Kategorie: Mare Più

Rund Irland in 18 Tagen (2): Über Menschen, Delfine, und Segeljacken, die nicht halten, was sie versprechen.

„Das Meer ist ein keimfreier Raum“, stellte Boris Herrmann im Interview für mein Buch IN SEENOT lange vor Corona klar. Also geh ich dieses Jahr Segeln. ;-)) auf Levje und entlang der irischen Westküste. Im Folgenden ein Bericht über die Strecke von New Ross/Südirland bis zur Südwestspitze Irlands.

Die Werft am River Barrow. Und das Boot von Stephen, von dem im Folgenden die Rede sein wird.

Es wurde Zeit, von Levjes Liegeplatz der letzten 11 Monate aufzubrechen und die Werft in New Ross am südirischen River Barrow zu verlassen. Das Seeventil war wieder gängig, die Antriebswelle neu justiert, nichts leckte oder vibrierte mehr beim Test an der Pier in New Ross. Mickayla vom Werftbüro versorgte mich noch mit einem Zettel neuer gälischen Worte, den sie mir in die Hand drückt: „Go n-eiri an bóthar leat!“ – Möge Dein Weg voller Gelingen sein, das gälische Wort für „Gute Reise“!

Am Abend vorher hatte ich noch Stephen, der zusammen mit seinem Bruder Michael die Werft betreibt, auf seinem Boot besucht unten am Ponton im Fluss. Ein wunderschöner Fischkutter, gebaut 1942 im Osten Irlands in Arklow, auf dem Stephen unterwegs ist, wenn die Werft ihn losließ. Rund Irland, rund England, hinüber nach Frankreich. Während draußen der Regen an die Fenster des Deckshauses prasselt, der Sturm am Tauwerk rüttelt und es drinnen behaglich warm ist 



und Stephen einen Schluck von seinem Shiraz nimmt, berichtet er schweren Herzens, dass er heute dieses Boot verkauft hätte – nach zwei Jahrzehnten Reisen. „Ich bin jetzt siebzig. Michael ist sechzig. Es ist Zeit, dass ich was Neues mache. Selbst wenn ich heute Tränen in den Augen hatte, als ich meine Unterschrift leistete: Das Leben muss weitergehen, immer weiter. Und ich träume davon, etwas Wärme in meine alten Knochen zu bringen. Das musst Du bedenken: Wenn Du alt bist, brauchst Du mehr Wärme. Und ich werd’ nach Südfrankreich gehen, nach Narbonne, das hatte ich seit Jahren vor.“ Ein Platz, wo Boote liegen ist stets ein kleiner Kosmos – mit tausenden Geschichten darin, die man entdeckt, sobald Menschen und Boote zu reden beginnen.

Am nächsten Mittag laufen wir mit der Flut die 10 Seemeilen den Fluss hinunter, wo die Eisenbahnbrücke den River Barrow überspannt. Golden ziehen sich die Kornfelder vom Ufer zwischen den Steinreihen die rollenden Hügel hinauf, mal ein Gehäuft, mal ein normannischer Wehrturm am Ufer, während ich von unterwegs Andrew, den Brückenwärter anrufe und darum bitte, ob er in eineinhalb Stunden die Drehbücke



für Levje öffnen kann. Ich kenne Andrew nur vom Telefon, ein höflicher Mann, der auch malvon sich aus anruft, um sich zu erkundigen, wann man denn genau einträfe, weil er dann die 500 Meter Stahlbrücke bis zum drehbaren Teil zurücklegen muss, um den Weg freizugeben. Alles klappt wie am Schnürchen. Schon nach der letzten Flussbiegung beginnt sich die Brücke zu drehen, als wir mit der Tide mit 8 Knoten anrauschen, hat Andrew schon den Mechanismus betätigt und wir rauschen weiter Richtung Meer, hinaus ins 8 Seemeilen entfernte Mündungsdelta des River Suir.




Der Tag war lang, Sven legt sich zur Ruhe, ich übernehme die erste Wache bis Mitternacht, während Levje unter Autopilot in den irischen Sonnenuntergang westwärts Richtung Fastnet Rock segelt.

Kein Schiff ist draußen außer uns. Kein Segler, kein Fischer. Vor Cork um Mitternacht die Lichter eines Frachters, der in der Dunkelheit vorbeizieht. Es ist ungewohnt, niemanden zu sehen, allein unterwegs zu sein, als wäre dies die Südsee abseits aller Schiffahrtsrouten und nicht die irische Südküste. Nur eine Begegnung begleitet mich durch die Nacht: Immer wieder höre ich das Atmen von Delphinen neben Levje. Das typische kurze Platschen, wenn ein Delphin die Wasseroberfläche durchstößt und kurz und energisch durch sein Blasloch am Rücken Luft holt. Ich sehe ihre Schatten neben dem Boot im Wasser.

Als der Morgen graut, es ist meine zweite Wache, sehe ich sie endlich. Immer wieder kommen Schulen der weißbäuchigen, mittelgroßen Delphine aus der Ferne auf Levje zu – fast so, als wollten sie sich vergewissern, dass die Menschen, die plötzlich wegen des Lockdowns auf unerklärliche Weise das Meer verlassen hatten, tatsächlich wieder zurückkehren. In seinem Buch PER ANHALTER DURCH DIE GALAXIS beschreibt Douglas Adams, wie rätselhafterweise für die Menschen erst die Delphine verschwinden, bevor ein bürokratischer Fehler galaktischen Ausmaßes die Erde entsorgt. In diesem Juli ist es, als hätten die Delphine sich über das plötzliche Ausbleiben der Menschen verwundert und müssten sich nun ganz schnell überzeugen, dass die Menschen ja noch da sind. Immer wieder biegen Delphine von ihrem Kurs ab. Schwimmen zum Boot heran, wirbeln während der Fahrt vor Levjes Bug durcheinander. Dann blitzschnell in die Tiefe. Dann wieder hoch. Ich kauere auf dem regennassen Vordeck, klammere mich an die Reling, um den Tieren nah zu sein, während Levje durch den grauen Morgen segelt. Schau ich am Bug links herunter, zischen die Delphine ganz schnell nach rechts. Schau ich nach rechts, zischen sie unter Levjes Bug nach links, als wollten mich die Delphine foppen. Wie meistens, wenn Delphine kommen, bin ich nicht stummer Beobachter, sondern Mitspieler in ihrem Spiel. Ein ums andere Mal 



drehen sie sich zur Seite, um heraufzuäugen zu mir, sich zu vergewissern, dass ich nur ja ihrem Treiben aufmerksam zuschaue, applaudiere, begeistert ausrufe, wenn sie mit unmerklichem Flossenschlag Levjes 7 Knoten Speed lässig übertrumpfen. Sich wieder zurückfallen lassen, kurz einander streifen, als würden sie sich zärtlich versichern, noch dazusein bei den übrigen Spielgefährten. Zu mir hochblicken, ob ich nur ja jedes ihrer Kunststücke aus nächster Nähe beobachte.

Kaum dass ein Rudel fort ist, biegt das nächste aus der Ferne ab. Fast schenken Sie mir wie Jacques Mayor in THE BIG BLUE das Gefühl, ich wäre einer der ihren. Erst in den nächsten Tagen werde ich lernen, dass 2020 offensichtlich das Jahr der Delphine ist, denn immer wieder begegnen wir auf dem Weg entlang Irlands Westküste Delphinen, die Kunststücke zeigen.

Frühmorgens vor Fastnet Rock. Da war die Jacke noch dicht…

Um 10 Uhr passieren wir im Regen Fastnet Rock, den legendären Felsen, der die südwestlichste Ecke Irlands markiert. Der Regen wird mehr, die Welle auch, als wir um Irlands Westspitze herum sind und Kurs nordwärts legen auf den zweieinhalb Stunden entfernt liegenden Hafen von Castletownbere, steigert der Südost den Regen zu einem beachtlichen Sauwetter.

Nach einer Stunde Rudergehen ist meine Jacke innen nass. Das Wasser läuft innen über die Schulter beide Ärmel hinunter. Dabei hab ich das sechs Jahre alte Ding, ein Geschenk von Katrin, vor der Abreise noch gründlich imprägniert, weil der Hersteller bei meinem Anruf sagte, er würde keine Imprägnierung vornehmen. Sven hats natürlich eher als ich Dödel gecheckt, dass Segeljacken aus mehreren Lagen Material bestehen und dass kein Imprägnieren hilft, wenn die wasserabweisende Lage im Inneren einmal beschädigt ist. Smart Ass! Da stehe ich jetzt im heftigen Regen, und während mit jeder Drehung des Ruderrades das Wasser aus den Ärmeln des tropfnassen Pullovers unter der Jacke trielt, denke ich übellaunig nach. Muss es wirklich so sein, dass sündteure Segeljacken nach sechs Jahren Mittelmeer, wo man sie seltenst braucht, auf den Sondermüll gehören? Wütend zitiere ich die Sprüche wie „für den harten Bordeinsatz gemacht“, während ich kurble, weil der Südost uns achterliche 30er-Böen beschert, die Levje heftig ausbrechen lassen und nur von einem noch mehr bringen: Dem Regen. Nein, ich glaube, ich habe ein für alle Mal die Nase von derartigem Segeljacken-Mist! Es muss bessere Lösungen geben als die, die ich habe.

Hat einer meiner Leser einen Tipp, welcher Segeljackenhersteller nicht nur Marketingsprüche klopft, sondern wirklich dichte Regenjacken produziert? Solche, die atmungsaktiver als eine Plastiktüte sind und NACHWEISLICH mehr abkönnen als sechs laue Sommer? 

Ich brauch eine neue Jacke. Und ich bitte alle Leser dieses Posts: Schreiben Sie mir in der Kommentarfunktion eine kurze Mail, wenn Sie Ihre Segeljacke uneingeschränkt fürs irische Sauwetter empfehlen können. 

Die eMail mit dem richtigen Tipp belohne ich noch hier von Irland aus mit einer Flasche irischen Whiskey. Mit Widmung und hier noch aus Irland versandt.

Versprochen!

PS: Der wirkliche Regen, der setzte erst eineinhalb Stunden später ein, als wir im Fischereihafen von Castletownbere im Päckchen neben dem einzigen Segler festmachten, der uns an dem Tag begegnete. Wie es in Castletownbere weiterging: Das lesen Sie im nächsten Post!

Soeben erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:



Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„… ein spannendes Werk, von dem man sobald man sich eingelesen hat und ein bisschen Liebe für das Meer empfindet, so schnell nicht wieder los kommt.“
sagt das Mallorca-Magazin letzte Woche (26.7.2020)

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 

Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.




Irland (1): Ankommen auf der Werft am River Barrow.

„Das Meer ist ein keimfreier Raum“, stellte Boris Herrmann im Interview für mein Buch IN SEENOT lange vor Corona klar. Also geh ich dieses Jahr Segeln. ;-)) Auf Levje und entlang der irischen Westküste. Im Folgenden ein erster Bericht.

Die Werft NEW ROSS BOAT YARD im südirischen New Ross hatte ich im vergangenen Jahr am Oberlauf des River Barrow
eher zufällig entdeckt. Und hatte Levje hier für den irischen Winter in guten Händen zurückgelassen.

Am 20. Juli unterbrach ich meine Arbeit an der Übersetzung des Sturm-Taktik-Handbuches von Lin und Larry Pardey, das im Herbst bei millemari. erscheinen wird, und fuhr zum Flughafen. Das Flugzeug nach Dublin war nur halb besetzt. Der Autoverleiher in Dublin sagt, wir wären mit die ersten Touristen. Der 20. Juli war der erste Tag nach dem irischen Covid-19-Lockdown, an dem man als Reisender in Irland wieder ohne Quarantäne einreisen durfte. Irland gehörte zu den Ländern, das die Krise dank sehr strenger Regeln gut gemeistert hatte und wie Mallorca mit niedrigen Fallzahlen gut durchgekommen war. Nur in den dünn besiedelten Countys im Norden an der Grenze zu Nordirland waren die Erkrankungen höher gewesen, die Grenze und die lockereren britischen Regelungen hatten zu mehr Erkrankungen geführt.

