Kategorie: Atanga

Ein Segelvideo

Do., 29.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2342, 21.218 sm von HH

Ein neues Video ist fertig. Der erste Teil unserer Tour 1.200 Meilen von Tahiti zurück nach Gambier. Ist schon ein wenig her … :shock: , genau genommen zehn Monate.
Wir haben jetzt einen Internet-Vertrag abgeschlossen *** und endlich genug Bandbreite, um  Filme hoch zu laden.

Viel Spaß auf der ersten Etappe: hoch am Wind mit einer unglaublich gut gelaunten Crew, mit Bratnudeln zu Sylvester, mit Tomatensaft und einem Bier bei Flaute; und einem unerbittlichen Tyrannen als Käpt’n. :-)

Spaß bei der Arbeit nach der Ankunft in Hao

 

*** So weit ist es jetzt schon. Der erste Schritt für eine ‚Einbürgerung‘ ist gemacht. Wir haben einen Vertrag gleich über zwölf Monate abgeschlossen. Verrückte Welt, wer hätte das erwartet …

Französisch Polynesien – Corona Update

Mo.,26.Okt.20,Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete,Tag 2339, 21.218 sm von HH

Wie in Europa, so steigen auch vor Ort die Zahlen der positiv Getesteten. Die Zahl in Tahiti ist enorm hoch im internationalen Vergleich – achthundert neue Fälle auf hunderttausend Einwohner. Zum Glück erkrankt kaum jemand ernsthaft und die Verstorbenen-Zahl ist weiterhin recht niedrig (26 Personen). Der Premier von Französisch Polynesien ist infiziert von einem Frankreich-Besuch zurück gekehrt – seine Devise trotzdem: ‚Maske tragen, Abstand halten – wir werden mit dem Virus leben müssen‘.

Da scheint Frankreich als Geldgeber für diesen kleinen Inselstaat nicht mitspielen zu wollen. Plötzlich wird auf einer Pressekonferenz verkündet, dass auf Tahiti und Moorea ab Samstag die neuen französischen Regeln gelten sollen: Ausgangssperre von 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens. Protest macht sich laut! „Wie sollen wir zur Arbeit kommen und die Kinder zur Schule bringen? Auf unseren Inseln fängt der Tag bereits um vier Uhr an. Das sind Regeln für die ‚Metropole‘, nicht für uns.“
Wer früh arbeiten muss, kann sich ein Formular mit einer Ausnahmegenehmigung ausdrucken. „Es hat nicht jeder das Geld für 36.000 Kopien“, schimpft ein Kommentar. Der Protest hat Erfolg. Die Ausgangssperre wird von sechs auf vier Uhr morgens zurück benommen. Die Zufriedenheit darüber hält sich mit Gemecker in etwa die Waage. Es gibt viele Menschen, die machen sich Sorgen, um Restaurants, Fitness-Studios und ähnliche Betriebe. Sie glauben, dass die Ausgangssperre nur die Zahl an Verkehrsunfällen senken wird, aber nicht das Virus stoppen kann. Andere schreiben „die Touristen sind Schuld – alle Grenzen dicht“ oder „schließt die Schulen bis es vorbei ist“. Identische Kommentare wie in Deutschland. Der Glaube, dass es irgendwann ein ‚vorbei‘ geben wird, hält sich überall hartnäckig. Neuseeland glaubt das auch noch immer. Chancenlos kämpfen sie mit allen Mitteln gegen den unsichtbaren Feind. Aber täglich poppt die Meldung über mindestens einen Infizierten hoch. Mal aus dem Sicherheits-Trakt der Quarantäne-Zone, mal aber auch aus irgendeiner Gemeinde.

Im Augenblick sind wir nicht betroffen von den neuen Regeln. Nach neun Uhr abends sind Oma und Opa Atanga nicht mehr auf der Straße. Was noch kommen wird, weiß niemand. Ein Insel-Reise-Verbot scheint nicht angedacht zu sein. Gerüchte besagen jedoch, dass die Schulschlaf-Säle der Internate geräumt werden (sollen). Wir fühlen uns im Positiv-Getestete-Hotspot von Tahiti nach wie vor nicht in Gefahr. Wir halten Abstand wo es geht (und tragen Maske, die aber nur weil wir müssen) – das sollte uns genug schützen. So unsere Meinung.

Wir nutzen die Zeit für Boots-Projekte (jaaa, es gibt sie noch immer … ) oder machen Spaziergänge in die Schluchten von Papeete. Dabei freut uns besonders, dass wir als Touristen nicht komisch angesehen werden. Wenn wir durch die Wohngebiete kommen, werden wir freundlich gegrüßt und man hilft uns bei dem richtigen Weg wie eh und je.
Achim hat sich Freitag einen zu Implantat-Zahnarzt-Termin angemeldet. Mit Nachsorge werden wir also noch etwas Zeit hier verbringen. Vielleicht nicht das Schlechteste. Wer weiß, was der Corona-Wahnsinn noch an Entscheidungen mit sich bringen wird.

Im kleinen Hafen von Papeete liegen Industrie- und Yachthafen eng beieinander – über den Wohnvierteln hat man eine phantastische Aussicht

Lei – Blumenkränze

Mi., 21.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2334, 21.218 sm von HH

Kein Markttag in Papeete vergeht ohne Verkaufsstände für Blumenkränze. Die Lei haben in der polynesischen Kultur viele Bedeutungen, sie können ‚Liebe‘, ‚Danke‘, ‚Herzlich Willkommen‘ oder auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten. Das hat man sich prima ausgedacht, denn so kann ein Lei praktisch zu jedem Anlass eingesetzt werden.

Bekannt gemacht in der Welt wurden die Lei durch die ersten Gäste auf Kreuzfahrtschiffen, die vor knapp hundert Jahren Hawaii anliefen. Jeder Besucher bekam zur Begrüßung einen Blumenkranz umgehängt und war begeistert von so viel Gastfreundschaft.
Bereits James Cook bekam 1778 einen Lei als er als erster Europäer Hawaii betrat. Heute bekommen nur noch diejenigen Pauschal-Touristen einen Lei, die beim richtigen Anbieter gebucht haben.

In Französisch Polynesien wird die Tradition der Lei noch kräftig gelebt. Auf Gambier zum Festival im letzten Jahr bekamen die Tänzer und Sänger der Nachbaratolle Blumenkränze bis zu den Ohren hoch umgehängt. Der Bürgermeister von Hao konnte am Nationalfeiertag seinen Kopf nicht mehr bewegen – so dick waren seine Lei.

