herren

Das Damenklo

Der ganze Ort befindet sich im Hundertwasser-Rausch. Parkbänke, Hauswände und Parkstreifen sind in gleicher Art gestaltet. Das verleiht dem Ort ein buntes Flair. Das dazu gehörige Museum hat leider geschlossen.
Die zweite Attraktion ist eine alte Eisenbahn, die früher Kohle zum Hafen nach Opua transportiert hat – heute nostalgischer Touristenbummelzug.

Ganz Kawakawa ist bunt

Die alte Bahn in Kawakawa

Wir ziehen weiter. Heute sollen es Nebenstrecken der zerklüfteten Bay of Island sein. Nebenstrecken sind im Autoatlas weiße Linien und nicht asphaltiert. Unsere gewählte Schotterstraße befindet sich in einem Schlagloch freiem Zustand. Die Straßenkarte, die wir gekauft haben, ist gut, aber einen Ort zu finden, gestaltet sich ungewohnt. Unglaublich viele Orte fangen mit „W“ an. Alles Maori Namen, schwer zu merken und auseinander zu halten. Wir finden ‚Taranga‘ und ‚Aranga‘ auf der Karte. Da weiß man gleich, wo Atanga (Maori für „schön“ übrigens) eigentlich her kommt. ;-)

In der Pampa der Bay of Islands

Brücken sind einspurig und asphaltiert – der Rest der Straße besteht aus Schotter

Atanga – Bedeutung aus dem Te Aka Maori Dictionary

Überall auf Wanderwegen finden wir Fallen. Überwiegend Ratten- und Hermelinfallen. Bevor die Menschen Neuseeland betraten, gab es – bis auf eine Fledermausart- keine Säugetiere auf den Inseln. Entsprechend entwickelte die Vogelwelt keine Fluchtinstinkte vor Säugetieren, viele Vogelarten können gar nicht fliegen. Die Maori brachten die pazifische Ratte mit, die Weißen die Hausratte. Siedler setzten Kaninchen für die Jagd aus. Hermeline sollten der anschließenden Kaninchenplage ein Ende bereiten.
Nun setzten die Hermeline den Vögeln zu. Der Bestand der Kiwis, Nationalvogel und flugunfähig, ist in Gefahr. Ratten und Possums dezimieren die Pflanzenwelt, nicht nur Baumfarn und den schönen Pohutukawa. Neuseeland will bis 2050 alle Ratten und Hermeline frei werden. Ein ehrgeiziges Ziel – viel Glück und Erfolg. Erst sollen die vielen Halbinseln der Küste bereinigt werden, dann soll die Front an Fallen ausgedehnt werden und zusätzlich genetische Waffen zum Einsatz kommen.

Die Kiwis lieben ihren Kiwi sehr

Hermelinfalle

Da es uns in Russel so gut gefallen hat, führt unser Weg noch einmal dort hin. Diesmal mit kleiner Wanderung auf den Hausberg zur Rundumsicht auf die schöne Bucht. Dort entdecken wir dann unseren ersten Kiwi. Nein, halt, der Schnabel passt nicht … der Kiwi entpuppt sich als Weka. Ein ebenfalls flugunfähiger Bodenvogel.

Russel von oben

Ein Weka – kein Kiwi

Am Ende der Mietzeit des Wagens, steht natürlich noch ein Großeinkauf an.
Wir haben in den drei Tagen nur eine verhältnismäßig kleine Ecke der Nordinsel erkundet. Macht nichts, für einen ersten Überblick soll es reichen. Wir kommen wieder.

Eine kleine runde in drei Tagen

 


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Mit dem Auto in den Westen

Di., 23.Nov.21, Neuseeland/Kauri Wald, Tag 2733, 24.688 sm von HH

Achim muss auch am zweiten Tag das Auto fahren – never change the winning driver. Er macht es großartig, sogar das Blinken mit dem Scheibenwischer-Hebel wird stetig weniger. ;-) Ich helfe trotzdem: „Wir fahren links“, lautet meine Erinnerung, wenn wir nach einem Stopp wieder ins Auto steigen. Das Schwierigste sind Kreisel (und es gibt viele Kreisel … ) im Uhrzeigersinn zu fahren und rechts abbiegen.

Wir wollen quer über die Nordinsel zur anderen Seite fahren. Zum größten Überrest des einstigen Kauri-Waldes, der den Norden der Nordinsel komplett bedeckt haben soll. Ich möchte zum Tāne Mahuta (dem Herrn des Waldes) und zum Te Matua Ngahere (dem Vater des Waldes). „180 Kilometer fahren für zwei Bäume?“, fragt Achim und zieht die Augenbraue hoch. Wenn Bäume einen Namen bekommen, müssen sie etwas besonderes sein – wir fahren los.

Die Strecke dorthin führt (bei heute vorzüglichem Wetter) zunächst wieder durch Viehlandschaft. Es gibt wohl kein einziges ebenes Fleckchen hier im Norden. Anhöhe folgt auf Anhöhe. Hobbit- Hügel reiht sich an Voralpen-Hügel reiht sich an Hobbit-Hügel.
Ein gut asphaltierter Highway bringt uns rasch vorwärts. Nach einer guten Stunde erreichen wir einen Sund, der sich tief ins Land einschneidet. Die Landschaft verändert sich. Die Bergkuppen sind nun dicht bewaldet, die Landwirtschaft verschwindet. Als wir das Ende vom Sund Hokianga erreichen, könnte der Kontrast nicht größer sein. Die eine Seite üppg grün bewachsen, auf der anderen Seite türmen sich bis zu 180 Meter hohe Sanddünen. Sie sind der Anfang des endlos nach Norden reichenden 90 Miles Beach (88 Kilometer lang, um genau zu sein ;-) )  Die raue Tasman Sea findet nach zweitausend Kilometern ab Australien hier ihr Ende.

Blick auf Hokianga Harbour

Der Eingang vom Hokianga Harbour

Keine Schiffe im Westen – die raue Seite der Tasman Sea ist schwierig – eine Barre in diesen Sund schlecht passierbar

Normalerweise Urlaubsregion – jetzt menschenleer

Wilde Tasman Sea trifft auf endlosen Strand – der nach 88 Kilometern dann doch endet

Ursprünglich hatten wir hier übernachten wollen. Eine Internet-Recherche hat die Idee dann zerschlagen. Der eigentliche Ferien-Ort schlummert einen Dornröschen-Schlaf. Eine Fish and Chips Bude und eine Pizzeria haben geöffnet. Der Rest sieht verrammelt aus. Wir sind froh entschieden zu haben, abends zu Atanga zurück zu fahren. Hier hätten wir wohl auf der Parkbank schlafen oder ewig lange nach einem Schlafplatz suchen müssen. Ein Campervan hätte uns gerettet. Aber es ist traumhaft schön, viele Wanderwege sind ausgeschildert – hier kann man es ein paar Tage aushalten.
Wir fahren weiter. Die Bäume warten.

Auf einer kurvigen Straße schrauben wir uns einen Bergkamm hoch. Der Wald wird dichter. Baumfarne hängen über die Straße, berühren sich und bilden fast einen Tunnel. Schließlich erreichen wir einen Stellplatz mit einem einzigen parkenden Auto. Darin sitzend, kämpft eine Angestellte des DOC  (Naturschutz-Amt in Neuseeland) gegen das Einschlafen. Sie freut sich, dass wir anhalten – wir sind die ersten Besucher seit Tagen – und zeigt uns den Weg zum Eingang in den Wald.
Bevor man diesen betreten darf, müssen die Schuhe gründlich gesäubert und desinfiziert werden. Die Kauri-Bäume in Neuseeland werden seit einigen Jahren von einer Pilzkrankheit bedroht, die über Sporen weiter getragen werden kann. Das Verlassen der Wege ist strengstens verboten. Viel Aufwand, kann man nicht anders sagen.

