Kategorie: Atanga

Fenua

Sa., 05.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2288, 21.218 sm von HH

‚Fenua‘ bedeutet Heimat und alles, was in Französisch Polynesien hergestellt wird, trägt dieses Gütesiegel. Viel wird hier nicht produziert, aber auf das scheint man stolz zu sein: das berühmte Hinano ist Fenua-Bier. Schönheitsprodukte aus Kokos-Öl sind ‚Fenua‘, im Supermarkt hat man die Wahl zwischen Kartoffeln ‚USA‘ und Kartoffeln ‚Fenua‘.

Und dann gibt es noch das Fenua-Muster. Ein Hawaii-Hemd-Muster in Reinkultur. Das wiederkehrende Thema sind großformatige Philodendron-Blätter und Hibiskus-Blüten. Rucksäcke, Tassen, Taschen, Mouse-Pads und Servietten. Kein Gegenstand, der nicht mit Fenua bedruckt wird. Von Schüler bis Greis, jeder trägt Fenua: Fenua-Hemden, Fenua-Hosen, Kleider, Mützen und Flip-Flops. Und natürlich Maske im Fenua-Style. Für den normalen Mitteleuropäer ist Fenua ein Kulturschock. Es werden Farben kombiniert, die dem Auge Schmerzen bereiten.
Farbharmonie – drauf gepfiffen!
Farbenlehre – nie gehört!
Pastell-Töne – für Feiglinge!
Bunt, bunter, Fenua. Normale Klamotten in den Shops zu finden, fast unmöglich. Ein einfarbiges T-Shirt hat zumindest Fenua-Applikationen an den Ärmeln oder Brusttasche. Für Menschen wie mich, die eher Ton-in-Ton-Kombinationen bevorzugen und einen Mix von Komplementärfarben meiden, ist Fenua eine echte Herausforderung.

Typischer Klamottenladen – Hardcore Fenua

Bunt, bunter, Fenua

Der allgegenwärtige Philodendron im XXL Format dient als Mustervorlage

Aber man gewöhnt sich an alles. Nach anderthalb Jahren im Land bin ich weich gekocht. Wenn die Netzhaut täglich mit einem Feuerwerk an Farben beschossen wird, erscheint einem nach kurzer Zeit die eigene graue Bettwäsche bedauernswert trostlos. Abhilfe muss her.
Es gibt in Papeete Stoffläden wie Tannennadeln im Wald. Und die Läden sind gut besucht. Kein Wunder, kostet ein Fenua-Hemd doch schnell hundert Dollar. Da näht Frau oder Mann doch lieber selber ein Kleidchen. Tonnenweise gehen täglich die Stoffe über den Tresen. Ich habe einen Jungen gesehen, der für Mutti mit dem Handy das neue Sortiment Stoffballen abgefilmt hat. „Wieder zurück, weiter links“, schallen Muttis Kommandos aus seinem Handy.
Die Stoffe kommen aus Taiwan, Japan und China, nur die Muster sind Fenua.

Kunterbunte Stoffläden – große Auswahl, kleine Preise – 5 bis 12 Dollar der Meter (1,20 bis 1,50 Breite)

Da wir endlich im Besitz neuer Kopfkissen sind und die alten Stinker auf den Sondermüll gelandet sind, fehlt es nur noch an neuen Kissenbezügen. Nach einiger Sucherei werde ich fündig. Es gibt Fenua auch in dezenter Art und bald hat die Atanga-Crew neue Kissenbezüge zu grauen Laken. Fenua für Anfänger sozusagen.

Fenua light für Anfänger – die Kissen gehören übrigens alle Achim – Prinz Erbse mag es komfortabel

Uns gefällt es gut mit den Kissen und wir haben Blut geleckt. Da trifft es sich gut, dass unsere beige Laken-Garnitur sich in so einem fleckigen Zustand befindet, dass man sie nur noch im Dunkeln zum Trocknen raus hängen mag. Also soll ein neuer Satz Laken her. Unsere drei Matratzen haben unmögliche Formen, es sollen aber trotzdem Spannbettlaken sein, daher ist das nicht meine Lieblings-Näherei. Aber voila! Hier soll man wohl heiße Südseeträume bekommen.