Blumenkranz-Mädchen in Gambier bei der Begrüßung von Gästen

ein gewaltig dicker Lei aus Minze und Blüten

Der Bürgermeister von Hao mit Begleiterin am Nationalfeiertag – bis zu den Ohren mit Lei beladen

In Papeete stehen am Markt etliche Händler und Blumenkranz-Binderinnen mit ihren Verkaufsständen. Aus großen Säcken heraus werden Blüten zu Blumenkränzen oder Kopfschmuck (das nennt sich auch Lei, da wird kein Unterschied gemacht) aufgefädelt und geflochten. Früher wurde die Rippe eines Palmenblattes als Nadel genutzt, heute funktioniert das natürlich moderner. Bis zu tausend Blüten können in einem Kranz verarbeitet werden – ein Lei für die besonderen Anlässe.

Lei-Knüpferin am Sonntag in Papeete

Blütenmeer

Lei im Alltag: Eine Frau bei der Grabpflege auf Moorea

Muschel-Lei als Grabsteinschmuck

Ein Lei kann auch aus Muscheln, Steinen, Federn oder Farnblättern bestehen.

Lei dürfen von jedem getragen werden, zu jedem Anlass und Tageszeit. Da macht man sich auch als Tourist nicht lächerlich, wenn man mit einem Blütenkranz auf dem Kopf durch Papeete wandelt. Ein selbstverständlicher Anblick. Ein offener Lei wird von Menschen getragen, die noch etwas lernen möchten. Das Wissen kann aus beiden Enden der Blumenkette heraus fließen, so sagt man. Ein geschlossener Lei symbolisiert eine Umarmung. Dementsprechend gilt es als unhöflich einen Lei abzulegen, solange der Schenkende noch anwesend ist. Ein Lei darf auch nicht in der Mülltonne landen. Er wird in die Natur gehängt, an einen Baum oder Zaun. Durch das Aufschneiden des Bandes kann man die Blüten auch wieder in die Freiheit entlassen.

Alles Leben stammt aus dem Meer und geht auch wieder dorthin zurück, so sagt der alte Glaube der Polynesier. Ein Lei ins Wasser geworfen, wird vom Ozean zu den geliebten Ahnen getragen. Ein Lei, wieder ans Ufer zurück gespült, wurde von den Vorfahren empfangen und als Zeichen der Liebe zurück geschickt.

Da Lei auch ‚Auf Wiedersehen‘ bedeuten kann, werfen Achim und ich am Tag der Seebestattung von Gert zwei Lei ins Wasser. Direkt an der Hafeneinfahrt von Papeete mit Blick auf Moorea, wahrscheinlich einer der schönsten Insel dieser Welt. Die beiden Kränze treiben noch eine Weile dicht am Ufer entlang, bilden dann für einen Moment eine 80 (das Alter meines Vaters), um dann langsam in der Dämmerung zu verschwinden. Sie werden ihren Weg zum Empfänger finden, denke ich, auch wenn der in diesem Fall etwas weiter ist.

Wir wünschen Dir den ewigen Horizont.

Zwei Lei für Gert

Wanderung zum See Vaihiria

Di., 13.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2326, 21.218 sm von HH

Wanderungen auf Tahiti zu finden, ist ein Krampf. Hinweise im Netz sind rar gestreut und die Mitarbeiter der Touristeninformation können zwar Blumen verteilen und sind total niedlich, aber nutzlos. In einem geliehenen Wanderbuch auf Französisch werden wir endlich fündig, Wir möchten zum ‚Lac Vaihiria‘.  Jetzt bloß keine Fehler bei der Übersetzung machen, sonst laufen wir in die Irre. Aber Doris und Wolfgang nicken bestätigend: „Ganz einfach zu finden.“

Um zum Einstiegspunkt zu kommen, mieten wir uns ein Auto. Nach einer knappen Stunde Fahrt müssen wir in eine schmale Straße abbiegen, die durch ländliches Wohngebiet und an ein paar Tomaten-Plantagen vorbei führt. Erst Asphalt- dann Schotterpiste. Nach drei Kilometern ist Schluss, ab hier kommt man nur noch mit einem Geländewagen weiter. Wir stiefeln los. Der Weg ist einfach. Auf einem Forstweg, der gleichzeitig die einzige Möglichkeit darstellt die Insel zu queren, geht es moderat bergan.
Es ist waldig, üppig grün und ganz nett, aber nicht mit der spannenden Tour zum Wasserfall zu vergleichen als wir über Stock und Stein unseren Weg suchen mussten. Aussichten ins Tal ergeben sich auch keine – es ist einfach zu viel Wald im Weg.

Einfache Streckenführung – zu Beginn ohne viel Fernsicht

Nach knapp zwei Stunden, grad als uns etwas fad mit der Strecke wird, hören wir ein Auto hinter uns rumpeln. Wir gucken uns nur kurz an und sind uns sofort einig, die versuchen wir zu kapern. Die junge Familie nimmt uns gerne mit. Da ein Baby auf der Rückbank schläft, bleibt für uns nur die Ladefläche. Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Nach einer knappen halben Stunde Fahrt wird der Weg deutlich steiler und holpriger. Die Anhängerkupplung vom Pickup kratzt übel über die Steine. Wir rumpeln weiter. Dann wird es richtig steil. Wieder das Kratzen. Es hat keinen Sinn, wir sind zu schwer auf der Ladefläche, wir steigen ab. Unser junger Chauffeur, der den Wagen nur geliehen hat, lässt auch Frau und Baby aussteigen. Ungeübt mit dem Wagen sucht er nach den Kriechgängen, um am steilen Hang überhaupt weiter zu kommen. Dann hat er den Bogen raus, aber wir gehen zu Fuß weiter, das Kratzen wollen wir dem Auto nicht zumuten. Schade, denn das letzte Ende der Strecke hat es in sich. Schnaufend und außer Atem erreichen wir den See.