Schleuse für Schuh-Reinigung zur Kauri-Rettung

Nach zweihundert Metern steht er dann plötzlich vor uns. Der Herr des Waldes – Tāne Mahuta. Man muss den Kopf schon weit in den Nacken strecken, um den größten noch lebenden Kauri komplett zu erfassen. Sogar Achim steht der Mund offen. 52 Meter hoch, Umfang in Bodennähe 14 Meter und damit 4,4 Meter im Durchmesser. Erst in 18 Metern Höhe wachsen die ersten Äste. Holzvolumen 245 Kubikmeter und geschätzte 2000 Jahre alt. In Deutschland heißen Straßenbäume im Amtsdeutsch ‚raumübergreifendes Großgrün‘. Nein, verehrte Herrschaften, dies ist ein Großgrün!

Ich ganz klein vor dem Herrn des Waldes

Großgrün – der Baum ist länger auf der Insel als Menschen hier leben – was der erzählen könnte … obwohl, war ja dann noch nicht viel los.

Links und geradeaus zwei kleine Kauri – rechts der bewachsene Stamm ist ein anderer Baum

Kauris wachsen zunächst kegelförmig, um dann mit zunehmendem Alter ihre Äste im unteren Bereich abzuwerfen. Durch ihre gerade Wuchsform und ihr hartes Holz weckten sie bei den neuen Siedlern Begehrlichkeiten zum Schiffsbau. In nur wenigen Jahrzehnten wurden fast alle Kauris abgeholzt. Wer seine Axt in so einen Baum hacken mag, der hat wahrscheinlich ein übles Karma.

Die Dame vom DOC empfiehlt uns, unbedingt noch ein paar Kilometer weiter zum  Te Matua Ngahere zu fahren. Etliche Jahre älter, nicht so hoch, aber noch breiter im Umfang. Achim ist sofort bereit. Ich staune.

Nach einer erneuten Schuh-Säuberungs-Schleuse entpuppt sich dieser Weg als zauberhaft. Eine halbstündige Wanderung führt uns zum zerzausten Te Matua Ngahere. Dem armen Kerl hat es 2007 bei einem Wintersturm seine Hauptäste weg gerissen. Schuld waren auf ihm wachsende Rata-Bäume (ein Eisenholzgewächs).  Fünfzig verschiedene Pflanzen hat man in seiner Krone gezählt. Trotz seines hohen Alters von geschätzten 2.500 Jahren ist der Vater des Waldes noch fruchtbar. Regelmäßig erscheinen männliche und weibliche Zapfen in seiner Krone.
Besonders schön sind auch die „kleinen“ Kauri, die rechts und links vom Weg stehen. Wahrscheinlich Kinder vom Vater des Waldes. Aufrecht wie Zinnsoldaten stehen sie zwischen normal großen Bäumen. Im Unterholz erkennt man ihre glatten Stämme sofort. Stolze Riesen mit zwei Metern Durchmessern und gerne auch mehr. Wir kommen uns klein vor. Andächtig staunen wir und freuen uns, dass die Atmosphäre nicht von den üblichen 300 Besuchern täglich kaputt gerufen wird.
Ich bin baum-verliebt und könnte noch seitenlang über die Kauri schwärmen. Darüber, dass es auch Sumpf-Kauri gefunden hat, deren Holz 40.000 Jahre alt ist. Es ist das einzige Kauri-Holz, was heute noch verarbeitet werden darf. Und dass früher nach Kauri-Harz gebuddelt wurde, und dass … Ich werde bestimmt noch Gelegenheit bekommen. :lol:
Was für ein schöner Ausflug.


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Mit dem Auto in den Norden

Mo., 22.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2732, 24.688 sm von HH

Da Bus fahren nicht funktioniert, leihen wir uns ein Auto für drei Tage. Der Tagespreis beträgt 30 Euro. Das ist okay. Dazu kommt jedoch die optionale Rundum-Sorglos-Versicherung mit 13 Euro. Wir buchen das volle Paket. Besser ist das bei der ungewohnten Links-Fahrerei. Achim muss fahren. Mein letzter Versuch in Thailand vor zwanzig Jahren mit einem Motorroller ist noch unvergessen. „Denk dran, dass du links fahren muss“, erinnert mich Achim bei der Übernahme des Rollers. „Klar, kein Thema.“ Ich sprach‘s, fuhr vom Hof und landete direkt im Gegenverkehr. :mrgreen:
Achim ist allerdings fünf Jahre kein Auto mehr gefahren …

Das Auto ist kleiner als ein Einkaufswagen

Am ersten Tag ist das Wetter okay, aber leider die Sicht total diesig, neblig verhangen. Im Norden der Nordinsel hat die Besiedelung der Weißen von Neuseeland begonnen. Hier trafen sie auf die Ureinwohner, denen hier ebenfalls das sonnenreiche und subtropische Klima gefiel.
Recht schnell kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, da die Maoris es nicht widerstandlos hinnahmen, dass die Engländer ihre Flagge in den Boden hauten und riefen: „Von nun an europäischer Boden“.

1840, ungefähr fünfzig Jahre später, als bereits 2000 Siedler im Land lebten, wurde der Vertrag von Waitangi aufgesetzt. Der ‚Treaty‘ ist bis heute Gegenstand von Diskussionen bei der Auslegung des Inhaltes. Die Übersetzung der Maori weicht ab von der Interpretation der englischen Version.
Die Stätte und das Gebäude an denen der Vertrag unterzeichnet wurde, ist heute ein Museum. Der Eintrittspreis ist mit 36 Euro pro Person so überzogen, dass wir auf die Besichtigung verzichten. Wir verpassen damit das größte Kriegskanu in Neuseeland – 88 Meter feinste Holzarbeit.

Nächster Stopp ist Kerikeri. Der quirlige Ort mit knapp 6.000 Einwohnern besitzt als Touristen-Attraktion das älteste Steinhaus Neuseelands – malerisch am Flussufer gelegen. Der schmucke Ort sieht nach Wohlstand aus. Das Sortiment an Läden ist weit reichend, deren Auslagen sind chic. Neben Fish-and-Chips-Buden gibt es einen Döner-Laden und richtige Restaurants.

Neuseelands erstes Handelshaus

Hübsch ist es in Kerikeri – immer wieder Baumfarn

Wir ziehen weiter nordwärts. Verlassen den Highway ‚twin-Ocean-Scenic-Route‘ auf Nebenstrecken, um es landschaftlich noch schöner zu haben. Hier wohnt nun kaum noch jemand. Kurvenreiche Straßen führen an die Küste zu Buchten mit Namen wie ‚One Million Dollar View‘.  Wir müssen uns den View mit einem Surfer und seiner ohne Sonne sonnenbadenden Freundin teilen. Ach, wäre doch nur das Wetter besser.

One Million Dollar View – heute müssen wir leider 950.000 Dollar abziehen

Der eine Million Dollar Strand bei Mistwetter

Durch endloses, unberührtes Buschland verlassen wir die ansprechende Küstenregion. Hier scheint die Natur noch in einem ursprünglichen Zustand. Über der Landschaft hängt ein süßlicher Geruch. Immer wieder schwappen betörende Duftwolken ins Auto. Er entströmt der Südsee-Myrte oder Manuka. Manuka-Honig soll bereits von den Maori gesammelt und als antiseptisches Heilmittel verwendet worden sein.