Wir geraten in einen Fenua-Blutrausch. Aus den Stoffresten nähe ich eine neue Einlage fürs Brotkörbchen und etliche Mund-Nase-Masken. Und so schnell ist kein Ende in Sicht. Der Skipper ruft nach Fenua-Schlafanzughosen und der Plan steht, die grauen Laken sollen ebenfalls ersetzt werden. Warum nicht ins übelste Fenua-Regal greifen? Grüne Blätter auf türkisen Grund mit pinken Hibiskus und gelben Tiare-Blüten? :shock:
Wenn wir hier schon heimisch werden (müssen), dann auch farblich.

Fenua für Fortgeschrittene für feuchte Südseeträume

 

Tahiti Life

So., 30.Aug.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2282, 21.218 sm von HH

Wie schnell man sich an Dinge gewöhnt, sogar an die unangenehmen. In der ersten Woche hieß es noch: „Hast du die Masken?“, und wieder musste einer zum Schiff zurück, die unsäglichen Teile holen. Heute haben wir immer eine am ‚Mann‘ und für jeden Rucksack und jede Tasche eine dabei. Eine neue Normalität, die uns nicht behagt.
Die Masken-Träger in Tahiti stammen zum Teil aus Absurdistan: Ein Pärchen sitzt in einem Lokal. Er sitz ohne Maske auf, sie hat eine auf (keine Pflicht), aber jedes Mal, wenn sie mit ihm spricht, zieht sie die Maske unter das Kinn. Warum sie die Maske überhaupt trägt? Sie weiß es wahrscheinlich selber schon nicht mehr.

Das Leben in Tahiti ist hektisch und von Autoverkehr geprägt. Diese Hetze ist ansteckend: eben noch schnell über die Straße sprinten, eilig mit dem Rad eine Abkürzung nehmen. Die Anpassung nach acht Monaten Ruhe in der Insel-Idylle erfolgt nahtlos. Das einmal gelernte Leben in Dauer-Geschäftigkeit aus Hamburg legt man nicht so einfach ab. Gefallen hat uns die Behäbigkeit von Gambier aber besser. Und die Menschen dort sind auch deutlich entspannter und freundlicher.

Dafür schaffen wir richtig was weg. Baumarkt, Yacht-Ausrüster und Technik-Laden. Ein Bermuda-Dreieck, was einem die Dollar aus der Tasche zieht. Die letzten beiden Wochen haben wir mehr Projekte erledigt als die Monate davor. Der Cockpit-Tisch, der auseinander zu brechen drohte, ist Dank Verfügbarkeit von Holzleim und -Dübeln endlich repariert. Der Außenborder hat einen neuen Vergaser. Ich weiß nicht, wie oft Achim den originalen Vergaser in den letzten zwei Jahren auseinander genommen und gereinigt hat. Geschichte! Die Ankerkette hat neue Markierungen und, und, und. Unsere Arbeitslisten werden angenehm kürzer. Nur der Rigger. Eine harte Nuss. Der steht aber kurz davor weich gekocht zu werden, seine Arbeit doch hier in der Marina auszuführen. ;-)

Und endlich mal wieder Essen gehen. Unsere Liegenachbarn, Clare und Andy, sind angenehme Engländer, die mit uns zum Roulotte – zum Straßen-Food – gehen. Durch die fehlenden Touristen und dadurch, dass die Einheimischen weniger verdienen, ist der Platz nicht mehr so gut besucht, wie im letzten Jahr. Hoffentlich ändert sich das bald wieder. Der Trubel zwischen den rollenden Imbiss-Wagen sorgte für eine tolle Atmosphäre. Über alles betrachtet, gefällt uns Tahiti Life ganz gut im Augenblick.

Neuseeland Update: still ruht das Land – keine Neuigkeiten.

Essen gehen mit unseren neuen Segel-Nachbarn – wunderbar

 

Schweben in der Warteschleife

So., 23.Aug.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2275, 21.218 sm von HH