Unbequem auf der Ladefläche geht es den Berg hoch

Die Kehre hinter der steilsten Stelle des Weges

See Vaihiria – See der Aale

hübsch eingerahmt von Bergen

Schön ist es am Lac Vaihiria. Laut Info-Tafel leben Aale im See, die bis einen Meter fünfzig groß werden können. Eine Legende besagt, dass einst die schöne Prinzessin Hina mit dem König vom Vaihiria-See verheiratet werden sollte. Entsetzt stellte sie fest, dass ihr zukünftiger Gemahl in Wirklichkeit ein riesiger Aal war. Sie floh und suchte Schutz bei Gott Maui. Der konnte helfen, den Aal-Gatten, der die Verfolgung aufgenommen hatte, zu fangen und schnitt ihn kurzerhand in drei Teile. Maui packte den Aal in ein Paket: „Geh damit nach Hause, aber setzte unterwegs auf keinen Fall dieses Paket auf dem Boden ab“. Hina lief nach Hause, aber wie das in Legenden so ist, vergaß sie unterwegs den guten Ratschlag, weil sie unbedingt ein Bad nehmen wollte. Augenblicklich wuchs aus dem dreigeteilten Gatten eine Pflanze, die in ihrem Wuchs einem Aal glich – die Kokospalme war geboren. Und die drei Flecken auf jeder Kokosnuss sind die Augen und das Maul eines Aals. :-)

Unser Rückweg ist bergab viel angenehmer, so dass wir Zeit und Luft haben, den Ausblick ins Tal zu genießen. Wir zuckeln zum Auto zurück. Als wir geschätzt noch 45 Minuten zu laufen haben, holt uns von hinten wieder unsere Familie ein. Klar dürfen wir wieder auf die Ladefläche springen und überbrücken somit prima den langweiligeren Teil der Strecke.

Zwischen den Bergflanken führt der Weg am Fluss entlang

Es gibt auf der Strecke zwei Stauseen zur Stromerzeugung

Der See dient zur Frischwasserversorgung mit Rohren aus den 80er Jahren

 

Wenn man schon mal ein Auto gemietet hat, ist natürlich noch ein Großeinkauf fällig. So einfach bekommen wir Getränke und andere schwere Sachen sonst nicht an Bord. Und Zeit haben wir durch unsere Tramperei auch noch gewonnen. So viel, dass wir auf der wenig besiedelten Ostseite von Tahiti nach Papeete zurück zu fahren können. Ein gelungener Tag.

Tipps zur Wanderung zum Lac Vaihiria

Die Einfahrt befindet sich an Kilometer 47,5 (Kilometersteine am Weg zeigen regelmäßig wo man sich befindet). Wenn man aus Papeete kommt, liegt die schmale Straße zwischen einer Kirche auf der linken und einer Apotheke auf der rechten Seite.
Direkt an der Einfahrt befindet sich ein Quad-Verleih als Alternative zum Wandern.
Ungefähr drei Kilometer bis zur Brücke fahren. Dort kann man das Auto stehen lassen.
Fußweg bis zum See ungefähr acht Kilometer (einfache Strecke) ab der Brücke. Es geht hoch auf 470 Höhenmeter, aber einfach zu laufen, nur die letzte halbe Stunde wird es recht steil. Die gesamte Strecke führt auf einem Schotterweg entlang, den man mit einem Geländewagen oder Quad befahren kann.

Hier kann man sein Auto parken – warum hat eine Urwaldbrücke so viele Schilder?

Unsere geplante Abfahrt verzögert sich

So., 11.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2324, 21.218 sm von HH

Zunächst stand zur Diskussion, ob ich nach Deutschland fliege. Die Situation zu Hause ist schwierig zu beurteilen. Es gibt Flüge (über Kanada), aber ob Französisch Polynesien als Risikogebiet zählt, ist nicht so einfach zu ermitteln. Es fängt damit an, dass die Seite des Auswertigen Amtes keine ’sichere Seite‘ ist – ein Alarmhinweis poppt auf, wenn man die Seite betreten möchte. Rasend schnell ändern sich die Bestimmungen in Deutschland – da kommt man von hier aus nicht mehr hinterher. Am Ende muss ich vierzehn Tage in Quarantäne, mich testen lassen oder komme im schlimmsten Fall gar nicht zu Achim zurück. ( … obwohl, wenn man darüber genau nachdenkt … :mrgreen: )
Ein negativer Test würde mich wohl von Quarantäne befreien (?), aber bekomme ich in Papeete überhaupt einen Test? Ich bin unsicher, da seit geraumer Zeit nur noch Personen mit Symptomen getestet werden.

Französisch Polynesien macht kein großes Theater um Corona. Trotz hoher Zahl an positiven Tests. Dem Söder (schöner Netzfund: wenn du denkst es geht nicht blöder, kommt um die Ecke Markus Söder) wären in Papeete längst die Farben für seine Ampel ausgegangen.  Rot, röter, super rot. Mit Schnappatmung würde er durch die Stadt laufen und ‚mehr Kontrolle, mehr Kontrolle‘ rufen: Alle paar Tage werden 200 positiv Getestete bei knapp 70.000 Einwohnern gemeldet! Die wenigsten werden krank. Es befinden sich zwischen zwanzig bis vierzig Personen im Krankenhaus, davon ungefähr eine Handvoll ernsthaft erkrankt und bisher sind zehn Menschen gestorben. Die Regierung In Französisch Polynesien fährt eine Art schwedischen Stil. Man möchte anscheinend eine Herdenimmunität erreichen. Der Höhepunkt an positiv Getesteten wird für Dezember erwartet und im März soll Corona Geschichte sein. Das kommt gut an bei den Locals. Kommentare in der Tagespresse lesen sich überwiegend positiv. Im Innenstadtkern von Papeete und in allen Geschäften herrscht Maskenpflicht. Daran wird sich gehalten – aber ansonsten kümmert es die Menschen wenig. Versammlungen mit mehr als zehn Personen sind eigentlich nicht gestattet. Drauf gepfiffen. In den Wohngebiet wird in großen Gruppen gegrillt, genau wie letztes Jahr.

Radrennen am Sonntag – AHA-regeln sind leicht einzuhalten, weil es kaum jemanden interessiert

Ich fliege also nicht nach Deutschland. Ein wenig Papierkrieg ist noch abzuwarten, aber dann wollen wir doch bald weiter. Neuseeland ist nun endgültig gestorben: Ein Boot mit drei Deutschen an Bord hat versucht ohne Genehmigung in Neuseeland einzureisen. Die drei landeten sofort im Gefängnis, das Boot wurde beschlagnahmt. Inzwischen wurden sie ausgewiesen und sind zurück in Deutschland. Was aus ihrem Boot wird ist mehr als ungewiss. Sie selber dürfen nie wieder nach Neuseeland einreisen.

