Kategorie: Atanga

Die gelbe Flagge

Fr.,28. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2554, 21.559 sm von HH

Auch Pestflagge genannt, hatte früher die Bedeutung: ‚Seuchengefahr, Schiff nicht betreten“. Sie wurde von vor Anker liegenden Schiffen gehisst, wenn eine ansteckende Krankheit an Bord ausgebrochen war. Die Besatzungen solcher Schiffe wurden unter Quarantäne gestellt. Die Bedeutung der Flagge hat sich gewandelt, heutzutage wird sie gehisst beim Erstkontakt in einem neuen Land. Die Flagge zeigt an, dass an Bord eines ankommenden Schiffes alles in Ordnung ist und das Schiff um Einklarierung im Land bittet.

Achim und ich waren versucht für zwei Wochen in der Marina die gelbe Flagge zu hissen: Seuchengefahr! Ich kann mich kaum erinnern, wann wir beide eine so böse Erkältung hatten. Das ist bestimmt zehn Jahre her. An Bord sind wir bislang mit kleinen Schnupfen davon gekommen. Der Chef hat Halsschmerzen, die an das ‚Schlucken von Rasierklingen‘ erinnern. Ich habe einem Husten direkt aus der Hölle. Beide Fieber, verstopfte Nase, Appetitlosigkeit, das volle Programm.

Der Skipper ist zuerst krank – bei 28 Grad unter der Wolldecke und mit Socken an den Füßen

Achim fing als erster an. Er lag schon als sterbender Schwan auf dem Sofa, da habe ich mich noch fünf Tage in Sicherheit gewähnt. Eine leichte Laufnase, sonst nichts. Aber auf einem miko-kleinen Boot kann man der Ansteckung nicht entgehen. Schnell war ich noch am Pfingstsamstag in der Apotheke, um mir Nasenspray zu besorgen. Was für eine Enttäuschung, ich halte irgendwelche nicht helfende Kräutertropfen in den Händen. Das gute Zeug bekommt man nur gegen ein Rezept. Weiß denn der Apotheker nicht, dass ich ein Nasentropfen-Junkie bin? Es folgten zwei Nächte ohne Schlaf und Atmung. Ich wünsche mir zu Weihnachten ein Sauerstoffzelt.

Am Dienstag ist Achim dann mein Held. Er kommt mit den begehrten Drogen aus der Apotheke zurück. Warum der Apotheker an ihn die verschreibungspflichtigen Nasentropfen rausgerückt, wissen die Götter. Vielleicht hat er den gequälten Zug um seine Augen gesehen und hatte Mitleid. Ich bin seitdem happy und kann wieder atmen. Mein Husten löst sich auch prima. Achim hat auch gleich noch illegalen Hustensaft mitbekommen. Viva La Papeete!

Jetzt geht es langsam aufwärts. Achim ist schon wieder gut zu Wege, ich bräuchte eigentlich noch zwei Tage Sofapflege, aber da ist ein Wetterfenster zu sehen. Dies verspricht seltenen Südwind – vielleicht sogar mit Westkomponente drin. Da wir fast genau nach Osten segeln wollen (schon seit drei Wochen — Augen roll), müssen wir einfach diese Gelegenheit nutzen. Das bekommen wir so schnell nicht wieder. Also werden die Backen zusammen genkniffen und auf geht’s. Bin ja schließlich kein Weichei. Am Sonntag ist Abfahrt.


6

Wohnort-Anmeldung

Fr.,21. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2547, 21.559 sm von HH

Ab heute sind wir Einwohner von Papeete. Ein Tipp von anderen Langfahrern: „Meldet euren Wohnort in Papeete an und du hast den ultimativen Grund nach deinem Deutschland Aufenthalt wieder nach Tahiti zurück kehren zu dürfen“. Da man mir auf meine ‚Hilfe-was-kann-ich-tun-Anfrage nicht geantwortet hat, klingt das nach einer guten Idee. Wir rechnen mit einem unmöglichen bürokratischem Akt, aber die Angelegenheit ist nach dreißig Minuten abgearbeitet. Inklusive zehn Minuten Fußweg zum Rathaus.

Das schicke Rathaus unserer neuen Heimatstadt

Dort erklären wir an der Rezeption unser Anliegen. Die freundliche Dame schickt uns in den Keller zur Tür mit ‚Affairs divers‘.  Eine weitere freundliche Dame mit Blumenkranz auf dem Kopf ruft sofort den Chef. Wir dürfen in seinem Büro Platz nehmen, erklären erneut, was wir möchten. Wir zeigen den Mietvertrag mit der Marina und unsere Reisepässe. Mehr braucht es nicht. Ein Formular und vier Stempel später sind wir Einwohner von Papeete. „Sollten wir Fragen oder Probleme haben, so können wir jederzeit wieder kommen“, wird uns zum Abschied versichert.
Wenn man ein Land an seiner Bürokratie und seinen Beamten bewerten kann, dann möchte ich lieber keinen Vergleich zu Deutschland ziehen. Dort hat unser neues Wohnsitzfinanzamt, als wir zu unserer Reise aufgebrochen sind, fünf Jahre gebraucht, um uns eine Steuernummer zuzuteilen. :lol:

Während wir zu Einwohnern von Tahiti werden, überholen uns die Neuigkeiten. Angeblich soll ab Juni für Geimpfte die Notwendigkeit für einen wichtigen Grund zur Aus- und Wiedereinreise entfallen. Ich bin ja nun geimpft, finde diese Ungleichbehandlung allerdings unerträglich. Wer sich nicht impfen lassen kann oder will, dem werden Knüppel in den Weg geworfen. Das kann nicht richtig sein. Zur Zeit sind es erste Gerüchte, dass es so kommen soll. Ich habe einen guten Ausreise und jetzt einen noch besseren Rückreise Grund und kann mich nun um einen Flug kümmern. Im August soll es sein. Dann dürfte auch in Deutschland ein Bundeslandwechsel ohne besondere Genehmigung möglich sein.
Für mich rückt eine Reise in die Heimat in greifbare Realität. Nach drei Jahren! Yippie.