Zwei Autostunden weiter südlich stehe ich mit Sven auf der Werft in New Ross am Ufer des River Barrow in Südirland. Da, wo ich in der Werft von Michael und seinem Bruder Stephen LEVJE vor genau 11 Monaten nach der Rückkehr von den Hebriden zurückgelassen hatte. 11 Monate nicht auf LEVJE gewesen zu sein ist hart. Für mich jedenfalls. Ich bin nun mal ein „Kümmerer“, einer der sich kümmert um die Dinge, die ihm im Leben etwas bedeuten.  Ich kann

Iren sind Individualistenund Eigenbrötler. Und nichts gibt darüber mehr Auskunft als das Werftgebäude von Michael und Stephen, das ein überdimensionales Thermometer in Fahrenheit angibt. Damit man auch stets weiß, dass der Sommer da ist, wenn das Thermometer mal 16 Grad anzeigt. 

mein Fahrrad nicht über Nacht am Bahnhof des kleinen Dorfes stehen lassen. Ich kann kein Buch wegwerfen. Und elf Monate nicht auf meinem Boot gewesen zu sein ertrage ich schlecht. Wilde Alpträume quälten mich beim Aufwachen. Dass ich nach dem letzten Törn vergaß, dass Salonluk ganz zu schließen und der irische Dauerregen das Innere meine LEVJE füllt, bis sie unter den Rand vollgelaufen mit einem Knall auf ihrem Cradle, dem Lagerbock, auseinanderbricht. Dass das Wasser, von dem es anders als in Mallorca in Irland im Überfluss gibt, wegen irgendeiner winzigen Undichtigkeit seinen Weg ins Schiffsinnere findet und Polster, Federbett den Holzboden tränkt, bis alles grünlich schimmelt und rottet.

„It has a lot of storms“, sagte Michael Kehoe im Winter, wenn ich gelegentlich mit ihm telefonierte. Ihm gehört zusammen mit seinem Bruder Stephen die Werft, New Ross Boat Yard. „Don’t worry. We look after her“, sagte Michael, der meine Sorge während des Lockdowns spürte. Manchmal sandte mir Mickayla vom Werftbüro ein Foto von LEVJE. Mickayla, die im Büro arbeitet und mir immer neue Brocken Gälischer Worte beibrachte, wenn Sie so nett war, mich im Herbst nach New Ross zur Reinigung zu fahren. Von der ich lernte, dass Dublin auf gälisch Baile atha Cliath heißt. Und dass man das aber „Bolja oha Klija“ spricht. Und New Ross „Ross Mic Truine“. Und Wexford „Loch Garman“. Und Waterford „Port Lairge“. Wenn der Südweststurm besonders arg wehte, schickte mir mein Bootsnachbar Gábor Fotos. Gábor gehört die SHEENANIGAN neben LEVJE und er erklärte mir lachend, dass SHENANIGAN das irische Wort für Aufschneider sei. Gábor ist Ungar. Weil er wie viele Ungarn unter dem dortigen Autokraten Orban die Hoffnung verlor, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, hat er als Elektronik-Ingenieur einfach zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern Ungarn Lebewohl gesagt und die Sommerhitze Ungarns gegen die Unbeständigkeit des irischen Wetters eingetauscht.

Und dann stehe ich vor LEVJE. Einträchtig steht sie neben SHEENANIGAN, mein „Liebchen“ neben dem irisch weiß-grünen „Aufschneider“. Eigentlich sieht sie aus wie immer. Mickhayla vom Büro grinst von einem Ohr zum anderen. „Haben wir nicht gut auf sie aufgepasst?“ Unterm Arm schleppt sie die schwere Persenning, die der Wintersturm losriss und die sie auf der Werft für mich gerettet haben. Meine Erinnerung an Sciacca in Sizilien.

Am nächsten Tag machen sich Sven und ich an die Arbeit. Tatsächlich ist entlang des Wants etwas Wasser ins Bootsinnere gelaufen und trielte den langen Winterregen genau ins Werkzeug-Schapp. Meine Träume haben also nicht gelogen. Aber weil ich meine Schraubenzieher, Feilen, Hämmer, Sägeblätter sortiert in Bechern aus halbierten Wasserflaschen aufbewahre, ist nur der Becher mit den ausrangierten Schraubenziehern vollgelaufen. Die sind hin, allesamt verrostet – ein Verlust, der gemessen an meinen Alpträumen zu verschmerzen ist. Schlimmer ist das große Seeventil, dessen Hebel Sven bei der ersten Berührung in der Hand hält.

Männer sind schon komisch. Manchmal eitel. Manchmal pfeifen sie auf Bella Figura und die „Sockenfrage“. Männer sind die einzigen Lebewesen, die herausfinden können, ob sie noch in die Hosen passen, die sie vor 40 Jahren kauften.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne über dem River dem River Barrow. Also nutzen wir das schöne Wetter und machen uns ans Streichen des Unterwasserschiffs. Nur wer sein Unterwasserschiff selber streicht, ist wirklich Bootseigner. Weil nur einer mit dem Pinsel voller Antifouling in der Hand erfährt, wie rank und schnell der Bug seines Schiffes ist, den man im Nu gerollert hat. Und wie verflucht breit der Bauch seines Schiffes sein kann, wenn man über Kopf den Walbauch streicht. Rot soll das Unterwasserschiff diesmal werden, wo es vorher blau war 



und ganz zuvor schwarz. Damit man sieht, wo es nicht hält. Eigentlich ist Unterwascherschiff streichen eine schöne Arbeit. Nichts verändert ein Boot in seiner Substanz so wenig und optisch so viel wie zwei Eimer Farbe.



Sven und ich rechnen nach: Es dürfte jetzt das 22. Mal sein, dass wir zusammen ein Schiff streichen. Als ich Miteigner an seiner JUANITA wurde, strichen wir immer zusammen deren Bauch. Seit ich mein eigenes Schiff habe, streicht Sven eben den Bauch meines Schiffes mit. Es ist unser Ritus, eben einmal im Jar zusammen am Boot zu arbeiten. Manchmal an JUANITA in Livorno. Meistens an LEVJE, wo immer sie liegt. Ob in in Sizilien, der Türkei oder jetzt in Irland.  

Seit ich Sven kenne, halte ich gute Maschinenbauer längst mehr als Ärzte für Halbgötter. Sven weiß weiter, wenn Wasser ins Schiff läuft und eine Schraube festsitzt. Er weiß weiter, wo ich aufgebe. Von Sven habe ich ein Stück weit gelernt, was man „Zen oder die Kunst, ein Boot zu warten“ nennt: Die ganze Widersetzlichkeit, die ein Boot einem Menschen entgegenbringen kann, gelassen zu betrachten. Und statt in Zorn oder Verzweiflung über auseinanderfallende Seeventile und festgefressene Schrauben zu verfallen, nachzudenken, WARUM eine Schraube nach 20 Jahren nicht mehr aufgehen mag und der Hebel eines Seeventils beschließt einfach abzufallen. Das Zauberwort heißt „über Ursachen nachdenken“. Und dann Nachdenken, wie man seine Kraft einsetzen kann, um den Dingen beizukommen. In dieser Kunst werde ich zwar niemals so gut werden wie Sven, denn er hat von Kindesbeinen an, was Katrin und ich „Maschinenbauer-Augenbrauen“ nennen: Wo die Augenbrauen sind, eine leicht hervorspringende Neanderthaler-Wulst, wie sie seit der Steinzeit nur technisch begabte Menschen besitzen.

Oft

Jedes Jahr ersinnt Sven ein neues Werkzeug fürs Boot, das ich dann begeistert zum „Tool of the Year“ küre. Diesmal ist es eine selbstgeschweißte Verlängerung für den Drehmoment-Schlüssel, um Levjes Kielbolzen exakt aufs vorgesehene Anzugsmoment zu bringen. Das übliche Werkzeug hierfür ist etwa 1,80m lang. Svens diesjähriges „Tool of the Year“ passte wunderbar ins Fluggepäck.

Bei besonders harten Problemen kann ich hören, wie es hinter Svens Augenbrauen arbeitet. Es ist ein Geräusch, das mich beruhigt und ist ähnlich dem Klang einer Schnecke, die sich in ihr Haus zurückzieht, um etwas ähnlich Gewichtiges denkend zu erledigen. Ein wortloses die Gesetze der Physik von Archimedes über Newton bis Watt aus dem All zu sich herabziehendes Nachdenken, mit welchen Kräften man jetzt ein seit 20 Jahren im Waschtisch-Schrank von Levjes rottendes Seeventil elegant aus einer Bordwand ausbrechen und durch ein neues ersetzen kann.

Immer wenn ich das Geräusch hinter Svens Maschinenbauer-Augenbrauen höre, weiß ich: Das widersetzliche Teil wird uns jetzt ärgern, hat aber längst verloren, ahnt es nur noch nicht. Kein Teil kann Sven widerstehen. Die Augenbrauen haben diesmal folgenden Masterplan entwickelt:

1. Den mit dem Seeventil verbackenen Schlauch durch eine Art „Waterboarding“ mit kochend heißen Geschirrtüchern so lange bandagieren, bis der Schlauch so weich wird, dass er aufgibt und man ihn unbeschädigt von Hand abziehen kann.

2. Das Seeventil mit der größten Wasserrohrzange, die Michael und Stephen auf der Werft haben, abzudrehen. 

3. Wenn das nicht geht, die ganze Unit von Außen an der Bordwand mit Michaels Flex abfräsen. Und nach innen rausbrechen. Michael verdreht bei dem Gedanken an eine malträtierte Bordwand die Augen – aber er kennt Svens Augenbrauen nicht so gut wie ich.

Genau drei Stunden später ist das widersetzliche Seeventil draußen. Für Sven ist das nicht der Rede wert. Doch allein über die Aufgabe, ein 20 Jahre festsitzendes daumendickes Gummi-Schläuchlein abzuziehen habe ich schon gestandene Männer weinen sehen – vor Frustration und Ohnmachtsgefühlen. Ein Boot warten ist eine Aufgabe für Schwererziehbare, die den Widerstand des Lebens spüren müssen – und etwas, das Demut lehrt. Ein Boot bietet ECHTEN Widerstand und harte Widersetzlichkeit, wie ich sie sonst im Leben nur bei Unbelehrbaren erlebte.


Als das Seeventil aus der Bordwand draußen ist, fühlen wir uns wie die Könige. Ich erzähle nun nicht, dass wir nach dem Zuwasserlassen den Motor starteten, den River Barrow hinterfuhren und der Motor wie eine munteres Zicklein in seinem Gehäuse fröhliche Sprünge vollführt, dass das Schiff bis zur Mastspitze vibrierte. Beim Wechsel der Stopfbuchse hatte ich die Welle einen Zentimeter zu tief in den Wellenflansch eingeführt. Also Michael anrufen, der Levje ein weiteres Mal geduldig aus dem Wasser krant und von einer Rechnung für 2 x Extrakranen nix wissen will. 

Vielleicht ist es das, was mir am Leben auf einer Bootswerft gefällt: Einfach immer wieder spüren, was uns als Fremde verbindet: Wir alle haben ein Boot.

Soeben erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.



Rund Irland in 18 Tagen (1): Ankommen auf der Werft am River Barrow.

„Das Meer ist ein keimfreier Raum“, stellte Boris Herrmann im Interview für mein Buch IN SEENOT lange vor Corona klar. Also geh ich dieses Jahr Segeln. ;-)) Auf Levje und entlang der irischen Westküste. Im Folgenden ein erster Bericht.

Die Werft NEW ROSS BOAT YARD im südirischen New Ross hatte ich im vergangenen Jahr am Oberlauf des River Barrow
eher zufällig entdeckt. Und hatte Levje hier für den irischen Winter in guten Händen zurückgelassen.