Also wohin mit uns? Darüber reden wir uns die Köpfe heiß, mal alleine, mal mit anderen Seglern. Eins ist klar, einfach wird die Entscheidung nicht.

Nachruf

Mo., 05.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2318, 21.218 sm von HH

Mein Vater ist gestorben. Gert lebt nicht mehr. Trotz einiger altersbedingter Krankheiten kam sein Tod überraschend. Sein Leben lang wird man darauf vorbereitet, dass die Eltern vor einem sterben und dann ist es doch ein Schock. Gerne hätte ich meinen Vater im Mai noch einmal gesehen, aber der Corona-Wahnsinn hat das vereitelt.  Mein Leben lang habe ich meinen Vater Gert genannt, wie das gekommen ist, weiß ich gar nicht. Und jetzt kann ich ihn nicht mehr fragen. Er nannte mich ‚Schietbüdel‘ – auch noch als erwachsene Frau. Woher das stammt, kann man ahnen.

Seebär und Brummbär. Als junger Mann, vor meiner Geburt, ist Gert zur See gefahren als Schiffszimmermann. Ich habe als Kind an seinen Lippen gehangen und gelauscht. Seinen Geschichten gelauscht von haushohen Wellen, von Abenteuern, Freiheit und Fernweh und wurde infiziert. Ich habe von Sydney und Westafrika gehört, bevor ich zur Schule kam. Und an Heiligabend lief bei uns immer ‚Gruß an Bord‘, eine Radiosendung, die Matrosen tränenfeuchte Grüße von Mutti übermittelt hat. „Das Schiff kenn ich noch, den Käpt’n auch“, hieß es in den ersten Jahren. Diese Sendung lief auch noch, nachdem Gert niemanden mehr erkannte. Er war Äquator getauft, seefest und standsicher – ein echter Seebär. Dem Meer verbunden und mit Bergen nichts am Hut.

Brummbär und Seebär. Was konnte Gert brummig sein – warum vererben Väter eigentlich nicht nur ihre guten Seiten weiter? Laut in der Stimme war er in der Lage die ganze Elbe zu beschallen. Laut auch sein herzliches Lachen. Laut seine Freude, wenn er auf Feiern das Leben als ‚tau schön, tau schön‘ beschrie. Brummig, aber niemals bösartig. Brummig, aber immer den Schalk im Nacken – oder warum wettet ein erwachsener Mann, dass er fünfzig Eier essen kann?
Stets hilfsbereit und mit handwerklichem Geschick gesegnet. Nichts, was Gert nicht aus Holz bauen konnte. Er hat ein Haus gebaut und er hat für sich einen alten Schiffskutter ausgebaut, Möbel gezimmert, alte Sachen repariert und neue Dinge erfunden. Er hat uns beim Deck-Refit für Atanga geholfen und Schwalben-Nester und andere Spielereien fürs Schiff entworfen.
Und er war mit der richtigen Prise zivilen Ungehorsams ausgezeichnet: „Meine Haare wachsen während der Freizeit und während der Arbeit – also gehe ich jedes zweite Mal während der Arbeitszeit zum Friseur“.

Seine Asche wird in der Elbmündung verstreut. Das ist schön, er folgt dann unserem Kielwasser und braucht sich bei der ersten Tide nur etwas zu beeilen und kann uns bald eingeholt haben. Gemeinsam können wir dann weiterschippern. Zusammen mit Gert, der sich über unsere Reise mehr als alle anderen gefreut hat.

Brummbär und Seebär. Seebär und Brummbär.
In Liebe, Deine Tochter.

Gert am Tag unser Abreise mit Atanga

Und manchmal mache ich einfach die Augen zu, damit ich Dich sehen kann.

Die ganze Wahrheit – Teil 2

So., 04.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2317, 21.218 sm von HH

Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich stimmt die Aussage „hast du eine an Bord – wächst unter den Bodenbrettern garantiert eine Klon-Armee heran“. Die Rede ist von ‚Periplaneta americana‘ – der Amerikanischen Großschabe. wie alles begann
Im Januar hatten Achim und ich unter Einsatz von List und Tücke das vermeintlich letzte Exemplar an Bord weg gefangen. Wir wähnten uns bis zur Ankunft auf Gambier sicher.  Keine Amerikanischen Freunde mehr zu sehen.
Ungefähr vier Wochen später sah ich ein klitzekleines Insekt über die Kühlschrank-Klappe laufen. Zack, und Matsch! Drei Tage später wieder eines dieser Krabbelviecher. Eine genaue Untersuchung ergab keinen Zweifel:  eine Amerikanische Großschabe in Miniatur-Format. Auf Gambier gibt es keine Mittel gegen Kakerlaken zu kaufen, also blieb uns nichts anderes übrig als unsere letzten – seit 2017 abgelaufenen – Kakerlaken-Hotel-Fallen aufzustellen.  Erfolglos, unsere Kakerlaken lachten sich über das alte Gift kaputt und zeigten sich unbeeindruckt. Also konnten wir die sechs Monate auf Gambier prima den Entwicklungsfortschritt von Periplaneta verfolgen. Wie schnell die wachsen. Gru-se-lig! Hin und wieder konnte Achim eine erlegen und er wurde nicht müde zu betonen, dass ‚dies aber nun wirklich die letzte gewesen sei!‘ :mrgreen:
Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich war es nicht ‚die Letzte‘. Natürlich fand ich weiterhin Reste von ihren Panzern, mal einen Fühler oder ein Bein und natürlich ihren Dreck. Sechs Monate mussten wir uns in ungewollter Koexistenz Atangas Pantry teilen.

Damit ist nun Schluss. Natürlich hatten die anderen Recht, ‚das einzige, was hilft, was wirklich hilft, ist Borsäure‘! Das kann man in Papeete in der Apotheke in großen Mengen kaufen. Das Pulver mixe ich seit fünf Wochen mit Milchpulver (oder auch mal mit Kartoffel-Stampf) zu einem lecker Brei. Ein Schuss Zucker dazu, denn spätestens seit Edgar, der Schabe aus MIB, weiß man Bescheid – Kakerlaken lieben Zucker.
Damit unsere Amerikaner sich auch eingeladen fühlen von meinem Mix, habe ich ihnen aus Klopapier-Rollen kleine Hotels gebaut. Man möchte ja nicht unfreundlich erscheinen.

