Heute wäre ich nach Deutschland geflogen …
Mi., 06.Mai.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2166, 20.254 sm von HH
… wäre, wäre, hätte, hätte! Was hätte ich nicht alles in Deutschland gemacht? Natürlich mich von Gartengrill zu Gartengrill geschleppt. Mich durch die Küchen der Familie und Freunde gefuttert. Ich hätte mich verwöhnen lassen – wir hätten gemeinsam gekocht, gemeinsam gelacht und uns aneinander gefreut. Und es hätte Spargel gegeben, den ersten seit sechs Jahren, und Rhabarber!
Ich wäre zum Optiker gegangen und es hätte eine neue Brille gegeben. Bei meiner aktuellen Brille löst sich die Versiegelung ab – da kann ich nicht mehr viel mit erkennen. Daher trage ich jetzt dauerhaft das Model davor. Das ist nicht besser, mit der kann ich nicht mehr lesen, weil die verdammte Altersweitsichtigkeit zügig voran schreitet. Und eine neue Sonnenbrille hätte es gegeben, die alte liegt vor der Osterinsel auf dem Meeresgrund.
Ach hätte, hätte ich doch vor einem halben Jahr versucht in Tahiti eine neue Brille zu bekommen. Aber die Auswahl an Gestellen war so klein und auf Deutsch finde ich die Sehsterkenermittlung ‚besser, schlechter oder gleich?‘ schon anstrengend. Die Brille wäre in Frankreich gefertigt worden und aus Paris gekommen. Ach, es war mir zu viel Getüttel. Ich habe mich getröstet, eine Zeitlang wird es schon noch gehen, schließlich fliege ich ja im Mai nach Hause!
Ohne Durchblick – schlimme Optik
Kreditkarten hätte ich aus Deutschland mitgebracht. Es hätte so gut gepasst – ich fliege ja im Mai nach Hause. Zwei Karten als Ersatz für abgelaufene Karten liegen bereits in Deutschland. Achim und ich haben jeweils zwei Karten, weil man ja ’so voraus schauend denkt‘. Es könnte ja eine Karte verloren gehen, eine Karte geht kaputt, man weiß ja nie. Meine erste Karte war bereits im November abgelaufen, die zweite folgt im August. Bei Achim ist nächsten Monat zu Ende. Da bleibt uns ab September grade eine gültige Karte übrig. Toll, weil wir ja so schlau sind und so voraus schauend denken.
Einen neuen Bikini hätte ich gekauft. Mindestens einen. Bei dem Letzten, den ich noch habe, löst sich seit kurzem das Elastan in ’nichts‘ auf. Der Bikini ist nur noch ein labberiger Stoff-Fetzen, der mehr raus lässt als er verbergen soll. Ach, wäre ich doch in Tahiti nicht so geizig gewesen und hätte einfach einen neuen Bikini für 140 USD gekauft. Aber brauchte ich ja nicht, schließlich fliege ich ja im Mai nach Hause.
Es wäre ein Friseurbesuch fällig gewesen. Grad rechtzeitig zur Wiedereröffnung der Friseure wäre ich angekommen. Endlich mal wieder ein richtiger Friseur. Nach dem Fiasko von vor einem Jahr ist das längst überfällig. Ich schneide mir seitdem selber die Haare. Achim hat sich als Helfer als unbrauchbar erwiesen. Statt die Strähnen zwischen die Finger zu nehmen, zieht er die Haare einfach lang und schneidet sie stumpf am Ende ab.
Man achte auf den großen Spiegel, der mir zur Verfügung steht und dazu der Wind …
Und ich hätte neue Kopfkissen gekauft. Unsere stinken. Alle vier. Es ist zum Heulen. Wie eine Mischung aus nasser Hund, fauler Milch und feuchten Getreidekörnern. Unterwegs gibt es fast ausschließlich Waschmaschinen, die kalt waschen oder maximal mit 30 Grad waschen. Da braucht man so ein Stinke-Kissen nicht rein legen, das kommt genauso stinkig wieder raus. Mein Versuch so ein Kissen selber zu waschen (Clorix plus fast kochendes Wasser plus etwas Waschpulver für den Duft) führte zur Sofortvernichtung des Kopfkissens. Es wollte nicht trocknen, verklumpte total und stank mehr als je zuvor. Jetzt habe ich ein wenig ‚Febreeze‘ auf die verbliebenen Stinker gesprüht. Gefährliche Aktion. Ich erinnere mich an Lackschuhe aus den 90er Jahren, die man nur barfuß trug und die nach kurzer Zeit ebenfalls erbärmlich gestunken haben. Da habe ich damals Parfüm rein gesprüht. Nicht machen! Niemals, und unter keinen Umständen!
Meine Febreeze-Aktion auf den Kissen war von größerem Erfolg gekrönt. Und gegen den Gestank hilft, dass es nicht mehr so heiß ist, wir vor zwei Monaten. Trotzdem wären neue Kissen eine Wohltat.
Hätte, hätte, wäre, wäre. Was hätte ich nicht alles schönes in Deutschland gemacht. Nun bin ich hier und froh, dass mein Flug nicht zwei Monate eher geplant gewesen ist. Dann würde ich jetzt in Deutschland sitzen und Achim hier. Unüberwindlich getrennt – für noch nicht absehbare Zeit. Da habe ich doch lieber keine klare Sicht und laufe schlecht frisiert mit schladdrigem Bikini herum, aber kann meinen Kopf neben Achim auf seinem Stinke-Kissen betten.