Unsere neuen Nachbarn auf dem Weg zum Rathaus


5

Bürokraten-Kampf

So.,16. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2541, 21.559 sm von HH

Wir kämpfen auf zwei Fronten. Ich mit Französisch Polynesien und Achim mit Neuseeland.

Ich möchte einfach nur nach Deutschland fliegen. Früher hat man sich ein Ticket gekauft und fertig war die Angelegenheit. Der einzige Kampf bestand darin, den günstigsten Tarif zu finden. Heute benötige ich als erstes eine Genehmigung Französisch Polynesien überhaupt verlassen zu dürfen. Natürlich möchte ich auch zurück. Auch dafür wird eine Erlaubnis fällig – dieser Teil ist einzusehen.
Man benötigt für die Ausreise handfeste Argumente. Nur die Verwandtschaft zu besuchen, reicht da nicht aus. Auch nicht ältere Herrschaften. Krankheit und Tod sind echte Trümpfe. Also muss mein armer Vater herhalten. Aber ich bin mir sicher, dass Gert einverstanden wäre, dass ich sein Ableben und den damit verbundenen Papierkram als Begründung benutze. Eine skandinavische Crew berichtet mir, sie hatten ebenfalls einen Todesfall bereits im alten Jahr und halten jetzt ihre Ausnahme-Genehmigung in den Händen. Außerdem ist mein Personalausweis abgelaufen. Eine schwache Trumpfkarte, aber immerhin!

Für die Rückreise-Erlaubnis lasse ich einfach Achim (und das Boot) als Pfand zurück. :mrgreen: Da die Mitarbeiten des ‚Haut Commissariats‘ Achim nicht kennen, dürfe das glaubhaft sein. Dass ich doppelt geimpft bin, habe ich außerdem erwähnt. Für irgendetwas muss das ja gut sein.

Wenn man einen Grund gefunden hat (eine Crew „plant“ sogar die ungeplante Hochzeit), muss man im Internet diverse Formulare ausfüllen. Natürlich ist fast alles auf Französisch, aber mit diversen Übersetzer-Programmen ist diese Hürde zu schaffen. Der unverständliche Rest wird geraten. Ich scheitere erst an dem Eingabefeld für meine Flugnummer. Natürlich habe ich keine Flugnummer. Wer bucht denn einen Flug ohne zu wissen, ob er überhaupt fliegen darf? Zum Glück kann man alles, was man bereits ausgefüllt hat, speichern. Als mein Passwort wähle ich ‚Corona‘ plus einen ‚unflätigen Ausdruck‘.
Ich finde einen Knopf mit ‚Sie-haben-Probleme-beim-Ausfüllen-Ihres-Dossiers?‘. Ich beschreibe mein Problem der fehlenden Flugnummer und meine Aus-und Einreisegründe.
Vorsichtshalber habe ich dabei geschrieben, dass meine französische Version vom deepl-Übersetzer stammt. :oops: Und habe noch eine englische Variante dazu gepackt. Jetzt heißt es auf Antwort warten.

Der Kampf

mit französischen

Formularen :-)

Achim quält sich mit Neuseeland rum. Schritt eins – für Atanga die Genehmigung zu bekommen, ist erledigt. Schritt zwei – ihn und mich als ’notwendige Crew‘ zu deklarieren, ist erledigt.  Schritt drei – für uns beide ein Einreisevisum zu erhalten, ist erledigt.
Jetzt kommt der Pferdefuß: das Visum erlaubt uns die Einreise nur innerhalb von drei Monaten nach Erteilung. Mist. Es wird Winter in Neuseeland, die ersten Herbststürme stehen schon in den Startlöchern, da wollen wir ganz sicher nicht nach Neuseeland segeln. Eine Abreise vor Oktober ist nur was für harte Männer und kernige Frauen. Nichts für uns Kaffeesegler. Also wird unser Visum ungenützt verfallen. Eine Verlängerung des Visums ist nicht möglich. Das bedeutet für Achim, dass er in drei Monaten noch einmal mit Schritt zwei und drei von vorne beginnen muss. Rechnerisch wird das ein knappes Höschen. Wir dürfen dann nicht nach dem 15. November in Neuseeland eintreffen. Bei Visums-Vergehen kennen die Kiwis keinen Spaß. Berücksichtigt man eine Anreise von eventuell mehr als 30 Tagen, kann das eng werden. Es hängt ein wenig davon ab, wie lange die Kiwis zum Bearbeiten von Schritt zwei und drei beim zweiten Mal brauchen. Jetzt heißt es warten.

PS: Wir sind noch immer in Tahiti. Starkregen und damit eingehende unglückliche Windverhältnisse haben uns aufgehalten. Also genießen wir gut gelaunt noch den Markt in Papeete mit seinen Genüssen und die kurzen Wege.


25

Von Moorea nach Huahine – ein Video!

Mi.,12. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2537, 21.559 sm von HH

Zeit für einen Rückblick: Von Moorea sind wir zwischen Weihnachten und Neujahr nach Huahine gesegelt. Diese Insel ist beim Wettlauf ‚die schönsten Insel in Französisch Polynesien‘ ganz weit vorne. Vielleicht ist sie nicht die schönste, aber das Gesamtpaket macht sie für uns total attraktiv.
Die Überfahrt in Moorea war eine Nachtfahrt – nur ein kurzer Hüpfer. Allerdings sind wir einen Tag zu früh gestartet und hatten noch eine alte Dünung draußen stehen.
Viel Spaß mit der Überfahrt und einer Moped-Runde um Huahine.

 

Mit dem Moped auf Insel-Tour

Und da soll ich hinpassen mit der dicken Kiste?

 


3

Unsere Corona Impfung ist vollendet

So.,02. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2527, 21.559 sm von HH

Unseren zweiten Schuss erhalten wir ebenso unkompliziert wie den ersten. Wieder ist das Impfzelt aufgebaut und ohne Anmeldung werden wir freundlich herein gewunken. Zwanzig Minuten später sind wir doppelt geimpft mit Pfizer Biontec. Die Nebenwirkungen beschränken sich auf leichte Schmerzen im Impfarm für zwei Tage und erhöhte Müdigkeit am Impf-Abend. Keine Kopfschmerzen, keine Grippesymptome. Leider funktioniert der implantierte Bill Gates Chip nicht richtig. Mein sechs Jahre alter Laptop hat noch immer ‚Windows 8.1‘ installiert und will sich einfach nicht von alleine updaten.