Ein Hotel für unsere Amerikanischen Freunde

Und was soll ich sagen? Hehehe, es wirkt. Vorzüglich! Nach vier Wochen tauchten die ersten Leichen auf. Mausetot auf dem Rücken liegend. Mal hier eine, mal dort eine. Inzwischen fast so groß herangewachsen wie ihre Eltern. Bäh! Es graust mich. Inzwischen habe ich alle Schränke auf den Kopf gedreht. Noch mehr Leichen. Hehehe. Über die Anzahl möchte ich kein Wort verlieren, natürlich hatten die anderen Recht, natürlich ist es eine Klon-Armee.
Noch etwas Geduld und noch mehr Brei für die Hotels und dann werden wir wohl hoffentlich bald komplett Kakerlaken frei sein.

Das Rätsel um den verschwundenen Wasserfall

Fr., 25.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2308, 21.218 sm von HH

Vor einem Jahr sind wir zum Kopf vom Wasserfall von Fautaua gewandert (Atanga berichtete). Diesmal soll es der Fuß des Wasserfalls sein. Zunächst sind beide Wanderwege identisch, nach der bekannten Gabelung zum Kopf vom Wasserfall *** folgen wir diesmal dem Flusslauf des Fautaua. Ein kleiner Trampelpfad führt parallel zum Fluss durch dichten Dschungel. Viele wohlbekannte Freunde wuchern hier im XXL-Format: Efeutute, Tradescantia oder Zebrakraut, diverse Korb-Maranten und Papyrusgras, Fleißiges Lieschen und natürlich Philodendron, der sich meterhoch an den Bäumen empor rankt. Es sieht aus wie in einer Zimmerpflanzen-Gärtnerei. Wir laufen recht ebenerdig, aber rechts und links werden die Berge steiler, die Schlucht enger.
Zunächst ist der Weg gut erkennbar. Steinmännchen oder mal ein Fetzten Stoff an einem Ast weisen den Weg. Dann führt der Pfad aus dem Wald hinaus zum Ufer vom Fautaua und wir werden mehrmals auf die andere Fluss-Seite geleitet. Achim in Wanderschuhen versucht es trockenen Fußes über Steine. Ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes und der kleinsten Rutschgefahr und wate direkt durchs Wasser. Erfrischend, aber stellenweise doch tiefer als erwartet. Es dauert nicht lange, da habe ich einen nassen Hintern.

Achim versucht es trockenen Fußes

Stellenweise ist es so tief

dass es auch mal einen nassen Hintern gibt

aber angenehm erfrischend

Der Weg ist immer schwieriger zu finden. Auf den Steinen kann man ihn kaum noch entdecken. Ist das dort ein Steinmännchen oder liegt nur zufällig der kleine Stein auf dem Dicken? Wir arbeiten uns vorwärts. Nein, hier sind wir falsch, dort muss es weitergehen. Sieh mal, da hängt ein Zeichen! Wir krabbeln Steine hoch und Steine wieder runter und queren noch mehrmals den Fluss.
Und dann hört man ihn schon rauschen, den Wasserfall. Noch ein paar dicke Felsen liegen im Weg, dann haben wir ihn erreicht. Aber halt! Was ist das? Das kann doch unmöglich unser Wasserfall vom letzten Jahr sein. Wir gucken doof aus der Wäsche. Hat der Wasserfall sich verändert, können wir nur den unteren Teil von unserem Standort sehen? Sind wir gar am falschen Wasserfall?

Der große Fautaua Wasserfall

Niemals ist dieser kleine Wasserfall identisch mit dem im oberen Bild

Aus einer Rast und einem gemütlichen Picknick wird leider nichts. Es wimmelt vor kleinen Fliegen und sobald wir es uns gemütlich machen, fallen Zebra-Mücken über uns her. Und, Achim bemerkt es zuerst, der Himmel hat sich deutlich zugezogen. Wenn es jetzt zu regnen anfängt, dürfte der Wasserstand im Fluss schnell steigen. Er hat Recht, wir sollten zurück, ich möchte nicht durch brusttiefes Wasser zurück laufen müssen.

Also gibt es nur ein paar schnelle Fotos und wir treten den Rückweg an. Im letzten Drittes des Rückweges finden wir uns plötzlich auf einem steilen Pfad wieder, der in den Wald hineinführt. Der Trampelweg ist deutlich zu erkennen, aber wir kommen nur noch mit Hilfe der Hände vorwärts. Hier sind wir doch nicht gekommen, oder? Hm, ich bin mir sicher und bleibe wo ich bin, Achim quält sich noch ein Stück vorwärts bis zum Ende des Grats. „Hier oben geht es auf der anderen Seite mal richtig steil runter“, ruft er mir zu. „Senkrecht! Und du wirst es nicht glauben, da ist noch ein zweiter Fluss! Aber hier geht es definitiv nicht weiter.“
Sind wir falsch abgebogen und der Fluss auf der anderen Seite des Berghanges wäre der richtige gewesen? Wir drehen um und gehen zur Stelle zurück an der wir falsch abgebogen sind. Da, endlich, ein Steinmännchen und da, die Stein-Formation erkennen wir wieder, hier sind wir gekommen. Ab jetzt bleibt es einfach, wir finden sogar eine Lichtung ohne Mücken und dann gibt es auch endlich eine Brotzeit.

Gerettet, ein Steinmännchen zeigt uns den Weg

 

Auf kaum zu erkennenden Pfaden durch den Wald

oder am Fluss entlang

durch urige Landschaft

Das war eine tolle, abenteuerliche Wanderung (mit gutem Muskelkater zum Lohn), jedoch waren wir definitiv am falschen Wasserfall. Aber wir sind nicht die einzigen. In der Marina rätseln wir zusammen mit Doris und Wolf, wo sich der große Wasserfall verstecken könnte. Die beiden sind ein paar Tage vor uns genauso in die Irre gelaufen. Der Witz ist, dass sie vor fünfzehn Jahren schon einmal am richtige Wasserfall gewesen sind. Es gibt ein Beweisfoto davon.
Aber wo ist der Wasserfall heute? So ein hundert Meter Fall verschwindet doch nicht so einfach. Fragen über Fragen, ein Teufelskreis.

Das wilde und unberührte Innere von Tahiti

Vorbereitungen für die Weiterreise

Do., 24.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2307, 21.218 sm von HH

Da Neuseeland uns ja nun einen Strich durch die Rechnung macht, bleiben wir halt in Französisch Polynesien. Auch gut, die Marquesas kennen wir noch nicht und erscheinen uns als ein attraktives Ziel.