Millionen Blüten der Südsee-Myrte verströmen einen unglaublichen Duft

In der Mitte der Insel, zwischen Ost- und Westküste wird es landwirtschaftlich. Die Hügelketten sind abgeholzt. Kuhwirtschaft überwiegt. Dass Neuseeland vor Schafen überquillt, gehört der Vergangenheit an. Auf ehemals drei Millionen Einwohner kamen in den 80er Jahren 70 Millionen Schafe (so sagt man) – heute zählen auf fünf Millionen Kiwis keine 20 Millionen Schafe mehr.  Mit Kühen kann besseres Geld verdient werden. Die Preise für Wolle liegt am Boden.

Die Rindviecher sehen glücklich aus. Ganzjährig weiden sie auf den Wiesen. Jetzt im Frühling stehen sie knietief im blühenden Wiesenkerbel, zwischen Hahnenfuß und Wilder Möhre. Ein hübscher Anblick. Eine überlastete einseitige Kulturlandschaft, die schöner nicht aussehen könnte. Wildromantisch.
Die eingeschleppten oder bewusst mitgebrachten Pflanzen aus Europa und Amerika sollen bereits dreißig Prozent der nur in Neuseeland vorkommenden Pflanzen verdrängt haben.  Ein nicht umkehrbarer Prozess. Sorgenfalten kann einem der Bambus auf die Stirn einbrennen. Dieser wird als Windbrecher und Heckenersatz gepflanzt. Ein Wuchermonster vom übelsten, der seine Rhizome in alle Richtungen ausstreckt.
So arg  wie die ökologische Katastrophe für Neuseelands endemische Pflanzen auch ist, so ist die Mischung aus bekannten und nie gesehenen Pflanzen ein Augenschmaus.

Früher war Neuseeland komplett bewaldet

Heute ist noch ein Prozent vom ursprünglichen Wald erhalten

Viehwirtschaftlich geprägte liebliche Landschaft

Abseits der Touristen-Orte bekommen die Ansiedlungen ein anderes Gesicht. Das große Geld fehlt augenscheinlich. Eine Hauptstraße mit Tankstelle, ein Mini-Market und eine Kirche. Das war’s. Man muss schnell bremsen, sonst ist man auch schon direkt am Dorfende angekommen. Jobs gibt es nur in der Landwirtschaft. Die Quote der Maoris zu Weißen ist hier am höchsten. Die Arbeitslosenquote auch. Zwischen 30 und 50 Prozent der Einwohner zählen zu den indigenen Ureinwohnern – bei einem landesweiten Anteil von 15 Prozent.
Unser Weg führt weit durch die Agrar-Mitte, bevor wir abends fehlerfrei und noch immer linksseitig in Opua ankommen.

Kaeo – ein typisches Cowboy-Nest in der Mitte – weit weg von den Küsten

Der ernstgemeinte und aktive Friseur in Kaeo

Der zweite – moderne- Friseur – drei Häuser weiter


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Herzlichen Glückwunsch, Skipper!

Du merkst, dass du unmerklich alt geworden bist, wenn du weißt, dass ADO die Gardine mit der Goldkante war. Dass Elvis bereits vor 44 Jahren gestorben ist und du plötzlich Senioren-Rabatt auf der Fähre erhältst. :mrgreen:

Es ist schlimm, wenn man alt wird,
aber schlimmer ist es, man wird es nicht. – Heinz Erhardt

Mein lieber Achim, Ehemann, mein Partner in Crime, Wasser-Holer und Brotbäcker, mein Klugscheißer, der dann wirklich meistens Recht behält, mein Freund, mein Tröster, mein Geliebter.
Ab heute ein echter Senior, ein betagter Opa, ein 60+, ein älterer Herr für den in der Bahn aufgestanden wird und dessen Musiksammlung bei jungen Menschen nur Kopfschütteln hervorrufen kann. Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe zum Geburtstag. Ich hoffe, dass ich Dich noch viele Jahre foppen kann mit den drei Jahren, die Du älter bist als ich.
In Liebe.

60 Jahre


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Der gescheiterte Versuch Bus zu fahren

Do., 18.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2725, 24.688 sm von HH

Mit dem Rad wird das nix. Wir wechseln also das Transportmittel, steigen auf die Autofähre und fahren auf die gegenüberliegende Seite der Bucht. Dort wartet ein Wanderweg nach Russel auf uns, in Russel eine Personenfähre und am Nachmittag der einzige Bus des Tages von Paihia zurück nach Opua.
So der Plan.

Es geht gut los. Der Wanderweg ist abwechslungsreich und führt durch geheimnisvollen Wald mit Baumfarn und anderen Exoten. Unweigerlich muss man an den ‚Herrn der Ringe‘ denken und erwartet jeden Augenblick Elben um die Ecke kommen zu sehen. Wir bleiben aber allein.
Tapfer kraxeln wir bergauf, bergab. Die Strecke wird anstrengend. Nach vier Kilometern erreichen wir eine weitläufige Bucht. Endlich ist es ebenerdig. Über Holzplanken geht es durch die Mangroven, vorbei an Schilf und noch jungen Rohrkolben. Leider ist der Wanderweg dann häufig unterbrochen und wir müssen parallel zur Straße laufen. Es herrscht zwar wenig Verkehr, im Wald war es trotzdem besser.

Unser erster Wald mit Baumfarnen – mystisch

Der Weg verläuft durch Röhrich

und Mangroven

Frühling liegt in der Luft

Nach neun Kilometern erreichen wir Russel. Ein Vorzeige-Touristen-Ort der ersten Güte. Hübsch. Schmucke Holzhäuser mit viktorianischem Flair stehen hinter adretten Staket-Zäunen. Alles ist frisch getüncht, aufgeräumt und akkurat. Außer uns beiden gibt es keine Touristen. Ausländer dürfen ja seit anderthalb Jahren nicht mehr ins Land und Auckland, mit einem Drittel der Einwohner Neuseelands, befindet sich in Level 3 Lockdown. Das bedeutet, die Auckländer dürfen ihren Bezirk nicht verlassen und umgekehrt aus Level 2 darf man nicht in Level 3 Gebiet einreisen. Keine Urlauber, keine Tagesgäste.
Achim fällt es als erstes auf: Russel wirkt wie die Stadt in der Truman Story. „Guten Morgen, und falls wir uns nicht mehr sehen, guten Tag, guten Abend und gute Nacht.“ Wie Schauspieler sitzen die Menschen in den Geschäften und Restaurants und fangen nach Regieanweisung an mit uns zu interagieren. Unheimlich. Zu viele Touristen sind blöd, aber keine Gäste in so einem Ort sind beklemmend.
In der Touristeninformation kaufen wir einen Auto-Atlas. Drei Statisten sitzen in dem menschenleeren Raum hinter ihren Schreibtischen. Dass wir etwas kaufen wollen, darauf hat sie keiner geschult. Die ältere Dame ist überfordert, benötigt die Hilfe eines Kollegen und fünfzehn Minuten Zeit, um uns abzukassieren.  „Guten Morgen, und falls wir uns nicht mehr sehen … „

Russel ist adrett

aber menschenleer

Feige und Häuser stammen aus dem 19ten Jahrhundert

Die Bucht von Russel – die ersten Pōhutukawa Bäume blühen bereits

Neuseelands älteste erhaltene Kirche steht in Russel

Auf dem Friedhof befindet sich das Grab der ersten weißen Frau in Neuseeland geboren – merkwürdige Grabinschrift – zumal es nicht stimmt, ein Mädchen wurde noch früher in Neuseeland geboren

Wir verlassen Russel mit der Fähre nach Paihia. Natürlich kaufen wir noch etwas ein. Wenn wir schon am Supermarkt sind, dann soll es sich auch lohnen und der Bus kommt ja in einer Stunde. Gemüse, Fleisch, Obst. Und klar darf es noch ein Kilo Kartoffeln extra sein für den Rucksack. Beim Autoatlas ist noch Platz.