‚Soll ich mir hier in Papeete eine neue Brille bestellen – Lieferzeit mindestens sechs Wochen?‘ Kommt darauf an, ob Neuseeland uns rein lässt.
‚Sollen wir Roggenkörner als Vorrat für das nächste Jahr kaufen?‘ Kommt darauf an, ob uns Neuseeland rein lässt.
‚Soll ich auch hier in Papeete zum Zahnarzt gehen?‘ Kommt darauf an, ob …
Sollen wir dieses jetzt kaufen, sollen wir jenes hier reparieren? Bei jedem Gespräch drehen wir uns mit unseren Entscheidungen im Kreis. Angenommen ich bestelle mir eine Brille, dann kommt plötzlich das go. Kaufen wir Körner, dürfen sie nicht nach Neuseeland eingeführt werden. Mich macht dieser Schwebezustand ganz ruschelig. Sag mir, dass ich in Französisch Polynesien noch zwei Jahre gefangen bin, da kann ich mit umgehen, aber nicht zu wissen, was kommt, macht mich bekloppt.
Achim ist da tiefenentspannter: „Alles ist gut. Geduld! Es wird sich schon etwas entscheiden.“ Er kommt mir wie dieser Hummer vor, der gemütlich im Kochtopf sitzt, der auf der heißen Herdplatte steht und sich am warmen Wasser erfreut. :mrgreen:

Achim hat was von dem Hummer

Faktisch geht es uns super. Wir haben einen Platz in der Marina direkt an der Promenade erwischt. Unser Lieblings-Steg. Die neuen sanitären Einrichtungen, die bereits im Dezember eingeweiht werden sollten, sind immer noch nicht fertig. Das bedeutet zwar keine Duschen und Toiletten, aber auch nur den halben Preis für die Liegegebühren.
Und wir schwelgen im Luxus der gut sortieren Supermärkte. Ich könnte alles auf einmal kaufen, kochen und essen. Erstaunlich, wie gierig man auf Gurken, Tomaten und Salat nach acht Monaten Verzicht sein kann. Die ‚tu-was-Liste‘ wird überraschend schnell kleiner, das Portemonnaie auch. Nur der Rigger zickt noch etwas herum und will unser Vorstag nicht in Papeete tauschen, sondern lieber in der außerhalb gelegenen Taina-Marina am Reparatur-Steg.  Das wollen wir nicht. So einen guten Platz – fünf Minuten zum Markt – bekommen wir nie wieder. Die Marina ist rappelvoll. Die außerhalb gelegenen Ankerplätze ebenfalls. Kaum ein Schiff verlässt Französisch Polynesien, aber es kommen ständig neue dazu. Aus Südamerika reisen neue Segelboote an – man braucht nur um eine Erlaubnis bitten, dann kommt man rein.

Dagegen ist es in der Stadt total ruhig im Vergleich zum Vorjahr. Es ist nur eine magere Anzahl an Touristen zu sehen. Das trifft die Einheimischen hart. Viele Souvenir-Shops haben zu. Jalousien sind an Geschäften runter gelassen. Und wir haben das Gefühl, dass es mehr Obdachlose in den Straßen gibt.  Seit Öffnung der Grenzen Mitte Juli ist die Anzahl der neuen Covid-19-Fälle von Null auf über zweihundert angestiegen. Todesopfer gab es zum Glück bislang noch keine.
In Papeete ist die Maske Pflicht in Supermärkten, auf dem Markt und wo es eng wird. Die Polynesier sind sehr diszipliniert und tragen fast zu 100 Prozent Maske, im Park und auf der Promenade vielleicht noch 10 Prozent. Menschen, die sich kennen, begrüßen sich wie immer mit Küsschen rechts und links und auf dem Ausflugs-Katamaran tragen morgens alle Gäste eine Maske und kommt der Kahn abends rein, hat keiner mehr eine Maske mehr auf. Es menschelt und Angst vor dem Virus scheint nicht vor zu herrschen. Man befolgt halt eine Vorschrift die Maske zu tragen und fertig.

Ab hier bitte Maske und Blume hinter dem Ohrt tragen

Wie die Regierung mit dem Anstieg umgeht, ist in Schwebe. Einen erneuten Lockdown können sich das Land und vor allem die Menschen nicht leisten. In Rikitea wurden bereits vor zwei Monaten Lebensmittel-Pakete verteilt an Leute, die ihren Job verloren haben. Es wird für Morgen eine Presse-Konferenz erwartet. Natürlich würden wir uns freuen, gäbe es keinen erneuten Lockdown, aber auch wenn die Grenzen offen blieben.
Wie die Welt, so sind auch die Segler gespalten. Es gibt es eine Fraktion, die nach Schließung der polynesischen Grenzen ruft. Selber vielleicht gesundheitlich angeschlagen und hoch im Alter wähnten sie sich sicher in dieser Corona freien Inselwelt. Jetzt geht es nur noch um sie: „Lasst keine Amerikaner rein, Grenzen zu, lasst überhaupt niemanden rein, Tore dicht.“ Die ach so freundlichen Polynesier, die sie so nett empfangen haben, was mit denen passiert, ist doch egal, Hauptsache es kommt keiner mehr rein. Dabei sind sie selber nur Gast in diesem Land.
Pandemie oder Panik? Beide Meinungen haben ihre Existenzberechtigung und im Kern sind sie so unterschiedlich nicht: Bei beiden Meinungen geht es um Angst, um Schutz der Familie, um eine lebenswerte Zukunft mit Gesundheit und einem Auskommen. Welche Meinung man auch vertreten mag, was vor Ort an Kommentaren abgeht, zeigt die hässliche Seite unserer Gesellschaft.

