Rund Irland in 18 Tagen (2): Über Menschen, Delfine, und Segeljacken, die nicht halten, was sie versprechen.
„Das Meer ist ein keimfreier Raum“, stellte Boris Herrmann im Interview für mein Buch IN SEENOT lange vor Corona klar. Also geh ich dieses Jahr Segeln. ;-)) auf Levje und entlang der irischen Westküste. Im Folgenden ein Bericht über die Strecke von New Ross/Südirland bis zur Südwestspitze Irlands.
Die Werft am River Barrow. Und das Boot von Stephen, von dem im Folgenden die Rede sein wird.
Es wurde Zeit, von Levjes Liegeplatz der letzten 11 Monate aufzubrechen und die Werft in New Ross am südirischen River Barrow zu verlassen. Das Seeventil war wieder gängig, die Antriebswelle neu justiert, nichts leckte oder vibrierte mehr beim Test an der Pier in New Ross. Mickayla vom Werftbüro versorgte mich noch mit einem Zettel neuer gälischen Worte, den sie mir in die Hand drückt: „Go n-eiri an bóthar leat!“ – Möge Dein Weg voller Gelingen sein, das gälische Wort für „Gute Reise“!
Am Abend vorher hatte ich noch Stephen, der zusammen mit seinem Bruder Michael die Werft betreibt, auf seinem Boot besucht unten am Ponton im Fluss. Ein wunderschöner Fischkutter, gebaut 1942 im Osten Irlands in Arklow, auf dem Stephen unterwegs ist, wenn die Werft ihn losließ. Rund Irland, rund England, hinüber nach Frankreich. Während draußen der Regen an die Fenster des Deckshauses prasselt, der Sturm am Tauwerk rüttelt und es drinnen behaglich warm ist
und Stephen einen Schluck von seinem Shiraz nimmt, berichtet er schweren Herzens, dass er heute dieses Boot verkauft hätte – nach zwei Jahrzehnten Reisen. „Ich bin jetzt siebzig. Michael ist sechzig. Es ist Zeit, dass ich was Neues mache. Selbst wenn ich heute Tränen in den Augen hatte, als ich meine Unterschrift leistete: Das Leben muss weitergehen, immer weiter. Und ich träume davon, etwas Wärme in meine alten Knochen zu bringen. Das musst Du bedenken: Wenn Du alt bist, brauchst Du mehr Wärme. Und ich werd’ nach Südfrankreich gehen, nach Narbonne, das hatte ich seit Jahren vor.“ Ein Platz, wo Boote liegen ist stets ein kleiner Kosmos – mit tausenden Geschichten darin, die man entdeckt, sobald Menschen und Boote zu reden beginnen.
Am nächsten Mittag laufen wir mit der Flut die 10 Seemeilen den Fluss hinunter, wo die Eisenbahnbrücke den River Barrow überspannt. Golden ziehen sich die Kornfelder vom Ufer zwischen den Steinreihen die rollenden Hügel hinauf, mal ein Gehäuft, mal ein normannischer Wehrturm am Ufer, während ich von unterwegs Andrew, den Brückenwärter anrufe und darum bitte, ob er in eineinhalb Stunden die Drehbücke
für Levje öffnen kann. Ich kenne Andrew nur vom Telefon, ein höflicher Mann, der auch malvon sich aus anruft, um sich zu erkundigen, wann man denn genau einträfe, weil er dann die 500 Meter Stahlbrücke bis zum drehbaren Teil zurücklegen muss, um den Weg freizugeben. Alles klappt wie am Schnürchen. Schon nach der letzten Flussbiegung beginnt sich die Brücke zu drehen, als wir mit der Tide mit 8 Knoten anrauschen, hat Andrew schon den Mechanismus betätigt und wir rauschen weiter Richtung Meer, hinaus ins 8 Seemeilen entfernte Mündungsdelta des River Suir.
Der Tag war lang, Sven legt sich zur Ruhe, ich übernehme die erste Wache bis Mitternacht, während Levje unter Autopilot in den irischen Sonnenuntergang westwärts Richtung Fastnet Rock segelt.
Kein Schiff ist draußen außer uns. Kein Segler, kein Fischer. Vor Cork um Mitternacht die Lichter eines Frachters, der in der Dunkelheit vorbeizieht. Es ist ungewohnt, niemanden zu sehen, allein unterwegs zu sein, als wäre dies die Südsee abseits aller Schiffahrtsrouten und nicht die irische Südküste. Nur eine Begegnung begleitet mich durch die Nacht: Immer wieder höre ich das Atmen von Delphinen neben Levje. Das typische kurze Platschen, wenn ein Delphin die Wasseroberfläche durchstößt und kurz und energisch durch sein Blasloch am Rücken Luft holt. Ich sehe ihre Schatten neben dem Boot im Wasser.