Wir geben dem Bus fünfzehn Minuten Verspätung. Mehr Zeit kann man auf den autoleeren Straßen hier im Norden nicht verlieren. Warum er nicht kommt, können wir nicht klären. Laut Internet-Seite fahren die Busse in Corona-Alarm-Level 2 planmäßig. Egal, er kommt nicht.
Jetzt liegen überraschend weitere sechs Kilometer Fußmarsch vor uns. Nach der Wanderung vom Vormittag und der Russel-Besichtigung muss das nicht wirklich sein. Ich halte den Daumen raus. So lange bis sich der Fußweg nach Opua von der Straße trennt. Liegt es an Corona oder weil man im Ort schlecht anhalten kann? Ich bin jedenfalls erfolglos. Die Strecke am Wasser entlang ist kürzer, also wenden wir uns von der Straße ab und trotten los. Achim bekommt die extra Kartoffeln und den Autoatlas.
Nach zwei Kilometern treffen Wanderweg und Straße erneut aufeinander. Ich versuch es wieder mit dem Daumen. Year! Gleich der zweite Wagen hält an. Ein mittelältlicher Bauarbeiter mit dem totalen Chaos und Dreck im Auto. Ihm ist Corona egal. Er nimmt uns maskenlos und selbstverständlich gerne mit. Er strahlt, dass er uns einen Gefallen erweisen kann. Läuft in Neuseeland.


7

Überraschend zwei Wochen Urlaub

Di.,16.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2723, 24.688 sm von HH

Direkt nach unserer Ankunft haben wir Kontakt mit der Werft unserer Wahl in Whangarei aufgenommen. Ein paar Tage habe ich die Panik-Kugel geschoben, da von dort keine Reaktion zurück kam. Man wird uns doch wohl nicht versetzen? Die tiefenentspannte Art der Neuseeländer ist angenehm, aber nicht, wenn frau auf eine Zusage wartet. Dann endlich eine Antwort: am 30. November haben wir Krantermin.  Puh, Erleichterung und überraschend zwei Wochen Zeit.

Wir versuchen unser Glück nun doch mit dem Rad. In die entgegengesetzte Richtung der fiesen Hügel nach Paihia. Auf einer Schienen-Trasse, die vor zig Jahren dem Kohletransport diente, ist ein Fahrrad-Rundweg entstanden.  Alles ebenerdig – das klingt vielversprechend. Bei feinstem Wetter brechen wir auf.
Immer am Ufer der schmaler werdenden Bucht entlang. Feuchtwiesen mit Mangroven und Binsen dominieren. Im Hintergrund dicht mit Buschwald bewachsene Hügel.

Alte Schienen-Trasse zum Fahrradweg umgestaltet

Der Fluss Veronica Channel ist gut zu überqueren

Nach ein paar Kilometern ist Schluss. Ein Tunnel auf der Strecke ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Eine Umleitung führt dann endgültig in eine Sackgasse. Vollsperrung. Wir drehen um und versuchen unser Glück über Forstwege auf die parallel laufende Landstraße zu gelangen.

Schade – hier wären wir gerne weiter gefahren

Schotter-Forstwege führen uns zur Hauptstraße zurück

auch nett zu fahren

 

Wieder eine Sackgasse. Diesmal scheitern wir an den steilen Hügeln. Mit unseren Mini-Rädern und unserer Mini-Kondition sind sie einfach nicht zu schaffen. Wir geben auf – diese Gegend ist nicht Fahrrad-tauglich.

Es wirkt auf dem Foto albern – die Steigungen sind nur schiebend zu schaffen – keine Option für uns

Autos haben Vorrang vor Fahrradfahrern – ich stelle mir das Schild in einer rot-rot-grünen Stadt in DE vor

Neben dem Vergnügen schieben wir ein paar Reparaturen an. Der Segelmacher sitzt bereits über unseren Vorsegeln. Am Freitag können wir sie komplett überarbeitet und nachgenäht abholen. Das Material sei tipp-top, so sein Urteil. Achim streunt durch die Läden, ein Mixing Elbow, bestellt und geliefert, wartet auf den Einbau. Kontakt zu einem Heizungs-Fredy ist aufgenommen. Läuft in Neuseeland.

Ansonsten versuchen wir uns zu akklimatisieren. Im Wortsinn und im übertragenen Sinn.
Wir frieren viel. Tagsüber erreichen die Temperaturen sommerliche 25 Grad. Immer eine leichte Brise, toll. Aber die Nächte. Brrr. In klaren Nächten geht es runter auf 10 bis 12 Grad. Die Bodenbretter im Schiff sind frostig. Das Meer hält uns eisig umklammert. Der Kühlschrank, Außenwasser gekühlt, springt gar nicht mehr an. Er kühlt sich von alleine – ein Perpetuum Mobile ist erfunden. Unsere Tropen verwöhnte, zarte Haut platzt auf.  Grau und schuppig sind die Schienbeine, trocken spannt die Haut im Gesicht – man kann die Faltenbildung förmlich fühlen.
Als wir dann noch zwei Tage Regen haben, baut Achim die Kuchenbude auf. Dänemark Erinnerungen machen sich breit. Das gute Stück, Jahre ungenutzt im Vorschiff verstaubt, sieht aus wie neu und ermöglicht uns weiterhin draußen Abendessen zu können.

Regen bewegt uns zum Aufbau der Kuchenbude

Auch sonst müssen wir uns umgewöhnen. So ein ‚erste Welt Land‘ hat seine Tücken. Viel ist verboten. Viele Pflichten und Gebote sind zu beachten: bitte Helm auf dem Fahrrad und Schwimmweste im Dinghy anziehen.
Warning! Attention! Danger! Schilder dieser Art stehen überall herum. Betreutes Leben in Neuseeland. Dafür ist alles ausgeschildert und jederzeit findet man den Eingang zu Wanderwegen, man erfährt was es zu sehen gibt, wie lange man noch zu laufen hat und wo man sich gerade befindet. Voila, auch schön. Die Kiwis scheinen es mit der Beachtung der Gebote nicht so genau zu nehmen. Einige Schilder sprechen ihre eigene Sprache. ;-)

Man beachte den Zusatz im mittleren gelben Feld – da scheinen ein paar Kiwis schlauer als der ursprüngliche Hinweis gewesen zu sein ;-)

 


20

Danke fürs Mitnehmen

So., 14.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2721, 24.688 sm von HH

Beim ersten Rundgang durch Opua haben wir einen Wanderweg ins Nachbardorf entdeckt. Unsere Beine sind wabbelig und schwabbelig, die wollen bewegt werden. Der Weg führt sechs Kilometer am Wasser entlang und direkt zu etwas größeren Supermärkten. Eine schöne Strecke, ausreichend bergauf, bergab – das kann ja einen schönen Muskelkater geben. Mal erscheint uns die Landschaft durch Kiefern-Bewuchs mediterran, dann wieder kommen wir an Mangroven vorbei. Die hier vorkommende Art hat ein dichtes Netz an Atemwurzeln, die den Baum mit Sauerstoff versorgen, der nicht ausreichend im Schlick vorhanden ist.