Selfie mit Hindernissen – beide geimpfte Arme waren nicht fehlerfrei aufs Foto zu bekommen

Nebenwirkung der Impfung – ein Ringtanz auf offener Straße

Im Zelt war mehr Andrang als drei Wochen zuvor. Besonders die Reihe mit den Erstgeimpften war gut besucht. Knapp 15.000 Geimpfte sind in den letzten drei Wochen dazu gekommen. Das Tempo zieht an. Außerdem ist seit ein paar Tagen ein zweiter Impfstoff (Johnson&Johnson) im Land im Angebot. Die Einreise für flugreisende Amerikaner ist seit 1. Mai wieder erlaubt. Eine Impfpflicht gilt dafür nicht als Bedingung. Für Segelboote, die in Südamerika sehnsüchtig auf offene Grenzen warten, gibt es leider noch keine Lockerung.

Wir persönlich haben keine Vorteile von der Impfung. Geimpfte und Ungeimpfte werden gleich behandelt, dürfen die gleichen Lokale besuchen und dürfen gleichberechtigt zum Friseur. Nach wie vor haben alle Restaurants und Geschäfte geöffnet. Geschlossen sind nur Nachtclubs und es gilt eine Ausgangssperre von 22:00 Uhr bis 4:00 Uhr morgens.
Die Begeisterung fürs Maske tragen sinkt zusehend. Nur noch im Super- und auf dem Frischemarkt wird sich halbwegs dran gehalten. Den letzten Corona-Verstorbenen gab es vor zwei Monaten zu bedauern. Täglich werden noch ungefähr fünf positiv Getestete gemeldet, damit scheint für die (überwiegend junge) Bevölkerung die Pandemie vorbei zu sein. Wer will es ihnen verübeln?
Zunehmend sehen wir im Park wieder Tanzgruppen beim Training, abendliche Geburtstagsfeiern mit Picknick, Fitness-Trupps und Ukulelen-Spieler. Das normale Leben kehrt zurück. Es ist nicht erlaubt sich mit mehr als sechs Personen zu treffen, aber weder wird das Verbot beachtet noch kontrolliert.

Familien-Picknick im Park

Wir sind jetzt fertig in Papeete. Am Dienstag möchten wir weiter. Ob sich direkt ein Wetterfenster für den Weg auf die Tuamotu anbietet oder ob wir in Moorea am Anker darauf warten müssen, ist in der Vorhersage noch nicht klar ersichtlich. Beides ist okay für uns. Ich werde berichten.

Der Marina-Manta

Manni, der Marina-Manta hat schon vor einem halben Jahr seine Kreise im Hafen gezogen. Inzwischen fliegt er mit zwei Meter Spannweite an den Unterwasserlampen vorbei. Manni ist ein Fuchs. Er hat entdeckt, dass sich an den Lampen so allerlei Fressbares sammelt. Bahn für Bahn grast er abends seinen speziellen Futterplatz ab. Seine Cleverness bezahlt er allerdings mit Einsamkeit. Noch nie haben wir einen zweiten Manta bei ihm gesehen.
Wir hoffen, dass Manni noch da ist, wenn wir wieder zurück kommen. :-)

 


3

Tage im Leben von Langfahrtseglern

So.,02. Mai 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2527, 21.559 sm von HH

„Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?“, wurden wir gefragt. „Arbeiten und leben“, lautet die Antwort. Ganz wichtig dabei ist, auf die ‚Work-Live-Balance‘ zu achten, wie es auf Neudeutsch so schön heißt. Mein Tag beginnt zwischen halb sieben und sieben Uhr. Achim ist dann meistens schon eine Stunde wach. Super bequem brauche ich nur von hinten aus dem Bett zu rufen oder eine whats app :lol: zu schicken, dann wird mir sofort ein Tee gekocht. Zehn Punkte für ‚Live‘ in meiner Balance. Vor dem Frühstück surfen wir dann häufig eine Stunde im Internet. Es ist die beste Zeit, um mit der Heimat zu kommunizieren. Alle sind bereits zu Hause und der Tatort hat auch noch nicht begonnen.

Nach dem Frühstück gewinnt meistens ‚Work‘ die Oberhand. Einkaufen ist so eine Sache. Der Supermarkt ist gute zehn Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Jetzt wo die Marina-Baustelle fertig ist, kann man barrierefrei durch den schönen Park radeln (ja, darf man – in Papeete kommen Fußgänger und Radler gut zusammen klar auf den Wegen). Mit Blick auf die Hafeneinfahrt und Moorea ist es ein Vergnügen und ‚Live‘ zuzuordnen. Man kommt am ‚Kultur-Haus‘ vorbei, wo häufig Ausstellungen stattfinden und man einen netten Zwischenstopp einlegen kann. Erst kurz vor dem Supermarkt muss ich auf die Straße wechseln. Für eine Erneuerung der Uferbefestigung ist der Fußweg weg gerissen worden.

Fahrradweg durch den Park zum Supermarkt

da freut sich die Einkäuferin

mit Zwischenhalt an einer Ausstellung

an der Schnellstraße ist Papeete nicht mehr so schön – hier muss ich auf der Straße radeln

Der Rückweg dagegen hat mit ‚Live‘ nicht viel zu tun. Ich schaffe mit zwei Satteltaschen und einem Rucksack ungefähr 30 Kilo zu transportieren. An der Baustelle fahre ich einfach gegen den Strich auf der Straße. Das fällt in die Kategorie ‚Live‘ verkürzend. Aber besser als den Umweg der anderen Straßenseite zu nehmen, dort muss man als Linksabbieger eine vierspurige Schnell-Straße kreuzen – noch gefährlicher, habe ich für mich entschieden. Bis der Einkauf aufs Schiff gehievt und verstaut ist, bin ich total durchgeschwitzt. Wenn man schwitzt, muss es ‚Work‘ sein. Bin ich gut drauf, fahre ich gleich zweimal hintereinander. Mega-work! Aber das schafft was weg. Allein nur fürs Wasser, was wir in den drei Wochen Marina-Aufenthalt weg trinken (der Wassermacher ist im öligen Hafenwasser außer Betrieb), muss ich fünfmal fahren.