Der Beschaffungs-Marathon für die versorgungsarmen Inseln hat begonnen. Vor allem Ersatzteile für Atanga sind uns wichtig, um unser schwimmendes Haus am Laufen zu halten. Als erstes soll noch ein Paket mit einer neuen Membran für den Wassermacher zu uns. Die Membran liegt zu Hause bereits seit Monaten und ich wollte sie im Mai aus Deutschland mitgebracht haben. Da ein Paket unserer englischen Nachbarn per DHL innerhalb von einer Woche hier war, geht Achim frohgemut auf die Internetseite von DHL Deutschland und dort erscheint Französisch Polynesien in rot: ‚keine Lieferung möglich‘. Abgelegene Atolle, die kaum jemand kennt, wie Guam und Heard leuchten ‚grün‘. Achim glaubt an einen Programmfehler. Aber nein, die liebe Ulla, die in Deutschland mit unserem Paket zur Post geht, bekommt die gleiche Info: ‚keine Lieferung möglich – hat mit Corona zu tun‘. Aha! Viren kommen jetzt schon mit der Post? Nein, der Grund gibt mir prima die Gelegenheit noch etwas Neuseeland Bashing zu betreiben. ;-) DHL Deutschland schickt seine Pakete (grundsätzlich) über Neuseeland nach Tahiti. Die Kiwis haben aber jeden Flugverkehr hierher eingestellt – auch Frachtmaschinen. Warum DHL Deutschland sich nicht der Lieferkette über England oder Paris nach Los Angeles bedienen kann? Man mag nicht darüber nachdenken.

DHL Versand nicht möglich nach Französisch Polynesien – was Teil der EU ist

Die Membran soll aber hierher. Die ist uns für den Aufenthalt in den kleinen Atollen wichtig. Also besucht Achim einen Agenten, der für Ausländer die Verzollung von einkommenden Paketen übernimmt. Der Mann sieht kein Problem. Wir sollen das Paket nach Paris schicken lassen in sein ‚Büro‘ und von dort aus übernimmt seine Agentur den weiteren Versand. Voila, so einfach. Man muss auch mal bereit sein, die Spendierhosen auszuziehen, dann bekommt man auch sein Paket. Ohne den Versandt nach Paris kostet uns der Spaß ca. 350 USD. Aber nur, weil wir unter fünf Kilo bleiben. Sonst würde es teuer werden. :lol: Danke, Neuseeland.

Die Geschichten über Beschaffungen ziehen sich. Man bekommt auf Tahiti wirklich viel, aber die Puff-Preise schrecken ab. Achim ist auf der Suche nach Motor-Öl zum Ölwechsel, stinknormales 15-W40. Er bekommt fast einen Herzkasper vom Preis:  80 Dollar für fünf Liter Volvo-Öl.  Aber der gute Mann hat ja ein Fahrrad. Zehn Kilometer später und weit entfernt von jedem Schiffausrüster hält er schlichtes Hauruck-Öl für 33 Dollar in der Hand. Super!

Beim Schiffsausrüster schießen einem die Tränen in die Augen, man denkt das Geschäft ist pleite. Wer Tampen oder Fallen braucht, wird bitter enttäuscht. Fast alles ausverkauft. Zündkerzen? Fehlanzeige. Hier muss der Skipper wieder eine Radtour unternehmen, um fündig zu werden.
Auch in dem Geschäft in dem wir letztes Jahr noch unsere Ankerkette gekauft haben, steht man vor leeren Tonnen. Die Segelboote, die hier jetzt festhängen, rüsten auf. Die Boote, die nicht in Tahiti bleiben wollen, haben viele Meilen vor dem Bug. Alle Käufe und Ersatzbeschaffungen, die in Neuseeland erledigt werden sollten, finden jetzt vor Ort statt. Viele klagen über ihr schrumpfendes Budget – so war das nicht geplant. Das alles hättest du dir verdienen können, Neuseeland.

Neuseeland – eine Segler-Nation

Sa., 19.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2302, 21.218 sm von HH

Vorbei. Ende. Ausgeträumt.
Wir haben unsere Entscheidung getroffen und Neuseeland (für dieses Jahr?) von unserer Reiseliste gestrichen. Die vermutlich größte Segler-Nation der Welt hat kein Herz für Segler. Wir werden von der Regierung hingehalten und es werden immer neue Fußangeln nach uns ausgeworfen. Frau Premierministerin Jacinda Ardern und ihr Gesundheitsminister erkennen im Prinzip ‚Humanitäre Gründe‘ als Begründung für eine Einreise in ihr Land an. Nur leider hat bisher noch niemand herausgefunden, was als ‚humanitär‘ gelten könnte. Die herannahende Zyklon-Saison im Südpazifik ist es jedenfalls nicht! „Sollte ein Zyklon im Anmarsch sein, wo sich ein Schiff befindet, so bin ich bereit von Fall zu Fall zu entscheiden, ob ich eine Einreise genehmige“.  Der Gesundheitsminister übertrifft in seiner Plattheit durchaus noch unseren Bundes-Spahn. „Suchen Sie doch rechtzeitig Schutz in einem sicheren Hafen – zum Beispiel in ihrem Heimatland „.
Ein Schaden am Schiff, der hier nicht zu reparieren ist und dadurch bedingte finanzielle Einbußen oder gar der Verlust des Schiffes sind ebenfalls nicht humanitär. Und Frau Ardern sieht nicht, dass für die meisten Segler ihr Boot das zu Hause ist, sondern sie hält Segler für ‚privilegierte Reiche‘, denen sie kein Hintertürchen öffnen möchte, um ins Land zu schlüpfen. Es ist halt Wahlkampf.

Herr Minister, das sind die Flugbahnen von Zyklonen über einen Zeitraum von 25 Jahren im Südpazifik – nur mal so

Die Neuseeländische Regierung hatte aber trotz aller Bedenken kurzfristig die Dollar-Zeichen in den Augen und signalisierte, dass Schiffe, die einen finanziellen Vorteil von mindesten 30.000 Euro ins Land spülen, einen Antrag auf Einreise stellen können. Humanitäre Gründe zählen nicht – aber Geld ist willkommen. Pfui, schämt euch. Wir haben an einem Pilot-Programm teilgenommen und den Antrag gestellt, da wir in größerem Umfang Arbeiten am Schiff zu erledigen hätten.
Wir sind unter dem verlangten Betrag geblieben, aber das ist nicht der Grund, warum wir seitdem hingehalten werden. Das Konzept für die Quarantäne sei auf einmal nicht mehr ausreichend. Der ursprüngliche Ort könne die Auflagen nicht erfüllen, der Quarantäne-Steg an dem neu gewählten Ort sei jedoch zu kurz. Dabei ist die Quarantäne für Segler denkbar einfach, bringen wir unsere Quarantäne-Behausung praktischer Weise doch gleich mit. Außerdem wären wir ohnehin ungefähr drei Wochen auf See. Und müssten vor Abreise einen negativen Corona-Test vorweisen. Die neuen Argumente sind Ausreden, wie wir glauben. Solange noch Wahlkampf herrscht (bis Ende Oktober), wird hier keine Entscheidung getroffen werden. Und danach ist es für uns zu spät.