Toller Wanderweg – knapp zwei Stunden nach Paihia

Schöner wohnen direkt an der Küste

Bay of Island – 144 Inseln und Inselchen

Mit mediterranen Flair geht es bergauf, bergab

Immer wieder führt der Weg an kleinen Stränden entlang – das Weiße ist kein Sand sondern kaputte Muschelschalen

Immer wieder fließen schmale Creeks ins Meer und müssen überbrückt werden

Tausende Atemwurzeln versorgen die Mangroven und schützen die Küste

Dass wir unsere vollen Rucksäcke nicht den gleichen Weg zum Schiff zurück schleppen müssen, ist schnell geklärt. Das Langfahrtsegler-Netz funktioniert hervorragend. Annegret und Rainer von der Meerbär sind ebenfalls in Paihia, wollen in Opua Wasser bunkern und bieten uns an, dass wir auf der Meerbaer mit zurück fahren dürfen. Endlich lernen wir uns mal kennen, nach jahrelangem virtuellen Kontakt. Meerbaer
Dankeschön für den netten Nachmittag und fürs Mitnehmen.

Wir brauchen aber noch mehr Vorräte, vor allem Getränke sind am Ende. Daher überlegen wir ein drei Tage später, dass wir mit dem Rad nach Paihia fahren. Ein Bus nach Pahia fährt nur dreimal die Woche – einmal am Tag. Ein paar Warnungen, die Strecke sei ‚hilly‘ – hügelig, schrecken uns nicht ab.
Zum Glück erzählen wir unseren Neuseeländischen Liegenachbarn von unserem Plan. Am Steg hatten wir bereits ein ausführliches Schwätzchen mit Pam und Dean gehalten. „Das kommt nicht in Frage! Wir haben ein Auto und fahren euch. Ihr schaut euch in Ruhe um, macht eure Einkäufe und wir holen euch wieder ab. Jederzeit!“ Wir zieren uns, das freundliche Angebot anzunehmen, werden aber schnell umgedreht als erneut eine Warnung über die Steigungen der Strecke erfolgt. Unsere Dankesworte, werden abgewunken: „No drama.  Und wenn ihr wieder da seid, gibt es einen Kaffee bei uns.“ Wenigstens können wir uns mit einem Kuchen revanchieren.
Danke für den netten Nachmittag und fürs Mitnehmen.

Läuft in Neuseeland. :-)

 


8

Freiheit in Opua

Mi., 09.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2719, 24.685 sm von HH

Nach zwei Tagen ist das negative Ergebnis unseres PCR Tests da. Während der Wartezeit  wurde uns mehrfach angeboten, dass wir dringend benötigte Lebensmittel bestellen könnten. Wir haben darauf verzichtet, weil uns die Übergabe mit den Corona-Sicherheitsvorkehrungen zu umständlich erschien. Nudel-Vitamine und Dosenfrüchte haben uns am Leben erhalten.
Theoretisch wären wir jetzt nach dem guten Testergebnis frei. Es erscheint dann doch noch einmal der Zoll – einschließlich Zoll-Hund.
Rany, eine freundliche Hundedame, zeigt sich etwas widerborstig. Mit vierbeinigem Spagat weigert sie sich standhaft unseren Niedergang freiwillig herunter zu hüpfen. Sie stellt sich quer. Alle Locktöne ihrer Hundeführerin verpuffen. Am Ende wird die Hündin gewaltsam nach unten getragen. Rany trägt Hunde-Schuhe und springt über Betten, Tische und Bänke. Sie ist auf Drogen, Sprengstoff und Waffen gedrillt. Mitten während der Suche ist Rany dann plötzlich warm. Erschöpft legt sie sich auf den Boden und verweigert den weiteren Dienst.  Am Ende kann sie nach dreißig Minuten ihre Arbeit doch erfolglos beenden – nichts gefunden. Die Stufen hoch zurück ins Cockpit schafft es das Tier ebenfalls nicht alleine. :roll: Ich weiß schon, warum ich Team ‚Katze‘ bin.

Rany – Drogenschnüffelhund in Opua

Nun beginnt tatsächlich unsere Freiheit. Wir ziehen einen Steg weiter und gönnen uns ein paar Tage Aufenthalt in der Marina. Die sanitären Anlagen überzeugen. Großzügige Duschen mit Ablagen, Haken und extremer Sauberkeit. Fünf Minuten Dusche kosten 1,20 Euro mit einer selbst gewählten Wassertemperatur. Ohne Waschbewegungen unter der Dusche stehen – köstlich.
Und erst die Waschmaschinen. Brandneu und so groß, dass ich kaum Waschmittel einfüllen kann. Eine Waschladung ist zu Traumpreisen zu haben: 22 Kilo Wäsche kosten knapp 5 Euro (60 Grad kosten 60 Cent Aufschlag). In Tahiti waren es noch 42 Euro für die gleiche Menge. Wir machen große Augen.

In eine Maschine passt die gesamte Wäsche der Überfahrt – inklusive Bettwäsche und Handtücher – Wäsche sortieren, gibt man auf Langfahrt nach ein paar Monaten auf ;-)

Opua ist ein winziges Kaff tief in der verwinkelten ‚Bay of Islands‘. Der Ort wird durch die Marina mit ihren Boots-Gewerken aller Art und großen Schiffsausrüstern dominiert. Achims Herz schlägt Purzelbäume. Neben der Marina gibt es in Opua zwei Handvoll Häuser und einen General Store. Ein winziger Laden mit den nötigsten Lebensmitteln.
Neuseeland gilt nicht als Preiswert-Land und dieser kleine Laden hat sicher nicht die günstigsten Preise, aber uns kommt nach der langen Zeit in der Südsee alles fast „geschenkt“ vor. Ein Wunder-Paradies dieses Neuseeland.

Die Bucht von Opua – auf der anderen Seite der Marina

Beschaulicher Ort – dominiert von Booten aller Art

Totem


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Pacific-Crossing 2 – ein Fazit

Mi., 09.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2719, 24.685 sm von HH

Ich nehme die Pointe gleich vorweg: aufs Sieger-Treppchen schafft dieser Törn es nicht! Wir werden in Erinnerung behalten, dass wir entweder 8 Knoten Wind oder 28 Knoten hatten. Die Tage dazwischen werden verblassen und vergessen.
Wir haben fast auf die Stunde genau drei Wochen gebraucht – macht somit einen Schnitt von 4,8 Knoten (2.423 Meilen). Die vier Flautentage (58 Motorstunden) haben den Schnitt etwas verdorben. An elf von einundzwanzig Tagen hatten wir 6, 7 und sogar 8 Windstärken – letzteres nennt sich „stürmischer Wind“. Das war okay für uns, machbar und nicht ängstigend, aber einen echten Sturm müssen wir definitiv nicht haben. Unser bestes etmal aller Zeiten (ohne Hilfe von Strömung – da hatten wir schon mal mehr) betrug 150 Meilen. Leider hatten wir auch viel Regen und einen tief grau verhangenen Himmel.