Check-Liste

Mi., 19.Aug.20, PFranz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2271, 21.218 sm von HH

Kreditkarten endlich erfolgreich aktiviert ==> check
Kühlschrank voll Quark, Frischkäse und Joghurt ==> check
Tomaten zum Frühstück ==> check
Neue Flip Flops ==> check
Neue Spülbürste ==> noch auf der Suche
Vollkornmehl ==> check – und Roggenkörner gibt es auch noch.
Schokolade ==> check – und sie macht definitiv glücklich.
Internet ==> schwierig! Trotz 90-Dollar-Vini-Spot-super-Karte kein Netz an Bord. War letztes Jahr noch problemlos möglich.
Termin beim Zahnarzt vereinbart ==> check
Neue Füllung im Zahn ==> nein! Autsch und urks, Zahn unrettbar, der liegt jetzt im Mülleimer – leichter Eingriff, keine große Sache für Zahnarzt und Patient.
Implantat ==> check – in zwei Monaten möglich. Wo? Das wissen die Götter
Atanga ==> check mit Schreck! Vorstag (der laaange Draht, der den Mast nach vorne hält und gleichzeitig als Aufwicklung für das Vorsegel dient) angebrochen (drei Kardeele).
Termin mit Rigger ==> check – Kostenvoranschlag ist in Arbeit, neues Stag kommt Anfang nächster Woche.
Kakerlake ==> check – die erste war schon am zweiten Abend an Bord. Die liegt jetzt beim Zahn.
Neuseeland ==> kotz! Keine Neuigkeiten!

P.S. Noch ein paar Bilder von unterwegs eingefügt ==> check

 Die wenig bewohnte Seite von Tahiti mit Drama-Bergen

Ankunft in Tahiti

Sa., 15.Aug.20, Pazifik, Tag 2267, 21.085 sm von HH
Captain Cook ==> Endeavour – Captain Bligh ==>Bounty – Captain Willner ==> Atanga. Alle Grossen beieinander. :-) Wer im beruehmte-Seefahrer-der-Welt-Unterricht aufgepasst hat, der weiss wo wir vor Anker liegen. Richtig! In der beruehmten Bucht ‚Point Venus‘. Hier haben sich die Seefahrer der Welt bereits die Klinke in die Hand gegeben. Die weitlaeufige Bucht ist auch im Dunkeln ohne Schwierigkeiten anzufahren und somit verbringen wir die letzte Nacht dieses Toerns vor Anker. Hinter einem halbkreisfoermigen Riff faellt der Anker vor dem schwarzen Strand des ‚Point Venus‘. Ein Ankommen-Bier und wir schlafen tief und sorgenfrei acht Stunden durch wie die Steine.
Am Morgen koennen wir uns nur der Meinung von 1792 von Georg Forster, dem botanischen Begleiter von Captain Cook anschliessen: „… es kostet uns keine Schwierigkeiten denen, die bereits vor uns hier gewesen waren, auf ihr Wort zu glauben, dass dies der schoenste Teil der Insel sei. […] Die Ebenen schienen von betraechtlichem Umfang zu sein. Das Ufer, das mit schoenstem Rasen bewachsen und bis an den Strand herab von Palmen beschattet war, wimmelte es von Menschen, die ein lautes Freudengeschrei erhoben, als wir aus dem Boot stiegen.“
Okay, es bricht am Morgen keiner in Jubel aus, als wir an Deck erscheinen. Aber aehnlich wie damals, als hunderte Kanus, beladen mit Fruechten, Schweinen und Brotfruechten; und Maedchen, die nichts weiter trugen als einen Rock und ihr wunderbares Haar; auf die Neuankoemmlinge zu paddelten, so haben auch wir unser Begruessungs-Komitee. Bestimmt hundert und mehr kleine Motorboote, Angelboote und Jet-Skis kommen durch die Bucht direkt auf uns zugerast. Die vielen Boote fabrizieren derart viele Wellen und bringen die ruhige Bucht zum Kochen, dass kleinere Boote durch den Wellenschlag regelrecht aus dem Ruder geraten. Der Katamaran, der vor uns liegt, wackelt wie ein Einruempfer. Ein nie gesehenes Bild. Unvorbereitet und sorglos, wie die Kat-Leute so auf ihren Booten leben, sind bei dem heute Morgen bestimmt die Teller vom Tisch geflogen.
Zu schade, dass diese Bucht so arg weit ausserhalb von Papeete liegt und keine Infrastruktur zu bieten hat, gerne wuerden wir hier vor Anker bleiben. Aber nachdem die Invasion der Motorboote durch ist (heute ist Feiertag, wie wir spaeter erfahren und wahrscheinlich handelt es sich um einen Angelwettbewerb), gehen wir Anker auf und motoren Richtung Marina. Viel Hoffnung auf einen freien Platz machen wir uns nicht, aber Gott ist mit den Dummen und wir finden tatsaechlich einen Parkplatz fuer Atanga. Yeepie! So hatten wir uns das gewuenscht. Nur das Internet funktioniert noch nicht, aber der Chef arbeitet dran.
Weniger erfreulich sind die neuesten Geruechte, die wir am Marina-Office erfahren: Neuseeland soll auf Grund der ueber siebzig neuen Faelle vor Ort, die Einreise fuer Boote aus Franzoesisch Polynesien komplett untersagt haben. Vielleicht nur Geruechte. Daumen Druecken und Finger kreuzen.