Am 20. Juli unterbrach ich meine Arbeit an der Übersetzung des Sturm-Taktik-Handbuches von Lin und Larry Pardey, das im Herbst bei millemari. erscheinen wird, und fuhr zum Flughafen. Das Flugzeug nach Dublin war nur halb besetzt. Der Autoverleiher in Dublin sagt, wir wären mit die ersten Touristen. Der 20. Juli war der erste Tag nach dem irischen Covid-19-Lockdown, an dem man als Reisender in Irland wieder ohne Quarantäne einreisen durfte. Irland gehörte zu den Ländern, das die Krise dank sehr strenger Regeln gut gemeistert hatte und wie Mallorca mit niedrigen Fallzahlen gut durchgekommen war. Nur in den dünn besiedelten Countys im Norden an der Grenze zu Nordirland waren die Erkrankungen höher gewesen, die Grenze und die lockereren britischen Regelungen hatten zu mehr Erkrankungen geführt.

Zwei Autostunden weiter südlich stehe ich mit Sven auf der Werft in New Ross am Ufer des River Barrow in Südirland. Da, wo ich in der Werft von Michael und seinem Bruder Stephen LEVJE vor genau 11 Monaten nach der Rückkehr von den Hebriden zurückgelassen hatte. 11 Monate nicht auf LEVJE gewesen zu sein ist hart. Für mich jedenfalls. Ich bin nun mal ein „Kümmerer“, einer der sich kümmert um die Dinge, die ihm im Leben etwas bedeuten.  Ich kann

Iren sind Individualistenund Eigenbrötler. Und nichts gibt darüber mehr Auskunft als das Werftgebäude von Michael und Stephen, das ein überdimensionales Thermometer in Fahrenheit angibt. Damit man auch stets weiß, dass der Sommer da ist, wenn das Thermometer mal 16 Grad anzeigt. 

mein Fahrrad nicht über Nacht am Bahnhof des kleinen Dorfes stehen lassen. Ich kann kein Buch wegwerfen. Und elf Monate nicht auf meinem Boot gewesen zu sein ertrage ich schlecht. Wilde Alpträume quälten mich beim Aufwachen. Dass ich nach dem letzten Törn vergaß, dass Salonluk ganz zu schließen und der irische Dauerregen das Innere meine LEVJE füllt, bis sie unter den Rand vollgelaufen mit einem Knall auf ihrem Cradle, dem Lagerbock, auseinanderbricht. Dass das Wasser, von dem es anders als in Mallorca in Irland im Überfluss gibt, wegen irgendeiner winzigen Undichtigkeit seinen Weg ins Schiffsinnere findet und Polster, Federbett den Holzboden tränkt, bis alles grünlich schimmelt und rottet.

„It has a lot of storms“, sagte Michael Kehoe im Winter, wenn ich gelegentlich mit ihm telefonierte. Ihm gehört zusammen mit seinem Bruder Stephen die Werft, New Ross Boat Yard. „Don’t worry. We look after her“, sagte Michael, der meine Sorge während des Lockdowns spürte. Manchmal sandte mir Mickayla vom Werftbüro ein Foto von LEVJE. Mickayla, die im Büro arbeitet und mir immer neue Brocken Gälischer Worte beibrachte, wenn Sie so nett war, mich im Herbst nach New Ross zur Reinigung zu fahren. Von der ich lernte, dass Dublin auf gälisch Baile atha Cliath heißt. Und dass man das aber „Bolja oha Klija“ spricht. Und New Ross „Ross Mic Truine“. Und Wexford „Loch Garman“. Und Waterford „Port Lairge“. Wenn der Südweststurm besonders arg wehte, schickte mir mein Bootsnachbar Gábor Fotos. Gábor gehört die SHEENANIGAN neben LEVJE und er erklärte mir lachend, dass SHENANIGAN das irische Wort für Aufschneider sei. Gábor ist Ungar. Weil er wie viele Ungarn unter dem dortigen Autokraten Orban die Hoffnung verlor, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, hat er als Elektronik-Ingenieur einfach zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern Ungarn Lebewohl gesagt und die Sommerhitze Ungarns gegen die Unbeständigkeit des irischen Wetters eingetauscht.

Und dann stehe ich vor LEVJE. Einträchtig steht sie neben SHEENANIGAN, mein „Liebchen“ neben dem irisch weiß-grünen „Aufschneider“. Eigentlich sieht sie aus wie immer. Mickhayla vom Büro grinst von einem Ohr zum anderen. „Haben wir nicht gut auf sie aufgepasst?“ Unterm Arm schleppt sie die schwere Persenning, die der Wintersturm losriss und die sie auf der Werft für mich gerettet haben. Meine Erinnerung an Sciacca in Sizilien.

Am nächsten Tag machen sich Sven und ich an die Arbeit. Tatsächlich ist entlang des Wants etwas Wasser ins Bootsinnere gelaufen und trielte den langen Winterregen genau ins Werkzeug-Schapp. Meine Träume haben also nicht gelogen. Aber weil ich meine Schraubenzieher, Feilen, Hämmer, Sägeblätter sortiert in Bechern aus halbierten Wasserflaschen aufbewahre, ist nur der Becher mit den ausrangierten Schraubenziehern vollgelaufen. Die sind hin, allesamt verrostet – ein Verlust, der gemessen an meinen Alpträumen zu verschmerzen ist. Schlimmer ist das große Seeventil, dessen Hebel Sven bei der ersten Berührung in der Hand hält.

Männer sind schon komisch. Manchmal eitel. Manchmal pfeifen sie auf Bella Figura und die „Sockenfrage“. Männer sind die einzigen Lebewesen, die herausfinden können, ob sie noch in die Hosen passen, die sie vor 40 Jahren kauften.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne über dem River dem River Barrow. Also nutzen wir das schöne Wetter und machen uns ans Streichen des Unterwasserschiffs. Nur wer sein Unterwasserschiff selber streicht, ist wirklich Bootseigner. Weil nur einer mit dem Pinsel voller Antifouling in der Hand erfährt, wie rank und schnell der Bug seines Schiffes ist, den man im Nu gerollert hat. Und wie verflucht breit der Bauch seines Schiffes sein kann, wenn man über Kopf den Walbauch streicht. Rot soll das Unterwasserschiff diesmal werden, wo es vorher blau war 



und ganz zuvor schwarz. Damit man sieht, wo es nicht hält. Eigentlich ist Unterwascherschiff streichen eine schöne Arbeit. Nichts verändert ein Boot in seiner Substanz so wenig und optisch so viel wie zwei Eimer Farbe.



Sven und ich rechnen nach: Es dürfte jetzt das 22. Mal sein, dass wir zusammen ein Schiff streichen. Als ich Miteigner an seiner JUANITA wurde, strichen wir immer zusammen deren Bauch. Seit ich mein eigenes Schiff habe, streicht Sven eben den Bauch meines Schiffes mit. Es ist unser Ritus, eben einmal im Jar zusammen am Boot zu arbeiten. Manchmal an JUANITA in Livorno. Meistens an LEVJE, wo immer sie liegt. Ob in in Sizilien, der Türkei oder jetzt in Irland.  

Seit ich Sven kenne, halte ich gute Maschinenbauer längst mehr als Ärzte für Halbgötter. Sven weiß weiter, wenn Wasser ins Schiff läuft und eine Schraube festsitzt. Er weiß weiter, wo ich aufgebe. Von Sven habe ich ein Stück weit gelernt, was man „Zen oder die Kunst, ein Boot zu warten“ nennt: Die ganze Widersetzlichkeit, die ein Boot einem Menschen entgegenbringen kann, gelassen zu betrachten. Und statt in Zorn oder Verzweiflung über auseinanderfallende Seeventile und festgefressene Schrauben zu verfallen, nachzudenken, WARUM eine Schraube nach 20 Jahren nicht mehr aufgehen mag und der Hebel eines Seeventils beschließt einfach abzufallen. Das Zauberwort heißt „über Ursachen nachdenken“. Und dann Nachdenken, wie man seine Kraft einsetzen kann, um den Dingen beizukommen. In dieser Kunst werde ich zwar niemals so gut werden wie Sven, denn er hat von Kindesbeinen an, was Katrin und ich „Maschinenbauer-Augenbrauen“ nennen: Wo die Augenbrauen sind, eine leicht hervorspringende Neanderthaler-Wulst, wie sie seit der Steinzeit nur technisch begabte Menschen besitzen.

Oft

Jedes Jahr ersinnt Sven ein neues Werkzeug fürs Boot, das ich dann begeistert zum „Tool of the Year“ küre. Diesmal ist es eine selbstgeschweißte Verlängerung für den Drehmoment-Schlüssel, um Levjes Kielbolzen exakt aufs vorgesehene Anzugsmoment zu bringen. Das übliche Werkzeug hierfür ist etwa 1,80m lang. Svens diesjähriges „Tool of the Year“ passte wunderbar ins Fluggepäck.

Bei besonders harten Problemen kann ich hören, wie es hinter Svens Augenbrauen arbeitet. Es ist ein Geräusch, das mich beruhigt und ist ähnlich dem Klang einer Schnecke, die sich in ihr Haus zurückzieht, um etwas ähnlich Gewichtiges denkend zu erledigen. Ein wortloses die Gesetze der Physik von Archimedes über Newton bis Watt aus dem All zu sich herabziehendes Nachdenken, mit welchen Kräften man jetzt ein seit 20 Jahren im Waschtisch-Schrank von Levjes rottendes Seeventil elegant aus einer Bordwand ausbrechen und durch ein neues ersetzen kann.

Immer wenn ich das Geräusch hinter Svens Maschinenbauer-Augenbrauen höre, weiß ich: Das widersetzliche Teil wird uns jetzt ärgern, hat aber längst verloren, ahnt es nur noch nicht. Kein Teil kann Sven widerstehen. Die Augenbrauen haben diesmal folgenden Masterplan entwickelt:

1. Den mit dem Seeventil verbackenen Schlauch durch eine Art „Waterboarding“ mit kochend heißen Geschirrtüchern so lange bandagieren, bis der Schlauch so weich wird, dass er aufgibt und man ihn unbeschädigt von Hand abziehen kann.

2. Das Seeventil mit der größten Wasserrohrzange, die Michael und Stephen auf der Werft haben, abzudrehen. 

3. Wenn das nicht geht, die ganze Unit von Außen an der Bordwand mit Michaels Flex abfräsen. Und nach innen rausbrechen. Michael verdreht bei dem Gedanken an eine malträtierte Bordwand die Augen – aber er kennt Svens Augenbrauen nicht so gut wie ich.

Genau drei Stunden später ist das widersetzliche Seeventil draußen. Für Sven ist das nicht der Rede wert. Doch allein über die Aufgabe, ein 20 Jahre festsitzendes daumendickes Gummi-Schläuchlein abzuziehen habe ich schon gestandene Männer weinen sehen – vor Frustration und Ohnmachtsgefühlen. Ein Boot warten ist eine Aufgabe für Schwererziehbare, die den Widerstand des Lebens spüren müssen – und etwas, das Demut lehrt. Ein Boot bietet ECHTEN Widerstand und harte Widersetzlichkeit, wie ich sie sonst im Leben nur bei Unbelehrbaren erlebte.


Als das Seeventil aus der Bordwand draußen ist, fühlen wir uns wie die Könige. Ich erzähle nun nicht, dass wir nach dem Zuwasserlassen den Motor starteten, den River Barrow hinterfuhren und der Motor wie eine munteres Zicklein in seinem Gehäuse fröhliche Sprünge vollführt, dass das Schiff bis zur Mastspitze vibrierte. Beim Wechsel der Stopfbuchse hatte ich die Welle einen Zentimeter zu tief in den Wellenflansch eingeführt. Also Michael anrufen, der Levje ein weiteres Mal geduldig aus dem Wasser krant und von einer Rechnung für 2 x Extrakranen nix wissen will. 