der Törn brachte entweder Flaute

oder Wind mit reichlich Schräglage

Following seas – von beachtlicher Höhe

Nachtwache bei eisiger Kälte

Tagwache bei der gleichen Kälte

echtes Schietwetter

Das bringt kalte Füße unterwegs – unsere Segelstiefel haben sich pulverisiert

Ich habe Achim gefragt, was er am besten fand. Spontan kam „die Küche“. Das freut mich natürlich. Hatten die Mahlzeiten eigentlich den Hauptzweck ohne Messer und Gabel essbar sein zu können. :lol: Am schlimmsten fand er die Flauten – das Schlagen der Segel, die Langsamkeit und nichts dagegen unternehmen zu können.
Mein persönliches Highlight war mein Ritt bei 30 Knoten ohne ein Reff in den Segeln und Achim schlafend in der Koje. Das war ein berauschendes Gefühl. Die hohen Wellen im Nacken, Adrenalin pur. Ist ja gut gegangen, also hat es Spaß gemacht. ;-) Das Schlechteste war die Müdigkeit nach zwei „verlorenen“ Nächten.

der Skipper kann sich kaum halten

Der Tanz vor der Spüle bei ruppigem Wetter

Ein herzliches Dankeschön an alle, die mit gefiebert haben und uns über viele Kanäle ihre Glückwünsche gesendet haben. Über Eure Kommentare haben wir uns sehr gefreut. Aufmerksam sind Euch sogar meine Fehler im Datum aufgefallen. Klasse. Ich werde es demnächst korrigieren. Danke an die Crews der Mari Sol, Akka und Taitonga – eure Wetteranalysen über Funk gesendet, waren sehr willkommen.
Met-Bob hat seinen Job gemacht, sich täglich gemeldet. Abgerechnet hat er 42 Euro. Ein fairer Preis. Ob wir noch einmal ein Wetter-Routing in Anspruch nehmen, bezweifeln wir im Augenblick. Es hat uns nicht wirklich nach vorne gebracht.
Atanga war toll. Aber unser altes Mädchen ist reif für Pflege. Das Deck ist nun doch Sieb artig. Alle Segel müssen zum Segelmacher. Hoffentlich ist unsere Fock noch zu retten. Die musste hart arbeiten, nachdem die Genua sich mit einem Riss verabschiedet hat. Das Bimimi war sowieso morsch und von Anfang an ein Fehlgriff vom Material. Es kommt Arbeit auf uns zu. Die Werft wartet – in den nächsten Tagen segeln wir nach Whangarei, wo wir uns einen Platz an Land bestellt haben.

Neuseeland – ein echter Meilenstein. Traumziel und Reise-Marke. Den Pazifik haben wir jetzt (fast) überquert. Den größten Ozean der Welt. Viele Crews beenden hier ihre Reise, Boote werden verkauft oder verschifft.
Wie es mit uns nach dem Refit weiter geht, ist total offen. Wie lange wir bleiben/bleiben dürfen, wie es mit dem Refit voran geht, alles offen.

Wir sind allerdings da, wo wir unbedingt hinwollten. Zum Jahreswechsel 2009/2010 haben wir einen Urlaub auf der Südinsel verbracht. Atanga hatten wir ein dreiviertel Jahr zuvor gekauft. Wir haben in Riverton – einem kleinen Nest an der Ostküste – im Hafen gestanden, aufs Meer geschaut und beschlossen, hier wollen wir eines Tages mit dem eigenen Schiff hin segeln.
Da man die wirklich wichtigen Dinge für so ein Unternehmen immer zuerst kaufen soll, bin ich sofort tätig geworden und habe schöne Geschirrhandtücher mit Neuseeland-Motiven für Atanga als Souvenir gekauft. Diese Tücher sind jetzt wieder da, wo sie her gekommen sind. :-)

Land in Sicht nach 2423 Meilen

Bay of Islands im Morgennebel

Champagner-Laune bei strahlendem Sonnenschein – alle Anstrengung ist vergessen

P.S. Bei Gesundheits-Gery hat der Schlendrian Einzug gehalten. Seinen 20-Fragen-Katalog – Fieber, Husten, Geschmacksverlust? – arbeitet er jetzt per Telefon ab. Den Lautsprecher auf lauf gestellt, brauchen wir am Ende der Fragen nur noch einmal mit ‚nein‘ antworten. Super, Garry!


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Ein schlechter Start

So./Mo., 7./8.Nov.21, Neuseeland/Opua, Tag 2718, 24.685 sm von HH

Am frühen Abend meldet sich eine aufgeregte Frauenstimme über Funk. Sie sei vom Zoll und will wissen, warum wir noch nicht unsere Sim-Karte aktiviert hätten. Sie habe schon mehrfach versucht uns anzurufen, denn sie habe uns etwas Wichtiges mitzuteilen.
Ich denke noch so: „Na, dann sprich doch einfach los, altes Haus. Und sorry, aber wir entscheiden, dass wir erst Champagner trinken, dann aufräumen und dann die olle Karte aktivieren.“.

Achim verspricht der Dame sich der Karte zu widmen und sie dann anzurufen. Achim legt los. Tatsächlich hat er dann so seine Schwierigkeiten. Die SIM-Karte, die wir bekommen haben, ist eine Touristenkarte auf die man verschiedene Optionen buchen kann. Aus unverständlichen Gründen ist die Laufzeit der Bank bei der Kreditkartenzahlung zu lang. Der Vorgang wird ständig abgebrochen.

Das dauert der Dame vom Zoll zu lange. Sie ruft uns nach einer halben Stunde an. Noch immer ist sie total aufgeregt. Wir hätten heute Nachmittag Kontakt zu einem Dinghy gehabt. Warum hätten wir überhaupt mit jemandem gesprochen, wer saß im Dinghy, von welchem Boot stammen die Personen, will sie wissen. Das verstoße gegen die Quarantäne-Vorschriften und solche Vorgänge würden unsere Quarantäne-Zeit auf Null zurück setzten. Sie habe unser Vergehen an die übergeordneten Stellen eskaliert. Wow!

Zum Glück ist Achim am Telefon. Sonst würden wir jetzt wohl im Flieger nach Hause sitzen oder im Knast. Aber der Skipper in seiner ruhigen Art, holt die Dame etwas runter. Es hätte ja nicht mal einen Leinenkontakt zum Dinghy gegeben und der Abstand betrug ja mindestens drei Meter. Und ‚nicht annähern‘ sei ja eine Frage der Definition. Es hat ja keiner einen Zollstock dabei. Und es sind schließlich alte Freunde, die wir seit Jahren nicht gesehen haben. „Deine Frau hat gesessen und sei somit den Personen verdächtig nahe gekommen“, versucht die Zoll-Dame einen neuen Ausritt. Aber Achim bleibt cool. Am Ende von fünfzehn Minuten Schimpftiraden geht er als Gewinner aus dem Kampf. Unsere Quarantäne wird nicht auf Null gesetzt.
Mich bringt auf den Plan, dass ich gesessen haben soll. Wo zum Heck haben die ihre Kamera versteckt? Wir können keine entdecken. Abgehört werden wir jedenfalls nicht, denn unsere Verwünschungen nach Ende des Telefonats bleiben ungeahndet.

Nicht annähern, steht da. Das stimmt. Definiere annähern …

Beim Frühstück findet Achim, dass wir unter Deck essen sollten. Nicht, dass noch jemand sieht, dass wir unser Brot mit den von mir geschmuggelten Eiern belegen.