Tag 5 nach Tahiti: Ein schoener Segeltag

Tag 5 nach Tahiti: Ein schoener Segeltag Do., 13.Aug.20, Pazifik, Tag 2361, 21.085 sm von HH
Es war ja klar, dass wir es nicht vor Einbruch der Dunkelheit nach Tahiti schaffen wuerden. Dafuer liegt ein angenehmer Segeltag hinter uns. Die Sonne lacht nach drei grauen Tagen, der Wind pustet gleichmaessig in Seglers Lieblings-Staerke von 14,5 Knoten, die Welle passt dazu, und schon Atanga zappelt nicht mehr wie ein junger Hund an der Leine. Super! Unser Ziel liegt im Nordwesten der Insel. Am liebsten wuerden wir in die Marina von Papeete gehen. Aber alle Geruechte sagen, die sei knueppelvoll. Reservieren geht leider nicht: wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Sollten wir keinen Platz bekommen, bleibt uns noch der Ankerplatz in Taina. Dieser liegt ca. zehn Kilometer ausserhalb von Papeete. Wir naehern uns von Sued-Osten an Tahiti an und haben zwei Moeglichkeiten, um an der grossen Insel vorbei zu kommen. Wir waehlen die Ostseite, die Windseite, da wir vermuten, dass wir auf der anderen Seite durch die hohen Berge im Windschatten landen wuerden. Eine gute Entscheidung. Die Seite Tahitis, die nicht oder kaum besiedelt ist, zieht an uns vorbei. Die schroffen Berghaenge mit ihren steilen Flanken sehen aus wie die Wellen eines Gugelhupfs. Ehemalige Vulkankrater sind zu bizarren Kronen, Saeulen und Pfeiler zerbrochen. Sie bilden imposant tiefe Einschnitte bis zur Uferzone. Jeder Quadratmeter ist gruen, ausser die Stellen, wo Wasserfaelle senkrecht in Taelern verschwinden.
UEber die Funkrunde erreichen uns schon wieder ungute Nachrichten – auch schon etwas abartig, dass man nicht mal in der Einsamkeit der pazifischen Wasser-Wueste verschont bleibt. In Neuseeland, in Auckland, sind Corona-Faelle aufgetaucht. In Teilen von Auckland wird sofort ein Lockdown der Stufe drei (von vier Stufen) verhaengt. Die Premierministerin von Neuseeland hat sich auf ihre politische Karte (im September sind Wahlen) geschrieben, dass ihre zwei Inseln ein Corona freies Land werden/bleiben sollen. „Koste es, was es wolle!“, scheint ihr Credo. Das geht soweit, dass tausende Neuseelaender, die zurueck in ihre Heimat wollen, seit Wochen nur haeppchenweise rein gelassen werden, da nicht genug (ueberwachte) Quarantaene-Plaetze zur Verfuegung stehen. Was das neue Aufflammen von Corona bei den Kiwis fuer unseren Einreise-Antrag bedeutet? Es bleibt spannend.
Tag 8: 95 Meilen
Rest: 15 Meilen