Vielleicht ist es das, was mir am Leben auf einer Bootswerft gefällt: Einfach immer wieder spüren, was uns als Fremde verbindet: Wir alle haben ein Boot.

Soeben erschienen. Mit noch mehr Geschichten vom Meer und Europas Küsten:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.



Wie ist es auf Mallorca im Juli?

Auf dem Sonntagsmarkt von Pollença. Seit einer Woche geht nichts mehr ohne „Mascarilla“, selbst im Freien auf dStraßen und Plätzen nicht. Doch das tut der Schönheit und Laune keinen Abbruch.

Trotz der Bilder, die vom Ballermann in den Medien transportiert wurden, geht Mallorca strenger und konsequenter vor als beispielsweise Deutschland. Kein Supermarkt kann betreten werden, ohne am Eingang die Hände gründlich zu desinfizieren und sich Plastikhandschuhe überzustreifen. Wers versäumt, dem ist in Sekundenschnelle das Personal hinterher. In dieser Hinsicht sind Länder wie Spanien oder Italien, die hart von Corona betroffen waren, in der Bewusstseinsbildung eindeutig nachdrücklicher. Mag ja sein, dass die Handübertragung nebensächlich sein mag. Aber in jedem Laden nachdrücklich daran erinnert werden, dass das Virus nicht aus der Welt ist, ist allemal besser.

Seit Montag letzter Woche ist Mallorca unter Maske. Wer sich durch die Gassen des kleinen Landstädtchens Pollença im Nordosten Mallorcas im Juli 2020, trägt die „mascarilla“, die kleine Maske. Die Insel, die bisher mit geringsten Infektions- und Mortalitätszahlen in Spanien aufwartete, weiß was auf dem Spiel steht. Die Angst, was passiert, wenn der Tourismus ausbleibt, ist zu spüren. „War schon richtig, hier auf der Insel für sechs Wochen strikt keinen mehr für die Haustür zu lassen“, sagt Pepe, der Gärtner Anfang Juli. „Dank der rigiden Ausgangssperre und Selbstisolation haben wir auf Mallorca die niedrigsten Infektionsraten und mit 225 Toten die niedrigste Sterblichkeit in ganz Spanien. Aber was passiert, wenn die Touristen ausbleiben? Wenn keiner kommt? Im Moment haben wir viele Leute ohne Arbeit wegen des Lockdowns. Weil Restaurants, Boutiquen bis diese Woche geschlossen blieben und viele Hotels gar nicht erst öffneten. Aber wenn die Touristen in den nächsten Wochen nicht kommen: Dann gibts im Herbst kein Geld. Und wenns kein Geld gibt, kann keiner Miete zahlen. Und zu essen? Dann ist hier Schicht.“ Um keinen Zweifel zu lassen, fährt sich Pepe mit der flachen Hand quer über die Kehle.

Pepe muss es wissen. Bevor er vor ein paar Jahren Gärtner wurde, hat er in den Hotels in und um Pollença gearbeitet. Er muss nicht die Zeitung aufschlagen, um zu wissen, wie sehr die Insel am Tropf des Tourismus hängt. Insel: Das bedeutet noch einmal etwas ganz anderes als Festlandsküste. Am Festland gibt es den Binnentourismus nach Rügen oder Sylt, den steten Wochenendtourismus an die Adriaküsten aus den Städten Norditaliens. Und in Mallorca? Können 930.000 Insulaner per Binnentourismus die 10,1 Millionen Besucher des Vorjahres auf der Insel wirtschaftlich kompensieren?

Am Strand von Picafort: Wo sonst im Sommer kein Platz zu finden ist, herrscht Mitte Juli Muße.

Kap Forrmentor, ein paar Kilometer weiter, am Strand des nordöstlichsten Gebirgszipfels Mallorcas. In den letzten Jahren musste ab Mai für den Sommer die Zufahrt zum Naturschutzgebiet gesperrt werden. Nichts ging mehr, als sich die Ströme blinkender Leihwagen und glattrasierter Radfahrerbeine in den engen Serpentinen in die Quere kamen. Bis die Inselregierung ab Mai jährlich die einzige Straße einfach sperrte und stündlich nur noch Linienbusse die Pass-Straße zum Strand bis zum Leuchtturm hinaufkriechen ließ. Jetzt im Juli 2020 ist die Straße zum ersten Mal seit Jahren wieder frei befahrbar. Das liegt an den Rennradfahrern, die gänzlich ausbleiben. Aber auch die Zahl der Mietwägen ist in Formentor überschaubar. Am Strand von Formentor hört man zum ersten Mal seit Jahren fast nur noch Mallorqui, den Inseldialekt. Familien mit Kindern. Ehepaare. Binnentourismus auch derer, die darauf warten, dass Hotels und Restaurants wieder öffnen, damit sie wie erhofft das halbe Jahr wieder Arbeit finden. Ab Herbst wäre dann eh wieder Pause.

Violetta ist 25 Jahren und in Pollença mit ihren beiden Brüdern aufgewachsen. Sie arbeitet im Service des Club Social de Pollença. Vor dem ehrwürdigen Gebäude des 1904 als Fahrradverein gegründeten ältesten Vereins von Pollença an der Plaza Mayor ist die Terrasse am Abend überwiegend mit älteren Einheimischen besetzt. Violetta ist froh: „Seit etwa 14 Tagen ist jeden Tag mehr los. Die Briten kommen langsam wieder, die Deutschen sowieso. Und jeden Abend öffnet hier im weiten Rund der Plaça Mayor ein weiteres Restaurant.“ Pollença lebt nicht vom Pauschaltourismus. Hotels gibt es in dem 8.000 Einwohner zählenden Landstädtchen gerade eine Handvoll. Dafür aber viele kleine Handwerksbetriebe, die nicht zuletzt von den zahllosen Ferienwohnungen ausländischer Wohnungsbesitzer leben. So wie die Supermärkte, Bäckereien und Restaurants.

Eine Woche später, Mitte Juli. In Pollença haben nun fast alle Restaurants und Geschäfte  geöffnet. Nur die Hotels haben überwiegend noch geschlossen. Ein Ort wie Pollença, der vom Individual-Tourismus lebt, scheint schneller auf die Beine zu kommen als das benachbarbarte Port de Pollença oder Alcudia oder Ca’n Picafort. Dort stehen die großen Hotels – und die sind überwiegend zu. Ca’n Picafort mit dem langen weißen Sandstrand ist ausgestorben wie eine Geisterstadt. Wer auf den Individualtourismus gesetzt hat als Kommune, hast gut. Pauschaltourismus – ob All-Inclusive-Hotels oder Rennradfahrer – ist out. Die Gründe sind vielschichtig.

Es ist Abend geworden über Pollença. Ein paar Schritte von der Plaça Mayor und dem Club Soçial befindet sich der neue Marktplatz. Aber da der architektonisch eher misslungen ist, verirren sich nur selten Touristen auf die mit einer Betonplatte bedeckte Tiefgarage ist. Es ist die Gegend der

Einheimischen, der kleinen Elektrogeräte und unscheinbaren Bars. Eine vierköpfige Band spielt an diesem Abend kubanische Gassenhauer, ein paar Anwohner haben sich auf die Betonbänke gesetzt und hören den fetzigen Songs zu. Die Musiker verstehen ihr Geschäft, vermutlich gehören sie zu denen, die im Sommer in Palmas Bars auftraten. Sie sind gut. Jetzt hat einer den Instrumentenkoffer für ein paar Münzen geöffnet, doch es ist keineswegs Not, die sie treibt. Eher der Spaß. Doch spätestens als sie „Guntanamera. Guajira Guantanamera“ schmettern, fällt mir ein, dass exakt diese Worte, die aus Kuba stammen, einst als Synonym für „schlechte Nachrichten“ standen, als der Refrain jahrelang in Castros Cuba als Einleitung einer Radiosendung genau dies bedeutete. Doch das stört weder die Musiker noch den eineinhalbjährigen Zuhörer, der sich ihnen auf wackligen Beinen nähert. Der Abend unter dem freien Himmel gilt der Schönheit. Und nichts anderem.

Denn eines ist immer noch wahr: Die Insel ist schön wie eh und je. Auch unter der Maske. Und ohne Ballermann.

PS: Ab nächster Woche berichte aus Irland.

Soeben erschienen. Mit drei Geschichten über Pollença, den Club und Kap Formentor:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.


Wie ist es auf Mallorca im Juli?

Auf dem Sonntagsmarkt von Pollença. Seit einer Woche geht nichts mehr ohne „Mascarilla“, selbst im Freien auf Straßen und Plätzen nicht. Doch das tut der Schönheit und Laune keinen Abbruch.

Trotz der Bilder, die vom Ballermann in den Medien transportiert wurden, geht Mallorca strenger und konsequenter vor als beispielsweise Deutschland. Kein Supermarkt kann betreten werden, ohne am Eingang die Hände gründlich zu desinfizieren und sich Plastikhandschuhe überzustreifen. Wers versäumt, dem ist in Sekundenschnelle das Personal hinterher. In dieser Hinsicht sind Länder wie Spanien oder Italien, die hart von Corona betroffen waren, in der Bewusstseinsbildung eindeutig nachdrücklicher. Mag ja sein, dass aus Virologen-Sicht die Übertragung per Hand nebensächlich ist. Aber in jedem Laden erinnert werden, dass das Virus nicht aus der Welt ist, ist allemal besser.

Seit Montag letzter Woche ist Mallorca unter Maske. Wer sich durch die Gassen des kleinen Landstädtchens Pollença im Nordosten Mallorcas im Juli 2020 bewegt, trägt die „mascarilla“, die kleine Maske. Die Insel, die bisher mit geringsten Infektions- und Mortalitätszahlen in Spanien überraschte, weiß was auf dem Spiel steht. Die Angst, was passiert, wenn der Tourismus ausbleibt, ist zu spüren. „War schon richtig, hier auf der Insel für sechs Wochen strikt keinen mehr für die Haustür zu lassen“, sagt Pepe, der Gärtner Anfang Juli. „Dank der rigiden Ausgangssperre und Selbstisolation haben wir auf Mallorca die niedrigsten Infektionsraten und mit 225 Toten die niedrigste Sterblichkeit in ganz Spanien. Aber was passiert, wenn die Touristen ausbleiben? Wenn keiner kommt? Im Moment haben wir viele Leute ohne Arbeit wegen des Lockdowns. Weil Restaurants, Boutiquen bis diese Woche geschlossen blieben und viele Hotels gar nicht erst öffneten. Aber wenn die Touristen in den nächsten Wochen nicht kommen: Dann gibts im Herbst kein Geld. Und wenns kein Geld gibt, kann keiner Miete zahlen. Und zu essen? Dann ist hier Schicht.“ Um keinen Zweifel zu lassen, fährt sich Pepe mit der flachen Hand quer über die Kehle.

Pepe muss es wissen. Bevor er vor ein paar Jahren Gärtner wurde, hat er in den Hotels in und um Pollença gearbeitet. Er muss nicht die Zeitung aufschlagen, um zu erfahren, wie sehr die Insel am Tropf des Tourismus hängt. Insel: Das bedeutet noch einmal etwas ganz anderes als Festlandsküste. Am Festland gibt es den Binnentourismus nach Rügen oder Sylt, den steten Wochenendtourismus an die Adriaküsten aus den Städten Norditaliens. Und in Mallorca? Können 930.000 Insulaner per Binnentourismus die 10,1 Millionen Besucher des Vorjahres auf der Insel wirtschaftlich kompensieren?

Am Strand von Picafort: Wo sonst im Sommer kein Platz zu finden ist, herrscht Mitte Juli Muße.