Mittags werden wir zum PCR Test abgeholt. Mit 1,5 Stunden Verspätung. Das ist eigentlich keine Erwähnung wert, aber wer sich so piefig anstellt, bitte. Dass wir überhaupt zum Test müssen, ist schon ein kleiner Witz – nach drei Wochen als 2er Crew ist man entweder tot oder genesen.
Dass wir aber an Land gefahren werden zum Testen, ist der Knaller. Wie schafft man es, dass wir als potentielle Virenschleudern mit möglichst vielen Personen Kontakt haben? Eine nette Dame vom Zoll holt uns mit dem Schlauchboot ab. Wir müssen Maske und Handschuhe tragen. Und eine Schwimmweste. Die ist Pflicht in Neuseeland, wenn man Dinghy fährt.  Da erzähle ich der jungen Frau mal besser nicht, dass ich bei Windstärke 8 vergessen habe mich anzuleinen. :mrgreen:
Am Zollponton wartet ein Herr, der den Tampen vom Schlauchboot in Empfang nimmt. Ein paar launige Sprüche an uns richtend, begleitet er und zu Gary.  Gary ist der Gesundheits-Inspektor und hat uns gestern bereits interviewt. Er stellt uns die gleichen zwanzig Fragen erneut. Wir sitzen beide nebeneinander auf zwei Stühlen im Freien vor einem Container. Er leiert die Fragen für Achim runter, wendet sich zu mir und leiert erneut. Man kommt sich vor, wie in einer Komödie. Gary schaut mich an und erzählt mir, dass er leider Kunde von unserem Vergehen gestern erhalten habe. Das ginge nicht, was wir uns da geleistet hätten. Das gefährde unsere Quarantänezeit. Ich schwöre ihm, dass wir so etwas nie, nie wieder machen würden und jeden, der sich nähert in Zukunft weg jagen würden. Zum Glück ist mein Gesicht von der Maske verdeckt. ;-)

Es erscheinen zwei Damen in Outbreak-Klamotten. Plastik-Einweg-Ganzkörperschutz, Handschuhe, Masken und Gesichts-Schild. Eine liest uns unsere „Rechte“ vor, die andere entnimmt die Proben. Da dem Zollpersonal langweilig und endlich mal was los ist auf dem Hof, treiben sich noch zwei weitere Personen im Testbereich herum. Wir haben also Kontakt zu sieben (in Worten sieben Menschen), aber uns den Bernd in seinem Dinghy madig machen. Pffft. Besser wäre ja wohl gewesen, wenn man die Dame mit den Teststäbchen zu uns gebracht hätte. Das war wohl zu einfach.

Zur Ehrenrettung der Beteiligten muss man sagen, dass alle unglaublich nett zu uns sind. Es werden kleine Witze gemacht und wir erhalten ein paar Informationen über die Corona-Lage in Neuseeland. Das Zero-Covid-Konzept weicht gerade etwas auf. Leider gäbe es viele örtliche Lockdowns. Man versucht uns das Prinzip der verschiedenen Stufen zu erklären.
Und Gary schildert Achim, dass er total ausgelaugt sei von den Maßnahmen und der Arbeit, die er machen muss.
Da tut er mir dann tatsächlich leid. Augen auf bei der Berufswahl, armer Gary.


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Tag 21 ==> NZ – Die Ankunft

So.,7.Nov.2021, Pazifik, Tag 2715, 24.685 sm von HH
Vormittags schaut wieder ein Albatros vorbei. Ein noch junger, brauner Kerl. Aber man erkennt ihn sofort, Zweifel ausgeschlossen. Etwas grimmig im Gesichtsausruck, gleitet das junge Tier vorbei. Die personifizierte Eleganz. Zum Sonnenuntergang begleiten uns kurz ein paar Delphine, es folgt rabenschwarze Nacht. Wir motoren ereignislos durch die zweite Nacht.
Um 5:00 Uhr morgens lasse ich mich von Achim wecken. Auf keinen Fall möchte ich “ Land in Sicht“ verpassen. Der erste Dämmerstreifen erscheint hinter Atanga am Horizont, noch liegt das Land vor uns im Dunkeln. Der junge Tag ist eisig kalt. Das Meer hat gerade noch sechzehn Grad. In doppelt Fleece gehüllt, starren wir nach Westen. Und dann, ganz langsam, können wir die ersten Felsen erkennen. Aotearo – das Land der großen weißen Wolke – wie Neuseeland in der Sprache der Ureinwohner heißt – zeigt sich hüllenlos. Keine einzige Wolke am Himmel. Wir laufen in die weitläufige ‚Bay of Islands‘ ein. Das südliche Ufer ist klar in der aufgehenden Sonne zu erkennen. Das Nordufer wird von dickem Bodennebel eingehüllt. Je weiter wir kommen, desto mehr Fischerboote tauchen auf und versperren uns den Weg. Heute ist Sonntag. Normaler Wochenend-Alltag oder findet ein Fisching-Wettbewerb statt? Im Slalom fahren wir um die Boote herum. Begeistert winken uns die Angler aus ihren Booten zu. Nett, wir fühlen uns gleich willkommen. Was uns außerdem auffällt, ist die unglaubliche Menge an Vögeln verschiedenster Art. Tölpel, Seeschwalben und etliche, noch namenlose, Viecher. Dann plötzlich zwei schwimmende Exemplare vor dem Bug von Atanga. Wollen die sich überfahren lassen? Nein, plötzlich tauchen sie ab. Da erkennen wir, was wir vor uns hatten. Pinguine! Du weißt, dass du dich tief im Südpazifik befindest, wenn Pinguine neben dem Schiff auftauchen. Jetzt bekommt auch die Kälte in der Nacht einen anderen Sinn.
Nach fünf Meilen verengt sich die Bucht. Die Nebelwand aus Norden kommt näher. Nicht schlimm, der Weg tiefer in die Bucht ist gut betonnt. Besser, wir bleiben in der Betonnung, rechts und links wird es schnell flach, nach vielen Monaten ohne Ebbe-und-Flut-Problemen erreichen wir wieder ein Tidengewässer. Bis zwei Meter Tidenhub ist zu erwarten. Da schnarrt es plötzlich aus dem Funkgerät mit deutschem Akzent. Bernd von der Rebell heißt uns willkommen. Wir haben uns zuletzt gesehen, als wir mit ihm und Birgit als ihre Leinenhänder auf der Rebell durch den Panamakanal gefahren sind. Die Rebell liegt neben dem Tonnenstrich vor Anker und als wir das Boot passieren, wird wild die Deutschlandfahne geschwungen. So ein herzlicher Empfang.
Herzlich empfangen uns auch die Offiziellen am Quarantäne-Steg der Opua-Marina. Kaum, dass wir fest gemacht haben, bekommen wir Besuch von Zoll und Immigration. An Bord möchte keiner kommen. Die beiden älteren Herren, die Wochenend-Dienst schieben müssen, sind überfreundlich. Mit Mundschutz und Handschuhen bleiben sie auf dem Steg stehen und nehmen unsere Papiere in Empfang. Alles ist in bester Ordnung, unser Kommen ist avisiert, die Daten von Atanga sind bekannt. „Ihr Deutschen seid für eure Bürokratie bekannt, das können wir besser“: Schon vorab gesendete Daten sollen wir bestätigen, es wird ein Katalog an Fragen nach unserem Gesundheits-Zustand abgefeuert (für jeden separat die gleichen zwanzig Fragen) und darüber hinaus werden ehemalige Bootsnamen von Atanga und die Namen der Vorbesitzer abgefragt.
Dann erscheint ‚Bio-Security‘ in Form einer freundlichen Lady neben Atanga. Sie reicht uns stabile Müllsäcke für unseren gesammelten Hausmüll der Überfahrt herüber. Den sind wir schon mal los. Dann erfolgt die Abfrage nach kritischen Gütern. Ich antworte wahrheitsgemäß. Kartoffeln: ja – ab in den Sack.. Salami: ja – ab in den Sack. Früchte: ja, noch ein paar Zitronen – ab in den Sack. Käse und Sahne darf ich behalten. Da weder ein Hund anwesend ist, noch die nette Frau an Bord kommen möchte, habe ich einen gewissen Spielraum. ;-) Von den abgefragten Zwiebeln, Knoblauch und Zitronen behalte ich jeweils eine kleine Menge zurück. Soviel Ungehorsam muss sein und Achim, dem eine Pinoccio-Nase wachsen würde, sieht nichts davon. Die letzten Eier, gestern Abend extra noch hart gekocht, werden bemängelt. Bitte auch in den Müllsack legen. Ich kann drei Stück retten. Sämtliche Gewürze, Kräuter, Reis (aha, vielleicht hatte meine Nebelkerze doch einen Sinn) und Konserven bleiben ungefragt.
Nach anderthalb Stunden, um die Mittagszeit, sind wir die Behörden-Vertreter wieder los. Das war nervig, aber einfach und sympathisch. Wir bekommen sogar eine Sim-Karte mit etwas Datenvolumen ausgehändigt. Morgen werden wir abgeholt zum PCR-Test und dürfen, bis das Ergebnis vorliegt, das Schiff nicht verlassen. Ein Transparent, was wir an der Reeling von Atanga aufhängen müssen, weist uns für alle anderen als ‚Pest-Schiff‘ aus. Annäherung verboten! Bernd, der am Nachmittag mit dem Dinghy vorbei schaut, und in drei Metern Abstand neben Atanga treibt, wird von zwei Menschen in Uniform vom gegenüberliegenden Steg angerufen und ermahnt nicht zu nahe zu kommen. :roll:
Achim hat unterwegs alte Segel-Literatur gelesen. Irgendwo, er vermutet bei Astrid, der Frau von Wilfried Erdmann, hat er gelesen „das Aufklaren des Schiffes, verdirbt die Ankommen-Freude“. Wir finden das auch. Somit wird nicht zuerst das Cockpit vom Salz befreit, sondern der kalt gelegte Champagner geköpft. Feucht die Bude durchwischen, können wir auch noch am Nachmittag nach einem Mittagsschläfchen. Champagner gibt es auf Atanga traditionell für den nächst längsten Törn. Schwein gehabt, würde ich sagen: :mrgreen: Tahiti ==> Neuseeland (2.423 Meilen/4.487 Kilometer) ist um knappe 12 Meilen länger als Ecuador ==> Osterinsel. Prost!
Tagesmeilen – 109 – Restmeilen: Zero! Position: 35° 18,8774 S – 174°07,3565 E