und der Rückweg – übrigens interessiert es die Autofahrer keinen Deut – ich werde weder angehupt noch angeblinkt, aber man nimmt auch keine Rücksicht ;-)

In der Marina haben wir dafür Brauchwasser im Überfluss. Viel Wasser, viel ‚Work‘. Wäsche waschen zum Beispiel. Unsere Kissenbezüge und Handtücher haben nach meiner lauen Handwäsche der letzten Monaten so gestunken, dass ich Ihnen jetzt eine Kochwäsche verpasse.  Das geht wie früher. Auf dem Herd Wasser heiß machen, in einen Bottich kippen und mit Holzlöffel umrühren. Schwitz, stöhn, schnauf. Aber die einzige Methode, wie man den Stink aus den Klamotten bekommt.
Die Wäsche, die nicht gekocht werden darf, bringe ich zur Wäscherei mit Hilfe einer Handkarre.  Eine Maschinenladung kostet zehn Dollar. Trocknen kostet das gleiche. Auf dem Schiff bekomme ich die Trocknung durch Sonne und Wind umsonst. Da bin ich Sparfuchs und lasse nur waschen, um die tonnenschwere Karre mit der nassen Wäsche durch die halbe Stadt zu ziehen. Der gesamte Prozess stinkt nach ‚Work‘.
An anderen Vormittagen wird geputzt, geräumt und sortiert. Eindeutig ‚Live‘. Nein, Scherz, der Schweiß läuft, es ist ‚Work‘. Und was macht Achim? Achim repariert etwas oder jagt nach Ersatzteilen und Zubehör. Ich sehe ihn selten schwitzen, stelle ich beim Schreiben gerade fest. Er kann auch viel Arbeit im Sitzen erledigen. Unsere Anträge für Neuseeland hat er geschrieben. Er behauptet, das sei Schwerstarbeit gewesen … ja, im kühlen Schiff unter Deck ein wenig in die Tastatur klappern. Pfffft. Dass er 140 Liter Diesel ran gekarrt hat, lasse ich mal unter den Tisch fallen.

Der Chef hat derweil Arbeit im Sitzen – der Nähmaschinenkasten bekommt einen neuen Boden und an der Seite ein Aluprofil mit ein paar Poppnieten verpasst

Zum Mittag essen wir eine Kleinigkeit und gönnen uns eine anschließende Pause mit Internet – das bedeutet dreißig Minuten ‚Live‘.  Es folgt der erste Abwasch des Tages. Die Hände im heißen Abwaschwasser bei sowieso schon über dreißig Grad treiben den Schweiß aus den Poren. Achim schwitz nicht, Achim trocknet ab. :mrgreen:
Am Nachmittag sind die Temperaturen untauglich für ‚Work‘. Endlich schlägt die Waage zur richtigen Seite aus: Blog schreiben, Film schneiden oder wir lesen, Achim hält auch gerne mal ein Nickerchen. Gibt es was zu schauen in der Stadt, besuchen wir gemeinsam eine Ausstellung oder machen eine Radtour.

Bleibt noch der Abend. Der ist schnell beschrieben. Kochen = schwitzen. Zweiter Abwasch des Tages = schwitzen (Achim noch immer nicht, er trocknet auch abends ab). Und was ist mit dem Sundowner? Ganz klar: work hard – play hard! ;-)
Und dann ist sie wieder gerade gerückt, unsere Work-Live-Balance auf Langfahrt.

Harte Sundowner-Work zusammen mit Brigitte und Ferry


6

Der Verfall

Di.,27. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2522, 21.559 sm von HH

„Das war auch schon in einem besseren Zustand … „, der meist gesprochene Satz auf Atanga. Wo man hinblickt (einschließlich in den Spiegel :mrgreen: ), stahlt uns der Verfall entgegen.

Die Gangschaltung von Achims Rad – abgebrochenes Opfer der UV Strahlung.
Der Aufbewahrungskasten für die Nähmaschine – Überalterung.
Unser geliebter, praktischer Pumpaufsatz für die 5-Liter Wasserflaschen – China Schrott.

Abgebrochene Gangschaltung wird geklebt – schon das zweite Mal

Die wichtige Transportkiste für die Nähmaschine kommt nach 40 Jahren in ein Alter

Mit Panzertape geklebte Pumpe – besser die als keine

 

Ersatzbeschaffungsmöglichkeit gleich Null. Crews aus Frankreich, England und dem Rest der Welt bitten einfach die hilfsbereite Verwandtschaft in der Heimat um den Versandt eines Päckchens. DHL Deutschland versendet noch immer nicht Französisch Polynesien. Nach einem Jahr Corona-Einschränkungen hat man es nicht geschafft den Versandt über einen anderen Slot als Neuseeland zu organisieren. Passt irgendwie zum Gesamteindruck. ;-) UPS liefert, nur muss man sich auf Wartezeiten einstellen. Die Crew der Alrisha hat mehrere Monate auf die Zustellung ihres neuen Kühlschranks gewartet.

Diese Verknappung an Nachschub erzieht zur Nachhaltigkeit. Wegwerf-Gesellschaft war gestern. Eine Bürste zum Schruppen des Unterwasserschiffes, die nur noch Stummel statt Borsten hat, wird heilig gehütet. „Die ist doch noch gut! Wer weiß, wann wir eine neue finden.“ Erst im fünften Laden bin ich dann letzte Woche fündig geworden.
Der Stöpsel für unsere Spüle in der Pantry besteht seit einem Jahr aus einem alten Tupperdeckel. Hält prima und wahrscheinlich wird das für immer so bleiben.
Abgeschnittene Gurte eines kaputten Rucksacks kommen an den Fahrradtaschen zum Einsatz. Die alten Gurte haben sich im UV Licht pulverisiert. Der Boden der Satteltaschen ist ebenfalls durch, die nähe ich mit Persenningstoff wieder einsatzfähig. Die Sättel haben eine Haube, weil der Kunststoff schon seit Monaten klebt. Im früheren Leben wäre das alles auf dem Müll gelandet. Hier drehen und wenden wir kaputte Dinge, die vor Ort nicht zu bekommen sind, so lange bis uns eine Lösung einfällt.