Kap Forrmentor, ein paar Kilometer weiter, am Strand des nordöstlichsten Gebirgszipfels Mallorcas. In den letzten Jahren musste ab Mai für den Sommer die Zufahrt zum Naturschutzgebiet gesperrt werden. Nichts ging mehr, als sich die Ströme blinkender Leihwagen und glattrasierter Radfahrerbeine in den engen Serpentinen in die Quere kamen. Bis die Inselregierung ab Mai jährlich die einzige Straße einfach sperrte und stündlich nur noch Linienbusse die Pass-Straße vom Strand bis zum Leuchtturm hinaufkriechen ließ. Jetzt im Juli 2020 ist die Straße zum ersten Mal seit Jahren wieder frei befahrbar. Das liegt an den Rennradfahrern, die gänzlich ausbleiben. Aber auch die Zahl der Mietwägen ist in Formentor überschaubar. Am Strand von Formentor hört man zum ersten Mal seit Jahren fast nur noch Mallorqui, den Inseldialekt. Familien mit Kindern. Ehepaare. Binnentourismus auch derer, die darauf warten, dass Hotels und Restaurants wieder öffnen, damit sie wie erhofft das halbe Jahr wieder Arbeit finden. Ab Herbst wäre dann eh wieder Pause.

Violetta ist 30 und in Pollença mit ihren beiden Brüdern aufgewachsen. Sie arbeitet im Service des Club Social de Pollença. Vor dem ehrwürdigen Gebäude des 1904 als Fahrradverein gegründeten ältesten Vereins von Pollença an der Plaza Mayor ist die Terrasse am Abend überwiegend mit älteren Einheimischen besetzt. Violetta ist froh: „Seit etwa 14 Tagen ist jeden Tag mehr los. Die Briten kommen langsam wieder, die Deutschen sowieso. Und jeden Abend öffnet hier im weiten Rund der Plaça Mayor ein weiteres Restaurant.“ Pollença lebt nicht vom Pauschaltourismus. Hotels gibt es in dem 8.000 Einwohner zählenden Landstädtchen gerade eine Handvoll. Dafür aber viele kleine Handwerksbetriebe, die nicht zuletzt von den zahllosen Ferienwohnungen ausländischer Wohnungsbesitzer leben. So wie die Supermärkte, Bäckereien und Restaurants.

Eine Woche später, Mitte Juli. In Pollença haben nun fast alle Restaurants und Geschäfte geöffnet. Nur die Hotels haben überwiegend noch geschlossen. Ein Ort wie Pollença, der vom Individual-Tourismus lebt, scheint schneller auf die Beine zu kommen als das benachbarbarte Port de Pollença oder Alcudia oder Ca’n Picafort. Dort stehen die großen Hotels – und die sind überwiegend zu. Ca’n Picafort mit dem langen weißen Sandstrand ist ausgestorben wie eine Geisterstadt. Wer auf den Individualtourismus gesetzt hat als Kommune, hats gut. Pauschaltourismus – ob All-Inclusive-Hotels oder Rennradfahrer – ist out. Die Gründe sind vielschichtig.

Es ist Abend geworden über Pollença. Ein paar Schritte von der Plaça Mayor und dem Club Soçial befindet sich der neue Marktplatz. Aber da der architektonisch eher misslungen ist, verirren sich nur selten Touristen auf die mit einer Betonplatte bedeckte Tiefgarage ist. Es ist die Gegend der

Einheimischen, der kleinen Hausgeräteshops und unscheinbaren Bars. Eine vierköpfige Band spielt an diesem Abend kubanische Gassenhauer, ein paar Anwohner haben sich auf die Betonbänke gesetzt und hören den fetzigen Songs zu. Die Musiker verstehen ihr Geschäft, vermutlich gehören sie zu denen, die im Sommer in Palmas Bars auftraten. Sie sind gut. Jetzt hat einer den Instrumentenkoffer für ein paar Münzen geöffnet, doch es ist keineswegs Not, die sie treibt. Eher der Spaß. Doch spätestens als sie „Guntanamera. Guajira Guantanamera“ schmettern, fällt mir ein, dass exakt diese Worte, die aus Kuba stammen, einst als Synonym für „schlechte Nachrichten“ standen, als der Refrain jahrelang in Castros Cuba als Einleitung einer Radiosendung genau dies symbolisierte. Doch das stört weder die Musiker noch den eineinhalbjährigen Zuhörer, der sich ihnen auf wackligen Beinen nähert. Der Abend unter dem freien Himmel gilt der Schönheit. Und nichts anderem.

Denn eines ist immer noch wahr: Die Insel ist schön wie eh und je. Auch unter der Maske. Und ohne Ballermann.

PS: Ab nächster Woche berichte ich aus Irland.

Soeben erschienen. Mit drei Geschichten über Pollença, den Club und Kap Formentor:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.


Unterwegs nach Mallorca im Juli. Am Airport.

Es ist beeindruckend und erschreckend, den Zusammenbruch einer ganzen Branche hautnah zu erleben.

Samstag Nachmittag, München Airport, Terminal 2, auf dem Weg nach Mallorca: Eine Halle voller LUFTHANSA-Abfertigungsschalter. Aber von den 30, 40 Schaltern, an denen vor einem Jahr eingecheckt, abgefertigt, Gepäck aufgegeben wurden, ist nur einer geöffnet. Keine Fluggäste. Kein Personal. Jetzt, Anfang Juli? An einem Samstag Nachmittag um 14 Uhr? Vor einem Jahr hätte hier schon morgens um acht Gedränge geherrscht um diese Zeit. Jetzt heben von Mittag bis Mitternacht gerade mal zwei Dutzend Flieger ab. Alle vom Terminal 2, für Terminal 1 zeigt die Anzeige im Zentralbereich nichts an. Terminal 1 scheint stillgelegt.

„Seit 14 Tagen geht es wieder aufwärts“, meint der Apotheker im Terminal 2, in dessen Laden ich plötzlich stehe. Er ist nicht verzweifelt. Er meint, was er sagt. Auch wenn die Apotheke einer der wenigen Läden im Terminal ist, die geöffnet haben. Wie bitte? Eine einsame Kundin vor mir kauft ein 10er Pack Masken. Die übrigen Geschäfte sind dunkel, mit Absperrbändern abgeklebt. Stillstand. „Seit 14 Tagen spüren wir, es geht aufwärts“, beharrt der Apotheker auf meine Frage, wie er das letzte Vierteljahr wirtschaftlich durchgestanden habe. So recht mag er nicht drüber reden. Aber ein Geheimnis ist es auch nicht. Was kann ein Ladeninhaber schon tun, der seinen Shop an einer der belebtesten Straßen einer Großstadt eröffnete, wenn er plötzlich feststellt: Nicht nur die Straße, sondern die ganze Großstadt ist weg. Er hat ja nur drei Möglichkeiten: Mit dem Vermieter über die Miete reden. Seinen Warenbestand klein halten, nur noch das Notwendigste einkaufen. Möglichst viel selber im Laden stehen, weil er sich kein Personal mehr leisten kann.

Und da erscheinen dann plötzlich die Folgen der Krise der letzten Monate vor meinem inneren Auge. Wie eine lange Kette der fallenden Dominosteine, die an einem Ort wie diesen ihren Anfang nimmt, ausgelöst von einem – oder mehreren – strauchelnden Luftfahrtriesen, scheinbar weit entfernt von meinem Leben. Wie die Reihe der fallenden Dominosteine einen nach dem anderen der nachfolgenden Stein umwirft und Steinchen um Steinchen fällt, bis die Kette irgendwann in meinem Dorf angekommen ist und quer durch mein Wohnzimmer läuft.

Mit dem Vermieter über die Miete reden? Wie reagiert eine Flughafenbetreibergesellschaft, wenn plötzlich nicht nur mehr ADIDAS nicht zahlt, sondern keiner der Mieter? Wenn die Umsätze wegbrechen? Und wie eine Stadt, wenn sie weniger Einnahmen hat, weil der Flughafenbetreiber keine Gewerbesteuern mehr bezahlt?

Den Warenbestand klein halten? Vernünftig. Wie reagieren Hersteller und Lieferanten, wenn Shops wie diese Apotheke von einem Tag auf den anderen nur noch OP-Masken einkaufen? Sie werden nur noch das notwendigste einkaufen und Personal abbauen.

Selber im Laden stehen? Gute Idee. Aber was tun die 7 Mitarbeiterinnen, die bisher die Apotheke rund um die Uhr am Laufen hielten? Und die 30 Köche und Servicekräfte aus der Gastronomie gegenüber? Auch weniger einkaufen.

„Die Lufthansa-Leute gehen davon aus, es wird 3-4 Jahre dauern, bis hier am Airport wieder die Kundenzahlen von 2019 erreicht werden.“ Der Apotheker ist nicht verzweifelt, als er das sagt. Er strahlt die Gewissheit aus, dass er sein Geschäft durchbringen wird. Obs die Sommerferien richten, die in Bayern in drei Wochen beginnen? „Das wird maximal 20%, 23% eines üblichen August erreichen“, erwartet der Apotheker. Auch ich bin nicht panisch. Mir ist nur an diesem Samstag Nachmittag klar, dass sich unsere Welt verändern wird. Und ganz sicher in vier Jahren nicht mehr dieselbe sein wird, in der wir 2019 lebten.

Alles ist offen – jedenfalls was die Zukunft angeht, und weniger die Grenzen. Später, beim Einchecken, herrscht Chaos. Nach Palma de Mallorca fliegen an diesem Samstag Nachmittag zwei Maschinen. Sie sind gut besetzt. Die meisten Passagiere haben mitbekommen, dass die spanische Regierung bei der Einreise eine Art Gesundheits-Erklärung jedes Reisenden fordert, um mögliche Infektionsketten sofort verfolgen zu können.. Es gibt eine „Spain Travel Health“, die SPTH-App, die einen Barcode erzeugt. Die meisten der Passagiere an diesem Nachmittag haben den Barcode, fallen dann aber doch aus allen Wolken, als die EUROWINGS-Mitarbeiter kopierte Zettel verteilen, die ausgefüllt werden müssen. Zusätzlich. Nein Barcode reicht nicht. Jeder muss einen Zettel haben und in Palma dort abgeben, wo bei der Einreise die Körpertemperatur gemessen wird.

Alles etwas chaotisch. Aber nach sieben Stunden ununterbrochen Maske tragen nehme ich dann doch vor dem Flughafengebäude von Palma zum ersten Mal die Maske ab. Ich hätte das doch vorher trainieren sollen zuhause, 7, 8 Stunden daheim. Wir hätten trainieren sollen, was der Purser beim Aussteigen ansagt, dass wir jetzt sitzenbleiben. Und „Reihe für Reihe aussteigen“. Und nicht alle gleichzeitig aufspringen und dichtgedrängt im Flugzeug warten aufs Öffnen der Türen, als wäre dies noch die Welt, wie sie 2019 war.

Aber dann stehe ich plötzlich unter dem Abendhimmel über Mallorca. Ich sehe diese unglaublichen Wolken, die alle unbändige Kraft des Meeres in sich eingefangen haben über der Insel. Und für einen Moment scheint es mir: Als könnte alles unserer Welt nichts anhaben.

Soeben erschienen:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.


Unterwegs nach Mallorca im Juli. Am Airport.

Es ist beeindruckend und erschreckend, den Zusammenbruch einer ganzen Branche hautnah zu erleben.

Samstag Nachmittag, München Airport, Terminal 2, auf dem Weg nach Mallorca: Eine Halle voller LUFTHANSA-Abfertigungsschalter. Aber von den 30, 40 Schaltern, an denen vor einem Jahr eingecheckt, abgefertigt, Gepäck aufgegeben wurden, ist nur einer geöffnet. Keine Fluggäste. Kein Personal. Jetzt, Anfang Juli? An einem Samstag Nachmittag um 14 Uhr? Vor einem Jahr hätte hier schon morgens um acht Gedränge geherrscht um diese Zeit. Jetzt heben von Mittag bis Mitternacht gerade mal zwei Dutzend Flieger ab. Alle vom Terminal 2, für Terminal 1 zeigt die Anzeige im Zentralbereich nichts an. Terminal 1 scheint stillgelegt.