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Tag 20 ==> NZ – Flaute

Sa.,5.Nov.2021, Pazifik, Tag 2714, 24.576 sm von HH
Am Nachmittag ist es dann endgültig vorbei mit dem Wind. Der Motor läuft – noch knapp 200 Meilen bis zum Ziel. Da reicht der Diesel locker ohne die Reserven zu berühren. Super, so soll das sein.
Kaum läuft der Motor bekommen wir Besuch. Zuerst denke ich, das ist aber eine große Möwe. Und so gewandt. Schlagartig erfolgt die Erkenntnis: da fliegt unser erster Albatros. Er dreht eine kurze Runde um Atanga. Elegant im Flugstil, leuchtend weiß von der Nachmittagsonne beschienen. Es heißt, dass die neuseeländischen Albatrosse ab dem 33sten Breitengrad erscheinen. Unser ist pünktlich wie ein Grenzposten zur Stelle. Jetzt ist auch wieder klar, warum wir diese Reise eigentlich unternehmen. Einen Albatros bekommt man fast ausschließlich auf See zu sehen. Sie kommen nur zum Brüten an Land. Auf der Südinsel Neuseelands gibt es eine Brut-Kolonie. Dort kann man mal Glück haben.
Die Nacht verläuft ereignislos. Unser 110 PS starker Yanmar hämmert uns in den Schlaf. Der im Grunde viel zu große Motor (für unsere Schiffsgröße) ist kein Flüsterwunder.
Der Morgen bringt Aktivität. Die Braut soll für die Ankunft hübsch gemacht werden. Unser Cockpit wirkt durch die leeren Bimini-Bügel wie ein Wäsche-Trockenplatz. Wie ich schon schrieb, ist die Konstruktion, nun, ich sag mal, abenteuerlich. Bevor man die Bügel kippen kann, muss die Großschot durch die Bügel gezogen und der Baum zur Seite geklappt werden. Ein paar Schrauben lösen und fertig. Unter Segel unmöglich – jetzt kein Problem.
Und dann leckt unser Kühlwasser vom Yanmar. Es tropft in recht kurzen Abständen. Wer kennt es nicht von früher, ein alter Renalut, der auch ewig Kühlwasser verloren hat? Es scheint ein Schlauch-Schellen-Problem zu sein. Kleiner Fehler, große Wirkung. Achim könnte den Schlauch wechseln, aber eine Operation am offenen (heißen) Herzen möchte er gerne vermeiden. Er versucht die Undichtigkeit mit ResQ-Tape abzudichten. Keine Chance. Auf dem feuchte Schlauch klebt es nicht. Also kippen wir Wasser in den Ausgleichsbehälter in der Hoffnung, dass der Motor dieses Wasser ansaugt. Macht er! Jetzt brauchen wir nur noch alle vier Stunden einen Liter nachkippen und kommen hoffentlich ohne platzende Maschine in Opua an.
Essen: Es gibt noch mal Chili con Carne. Ein Glas mit Hack muss noch weg. Und dann habe ich den Fragebogen der neuseeländischen Behörden ausgefüllt, was wir noch an „gefährlichen“ Lebensmitteln und Gegenständen an Bord haben. Von Muskatnüssen bis zum Strohhut kommt da allerlei Zeug zusammen. Gerne hätte ich gemogelt, aber Achim würde das sowieso bemängeln, also ist meine zweitbeste Strategie Nebelkerzen für den Kontrolleur zu werfen. :mrgreen: Kreuze brav Reis als vorhanden an und schreibe daneben: weißer Reis, Sushi Reis und Milchreis. Und Gries nicht vergessen. Alles in Schriftgrad drei und ohne Sonntagsschrift.
Ich bin gespannt, wie das ablaufen wird. Früher, also b.c. (before corona not before christ), kamen Hunde an Bord zum Lebensmittel schnüffeln. Das soll es im Augenblick nicht geben.
Diese Aktionen kommen leider sowieso rund 250 Jahre zu spät. Bereits die ersten Europäer, die Neuseeland betraten, haben es versaut. Und wer war es? Kein geringerer als der berühmte Käpt’n Cook und seine Leute. In den Aufzeichnungen von Georg Forster, dem botanischen Begleiter Cooks, habe ich folgendes gelesen: „Zwar hatten wir eine Menge europäischen Gartensamens von der besten Art ausgesät, allein das Unkraut wird jede nützliche Art bald ersticken“. und „Wir hatten noch fünf Gänse und vier Mutterschafe vom Kap der Guten Hoffnung da gelassen. Seiet fruchtbar und mehret euch. Hoffentlich werden sie sich über das ganze Land ausbreiten.“
Tagesmeilen – 121 – Restmeilen direkter Kurs: 97 – eta: Sonntagvormittag NZ time = +12 Stunden HH time. Year!
Position: 34° 20,9 S – 175° 34,2 E


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