Warum ich so gerne einhand segle – Südseetage 4&5
Gestern abend stolperte ich in Faaborg auf meinem Laptop über die „Einhandbibel“ von Andrew Evans. Neben unzähligen Tipps (unter anderem zur Wahl des richtigen Einhandbootes; ich habe da alles instinktiv richtig gemacht) sinniert er aber auch seitenlang über das Einhandsegeln. Und schreibt sinngemäß: „Wenn man ein Segelboot nicht alleine fortbewegen könnte, würde ich mir wohl ein anderes Hobby suchen“. Das trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Klar macht es Spaß mit anderen unterwegs zu sein, aber das Gefühl geht nie so tief und intensiv wie beim Alleinesegeln. Andrew hat dafür viele Erklärungen, aber am Ende stehen zwei Gründe über allen anderen. Zum einen ist man ist niemals emotional so offen, wenn jemand dabei ist. Zum anderen geht es um das Gefühl die Verantwortung für alle Entscheidungen vollkommen alleine zu tragen. Mit allen Konsequenzen und Folgen, die diese dann nach sich ziehen. Man kann sich nicht abstimmen, oder jemand um Rat oder Hilfe bitten. Draußen auf See muss man da alleine durch.
Wenn alles glatt läuft, ist das natürlich unspektakulär, wenn es aber stürmt und Welle läuft, geht es ins Eingemachte. Dann muss man sich zur Ruhe zwingen und auf seine Fähigkeiten vertrauen. Da nützt kein Jammern und Wegducken. Und man findet dabei heraus, ob man der Typ Mensch ist, der man gerne sein möchte. Und nimmt sehr viel von diesem Selbstvertrauen mit ins „reale“ Leben. Und wenn man dann nach so einem Tag die Leinen festmacht, fühlt man sich 4 Köpfe größer und innerlich im Gleichgewicht. Ich liebe dieses Gefühl. Auch wenn einem bei der Ankunft niemand die überstandenen Strapazen ansieht, sie bleiben für immer im Herzen. Und gerade vorhin hatte ich wieder so ein Erlebnis. Doch der Reihe nach:
Nach einem Frühstück samt Meerblick im Handelshafen von Aerosköping machten wir unsere beiden Boote seeklar und liefen Kurs Faaborg. Vorher stimmten wir noch die Routen und die Wegpunkte ab, da es mehrere Möglichkeiten gibt dort in den Hafen zu gelangen. Umso mehr überraschte mich der Funkruf, das Alois auf einer Sandbank bei der Auffahrt sitzt. Sein Pinnenpilot hatte sich beim Setzen der Segel abgeschaltet und dann ging es sehr schnell. Nach einem 180° Grad Törn überlegte ich bereits, wie ich ihm helfen sollte, da sah ich aber schon den Tender einer Megayacht zur Hilfe kommen. Als ich dann bei ihm war war er bereits freigeschleppt und wieder in tiefem Wasser. Es ging an Avernakös Ostküste vorbei und dem dort vorgelagerten Riff aus Steinen. Mein Blick zurück zeigt ihn wieder ausserhalb des Tonnenstriches mit direktem Kurs auf das Riff. Hier würde es bei dem Speed nicht beim Aufsetzen bleiben. Mein Warnruf über Funk wird erhört und er korrigiert den Kurs um dann hoch am Wind zu verhungern und weiter auf das Riff zu treiben. „Fahr eine Wende….jetzt sofort!!!!!!!“. Rufe ich ins Mikrofon. Er hört mich und kommt endlich auf Abstand zu den Steinen. Mann, Mann, Mann. Keine Wunder das ich gerne alleine segel. Faaborg ist mit achterlichen Winden schnell erreicht und wir gehen auch hier in den Handelshafen. Diese ziehe ich JEDER Marina vor. Alles etwas gammelig und fischig, da fühle ich mich gleich zuhause nach 4 Tagen auf See :-)
Ich kann nicht an mich halten und halte Alois eine Standpauke über Seemannschaft, Theorie und Sorgfalt. Er reagiert überrascht. Aber ich will ja nicht besserwisserisch sein, mache mir nur so meine Sorgen um ihn und sein Boot. Scheuerleiste kaputt, Ruderwelle krumm…wenn das so weitergeht wir das Winterlager teurer als das Boot. Die Stimmung ist danach etwas getrübt und auf dem Weg zum Hafenautomaten denke ich über meine Anfänge nach. Aufgelaufen in Holland und in der Schlei, Fastkollision mit einer Hafenfähre auf der Elbe, sich öfnennde Wantenspanner, ungereffte Starkwindfahrten und noch vieles mehr kommt mir in den Sinn. Aber das ist wohl auch ein Teil des Einhandsegelns. Es schaut einem keiner über die Schulter und gibt Ratschläge. Man muss alle Fehler selber machen und Erfahrungen auch aus Fehlschlägen sammeln. Und am Ende: Wird man so ein besserer Segler, als durch viele Ausbildungstörns in einer Gruppe? Keine Ahnung, auf jeden Fall ein selbstständigerer Segler. Der sich mit allen Aspekten des Fahrtensegelns auskennen muss, da er sich eben nicht auf Experten verlassen kann. Oder sich nur an seinen Stärken orientiert und dann immer dabei bleibt. Faaborg ist eine tolle Stadt, wir laufen kreuz und quer, aber der Sinn einer Segelreise liegt irgendwie auf dem Wasser und nicht an Land.