„Seit 14 Tagen geht es wieder aufwärts“, meint der Apotheker im Terminal 2, in dessen Laden ich plötzlich stehe. Er ist nicht verzweifelt. Er meint, was er sagt. Auch wenn die Apotheke einer der wenigen Läden im Terminal ist, die geöffnet haben. Wie bitte? Eine einsame Kundin vor mir kauft ein 10er Pack Masken. Die übrigen Geschäfte sind dunkel, mit Absperrbändern abgeklebt. Stillstand. „Seit 14 Tagen spüren wir, es geht aufwärts“, beharrt der Apotheker auf meine Frage, wie er das letzte Vierteljahr wirtschaftlich durchgestanden habe. So recht mag er nicht drüber reden. Aber ein Geheimnis ist es auch nicht. Was kann ein Ladeninhaber schon tun, der seinen Shop an einer der belebtesten Straßen einer Großstadt eröffnete, wenn er plötzlich feststellt: Nicht nur die Straße, sondern die ganze Großstadt ist weg. Er hat ja nur drei Möglichkeiten: Mit dem Vermieter über die Miete reden. Seinen Warenbestand klein halten, nur noch das Notwendigste einkaufen. Möglichst viel selber im Laden stehen, weil er sich kein Personal mehr leisten kann.

Und da erscheinen dann plötzlich die Folgen der Krise der letzten Monate vor meinem inneren Auge. Wie eine lange Kette der fallenden Dominosteine, die an einem Ort wie diesen ihren Anfang nimmt, ausgelöst von einem – oder mehreren – strauchelnden Luftfahrtriesen, scheinbar weit entfernt von meinem Leben. Wie die Reihe der fallenden Dominosteine einen nach dem anderen der nachfolgenden Stein umwirft und Steinchen um Steinchen fällt, bis die Kette irgendwann in meinem Dorf angekommen ist und quer durch mein Wohnzimmer läuft.

Mit dem Vermieter über die Miete reden? Wie reagiert eine Flughafenbetreibergesellschaft, wenn plötzlich nicht nur mehr ADIDAS nicht zahlt, sondern keiner der Mieter? Wenn die Umsätze wegbrechen? Und wie eine Stadt, wenn sie weniger Einnahmen hat, weil der Flughafenbetreiber keine Gewerbesteuern mehr bezahlt?

Den Warenbestand klein halten? Vernünftig. Wie reagieren Hersteller und Lieferanten, wenn Shops wie diese Apotheke von einem Tag auf den anderen nur noch OP-Masken einkaufen? Sie werden nur noch das notwendigste einkaufen und Personal abbauen.

Selber im Laden stehen? Gute Idee. Aber was tun die 7 Mitarbeiterinnen, die bisher die Apotheke rund um die Uhr am Laufen hielten? Und die 30 Köche und Servicekräfte aus der Gastronomie gegenüber? Auch weniger einkaufen.

„Die Lufthansa-Leute gehen davon aus, es wird 3-4 Jahre dauern, bis hier am Airport wieder die Kundenzahlen von 2019 erreicht werden.“ Der Apotheker ist nicht verzweifelt, als er das sagt. Er strahlt die Gewissheit aus, dass er sein Geschäft durchbringen wird. Obs die Sommerferien richten, die in Bayern in drei Wochen beginnen? „Das wird maximal 20%, 23% eines üblichen August erreichen“, erwartet der Apotheker. Auch ich bin nicht panisch. Mir ist nur an diesem Samstag Nachmittag klar, dass sich unsere Welt verändern wird. Und ganz sicher in vier Jahren nicht mehr dieselbe sein wird, in der wir 2019 lebten.

Alles ist offen – jedenfalls was die Zukunft angeht, und weniger die Grenzen. Später, beim Einchecken, herrscht Chaos. Nach Palma de Mallorca fliegen an diesem Samstag Nachmittag zwei Maschinen. Sie sind gut besetzt. Die meisten Passagiere haben mitbekommen, dass die spanische Regierung bei der Einreise eine Art Gesundheits-Erklärung jedes Reisenden fordert, um mögliche Infektionsketten sofort verfolgen zu können.. Es gibt eine „Spain Travel Health“, die SPTH-App, die einen Barcode erzeugt. Die meisten der Passagiere an diesem Nachmittag haben den Barcode, fallen dann aber doch aus allen Wolken, als die EUROWINGS-Mitarbeiter kopierte Zettel verteilen, die ausgefüllt werden müssen. Zusätzlich. Nein Barcode reicht nicht. Jeder muss einen Zettel haben und in Palma dort abgeben, wo bei der Einreise die Körpertemperatur gemessen wird.

Alles etwas chaotisch. Aber nach sieben Stunden ununterbrochen Maske tragen nehme ich dann doch vor dem Flughafengebäude von Palma zum ersten Mal die Maske ab. Ich hätte das doch vorher trainieren sollen zuhause, 7, 8 Stunden daheim. Wir hätten trainieren sollen, was der Purser beim Aussteigen ansagt, dass wir jetzt sitzenbleiben. Und „Reihe für Reihe aussteigen“. Und nicht alle gleichzeitig aufspringen und dichtgedrängt im Flugzeug warten aufs Öffnen der Türen, als wäre dies noch die Welt, wie sie 2019 war.

Aber dann stehe ich plötzlich unter dem Abendhimmel über Mallorca. Ich sehe diese unglaublichen Wolken, die alle unbändige Kraft des Meeres in sich eingefangen haben über der Insel. Und für einen Moment scheint es mir: Als könnte alles unserer Welt nichts anhaben.

Soeben erschienen:


Worum gehts?
Mallorca. Menorca. Und die restlichen Inseln, die zwischen Sizilien und der südenglischen Isle of Wight liegen.

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authentisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Ich bin bescheidener. Und verrate es in  einem der nächsten Posts.


Endlich wieder auf dem Meer! Auf der Nordadria Mitte Juni 2020.

Morgens acht Uhr, Piran, Slowenien. Ich schwimme im Meer. Hinter mir am Ufer liegen verlassen die Restaurants von Piran. Links neben mir der Altstadt-Hafen, der für mich immer einer der schönsten war. Alte venezianische Architektur, schneeweiße Steinpoller und Piers, von den Venezianern einst erbaut, die Napoleon, zwei Weltkriege und 5 Staaten bis hin zum Sozialismus überdauerten. Im Hafen liegt Levje. Und wir sind gestern von Italien herübergesegelt.

Das Meer ist weich. Und warm. Und wohlig. Und ich bin mittendrin. Noch vor drei Wochen hätte ich mir nicht vorzustellen können, jetzt hier zu sein. Und an diesem Morgen vor Piran im Meer zu schwimmen. Das Meer trägt mich – weit mehr als das Süßwasser der heimischen Seen zuhause. Ich bin der einzige Schwimmer an diesem Morgen. Sonst ist niemand draußen. Nur ein paar Slowenen trinken Espresso im Cafe am Ufer – Großstadtbewohner der slowenischen Hauptstadt Lubliana, für die ihre 46 Kilometer lange Küstenlinie das ist, was für den Hamburger die See oder für den Münchner der See. Ein Wochenendziel.

Gestern brachen wir in San Giorgio in Italien auf. In der Marina Sant‘ Andrea in San Giorgio war wenig los am Mittwochabend, als wir eintrafen. Eine Handvoll italienischer Eigner. Sonst nur ein schweizer Pärchen, das sein Boot für den Törn vorbereitet. Auf dem Nachbarboot zwei kleine Jungs, den die beiden Kinder Nonno, „Großvater“ rufen. Doch der Schein der Ruhe trügt. Vor und in den Hallen wird an Booten gehämmert und gestrichen.

Noch gestern war unsicher, ob wir überhaupt segeln könnten. Levje I war nun 9 Monate im Wasser gelegen – länger als geplant. In was für einem Zustand sie wohl sein würde, nach dem Winter, nach Corona? Doch nach einem Nachmittag und einem Vormittag intensiver Motorwartung, Rigg- und Elektrikkontrolle ist Levje wieder shipshape. Und segelbereit, als hätte sie nur darauf gewartet. Levje I, mein alte DEHLER 31, die mich 2014 von hier erst in die Türkei und dann über Kreta und Sizilien wieder zurück trug, ist ein kreuzbraves, anrührendes Schiff. Der Motor springt bei der ersten Drehung des Zündschlüssels an. Alle Instrumente und Lichter gehen. Das Boot ist innen trocken wie ein Blatt Papier, und das, obwohl es jeden Abend heftige Gewitter hat. Die Küste der Nordadria, vor allem die des Friaul, ist eine Gewitterküste. Gewitter hat es hier im Sommer fast jeden Abend.

Am Freitagmittag machen nicht nur die Gewittertürme im Norden und Westen das Ablegen ungewiss. „Unsicher, ob ein aus Italien kommendes Boot in Slowenien einreisen darf“, erzählt Lucia an der Rezeption. „Und in Kroatien einklarieren kann man nur in Pula.“ Alle übrigen Seegrenzstellen seien noch geschlossen.

Aber das entpuppt sich als Wahrheit von der Sorte, die noch vor drei Wochen richtig war, doch jetzt noch immer als Gerücht durch die Marinas wabert. Weil keiner was Genaues weiß, sagt man halt: „Es geht nicht.“ Ein Anruf bei dem Mann, der mir in den vorigen Posts immer wieder die richtigen Informationen zu Kroatien lieferte. Er sei gerade im Garten beim Erdbeeren ernten. Ja klar könne ich überall in Slowenien und auch Kroatien einklarieren. Die Seegrenzstellen seien alle offen.



Also los. Selbst wenn sich die nahen Gewittertürme im Westen immer höher ballen am frühen Nachmittag. Los und erst mal eineinhalb Stunden raus, durch den betonnten Kanal Richtung Süden. Dorthin, wo der Fluss endet. Und das offene Meer beginnt. Es hat Wind, der die Wellen am Ende des Kanals brechen lässt. Wo weiter draußen im Meer die Dalben enden, tasten wir uns vorsichtig hinaus – keiner weiß, wo die Winterstürme vom Süden vor der Küste unter Wasser ihre Sandberge aufgetürmt haben. Aber alles geht gut. 3,80 Meter zeigt der Tiefenmesser an der flachsten Stelle – „und schon bin ich draußen“.



Erst weit vor der Küste zeigt sich die ganze Größe und Bedrohlichkeit der Gewittertürme. Kann man einem Gewitter davonsegeln? In meinem Buch Gewittersegeln habe ich das stets verneint. Einem Gewitter, dessen Zugbahn den eigenen Kurs kreuzt, kann man nicht davonsegeln. Draußen hats 5 Windstärken. Wir müssen 3mal reffen, Levje legt sich schwer ins Zeug. Und tatsächlich sieht es so aus, als würde das Gewitter über dem Friaul verharren, dieser einzigartigen Landschaft zwischen Meer und Hochalpen voller Weinreben und Industriegebieten, der nordöstlichsten Provinz Italiens an der Grenze zu Slowenien.

Das Friaul entkam vergleichsweise glimpflich der über italienischen Hotspots in der Lombardei und dem benachbarten Veneto wütenden Corona-Gewalt. Die Infektionszahlen lagen – nach neuestem Stand – weitaus niedriger als die der Großstadt München, die genausoviele Einwohner hat. Im Friaul, wo meine alten Levje I nun liegt, hat es nur die Hälfte der Infektionszahlen gegeben. 3.303 Infektionsfälle – dafür sind die Todeszahlen mit 343 Opfern ungefähr vier mal so hoch wie in München gewesen, sagt Fortunato Moratto, das wäre ein niedriger Wert. Trotzdem sei  alles sehr bedrückend gewesen. Die leeren Marinas. Keine Aufträge. Nichts zu tun auf den Booten. Aber jetzt kann er sich vor Arbeit nicht retten. „Die Eigner halten mich ziemlich auf Trab, dass ihre Boote fertig werden. Echter Stress.“ V-förmige Entwicklung nennt man sowas, denke ich mir.