Die Seglergemeinde, die nach Neuseeland möchte, ist sauer. Ein britischer Kommentar hat die Premierministerin als ‚AdolfArdern‘ beschimpft. Wir finden die Entscheidungen der Kiwis schlicht unanständig. Zumal der Start für den berühmten ‚Americas Cup‘, der Mutter aller Segel-Regatten, planmäßig im Dezember in Auckland stattfinden soll. Das lässt sich die große Segler-Nation nicht nehmen. Dafür werden 110 (in Worten einhundertzehn) Team-Mitarbeiter mit Familie, Anhang, Tross und Kegel erwartet. Für uns ist das zweierlei Maß. Dann könnte man doch auch die ca. 250 Boote rein lassen, die jährlich im November nach Neuseeland möchten.

Ihren eigenen Landleuten gegenüber verhält sich die Regierung übrigens auch recht schäbig. Nach wie vor kommen die Kiwis nur häppchenweise ins Land zurück. Man muss nach der Ankunft in eine überwachte vierzehntägige Quarantäne und dafür gibt es nicht genug Plätze. Paare sind seit Monaten getrennt, ein Ende ist nicht in Sicht.
Eine Familie in Südafrika, der Vater mit einem Arbeitsvertrag in der Hand, hat ihr Haus und Hof verkauft, Hab und Gut in einem Container verpackt, der auf dem Weg nach Neuseeland war. Da kam Corona. Der Flug nach Neuseeland gestrichen und die Familie nur noch mit ihrem Handgepäck und den Klamotten am Leibe bekommt zu hören : „Ihr kommt hier nicht rein“.

Neuseeland erscheint uns als das ängstlichste Land im weltweiten Corona-Vergleich. Drei positive Tests in der Millionenstadt Auckland: Lockdown! Ein Infizierter im Supermarkt: Desinfektion des gesamten Geschäfts!  Die Maßnahmen werden in halbe Stufen eingeteilt: Level 2, Level 2,5, Level 3. Die Nachrichten überschlagen sich im Panik-Modus. Frau Ardern will die beiden Inseln partout Covid-19 frei bekommen. Koste es was es wolle. Leben mit dem Virus ist für sie keine Option. Ihr Volk kommentiert dies eher positiv. Aber es gibt auch spöttische Meinungen zu den Maßnahmen: „Wo bleibt eigentlich Level 2,49?“
Und der Inhaber eines Werftbetriebes in Neuseeland beteuert uns Seglern gegenüber sein Bedauern über die Entscheidungen. Gerne hätte er für die Yachties seine Tore geöffnet, so wird er wohl ein Jahr ohne Einnahmen bleiben. Hoffentlich kann er bis nächstes Jahr überleben.

Wir haben jetzt genug davon. Wir fühlen uns unwillkommen. Das gibt uns eine Ahnung, wie die Menschen auf Lesbos sich fühlen müssen. Wir haben vom Schwebezustand die Nase voll. Keine Entscheidung, ob wir am Boot noch in Tahiti etwas reparieren; ob wir Essen und Trinken für mehrere Monate bunkern müssen; ob Achim sich neue Schuhe kauft, die er eigentlich gar nicht mag; keine Entscheidung kann getroffen werden. Damit ist jetzt Schluss und das fühlt sich richtig gut an.
Neuseeland, du enttäuscht und kannst uns mal den Buckel runter rutschen.

Wer ein Gesetz bricht …

Mo., 14.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2297, 21.218 sm von HH

… darf sich nicht über eine Strafe wundern. Unser Gesetzesbruch besteht im Beschreien, dass  die ‚tu-was-Liste‘ so prima schnell kürzer wird. Soll man nicht tun. Nie. Niemals. Unter keinen Umständen. Prompt kommt Murphy um die Ecke in Gestalt von Achim. Einen kurzen Moment mit dem Fahrrad an Deck nicht aufgepasst, gegen die Sprayhood geschlagen und schon baumelt die Kunststoffscheibe lose in den Angeln. :roll: Okay, über kurz oder lang wäre es sowieso passiert: einsetzt stellen wir fest, dass die Nähte an den Fenstern morsch sind. Ich schaffe es locker mit dem kleinen Finger die andere Seite ebenfalls raus zu drücken. Der Stoff ist tip-top, nur die Nähte hat es mit den Jahren aufgelöst.

Und nun? Nach unseren letzten Erfahrungen mit dem Rigger soll die Sprayhood auf keinen Fall zum Segelmacher hier in Tahiti. Unsere Sprayhood ist ein Wunderwerk deutscher Handwerks-Kunst (Segel-Raap in Hamburg-Harburg war der Schöpfer). Keine Falte, keine Fehlnaht trübt die Optik. Das Ding passt auf den Millimeter genau und so soll das bleiben.
Daher wollen wir die Kunststoff-Scheiben nicht tauschen (lassen), sondern wieder einnähen. Dafür die Nähmaschine zu nutzen, ist uns zu riskant. Wir würden den Kunststoff so perforieren, dass er reißt wie Toiletten-Papier. Daher möchten wir die alten Löcher, sowohl in Stoff als auch im Kunststoff, wieder benutzen.

Das alleine zu nähen ist fast unmöglich. Wohin man zielen muss, erkennt man nur von der Seite auf der man sich befindet. Um sich die andere Seite der Naht in Sicht zu drehen, fehlt schlicht der Platz. Ein Einzelkämpfer müsste also nach jedem Nadelstich ums Cockpit herum laufen auf die andere Seite.
Wir wagen daher ein Ehegatten-Experiment. Wir wollen gemeinsam nähen. :mrgreen:
Gemeinsam an einem Werkstück arbeiten, auf engstem Raum, das muss nicht gut ausgehen. In diesem Fall hilft, dass wir durch die Scheibe getrennt sind.
Drei Tage, sechs krumme Nadeln und tausend Anweisungen später ‚mehr rechts – nein – das andere rechts; tiefer – tiiiefer einstechen; halt die Nadel senkrechter – weißt du, was senkrecht ist?; das kann doch nicht sein, dass du nicht triffst – hallo! – nicht da; Aaaachtung, du stichst daneben, mehr links‘,  ist es vollbracht. Wir sind zufrieden wie Bolle, haben uns nicht mal die Augen ausgestochen und haben eine Sprayhood, die so gut aussieht wie zuvor. Das war mal echtes Teamwork auf Atanga.