Als der Morgen graut, es ist meine zweite Wache, sehe ich sie endlich. Immer wieder kommen Schulen der weißbäuchigen, mittelgroßen Delphine aus der Ferne auf Levje zu – fast so, als wollten sie sich vergewissern, dass die Menschen, die plötzlich wegen des Lockdowns auf unerklärliche Weise das Meer verlassen hatten, tatsächlich wieder zurückkehren. In seinem Buch PER ANHALTER DURCH DIE GALAXIS beschreibt Douglas Adams, wie rätselhafterweise für die Menschen erst die Delphine verschwinden, bevor ein bürokratischer Fehler galaktischen Ausmaßes die Erde entsorgt. In diesem Juli ist es, als hätten die Delphine sich über das plötzliche Ausbleiben der Menschen verwundert und müssten sich nun ganz schnell überzeugen, dass die Menschen ja noch da sind. Immer wieder biegen Delphine von ihrem Kurs ab. Schwimmen zum Boot heran, wirbeln während der Fahrt vor Levjes Bug durcheinander. Dann blitzschnell in die Tiefe. Dann wieder hoch. Ich kauere auf dem regennassen Vordeck, klammere mich an die Reling, um den Tieren nah zu sein, während Levje durch den grauen Morgen segelt. Schau ich am Bug links herunter, zischen die Delphine ganz schnell nach rechts. Schau ich nach rechts, zischen sie unter Levjes Bug nach links, als wollten mich die Delphine foppen. Wie meistens, wenn Delphine kommen, bin ich nicht stummer Beobachter, sondern Mitspieler in ihrem Spiel. Ein ums andere Mal
drehen sie sich zur Seite, um heraufzuäugen zu mir, sich zu vergewissern, dass ich nur ja ihrem Treiben aufmerksam zuschaue, applaudiere, begeistert ausrufe, wenn sie mit unmerklichem Flossenschlag Levjes 7 Knoten Speed lässig übertrumpfen. Sich wieder zurückfallen lassen, kurz einander streifen, als würden sie sich zärtlich versichern, noch dazusein bei den übrigen Spielgefährten. Zu mir hochblicken, ob ich nur ja jedes ihrer Kunststücke aus nächster Nähe beobachte.
Kaum dass ein Rudel fort ist, biegt das nächste aus der Ferne ab. Fast schenken Sie mir wie Jacques Mayor in THE BIG BLUE das Gefühl, ich wäre einer der ihren. Erst in den nächsten Tagen werde ich lernen, dass 2020 offensichtlich das Jahr der Delphine ist, denn immer wieder begegnen wir auf dem Weg entlang Irlands Westküste Delphinen, die Kunststücke zeigen.
Frühmorgens vor Fastnet Rock. Da war die Jacke noch dicht…
Um 10 Uhr passieren wir im Regen Fastnet Rock, den legendären Felsen, der die südwestlichste Ecke Irlands markiert. Der Regen wird mehr, die Welle auch, als wir um Irlands Westspitze herum sind und Kurs nordwärts legen auf den zweieinhalb Stunden entfernt liegenden Hafen von Castletownbere, steigert der Südost den Regen zu einem beachtlichen Sauwetter.
Nach einer Stunde Rudergehen ist meine Jacke innen nass. Das Wasser läuft innen über die Schulter beide Ärmel hinunter. Dabei hab ich das sechs Jahre alte Ding, ein Geschenk von Katrin, vor der Abreise noch gründlich imprägniert, weil der Hersteller bei meinem Anruf sagte, er würde keine Imprägnierung vornehmen. Sven hats natürlich eher als ich Dödel gecheckt, dass Segeljacken aus mehreren Lagen Material bestehen und dass kein Imprägnieren hilft, wenn die wasserabweisende Lage im Inneren einmal beschädigt ist. Smart Ass! Da stehe ich jetzt im heftigen Regen, und während mit jeder Drehung des Ruderrades das Wasser aus den Ärmeln des tropfnassen Pullovers unter der Jacke trielt, denke ich übellaunig nach. Muss es wirklich so sein, dass sündteure Segeljacken nach sechs Jahren Mittelmeer, wo man sie seltenst braucht, auf den Sondermüll gehören? Wütend zitiere ich die Sprüche wie „für den harten Bordeinsatz gemacht“, während ich kurble, weil der Südost uns achterliche 30er-Böen beschert, die Levje heftig ausbrechen lassen und nur von einem noch mehr bringen: Dem Regen. Nein, ich glaube, ich habe ein für alle Mal die Nase von derartigem Segeljacken-Mist! Es muss bessere Lösungen geben als die, die ich habe.
Hat einer meiner Leser einen Tipp, welcher Segeljackenhersteller nicht nur Marketingsprüche klopft, sondern wirklich dichte Regenjacken produziert? Solche, die atmungsaktiver als eine Plastiktüte sind und NACHWEISLICH mehr abkönnen als sechs laue Sommer?
Ich brauch eine neue Jacke. Und ich bitte alle Leser dieses Posts: Schreiben Sie mir in der Kommentarfunktion eine kurze Mail, wenn Sie Ihre Segeljacke uneingeschränkt fürs irische Sauwetter empfehlen können.
Die eMail mit dem richtigen Tipp belohne ich noch hier von Irland aus mit einer Flasche irischen Whiskey. Mit Widmung und hier noch aus Irland versandt.
Versprochen!
PS: Der wirkliche Regen, der setzte erst eineinhalb Stunden später ein, als wir im Fischereihafen von Castletownbere im Päckchen neben dem einzigen Segler festmachten, der uns an dem Tag begegnete. Wie es in Castletownbere weiterging: Das lesen Sie im nächsten Post!
Soeben erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:
Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.
„… ein spannendes Werk, von dem man sobald man sich eingelesen hat und ein bisschen Liebe für das Meer empfindet, so schnell nicht wieder los kommt.“
sagt das Mallorca-Magazin letzte Woche (26.7.2020)
„Ein Pageturner.“
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)
„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“.
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)
„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)
„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.
Und was ich drüber denke?
Ich bin bescheidener. Und verrate es in einem der nächsten Posts.