Wie es wohl in Slowenien aussieht? Seit meinem Ablegen im Mai 2014 war ich nicht mehr dort gewesen. Wie das kleine Land wohl die Krise überstanden hat? Aber zuerst erfordert das Meer unsere ganze Aufmerksamkeit. Und das Gewitter hinter uns, dem wir davonsegeln. Und das sich aufbläht wie ein pubertierender 16-jähriger. Groß im zweiten Reff, Fock im ersten. Nach fünfeinhalb Stunden frischt der Wind zur steifen Brise auf vor Kap Savudrija, dem nördlichsten Kap Kroatiens. Noch zwei Reffs könnten wir in die Genua einbinden – danach hätten wir kein As mehr im Ärmel. Aber 8, 9 Beaufort hat es an dieser Küste nur im Gewitter. Aber dem sind wir ja davongesegelt. Diesmal.

Vor Piran liegt ein Motorboot. Sieht aus wie ein Küstenwachboot. Lieber die Papiere fertigmachen, wer weiß, was denen einfällt. Gestern Abend war es beeindruckend, wie die italienische GUARDIA  DI FINANZA jedes kleine Fischerboot auf dem Kanal anhielt und kontrollierte. Aber das weiße Motorschiff entpuppt sich nicht als slowenisches Küstenwachboot, sondern als Oldtimer-Luxusyacht, die vor dem Hafen von Piran in den Wellen schaukelt. Segel runter. Dann rein durch die enge Hafeneinfahrt in den alten Hafen von Piran, hinter einer slowenischen Yacht her, die zum Ausklarieren an die Zollpier strebt. Die Grenzpolizisten lehnen lässig am Geländer – üblicherweise wäre hier an einem Freitag im Juni die Hölle los. Slowenien ist Schengen-Außengrenze. Wer von hier raus will nach Kroatien wie die Yacht vor uns, muss ausklarieren.



Wir legen am Stadtkai an, an dem außer uns nur eine Handvoll Segelyachten liegen. Auch hier herrscht Ruhe. Ein paar Slowenen. Ein Italiener aus dem nahen Triest. Das ist alles. Und während uns das Gewitter weiter nachschleicht, zieht es mich in das Restaurant am Hafen, ins PIRAT. Es liegt etwas abseits der Touristenmeile Richtung Busbahnhof, und vor meiner Abreise 2014 lernte ich die Wirte kennen, Robin und Rok, zwei Brüder, die so aussehen, dass der Restaurantname PIRAT keiner weiteren Erklärung bedarf. Das Restaurant gibt es noch. Es hat sich – ganz anders als 2014 – an die Spitze der Restaurants in Piran mit stolzen 1.450-Positiv-Bewertungen gesetzt. Ob es noch Robin und Rok gehört? Mein Abend damals 2014 mit Robin war unvergesslich, weil er mir, der ich eben gekündigt war, ein Stück seines Lebens erzählte. Dass er keine Lust mehr gehabt hätte auf seinen Beruf. Und obwohl er keine Ahnung von Fischen gehabt hätte, sei er einfach rausgefahren, und hätte begonnen, Fische zu fangen, belächelt von den alten Fischern Pirans. Doch er brachte Doraden nach Hause, und Loup de Meer und Squids und Oktopusse: Soviel, dass er und sein Bruder das Restaurant Pirat eröffnen konnten.

Und heute? Als wir das Restaurant betreten, in dem nur die Kellner, nicht die Gäste Mundschutz tragen, steht Rok in der Ecke. Rok, der große, gewichtige Mann, und röhrt den Gästen am Nachbartisch sein Loblied der italienischen Küche entgegen. Schon damals war die Arbeitsteilung der Brüder, was das Restaurant anging, bemerkenswert. Rok, der Gewichtige, war fürs Lächeln des Hauses zuständig. Und Robin fürs Fischefangen. Und fürs Denken. „Wir sind gut durch die Krise gekommen“, sagte Robin, als er plötzlich vor mir steht. Slowenien hat ja nur soviel Einwohner wie der Ballungsraum München, aber unsere Regierung hat schnell reagiert und die Grenzen sofort dichtgemacht. Dann die Schulen und Betriebe. Wir kamen gut durch.“ Nur Fische fangen hat er aufgegeben. „Wer selber Fisch fängt, darf ihn nicht mehr in seinem Restaurant anbieten. Widersinnig – aber so sind die Gesetze nun mal. Was ich heute fange, muss ich verkaufen. Und was ich hier anbiete, das muss ich zukaufen. Nervig – aber so ist das nun mal.“ Dann deutet er nach draußen, vors Restaurant, wo sich der Himmel von schwarz auf undurchdringliches Grau verfärbt hat. Das Grau von Regenfahnen über dem Meer. „In 15 Minuten wird’s hier schlechtes Wetter geben. Ich lasse Euch lieber drinnen einen Tisch fertig machen.“

Keine 15 Minuten später fegt es über dem PIRAT in allerbester Adria-Manier. Und während meine ganze Aufmerksamkeit Robin und Roks vorzüglichen Vongole in Weißweinsauce, den gratinierten Capesante und gekochten Capelunghe, dem gegrillten Loup de Meer und dem Malvazija gilt, denke ich mir: Robin ist ein gutes Mann, wie er sein Wetter kennt. 

Und: Nein. Man kann keinem Gewitter davonsegeln.

Endlich wieder auf dem Meer! Segeln auf der Nordadria Mitte Juni 2020.

Morgens acht Uhr, Piran, Slowenien. Ich schwimme im Meer. Hinter mir am Ufer liegen verlassen die Restaurants von Piran. Links neben mir der Altstadt-Hafen, der für mich immer einer der schönsten war. Alte venezianische Architektur, schneeweiße Steinpoller und Piers, von den Venezianern einst erbaut, die Napoleon, zwei Weltkriege und 5 Staaten bis hin zum Sozialismus überdauerten. Im Hafen liegt Levje. Und wir sind gestern von Italien herübergesegelt.

Das Meer ist weich. Und warm. Und wohlig. Und ich bin mittendrin. Noch vor drei Wochen hätte ich mir nicht vorzustellen können, jetzt hier zu sein. Und an diesem Morgen vor Piran im Meer zu schwimmen. Das Meer trägt mich – weit mehr als das Süßwasser der heimischen Seen zuhause. Ich bin der einzige Schwimmer an diesem Morgen. Sonst ist niemand draußen. Nur ein paar Slowenen trinken Espresso im Cafe am Ufer – Großstadtbewohner der slowenischen Hauptstadt Lubliana, für die ihre 46 Kilometer lange Küstenlinie das ist, was für den Hamburger die See oder für den Münchner der See. Ein Wochenendziel.

Gestern brachen wir in San Giorgio in Italien auf. In der Marina Sant‘ Andrea in San Giorgio war wenig los am Mittwochabend, als wir eintrafen. Eine Handvoll italienischer Eigner. Sonst nur ein schweizer Pärchen, das sein Boot für den Törn vorbereitet. Auf dem Nachbarboot zwei kleine Jungs, den die beiden Kinder Nonno, „Großvater“ rufen. Doch der Schein der Ruhe trügt. Vor und in den Hallen wird an Booten gehämmert und gestrichen.

Noch gestern war unsicher, ob wir überhaupt segeln könnten. Levje I war nun 9 Monate im Wasser gelegen – länger als geplant. In was für einem Zustand sie wohl sein würde, nach dem Winter, nach Corona? Doch nach einem Nachmittag und einem Vormittag intensiver Motorwartung, Rigg- und Elektrikkontrolle ist Levje wieder shipshape. Und segelbereit, als hätte sie nur darauf gewartet. Levje I, mein alte DEHLER 31, die mich 2014 von hier erst in die Türkei und dann über Kreta und Sizilien wieder zurück trug, ist ein kreuzbraves, anrührendes Schiff. Der Motor springt bei der ersten Drehung des Zündschlüssels an. Alle Instrumente und Lichter gehen. Das Boot ist innen trocken wie ein Blatt Papier, und das, obwohl es jeden Abend heftige Gewitter hat. Die Küste der Nordadria, vor allem die des Friaul, ist eine Gewitterküste. Gewitter hat es hier im Sommer fast jeden Abend.

Am Freitagmittag machen nicht nur die Gewittertürme im Norden und Westen das Ablegen ungewiss. „Unsicher, ob ein aus Italien kommendes Boot in Slowenien einreisen darf“, erzählt Lucia an der Rezeption. „Und in Kroatien einklarieren kann man nur in Pula.“ Alle übrigen Seegrenzstellen seien noch geschlossen.

Aber das entpuppt sich als Wahrheit von der Sorte, die noch vor drei Wochen richtig war, doch jetzt noch immer als Gerücht durch die Marinas wabert. Weil keiner was Genaues weiß, sagt man halt: „Es geht nicht.“ Ein Anruf bei dem Mann, der mir in den vorigen Posts immer wieder die richtigen Informationen zu Kroatien lieferte. Er sei gerade im Garten beim Erdbeeren ernten. Ja klar könne ich überall in Slowenien und auch Kroatien einklarieren. Die Seegrenzstellen seien alle offen.



Also los. Selbst wenn sich die nahen Gewittertürme im Westen immer höher ballen am frühen Nachmittag. Los und erst mal eineinhalb Stunden raus, durch den betonnten Kanal Richtung Süden. Dorthin, wo der Fluss endet. Und das offene Meer beginnt. Es hat Wind, der die Wellen am Ende des Kanals brechen lässt. Wo weiter draußen im Meer die Dalben enden, tasten wir uns vorsichtig hinaus – keiner weiß, wo die Winterstürme vom Süden vor der Küste unter Wasser ihre Sandberge aufgetürmt haben. Aber alles geht gut. 3,80 Meter zeigt der Tiefenmesser an der flachsten Stelle – „und schon bin ich draußen“.



Erst weit vor der Küste zeigt sich die ganze Größe und Bedrohlichkeit der Gewittertürme. Kann man einem Gewitter davonsegeln? In meinem Buch Gewittersegeln habe ich das stets verneint. Einem Gewitter, dessen Zugbahn den eigenen Kurs kreuzt, kann man nicht davonsegeln. Draußen hats 5 Windstärken. Wir müssen 3mal reffen, Levje legt sich schwer ins Zeug. Und tatsächlich sieht es so aus, als würde das Gewitter über dem Friaul verharren, dieser einzigartigen Landschaft zwischen Meer und Hochalpen voller Weinreben und Industriegebieten, der nordöstlichsten Provinz Italiens an der Grenze zu Slowenien.

Das Friaul entkam vergleichsweise glimpflich der über italienischen Hotspots in der Lombardei und dem benachbarten Veneto wütenden Corona-Gewalt. Die Infektionszahlen lagen – nach neuestem Stand – weitaus niedriger als die der Großstadt München, die genausoviele Einwohner hat. Im Friaul, wo meine alten Levje I nun liegt, hat es nur die Hälfte der Infektionszahlen gegeben. 3.303 Infektionsfälle – dafür sind die Todeszahlen mit 343 Opfern ungefähr vier mal so hoch wie in München gewesen, sagt Fortunato Moratto, das wäre ein niedriger Wert. Trotzdem sei  alles sehr bedrückend gewesen. Die leeren Marinas. Keine Aufträge. Nichts zu tun auf den Booten. Aber jetzt kann er sich vor Arbeit nicht retten. „Die Eigner halten mich ziemlich auf Trab, dass ihre Boote fertig werden. Echter Stress.“ V-förmige Entwicklung nennt man sowas, denke ich mir.

Wie es wohl in Slowenien aussieht? Seit meinem Ablegen im Mai 2014 war ich nicht mehr dort gewesen. Wie das kleine Land wohl die Krise überstanden hat? Aber zuerst erfordert das Meer unsere ganze Aufmerksamkeit. Und das Gewitter hinter uns, dem wir davonsegeln. Und das sich aufbläht wie ein pubertierender 16-jähriger. Groß im zweiten Reff, Fock im ersten. Nach fünfeinhalb Stunden frischt der Wind zur steifen Brise auf vor Kap Savudrija, dem nördlichsten Kap Kroatiens. Noch zwei Reffs könnten wir in die Genua einbinden – danach hätten wir kein As mehr im Ärmel. Aber 8, 9 Beaufort hat es an dieser Küste nur im Gewitter. Aber dem sind wir ja davongesegelt. Diesmal.