Tag 7 nach Tahiti: Grau und ruppig

Mi., 12.Aug.20, Pazifik, Tag 2264, 21.085 sm von HH
Wetter, Wind und Welle sind alles andere als schoen. Es regnet oder nieselt, der Himmel haengt noch immer voll grauer, tiefer Wolken. Der Wind hat weiter auf Osten zurueck gedreht, wir haben ihn nun wieder von der Steuerbordseite. Er schwankt zwischen zehn und fuenfundzwanzig Knoten. Allerdings handelt es sich nicht um Boeen, sondern um Windfelder und Wind schwache Phasen von zwanzig, fuenfundzwanzig Minuten. Das haelt uns in Trapp. Anluven, abfallen, Segel flattert, Segel steht. Der Pazifik hat es nicht so mit gleichmaessigem Wind.
Wir erinnern uns an den Atlantik, wo wir nach Stunden an den Windanzeiger geklopft haben, in Verdacht er sei kaputt, weil er bei neunzehn Knoten wie eingefroren stecken geblieben war. Innerhalb von zwei Tagen hat der Wind eine volle und eine Viertel Drehung um uns gemacht. Die Wellen sind deutlich ausgepraegt – eigentlich zu hoch fuer den Wind – und rollen von zwei Seiten hinter uns heran. Das fuehrt soweit, dass eine Welle, die sich an der Bordwand bricht mich noch am Herd stehend nass spritzt. Also bitte, sowas hatten wir ja noch gar nicht. Ankommen waere jetzt mal schoen.
Ueber Funk hoeren wir von weiteren Corana-Infizierten. Inzwischen von drei verschiedenen Inseln.
Tag 7: 120 Meilen
Rest: 115 Meilen – das wird knapp noch vor Einbruch der Dunkelheit anzukommen :-o

Tag 6 nach Tahiti: Wechselbad

Di., 11.Aug.20, Pazifik, Tag 2263, 20.965 sm von HH
Die letzten 24 Stunden sind Suedsee-Segeln vom Feinsten (O-Ton Skipper): erst die versprochene Flaute – nach drei Stunden Motorfahrt ist das das ‚blaue Band‘ ueberquert – danach frischer Wind von Ost ueber Nord drehend, dann von Westen kommend und nun wieder brav aus Sued-Sued-Ost. Nach der Flaute blaest es ziemlich bald wieder mit 20 Knoten.
Wir machen mehr Segelmanoever als die letzten fuenftausend Meilen. Hoch am Wind, halber Wind und jetzt achterlich – allerdings von Backbord und nicht mehr von Steuerbord. Mit dem Wind kommt Regen. Abwechselnd feiner Nieselregen oder kraeftiger Spruehregen. Alles ist grau. Das Meer, der Himmel – steingrau, zementgrau, mausgrau. Mit den Wolken kommt die Kaelte zurueck. Die schon weg gepackten Socken kommen wieder zum Einsatz. Die und ein heisser Rindfleisch-Kartoffel-Bohnen-Eintopf helfen. Das Kochen wird zum Kraftakt – die Pantry neigt sich zur falschen, offenen Seite auf der ich nicht gut kochen kann. Der Abwasch ist nur noch gemeinsam machbar. Wir koennen uns kaum auf den Beinen halten. Die neue Wind-See aus Westen passt nicht zur alten Duenung aus Osten. Kabbelige Kreuzseen schuetteln uns durch. Spass-Segeln vom Feinsten. :-) Zum Glueck passiert uns das erst an Tag sechs und nicht an Tag zwei, so macht es uns nicht so viel aus, ausser, dass es nicht schoen ist.
Vor Antritt des Toerns hatte ich mich ganz besonders darauf gefreut mal acht Tage ohne Internet zu sein. Nichts von diesem unsaeglichen Corona-Mist zu lesen. Und es hat geklappt. Ohne die Fuetterung mit neuen ‚Schlagzeilen‘ ist Corona kein Thema zwischen Achim und mir. Mal ein kurzes ‚mit Neuseeland muessen wir einfach abwarten, was Corona bringt‘, aber keine endlosen Gespraeche ueber falsche oder wahre Statistiken, gute oder schlechte Entscheidungen, ueber einseitige Berichterstattung, ueber Panikmache und Corona-Leugner.
Auf Kurzwelle gibt es abends um 19:00 Uhr eine Funkrunde. Segler die grade unterwegs sind, geben ihre Positionen durch und Schiffe am Anker berichten von allgemeinen Neuigkeiten. Die Funkrunde hat leider keine guten Nachrichten. Auf Tahiti gab es auf Schlag 71 neue Corona-Faelle. Interessanterweise alles Faelle nach zwei Feierlichkeiten der Polynesier und nicht unter Touristen. Nach wochenlanger Pause ohne einen akuten Fall ist dies eine schlechte Info. Wir hoffen, dass es nicht erneut zum Lockdown in Tahiti kommt. Oder dass Neuseeland die Schotten zu macht fuer Segler, die aus einem Corona-Country einreisen moechten. Wir brauchen wahrscheinlich noch zwei Tage bis wir auf Tahiti ankommen, dann sehen wir weiter – bis dahin sprechen wir einfach nicht darueber.
Tag 6: 95 Meilen
Rest: 204 Meilen