Bitte nicht wegwerfen – besser diese Bürste als keine

Gerissenes Gummi am Stöpsel wird durch einen Tupperdeckel ersetzt

Klamotten kaufen in Papeete – auch ein Thema. Zu neunzig Prozent gibt es das Blumen-Blätter-bunte-Fenua-Outfit. Achim hat sich oben rum schon angepasst. Aber was ist mit Schuhen, Unterwäsche und Shorts? Wanderschuhe oder andere feste Schuhe zu finden, ist schwierig. Der billige Mist, den wir finden, der ist 150 Dollar einfach nicht wert. Somit flickt Achim ein durchgelaufenes Loch in der Sohle mit M 5200 – einem teuflischen Industrie-Kleber.  Neue Unterwäsche habe ich mir im Supermarkt gekauft. Die Gummis sind schon nach der zweiten Wäsche abgerippelt. Und ich dachte, die billigen Synthetik-Teile auf dem Markt wären der echte Schrott. Zum Glück habe ich meine alten ‚Schlüpfer-Lappen‘ noch behalten. Die waren ja noch gut …
Meine Lieblings-Shorts hat die dritte Schicht Flicken. Wer braucht schon neue Klamotten? In den Tiefen meines Schrankes finde ich noch einen fast ungetragenen Rock, den ich nie so recht mochte. Den kürze ich mir ein, finde ihn nun tragbar, und freu mich über ein neues Teilchen wie Bolle.

Drei Lagen Flicken auf der Shorts – besser die als keine

Unsere besten Freunde sind Panzertape und die Nähmaschine. In den drei Jahren im Pazifik (Ecuador, Osterinsel und FP) ohne Einkaufsparadies vor der Tür sind wir zu Spezialisten im Frickeln, Improvisieren und Reparieren geworden. Gebrochenen Scharnieren unserer Klappen im Cockpit verpasst Achim eine Stütze von unten, so dass man den Deckel wenigstens noch vorsichtig öffnen kann. In ganz Papeete war kein Ersatz zu finden. Der Kasten für die Nähmaschine bekommt Krücken aus Alublech. Es macht Spaß zu sehen, wie Achim für alles eine Fusch-Lösung erfindet mit der man (weiter) leben kann. Manchmal fühle ich mich drei Generationen zurück versetzt als man mit Rohstoffen noch nicht so verschwenderisch umgegangen ist. Und es ist kein schlechtes Gefühl.

Aber ein Einkaufsparadies wäre auch mal wieder schön. :-)

Reparatur am Bimini – was sowieso schon fertig ist und auf Ersatz wartet


22

Reisepläne 2021 – die Entscheidung der großen Distanzen

Do.,22. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2517, 21.559 sm von HH

Wir segeln nach Neuseeland! Zumindest höchstwahrscheinlich. In diesen unplanbaren Zeiten weiß man ja nie … aber was sicher ist, wir haben eine Einreisegenehmigung für Neuseeland erhalten. Hipp hipp hurra. Bislang darf nur Atanga einreisen, allerdings sind unsere Visa-Anträge in Bearbeitung. Genauer gesagt, ist der Antrag in Bearbeitung, ob wir beide als „notwendige Crew-Mitglieder“ für die Überführung des Schiffes gelten. Wir haben eine Besatzung kennen gelernt, da hätte nur der angestellte Skipper (Neuseeländer) und die beiden Elternteile ein Bleiberecht erhalten. Die (minderjährigen) Kinder wurden als nicht notwendige Crew eingestuft und hätten Neuseeland mit dem ersten Flieger verlassen müssen. Neuseeland … :roll:
Wird unserer beider Notwendigkeit anerkannt, folgt der eigentliche Visum-Antrag. Die Visa sollten wir problemlos erhalten ohne eine aktenkundige Bankräuber-Karriere. Diesmal haben wir alle Gesuche ohne Agenten-Hilfe eingereicht. Achim hat die undankbare Arbeit übernommen. Begleitet von viel Gemecker über den Formalismus des Antrages, aber der erste Schritt hat schon mal geklappt.

Ich weiß, ich habe schon einmal geschrieben, dass Neuseeland uns den Buckel runter rutschen kann. Frau Ardern liest ja hoffentlich nicht mit – wir finden Neuseeland noch immer ganz schön unanständig. Auch ein Jahr später erhält nur ein Schiff, was mindestens 50.000 NZ Dollar ausgeben will, eine Einreisegenehmigung. Money makes the world go round.
Nach vielen Überlegungen haben wir uns entschieden Geld wie Heu auszugeben. Wir haben keine Wahl – unser Deck braucht eine Komplettsanierung. Hinten fängt es schon wieder an zu tropfen. Der einzige Ort an dem wir diese Arbeiten machen können und der (für uns) erreichbar ist, heißt Neuseeland.

Da wir erst nach den neuseeländischen Frühjahrs-Stürmen im November segeln wollen, bleibt uns noch ein halbes Jahr in Französisch Polynesien.
Im Mai verlassen wir Tahiti und segeln mit einem guten Wetterfenster in die Tuamotu. Ein letztes Mal Richtung Osten zurück. Tauchen mit Haien und endlich mal (!) in türkis Wasser schwimmen, lautet unsere Idee. Wenn es irgendwie ohne große Probleme möglich sein sollte, würde ich gerne im August/September nach Deutschland fliegen. Aber nach dem schwarzen Gesetz-Erlass von heute zweifle ich stark daran, dass das klappen wird. Im Oktober bereiten wir dann den langen Ritt nach Neuseeland vor. Fahrradreifen und Wanderschuhe müssen klinisch rein sein. Alles, was nicht nach Neuseeland darf, muss vernichtet werden. Lorbeerblätter und getrocknete Linsen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Zeit, aus den Ritzen der Bodenbretter versteckte Saatkörner der halben Welt zu saugen.