Und damit geht es von Faaborg über den Kleinen Belt zurück auf das Festland. Und schon wieder heisst es Entscheidungen zu treffen, denn es gibt eine Sturmwarnung. Wann fahre ich los, wohin, welche Route welche Besegelung. All das wird mich unterwegs einholen. Gegen Mittag soll es erst richtig auffrischen, also heißt es sehr früh loszufahren. Um 0600h treffe ich Alois im Sanitärgebäude, der eigentlich ausschlafen wollte. Heute trennen sich unsere Wege. Er will nach Schleimünde, ich in die Dyvik.Aber er empfängt mich so früh mit Fragen nach der besten Route und den Tonnen und so weiter. Scheint ja doch geholfen zu haben :-) Ich binde das zweite Reff ins Groß. Vor dem Wind laufe ich mit meiner großen Rollgenua sowieso Rumpfgeschwindigkeit, und falls es sehr windig wird oder ich einen anderen Kurs fahren muss, kann ich mir das Reffen auf See sparen.
Abendrot trotz Schlechtwettervorhersage
Faaborg bleibt zurück und es geht durch die Ausläufer der dänischen Südsee
Mit viel Rückenwind rausche ich über den Belt, dann entwickelt sich aber eine miese, steile Kreuzsee. Ich muss vor dem Wind kreuzen, um nicht versehentlich durchzuhalsen und freue mich nun über mein Reff. Und dann kommt so ein Moment der das Einhandsegeln so schön macht. Kommt der Regen vor dem Wind….naja, Wind ist relativ. Es bläst ja eh schon die ganze Zeit stark. Eine Hammerböe folgt ca. 5 Minuten nach einem heftigen Regenschauer und drückt mich brutal auf das Wasser. Was mich früher vor Schreck gelähmt hätte, wird nun kurz analysiert. Groß auf, und zuviel Fock. Ich habe mir angewöhnt in diesen Situationen alles ganz bewusst sehr langsam und bedächtig zu machen. Hektik führt nämlich nur dazu Leinen aus der Hand gleiten zu lassen, sich zu verheddern oder zu anderen Pannen. Und das was man eigentlich schnell machen wollte, wird doppelt gemacht und dauert so viel länger. Inzwischen schaffe ich es die Krängung, das Knattern der Segel und das Getöse des Windes komplett auszublenden und meine Prioritätenliste im Kopf ruhig Schritt um Schritt abzuarbeiten. Es sieht bestimmt von außen immer noch eilig aus, aber ich mache jede Bewegung bewusst so langsam, das ich sie nur einmal machen muss. Großschot los. Boot etwas weiter vor den Wind um den Druck aus der Fock zu bekommen. Rollreffleine los und in die rechte Hand. Fockschot los und in die linke Hand. Die Krängung geht aus dem Boot, aber die Fock knattert und knallt. Lose in die Schot und einrollen. Fockschot wieder belegen und holen. Das Segel beruhigt sich. Die Böe verliert an Kraft. Man kann kaum ein paar Meter weit sehen im Regen, der eimerweise angeweht kommt. Ich war darauf vorbereitet und habe Steckschotten bereit und bringe das Tablet in Sicherheit. Schon fühlt sich das Boot wieder stabil an. Autopilot an und auf dem Vordeck die Fockschoten entwirren, die sich wild vertüdelt haben. Alles im Griff und ohne Panik und Angst. Yessss…
Opfer des Windes – mein Hamburgwimpel
Auf den Booten in Sichtweite gehen überall die Segel runter und der Diesel an. Nichts da, ich ziehe das jetzt durch und nach einer langen Kreuz in die Dyvik sitze ich nun voller Stolz hier und schreibe diese Zeilen. Schon mit einer Person an Bord wäre das ganz anders gelaufen. Ich fühle mich dann verantwortlich und muss Kommandos geben, was mich am klaren Denken hindert. Und so fühle ich mich wieder ein Stück gewachsen als Seemann. Auch wenn ich mir sicher bin, das da draussen schon die Gefahr lauert, der ich nicht gewachsen bin. Die mich kleinkriegen wird. Aber das wird mich nicht daran hindern, doch immer wieder aufs Neue ganz alleine auszulaufen. Und hoffentlich stolz zurückzukehren.