Tag 5 nach Tahiti

Mo., 10.Aug.20, Pazifik, Tag 2262, 20.870 sm von HH
Der Wind hat weiter nachgelassen und zeitgleich auf Nord-Ost gedreht. Aus achterlichem Wind ist ein Vor-Wind-Kurs geworden. Das hat Vorteile, jetzt liegt Atanga bequem auf der Seite und leicht nickend naehern wir uns Tahiti. Der Traum zu Beginn des Toerns auf eine schnelle UEberfahrt, der ist geplatzt. Von sechs auf drei Knoten ist unsere Geschwindigkeit gesunken. Mal wieder Zeit fuer ein wenig ‚mimimi‘. Vor uns soll ein Flauten-Gebiet liegen. Eine der typischen pazifischen Konvergenzzonen. Auf der Wetterkarte sieht das aus wie ein blaues schmales Bad, wie ein blauer Fluss (blau = kein Wind) umgeben von sattem Gruen bis Gelb (anstaendiger Segelwind). Rechts vom Fluss kommt der Wind aus Sued-Osten – links vom Fluss aus Nord-Westen. Und nach Nord-Westen wollen wir. Nicht auszuschliessen, dass wir sogar noch kreuzen muessen auf diesem Toern. Manchmal ist der Teufel eine Konvergenzzone. ;-)
Ansonsten ist alles super. Zwei harmlose Squalls mit ein paar Regentropfen, der Rest ist eitel Sonnenschein. Es wird taeglich waermer. Nur noch zum Sonnenaufgang kommen die Jacken zum Einsatz. Erstaunlich, was drei Grad waermeres Wasser für eine Lufterwaermung bringt.
Tag 4: 105 Meilen
Rest: 308 Meilen

Tag 4 nach Tahiti: Laeuft

So., 09.Aug.20, Pazifik, Tag 2261, 20.765 sm von HH
Kaum sind wir eingewoehnt, verwischen die Tage. Wie lange sind wir unterwegs? Schon fuenf oder erst vier Tage? Der uebliche Langstrecken-Dreikampf macht sich breit: Schlafen, Essen, Lesen, Schlafen, Essen, Lesen.
Das Meer ist tiefblau und praechtig, die Sonne scheint und das Segeln ist okay. Die Wellen sind etwas zurueck gegangen, der Wind auch. Tagsueber liegen die dicken Jacken nun ungenutzt in der Ecke. Es fallen Saetze wie ‚Schoen, dass die Schiffsbewegung moderat sind‘. Bloedsinn! Es schaukelt ganz ordentlich, vor drei Tagen haben wir noch darueber gemeckert. Jetzt ist alles im Lot, wir sind zufrieden.
Die Begeisterung von Segel-Kollegen, die auf dem Meer erst ihre innere Mitte finden, die den Einklang mit den Naturgewalten geniessen, in langen Passagen ihr Glueck auf Erden finden, – nein – , diese Begeisterung teilen wir nicht.
Das war von Anfang an so und wird sich wohl auch nicht mehr aendern. Fuer uns ist es ein Transport, einer der seine guten und seine schlechten Seiten hat, mehr nicht. Das Leben an Bord, irgendwo vor Anker, die Freiheit und die Abenteuer, die uns dieser Lebens-Stil bietet, die ungewoehnlichen Plaetze an die uns unser Schiff bringt, darin liegt fuer uns das Glueck auf Erden. Die Strecken werden abgerissen und wir machen das Beste draus: Schlafen, Essen, Lesen!
Tag 4: 112 Meilen
Rest: 413 Meilen

Tag 3 nach Tahiti: Besser, viel besser!