Wir kennen einige Crews, die ebenfalls erfolgreich einen Antrag gestellt haben. Einige Schiffe wollen allerdings nicht direkt segeln, sondern in Fiji einen Zwischenstopp einlegen und bereits im Mai los segeln. Fiji ist der einzige Inselstaat auf der Strecke, der seine Grenzen geöffnet hat. Wir haben uns dagegen entschieden. Trotz Impfung benötigt man einen negativen Test vor der Abfahrt in Tahiti, in Fiji wird der Test wiederholt und ein Agent schaltet sich ein, alles zusammengerechnet, kommen da weit über tausend Dollar zusammen für, … tja, für nichts. Und an Fiji kommen wir auch noch nach Neuseeland vorbei – können vorbei kommen, wenn wir wollen. Somit liegt vor uns die längste Strecke der Reise. Wir dachten, dass wir mit Ecuador-Osterinsel das hinter uns hätten, aber auch das war ein Irrtum.
Direkte Strecke nach Neuseeland wären es nur ungefähr 2200 Seemeilen. Das ist aber nicht segelbar. Je nach Wind und Wetter kann es passieren, dass wir bis auf die Länge von Fiji segeln müssen, um dann nach Süden abzufallen. Somit kann die Strecke 2800 bis 3000 Meilen lang werden.

Von Tahiti nach Neuseeland – ungefähre zu segelnde Strecke

Die Entscheidung mit Neuseeland ist gefallen. Etwas traurig stimmt uns, dass wir Traumziele wie die Cook-Insel, Samoa und Tonga ungesehen passieren müssen. Die einmal im Leben Chance. [„Es sein denn, wir kommen zurück“, wirft Achim ein, als ich ihm den Text vorlese. Scherzkeks! Aber die Zeiten sind so verrückt, dass alles möglich scheint :mrgreen: .]


4

Heimathafen Papeete

Sa.,17. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2512, 21.559 sm von HH

Bereits zum vierten Mal sind wir jetzt auf Tahiti. Rekord – in keinem anderen Ort sind wir so häufig zurück gekehrt wie nach Tahiti. Damit ernennen wir Papeete zu unserem neuen Heimathafen. Der Marina-Umbau ist in der Zwischenzeit auch eröffnet. Zwar mit 15-Monatiger Verspätung und es gibt (noch) keine Waschmaschine und (noch) kein (brauchbares) Internet. Aber es gibt Duschen! Die erste Dusche seit anderthalb Jahren. Unfassbar eigentlich. Zwar muss man alle zehn Sekunden den Wasser-Knopf drücken, die Temperatur ist nicht optimal; es fehlt an Spiegeln, Ablagen und Haken für Handtücher, aber es ist eine echte Dusche. Halleluja! Klimatisiert auf 25 Grad. Es sind die kleinen Dinge im Leben.

Der Duschraum – freundlich – nur etwas unvollständig ausgestattet

Der neue Komplex ist wirklich chic geworden. Garten- und Landschaftsbau vom Feinsten. Aus Naturstein die Böden und Gebäude, Bänke sind aus dicken Holzbohlen und Feldsteinen gebaut. Vor einem halben Jahr haben wir gesehen, wie die ausgewachsenen Palmen angeliefert wurden. Jede Palme steht auf einer kleinen Raseninsel, geschickt in die Wege integriert. Drei Restaurants laden zum Sundowner ein. Mit Blick auf Sonnenuntergang und Moorea. Super schönes Ambiente. Und nicht (!) gesperrt für Jedermann, sondern der Stadtpark geht nahtlos in das Marina-Gelände über.
Allerdings sind die schönen Zeiten der reduzierten Liegeplatz-Preises wegen Umbauarbeiten vorbei. Mehr als doppelt so viel müssen wir jetzt blechen. Statt 13 nun 31 Euro.
So gesehen kostet der Luxus der Dusche 18 EUR am Tag. :mrgreen:

Blick auf die neu geschaffenen Liegeplätze – wir liegen im alten Teil der Marina

Nettes Ambiente in der neuen Marina

Der Marina-Komplex zum Sonnenuntergang

Das Gute am Heimathafen ist, dass man bereits alles kennt. Darüber hinaus kennen wir die meisten Crews vor Ort. „Hallo, euch haben wir ja seit Monaten nicht gesehen“, schallt es aus allen Richtungen. Jeden Abend gibt es ein Treffen mit einer anderen Crew. Auch mal schön und sehr abwechslungsreich.
Wir werden drei Wochen bleiben. Bis dahin sind wir das zweite Mal geimpft, haben Zahnarzt und sonstige Organisatorischen Dinge abgearbeitet.  Stichwort Friseur und andere wichtige Besuche. Achim geht es weiterhin gut. Der Stein scheint seinen Weg gefunden zu haben. Wahrscheinlich war der Skipper so mit Schmerzmitteln zugedröhnt, dass er es nicht bemerkt hat. Er lässt ‚herzlichen Dank‘ ausrichten an alle, die sich so nett nach seinem Befinden erkundigt haben.


13

Die schnellste Impfung der Welt

So.,11. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2506, 21.559 sm von HH

Mit Sonnenaufgang um 6:00 Uhr laufen wir in Papeete ein und finden einen vorletzten Platz in der Marina. Frühstück gibt es um 8:00 Uhr und danach trifft Achim auf alte Segelfreunde. Um 9:30 kommt er an Bord zurück: „Wir können uns impfen lassen. Gleich um die Ecke – ohne Anmeldung. Alter egal.“ Wir zögern nicht lange. Wer in Zukunft reisen möchte, kommt um eine Impfung nicht herum. Und bislang haben wir uns auch gegen jeden „Mist“ impfen lassen. Et hät noch immer jot jejange. Fünfzehn Minuten später stehen wir vor dem Impfzelt, weite fünfzehn Minuten später haben wir unseren ersten Pfizer-Schuß intus.

