Mi.,05.Aug.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2257, 20.254 sm von HH
Die Entscheidung ist gefallen, wir setzten alles auf eine Karte. Noch haben wir keine Genehmigung nach Neuseeland einreisen zu dürfen. Das Prozedere zieht sich und ist ein brutal formalistischer Akt, der seinen Gipfel in einem 24-seitigem Papierwerk gefunden hat und nun diversen Kiwi-Behörden vorliegt. Wir sind optimistisch, dass es klappen wird und daher geht es Morgen nach Tahiti!
Gestern sind wir noch einmal unseren Lieblingsweg gelaufen und die Augen tränen. Oh ja, hier könnten wir uns tatsächlich vorstellen zu leben. Das ist wahrscheinlich romantisch verklärt, denn die drei deutschen bzw. elsässischen älteren Herren, die auf Mangareva wohnen, zeigen in Gesprächen alle die gleichen Symptome: gepflegte Langeweile!
Wir sind aber sehr dankbar, dass wir die Lock-down-Zeit hier verbringen durften. Tief in unseren Herzen bleibt dieser Aufenthalt eingebrannt.
Aber es wird nun wirklich Zeit. Unsere Vorräte an Leckerlies sind am Ende. Wir haben kein Vollkornmehl und keine Getreidekörner mehr, Haferflocken sind alle und mal wieder ein paar Tomaten oder Gemüse, was nicht aus der Dose kommt, das hätte was. Es gibt seit Monaten keinen schwarzen Pfeffer zu kaufen – dafür in rauen Mengen ‚Ras el Hanout‘. Eine Gewürzmischung, für die ich in der Weltstadt Hamburg vor Jahren mal unendlich viele Läden abklappern musste. Verrückte Welt, diese Atolle.
Das Vollkorn wurde die letzte Zeit rationiert – ein Halb-Weißbrot und Halb-Vollkornbrot. Achim backt übrigens alle Brote – man, darüber bin ich soooo happy
Die Bordküche ist eintönig geworden: Der beste Kauf ist ein Huhn. Davon essen wir drei Tage. Ich habe alle Varianten durch, wie man ein Huhn verkochen kann: Hühnerfrikassee deutsch, asiatisch scharf, Curry indisch. Am ersten Tag gibt es die Keulen und die Flügel. Am zweiten Tag gibt aus den Rippen abgekocht eine Hühnersuppe und am dritten Tag die Brust, die ich am ersten Tag gleich mit brate. Nach zehn Tagen kommt ein neues Huhn. Zwischen den Hühnern gibt es (mindestens) einen Spaghetti-Tag, einen Kartoffelmus-Tag (für viel was anderes taugen die Kartoffeln nicht), einen Tag mit Eiern und zwei Hülsenfrüchte-Eintopf-Tage. Der Eintopf kann auch schon mal ‚aus Versehen vegan sein‘. Besonders beliebt beim Skipper.
Die Geschirrspül-Bürste ist inzwischen der Sammelpunkt für die Keime dieser Welt. Wir haben die Wahl – diese Ekel-Bürste behalten oder keine haben. Meine Flip-Flops haben Löcher. Dafür gibt es die Nachhaltigkeits-Ehrenmedaille am Greta-Zopf. Ich habe die Wahl – diese Flip-Flops oder keine.
Ich würde sagen, die sind fertig
Es ist problemlos möglich neue Batterien oder ein Solarpanel in Tahiti zu bestellen. Eine Mail an den richtigen Shop, die Kreditkarte gezückt und drei Wochen später liefert die Dinge das Versorgungs-Schiff. Aber die genannten Kleinigkeiten zu bestellen, ist uns nicht gelungen. Die Shops haben abgewunken für uns etwas zu besorgen und die gelangweilten Herren waren auch nicht hilfreicher. Es soll ‚fliegende‘ Moped-Fahrer in Tahiti geben, die Geschäfte und Supermärkte nach Nüssen und Spülbürsten abklappern, ein Paket schnüren und es auf einem Schiff aufgeben. Wir haben weder geschafft herauszufinden, wer das macht, noch was es kostet. Also haben wir aufgegeben. Die Einheimischen schicken sicherlich Freunde und Verwandte los, die diese Jobs übernehmen.
Obwohl wir am teuersten Platz unserer Reise leben, sind unsere Durchschnitts-Kosten ganz massiv gesunken. Da die Vorrats-Schränke leer sind, geben wir inzwischen über tausend Euro im Monat für Essen und Trinken aus. Mal ein Glas Gurken, ein Paket Kekse und das abendliche Bier hauen wirklich rein. Das war’s dann aber auch schon, was man hier an Geld ausgeben kann. Sprit für den Außenborder, Wäsche waschen und hin- und wieder eine Pizza, mehr geht nicht. Die fehlenden Ausgaben sind aber im Prinzip nur aufgeschoben. Das Schiff wird – gefühlt – nur noch von Provisorien zusammen gehalten. Was kaputt geht, bleibt kaputt oder wird irgendwie geflickt. Der abgebrochene Rückwärtsgang am Außenborder besteht jetzt aus einem alten Schraubenzieher und die gerissene Dichtung am Stöpsel für das Waschbecken in der Pantry ist durch einen Tupperdeckel ersetzt worden. Achim hat aus zwei Lesebrillen eine zusammengeschraubt und die kaputte Go-Pro liegt im Mülleimer. Unsere T-Shirts haben alle Flecken und aufgestickte Blümchen, die gefallene Maschen aufhalten sollen, unsere Shorts haben Flicken auf dem Hintern und wir benötigen dringend neue Bettwäsche, Kissen und Bezüge. Die Laken werden mit Kaltwäsche einfach nicht sauber und passen optisch zur Abwaschbürste.
In Tahiti können wir Lebensmittel aufstocken und mal wieder essen gehen. Große Ersatzbeschaffungen, nach sechs Jahren endlich ein neues Handy und einen neuen Laptop, würden wir gerne bis Neuseeland verschieben.
Also, auf nach Tahiti – 850 Meilen – sieben bis zehn Tage. Morgen geht es los. Nun aber wirklich.
Präpariert für die Stadt. Für uns noch ungewohnt – wir sehen wie Sofakissen aus – Reste vom Stoff für Kopfkissenbezüge für die Schlafkoje