Sa., 08.Aug.20, Pazifik, Tag 2260, 20.653 sm von HH
Objektiv betrachtet sind die Bedingungen schlechter als an den ersten beiden Tagen. Trotzdem ist die Laune um Klassen besser. Immer wieder erstaunlich, wie der Koerper an Tag drei seinen Widerstand gegen gute Segelstimmung aufgibt. Der Wind blaest jetzt dauerhaft mit sechs Windstaerken. Noch immer schraeg von hinten. Die Welle hat wohl an die drei Meter und trifft aus aehnlicher Richtung auf uns. Das Wellenbild ist konfus, die Intervalle kurz, daher werden wir ganz schoen geschuettelt, aber ohne zu rollen. Nur ab und an gibt es einen Druecker, der uns hart auf die Seite legt. Wir laufen wie am Schnuerli-Band direkt aufs Ziel. Keine Patzer mehr durch unsere Wind-Herta. Die leicht gereffte Genua und das Gross im zweiten Reff passen gut zum Wind und Kurs.
Auch ist der mitteleuropaeische Hygienestandard wiederhergestellt – wir haben geduscht. Kein Vergnuegen mit Wind direkt aus der Antarktis. Brrr. Die Wassertemperatur hat allerdings bereits um zwei Grad zugenommen. Der kalte Meeresarm, der Gambier umschlingt, ist nach Westen abgeknickt. Genau, wie die Literatur es beschreibt. Also nur noch ein paar Meilen und wir haben wahrscheinlich wieder tropische Temperaturen an Bord.
Tag 3: 125 Meilen
Rest: 525 Meilen

Tag 1+2 nach Tahiti: Mimimi

Do/Fr.,06./07.Aug.20, Pazifik, Tag 2258/9, 20.528 sm von HH
Wir sind flott unterwegs, zeitweise rauschen wir mit sieben Knoten voran. Bereits im Atoll koennen wir Segel setzten, die Sonne scheint, ein paar Passatwolken ziehen am Himmel. In der Nacht leuchtet uns ein noch fast runder Mond den Weg. Es ist perfekt, aber an Bord hoert man nur ‚mimimi‘! Wir haben die ‚Segeln-ist-doof-an-den-ersten-beiden-Tagen-Brille‘ auf.
Das Schiff wackelt zu sehr, es ist zu anstrengend und wir schlafen zu schlecht. Gejammer und Wehklagen aus allen Rohren. Ist es noch weit? Sind wir bald da?
Und es ist zu kalt. Mimimi!
Obwohl das mit der Kaelte stimmt, muss man zu unserer Verteidigung sagen. Doppel-Fleece-Jacken plus Faserpelz-Hose plus Socken, anders ist es im Cockpit nicht auszuhalten – da kann man schon mal greinen. Der Wind kommt schraeg von hinten. Mal mit acht Knoten, mal mit zweiundzwanzig Knoten. Uns waren fuenfzehn Knoten im Durchschnitt vorhergesagt worden, aber doch nicht so. Gleichmaessig fuenfzehn Knoten, so hatten wir es bestellt. Diese harten Wechsel stellen die Windsteueranlage – Herta – vor ein Problem. Ab zwanzig Knoten fangen wir an aus dem Ruder zu laufen, luven viel zu stark an, legen uns mit Vollzeug hart auf die Backe. Extrem mimimi!
Statt traege in der Ecke zu liegen, muessen wir haendisch dem Ruder und Herta helfen. Dazu haben wir nun gar keine Lust. Schon gar nicht nachts, wenn es so richtig bitterkalt draussen ist. So hatten wir uns die Segelei nach einem halben Jahr nicht vorgestellt. Also wird getrimmt, was das Tuch hergibt: wir reffen das Gross, wir holen das Gross dicht, wir reffen mehr. Das kostet uns Geschwindigkeit. Das gefaellt uns auch nicht. Wieder mimimi. Hoffentlich ist bald Tag drei!
Tag 1: 150 Meilen (wow!) Tag 2: 124 Meilen
Rest: 650 Meilen