Ob man die Covid-19 Impfung nun gut findet oder nicht, dies hat Klasse. Am Empfang wird man in zwei Gruppen geteilt. Erstimfung oder Zweitimpfung. Wir müssen einen Zettel ausfüllen mit Name und ein paar medizinischen Fragen. Das übliche – chronische Krankheit, dauerhafte Medikamenten-Einnahme, Allergien und schwanger oder nicht.
Im Zelt erhalten wir an der ersten Position einen Impfausweis und den Termin für die zweite Impfung. Eine Station weiter bekommen wir eine kurze medizinische Aufklärung – natürlich spricht die Ärztin Englisch – und an der letzten Station die Impfung. Auf jedem neuen Impfpass wird ein Post-It mit der Impfuhrzeit geklebt. In einem Wartebereich müssen wir fünfzehn Minuten auf Stühlen Platz nehmen. Bekommen Wasser oder Kaffee während der Wartezeit. Eine große Uhr hängt unter einem Ventilator. Erst nach Ablauf der Wartezeit dürfen wir das Zelt verlassen. Ein Kontrolleur prüft das Post-It. Herzlich willkommen in einer Welt mit pragmatischer Organisation. Danke Französisch Polynesien. Alles kostenlos, auch für uns Ausländer. Danke Macron.

Impfzelt in Papeete

 

Pfizer Schuss für Achim

In Französisch Polynesien sind knapp 30.000 Menschen erstgeimpft. Das sind ungefähr 11 Prozent der Bevölkerung. Wenn man bedenkt, dass die Leute auf 78 Atolle tausende Kilometer versprengt wohnen, keine schlechte Quote. Im ersten Schritt waren die über 75jähren an der Reihe. Und systemrelevante Personen. Dann brach die Lieferung des Impfstoffes für vier Wochen ein. Als dann Impfstoff in größeren Mengen geliefert wurde, hat man das System geändert und die Impfung für alle frei gegeben. Im Mai sollen die Grenzen für Touristen wieder öffnen. Bis dahin möchte man ‚eine Mauer gegen das Virus‘ errichtet haben, besonders unter den Menschen, die in der Branche arbeiten. Zur Zeit entdeckt man nur noch zwischen drei und sieben Neuinfizierte täglich. Bora Bora beispielsweise hat sich als Corona frei erklärt. Das soll so bleiben mit Hilfe der Mauer.

Bleibt noch von der schnellsten Überfahrt der Welt nach Tahiti zu berichten. Schlappe 36 Stunden haben wir gebraucht. Allerdings gemogelt. Als wir aus dem Windschatten von Bora Bora raus kommen, merken wir, das ist gar kein Windschatten. Acht Knoten Wind auf die Nase lassen uns unter Segeln nirgendwo ankommen. Die Maschine bleibt an. Zwischendurch können wir mal dreißig Meilen segeln, dann ist wieder Essig mit Wind. Blöd, aber bequem. Die Segel bleiben als Stütze oben. Schaukel- und widerstandslos pflügen wir auf glattgezogenem Ozean nach Tahiti. Der Skipper hält sich tapfer. Keine Steinaktivitäten jetzt seit einer Woche.


13

Der Stein des Anstoßes

Do.,05. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Bora Bora/Yacht Club, Tag 2503, 21.389 sm von HH

Die erste Kolik überfällt Achim eine Woche vor Ostern. Doktor Google lässt keinen Diagnose-Zweifel: ein Nierenstein! Wenn dieser sich bewegt, kommt es zu „abartigen“ Schmerzen (O-Ton Skipper). Viel machen kann man nicht, große Mengen trinken, Bewegung und Schmerzmittel schlucken. Wir haben zwei Hämmer an Bord – wobei das seit 2018 abgelaufene Präparat besser wirkt. ;-)

Dann hat Achim für drei Tage Ruhe. Doktor Google weiß auch hier Bescheid: in achtzig Prozent aller Fälle gehen solche Steine auf natürlichem Weg verloren.
Wir fahren also hoffnungsschwanger in die Lagune zum Motu Tapu.
Gleich den ersten Abend im Türkis überfällt Achim eine neue Kolik. Aber jetzt ist Karfreitag, machen können wir nichts. Auch auf Bora Bora ist Feiertag. Es folgen drei gute Tage, dann eine erneute Kolik. Der Chef leidet. Die Internetbeschreibungen geben dem sterbenden Schwan absolut Recht. Eine Geburt soll ein Spaziergang dagegen sein.

Ein Arztbesuch muss her. Also macht Achim sich am Oster-Dienstag auf den Weg ins Dorf. Im Medical-Center schickt man ihn zu einer Arzt-Praxis auf der anderen Straßenseite. Die Ärztin kommt zur gleichen Diagnose wie wir. Misst den Blutdruck und erzählt Achim etwas von zwei Sorten Steinen. Die eine Sorte sieht man auf beim Röntgen, die andere im Ultraschall. Die Behandlung sei unterschiedlich, also müsse zuerst die Art des Steines abgeklärt werden. Sie schickt ihn zur Radiologie einen Kilometer entfernt. „Meister Röntgen persönlich hat diese Geräte noch benutzt“, lautet Achims Urteil. Keine Bleischürze zum Schutz – zum Glück ist die Familienplanung bereits abgeschlossen. Zur Ultraschall-Untersuchung kommt es dann leider nicht mehr: „Die entsprechende Ärztin ist nicht da, sie kommt sowieso nur einmal in der Woche und ist außerdem ausgebucht bis Ende April.“ Die Röntgenaufnahme (Wert 150 USD) würde man zur behandelnden Ärztin schicken.
Achim stiefelt am Nachmittag erneut zur Praxis. „Ich habe kein Bild bekommen und es ist nicht meine Verantwortung“, blafft Frau Doktor Achim an. Wann die Aufnahme käme, wüsste sie nicht. Danke für nichts.