Achim sticht von außen

Wir wechseln häufiger mal die Position – alle Plätze sind aber gleich unbequem

Worked like machines – unsere Nähte

Von Ärzten, Experten und Stümpern

Fr., 11.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2294, 21.218 sm von HH

Tief in unserem Inneren haben wir Neuseeland eigentlich schon aufgeben. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber nun soll doch eine neue Brille her und die ersten Ärztebesuche seit zwei Jahren stehen an.  Wegen der Sprachbarrieren wollte ich das lieber bei den Neuseeländern abarbeiten, aber alle Befürchtungen waren unbegründet. Die jungen französischen Ärzte auf die ich treffe, sprechen ausgezeichnet Englisch. Die Praxen wirken modern, sauber und aufgeräumt. Wartezeiten gleich null. Innerhalb weniger Tage bekomme ich überall Termine. Auch ein Besuch in einer ambulanten Klinik verläuft ebenso leichtgängig. Blutabnahme, Röntgen und einen Arzt finden, der die Diagnose stellt, alles ist innerhalb einer Stunde erledigt. Das Ergebnis ist erfreulich: die Patientin ist gesund, lediglich alt geworden. :mrgreen:

Den richtigen Optiker zu finden, ist schon schwieriger. Es gibt in der Innenstadt zwar vier, fünf Geschäfte, aber nicht alle Gespräche verlaufen erfreulich. In einem Laden erkennt der ‚Optiker‘ trotz Einsatz eines ‚Lesegerätes‘ nicht, dass ich Gleitsichtgläser trage. Aber dann werden wir doch fündig und geraten an eine kompetente Dame. Die neuen Gläser sollen in ca. drei Wochen aus Frankreichreich eingeschickt werden.

Und dann ist da noch unser Rigger. Achim konnte ihn am Ende doch überzeugen, dass der Tausch des Vorstags prima hier in der Marina erfolgen kann. Da unsere Fock von einer unüblichen Rollanlage (Reckmann – Technik vom Feinsten, aber recht selten auf Schiffen zu finden) aufgerollt wird,  hat der junge Mann bereits vor drei Wochen die Gebrauchsanweisung dafür erhalten. Statt einer Pressung oben im Masttop, so wie wir es jetzt haben, hat Achim bei ihm eine Starlock-Verbindung bestellt. So weit, so gut.

Pünktlich erscheinen Rigger Jonathan und sein Gehilfe Tetuanui. Als erstes gehen die beiden ans Werk, um durch Lösen aller Wanten Spannung vom Vorstag zu nehmen. „Halt, stopp, nicht nötig!“, kann Achim helfend einschreiten, „Die Rollanlage hat eine Spannschraube, damit wird das Vorstag gelockert“, hilft er den beiden. „Der Spaken hat sich doch gar nicht die Gebrauchsanweisung angeguckt“, raunt Achim mir böse zu.
Jonathan entert sich behände den Mast empor und löst das Vorstag an seiner Verbindung. An einem Tampen wird das sechszehn Meter lange Drahtteil herunter gelassen. Das Stag darf nicht geknickt werden. Ein Profil aus Aluminium, das zur Aufnahme des Segels dient, ummantelt das Stag und dieses Profil mag keine Knicke.

Das Vorstag wird von Jonathan am Mast gelöst

Möglichst ohne Knick das Vorstag transportieren

Wohlbehalten landet das Vorstag auf dem Steg. Jonathan schreitet zur Tat und will die Rollanlage öffnen. Ganz wohl ist ihm anscheinend selber nicht dabei. Die Gebrauchsanweisung liegt aufgeschlagen neben ihm. Er holt schon mal vorsorglich eine Decke zum Auffangen der Kugeln aus dem Kugellager in der Rolle.
Achim springt von seinem Beobachtungsposten auf dem Vorschiff schnell dazu. „Nein, stopp, aufhören! Man muss die Rollanlage nicht öffnen. Wollt ihr die Kugeln hier im Wasser versenken? Ihr braucht nur den Draht durch die Anlage schieben, mit einer Mutter sichern und zurück holen.“ Mit geblähten Nasenflügeln und rollenden Augen kommt Achim zu mir zurück. „Der weiß nix, gar nix“. Aus ‚Spaken‘, wird ‚Trottel‘. Achim bleibt jetzt als Aufpasser bei den beiden Experten stehen: „Ist besser so“.

Schließlich rückt Jonathan damit heraus, dass er gar kein Starlock-Teil bestellt hat und das Vorstag wieder mit einer Pressung versehen werden muss. Achim lässt ihn erst mal stehen. „Warum habe ich mit dem Idioten überhaupt was besprochen?“ Was für eine Karriere – vom Spaken zum Idioten innerhalb von drei Stunden. Achims Nasenflügel hören gar nicht mehr auf sich zu blähen, da ist mal jemand richtig sauer.

Nun ist es nicht mehr zu ändern. Das Vorstag liegt auf dem Steg und soll auch wieder ran. Wer weiß, wann der Experten-Rigger jemals das richtige Teil heranschaffen kann. Also muss der lange Eimer zum Werkstattwagen von Jonathan getragen werden, in dem sich die Presse befindet. Der Wagen steht gegenüber von Atanga – getrennt von einem breiten Graben. Aber mit fünf Leuten bekommen wir das Stag knickfrei hin und her balanciert.

Über diesen Graben soll das Stag

Ende gut, Stag gut? Wollen wir mal hoffen. Der Draht soll aus Frankreich stammen und keine China-Ware sein. Immer positiv denken. Jonathan ist um eine Reckmann-Erfahrung reicher, Achim um ein paar graue Harre und wir um tausend Euro ärmer – und haben wieder eine Pressung. So schließt sich der Kreis.

Wahrscheinlich hätten wir damit noch ewig weiter segeln können – aber das ist so eine Sache mit Wahrscheinlichkeiten