Die medizinische Tagung auf Atanga fällt den Beschluss – wir müssen nach Tahiti. Hier hat das keinen Sinn. Direkte Strecke sind es 150 Seemeilen. Direkte Strecke geht nicht, weil wir gegen den Wind zurück müssen. Somit werden es wohl 250 Meilen – drei Tage. Mit etwas Glück kommt der Wind nicht genau aus Ost, sondern etwas nördlich. Wir werden sehen, wie hoch am Wind wir segeln müssen. Die Rückreise kommt jetzt etwas verfrüht, aber im Mai sollte es sowieso zurück nach Tahiti gehen. Auf Achim wartet ja noch ein Zahnarzt-Termin wegen des zweiten Teils seines begonnenen Implantats aus November (du weißt, dass du alt bist, wenn die Arzt-Termine sich die Klinke in die Hand geben … :mrgreen:  ). Wir verpassen jetzt Maupiti, die letzte Insel in der Kette der Gesellschaftsinseln. Das ist nicht schlimm. Alles kann man sowieso nicht sehen und außerdem soll Maupiti so sein wie Bora Bora, nur schöner.

Dem Patienten geht es, seit er beim Arzt gewesen ist, gut. Keine weiteren Koliken mehr. Das Röntgenbild ist inzwischen auch eingetroffen. Kein Stein-Befund, so die Info der Radiologie. Die Ärtzin hat sich nicht wieder gemeldet. Der fehlende Stein kann mehrere Gründe haben. Erist bereits im Klo verschwunden, der Stein ist ein Ultraschall sichtbar Stein oder die Röntgenaufnahme ist schlecht.
Morgen früh starten wir und ich hoffe, dass Achim weiterhin verschont bleibt. Für ihn natürlich. Und auch ein bisschen für mich – während so eines Anfalls ist der Mann absolut zu nichts zu gebrauchen. Nicht, dass ich noch als Einhand-Wunder-Seglerin in die Geschichte von Atanga eingehe.

Zurück nach Tahiti


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Frohe Ostern auf Tapu

Mo.,05. Apr. 2021, Franz.Polynesien/Bora Bora/Motu Tapu, Tag 2500, 21.387 sm von HH

Wir haben noch ein paar Tage übrig von unserem Monats-Mooring-Benutzung-Arrangement, daher wollen wir Ostern noch einmal in der Lagune verbringen. Wir fahren nur zwei Meilen auf die Süd-Westseite von Bora Bora. Die Anzahl der Mooringfelder, die wir nutzen dürfen, ist beschränkt. Ankern nur an einer Stelle erlaubt – für 36 Stunden.

In den grünen Zonen befinden sich die Mooring-Felder für uns Segelboote – die dicken blauen Kreise sind für Kreuzfahrtschiffe reserviert, die zur Zeit ja nicht kommen

Wir haben die ganze Lagune für uns alleine, keine anderen Segelboote in Sicht. Direkt vor unserer Haustür liegt das ‚Conrad Bora Bora Nui‘ Hotel.  Eine Fünf-Sterne-Herberge, die mit ‚eleganten Wasservillen mit Blick aufs offene Meer‘ wirbt. Das günstigste Angebot zur Zeit 750 Euro die Nacht. Die Anlage ist riesig, wie Krakenarme reichen die Bungalows auf die Lagune hinaus. Über hundert Villen sind es, sagt die Homepage.
Bei zwei Bungalows stehen die Gardinen offen.  Hat das Hotel tatsächlich Gäste? Nein, wahrscheinlich nur eine Nachlässigkeit beim Aufräumen. Die Werbung verspricht einen Privatstrand. Aber wir verstehen es nicht. Selbst den Strand hat man mit Wasserbungalows vollgepflastert. Wer hier am (kurzen) Strand spazieren geht oder als armer Schlucker nur in einer Garten-Villa wohnt kann, der schaut auf die Betonstelzen der Bungalows.

Conrad Bora Bora Nui – zu viele Wasserbungalows für unseren Geschmack

Wasserbungalows sogar vor den einzigen Strand gebaut

Atanga vor Conrad Bora Bora Nui

Jede Villa hat ihre eigene Badeleiter ins Meer. Schwimmen zwischen Betonstelzen fällt mir als erstes ein. Schön sieht es von außen nicht aus. Daher gibt es auch Bungalows mit Privatpool. Am Ende vom Steg stehen zwei Luxus-Bungalows mit freistehender Badewanne mit Blick in den Sonnenuntergang. Diese Villen kosten knapp 5000 Euro für eine Nacht – nur mit Frühstück. :mrgreen: Etwas überzogen, finden wir. Aber! Wären denn Gäste da, hätten die exklusiv für ein paar Tage den Blick in den Sonnenuntergang plus Atanga! Da muss man die Spendierhosen schon mal ausziehen.

Luxus-Bungalows mit Badewanne zum Sonnenuntergang

Der fünftausend Euro Sonnenuntergang

Wir wenden dem Luxus den Rücken zu und steuern das nördlich gelegene, kleine Motu an. Am Steg dann die Ernüchterung – betreten verboten. Privatbesitz von Conrad Bora Bora Nui. Wir tun so als hätten wir das nicht gelesen und steuern die Insel seitlich an. Landen am Sandstrand ohne Verboten-Schild. Es sind ja keine Hotel-Gäste da, also, wen sollte es stören. Wir haben die Rechnung ohne ‚Conrad Security‘ gemacht. Der ältere, etwas fuß-lahme Wachmann braucht allerdings eine Zeit bis er uns erreicht, da sind wir schon halb um die Insel rum. Goldbuchstaben auf seinem Shirt weisen ihn als Conrad-Mitarbeiter aus. Und nein, wir dürfen nicht bleiben. Freundlich macht er uns klar, betreten verboten, auch dann wenn keiner da ist. Okay, wir drehen noch eine Runde um das Inselchen mit dem Dinghy und hauen dann ab.

Leider im Privatbesitz vom Hotel Conrad

Motu Tapu – mit Liegegestellen für exklusive Gäste des Conrad Hotels

Verbotener Rundgang um die halbe Insel

Als Boot-Tourist hat man es nicht so einfach an Land zu kommen. Die Einheimischen, die neben dem Hotel wohnen, möchten uns auch nicht sehen. Schilder an Palmen und Stegen machen uns das deutlich klar. Das im Deutschen benutze Wort ‚tabu‘ ist übrigens polynesischen Ursprungs. Tapu – verboten. Dafür haben wir als Boot-Tourist immer unser Dinghy dabei und können nach Herzenslust über die Lagune brausen.

Frohe Ostern in die Heimat, wir senden Euch die besten Grüße.


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