Vor Piran liegt ein Motorboot. Sieht aus wie ein Küstenwachboot. Lieber die Papiere fertigmachen, wer weiß, was denen einfällt. Gestern Abend war es beeindruckend, wie die italienische GUARDIA  DI FINANZA jedes kleine Fischerboot auf dem Kanal anhielt und kontrollierte. Aber das weiße Motorschiff entpuppt sich nicht als slowenisches Küstenwachboot, sondern als Oldtimer-Luxusyacht, die vor dem Hafen von Piran in den Wellen schaukelt. Segel runter. Dann rein durch die enge Hafeneinfahrt in den alten Hafen von Piran, hinter einer slowenischen Yacht her, die zum Ausklarieren an die Zollpier strebt. Die Grenzpolizisten lehnen lässig am Geländer – üblicherweise wäre hier an einem Freitag im Juni die Hölle los. Slowenien ist Schengen-Außengrenze. Wer von hier raus will nach Kroatien wie die Yacht vor uns, muss ausklarieren.



Wir legen am Stadtkai an, an dem außer uns nur eine Handvoll Segelyachten liegen. Auch hier herrscht Ruhe. Ein paar Slowenen. Ein Italiener aus dem nahen Triest. Das ist alles. Und während uns das Gewitter weiter nachschleicht, zieht es mich in das Restaurant am Hafen, ins PIRAT. Es liegt etwas abseits der Touristenmeile Richtung Busbahnhof, und vor meiner Abreise 2014 lernte ich die Wirte kennen, Robin und Rok, zwei Brüder, die so aussehen, dass der Restaurantname PIRAT keiner weiteren Erklärung bedarf. Das Restaurant gibt es noch. Es hat sich – ganz anders als 2014 – an die Spitze der Restaurants in Piran mit stolzen 1.450-Positiv-Bewertungen gesetzt. Ob es noch Robin und Rok gehört? Mein Abend damals 2014 mit Robin war unvergesslich, weil er mir, der ich eben gekündigt war, ein Stück seines Lebens erzählte. Dass er keine Lust mehr gehabt hätte auf seinen Beruf. Und obwohl er keine Ahnung von Fischen gehabt hätte, sei er einfach rausgefahren, und hätte begonnen, Fische zu fangen, belächelt von den alten Fischern Pirans. Doch er brachte Doraden nach Hause, und Loup de Meer und Squids und Oktopusse: Soviel, dass er und sein Bruder das Restaurant Pirat eröffnen konnten.

Und heute? Als wir das Restaurant betreten, in dem nur die Kellner, nicht die Gäste Mundschutz tragen, steht Rok in der Ecke. Rok, der große, gewichtige Mann, und röhrt den Gästen am Nachbartisch sein Loblied der italienischen Küche entgegen. Schon damals war die Arbeitsteilung der Brüder, was das Restaurant anging, bemerkenswert. Rok, der Gewichtige, war fürs Lächeln des Hauses zuständig. Und Robin fürs Fischefangen. Und fürs Denken. „Wir sind gut durch die Krise gekommen“, sagte Robin, als er plötzlich vor mir steht. Slowenien hat ja nur soviel Einwohner wie der Ballungsraum München, aber unsere Regierung hat schnell reagiert und die Grenzen sofort dichtgemacht. Dann die Schulen und Betriebe. Wir kamen gut durch.“ Nur Fische fangen hat er aufgegeben. „Wer selber Fisch fängt, darf ihn nicht mehr in seinem Restaurant anbieten. Widersinnig – aber so sind die Gesetze nun mal. Was ich heute fange, muss ich verkaufen. Und was ich hier anbiete, das muss ich zukaufen. Nervig – aber so ist das nun mal.“ Dann deutet er nach draußen, vors Restaurant, wo sich der Himmel von schwarz auf undurchdringliches Grau verfärbt hat. Das Grau von Regenfahnen über dem Meer. „In 15 Minuten wird’s hier schlechtes Wetter geben. Ich lasse Euch lieber drinnen einen Tisch fertig machen.“

Keine 15 Minuten später fegt es über dem PIRAT in allerbester Adria-Manier. Und während meine ganze Aufmerksamkeit Robin und Roks vorzüglichen Vongole in Weißweinsauce, den gratinierten Capesante und gekochten Capelunghe, dem gegrillten Loup de Meer und dem Malvazija gilt, denke ich mir: Robin ist ein gutes Mann, wie er sein Wetter kennt. 

Und: Nein. Man kann keinem Gewitter davonsegeln.

Soeben erschienen:

Mein neues Buch

„Ein Pageturner.“ 
Sagt mein Freund Josef (Er ist nie gesegelt)

„Hab die ersten Seiten gelesen. Irre. Grandios. Megastark“. 
Sagt mein Freund Andreas (Er ist mit mehrfach mir mir gesegelt. Und liest Bücher von Berufs wegen.)

„Du hast ein wunderbares Buch geschrieben. Es hat mir so viel Kraft in dieser schweren Zeit gegeben, und Freude! Deine Sprache fesselt nicht nur, sie lässt auch ganz direkt miterleben, als wäre man selbst mitten im Geschehen.“
Magdalena (segelte auf dem See.)

„Es ist so ehrlich, authetisch und im positiven Sinne anders als die vielen Segelbücher.“ 
Sagt ein Leser, der mich damit zum Erröten brachte.

Und was ich drüber denke? 
Verrate ich in einem der nächsten Posts.

Jetzt neu: Die 29. Neuerscheinung bei millemari. Kein Buch wie jedes andere.

millemari.s 29. Neuerscheinung ist diesmal kein Segelbuch. Wieso eigentlich?

Unmittelbar nach meiner Segelreise von Südengland über Irland zu den Hebriden fiel mir im vergangenen Jahr David Goodharts Buch in die Hände. Ein politisches Sachbuch, das in Großbritannien lange auf den Bestsellerlisten stand. Mich hat es fasziniert (das tun nicht viele Bücher), weil es aus den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zweieinhalb Jahrzehnte erklärt, warum in vielen Ländern der Welt populistische Regierungen an die Regierung kamen und egoistisch-irrlichternde Polit-Unternehmer wie Trump, Erdoghan oder Orban die Macht übernahmen.

Sein Buch ist eine verblüffende Zeitreise in die letzten zweieinhalb Jahrzehnte unserer Gesellschaft – die wir, meine Generation und ich – gelebt und mitgestaltet haben. Ich war lange euphorisch, dass mit dem Verschwinden des Kommunismus und dem Sieg des Liberalismus die Welt eine offenere, bunte und bessere werden würde. Ich habe die neue Grenzenlosigkeit genossen, und die Freiheit und Mobilität, deren lustvollste Form für mich das Segeln ist.

Ich habe nicht gesehen, dass sich viele Menschen als Verlierer genau dieser Grenzenlosigkeit und Globalisierung sahen. Ich habe die Vorteile der Globalisierung gesehen. Aber nicht die Verluste.

Ich sah auch nicht den neuen Riss durch die Gesellschaft, den Goodhart beschreibt. Dieser Riss trennt diesmal nicht die Reichen von den Armen oder die Klugen von den Dummen oder Demokraten von Kommunisten. Er trennt zwei Gruppen, die Goodhart die SOMEWHEREs und die ANYWHEREs nennt. Die Anywheres, die sich großstädtisch und mit einer universitären Ausbildung im Gepäck als Gewinner der letzten Jahre sehen durften – was Chancen und Mobilität angeht. Und die Somewheres, die verwurzelt in traditionellen Begriffen wie Familie und Heimat denken und eher auf dem Land leben. Jene, die nichts gegen Ausländer oder Immigranten im eigenen Land haben. Aber denen die Entwicklungen der letzten Jahre, der entfesselte Kapitalismus und Globalismus zu schnell gingen.

Ein Umdenken in vielen kleinen alltäglichen Bereichen ist nötig, wenn wir die Kluft überwinden wollen. Right or wrong: David Goodharts Denkanstoß ist lesenswert – für einen Anywhere wie mich manchmal schmerzhaft. Aber es ist ein Beitrag, den Riss durch die Gesellschaft zu kitten. 

Deshalb haben wir David Goodhart bei millemari. verlegt.

                                                  

 THE ROAD TO SOMEWHERE wurde Ende April
in einer Diskussionsrunde mit Friedrich Merz, 
Jan Fleischhauer und David Goodhart Online live vorgestellt.

Infos zum Buch auf www.millemari.de
und überall, wo es gute Bücher gibt.

Jetzt neu: Die 29. Neuerscheinung bei millemari. Kein Buch wie jedes andere.

millemari.s 29. Neuerscheinung ist diesmal kein Segelbuch. Wieso eigentlich?

Unmittelbar nach meiner Segelreise von Südengland über Irland zu den Hebriden fiel mir im vergangenen Jahr David Goodharts Buch in die Hände. Ein politisches Sachbuch, das in Großbritannien lange auf den Bestsellerlisten stand. Mich hat es fasziniert (das tun nicht viele Bücher), weil es aus den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zweieinhalb Jahrzehnte erklärt, warum in vielen Ländern der Welt populistische Regierungen an die Regierung kamen. Trump war die Folge. Und Erdoghan, Orban und viele andere. Egoistisch-irrlichternde Polit-Unternehmer allesamt.

David Goodharts Buch ist eine verblüffende Zeitreise in die letzten zweieinhalb Jahrzehnte unserer Gesellschaft – die wir, meine Generation und ich mitgestaltet haben. Ich war lange euphorisch, dass mit dem Verschwinden des Kommunismus und dem Sieg des Liberalismus die Welt eine offenere, bunte und bessere werden würde. Ich habe die neue Grenzenlosigkeit genossen, und die Freiheit und Mobilität, deren lustvollste Form für mich das Segeln ist.

Ich habe nicht gesehen, dass sich viele Menschen als Verlierer genau dieser Grenzenlosigkeit und Globalisierung sahen. Ich habe die Vorteile der Globalisierung gesehen. Aber nicht die Verluste.

Ich sah auch nicht den neuen Riss durch die Gesellschaft, den Goodhart beschreibt. Dieser Riss trennt diesmal nicht Arm und Reich oder Dumm und Klug oder Kapitalisten und Kommunisten. Er trennt zwei Gruppen, die Goodhart die SOMEWHEREs und die ANYWHEREs nennt. Die Anywheres, die sich großstädtisch und mit einer universitären Ausbildung im Gepäck als Gewinner der letzten Jahre sehen durften – was Chancen und Mobilität angeht. Und die Somewheres, die verwurzelt in traditionellen Begriffen wie Familie und Heimat denken und eher auf dem Land leben. Jene, die nichts gegen Ausländer oder Immigranten im eigenen Land haben. Aber denen die Entwicklungen der letzten Jahre, der entfesselte Kapitalismus und Globalismus zu schnell gingen.

Ein Umdenken in vielen kleinen alltäglichen Bereichen ist nötig, wenn wir die Kluft überwinden wollen. Right or wrong: David Goodharts Denkanstoß ist lesenswert – für einen Anywhere wie mich manchmal schmerzhaft. Aber es ist ein Beitrag, den Riss durch die Gesellschaft zu kitten. 

Deshalb haben wir David Goodhart bei millemari. verlegt.

                                                  

 THE ROAD TO SOMEWHERE wurde Ende April
in einer Diskussionsrunde mit Friedrich Merz, 
Jan Fleischhauer und David Goodhart Online live vorgestellt.

David Goodhart erklärt auf BBC Anywheres und Somewheres.

Infos zum Buch auf www.millemari.de
und überall, wo es gute Bücher gibt.

Segeln im Juni in Kroatien? Ein Update mit Karl-Heinz Beständig.

Inmitten der CORONA-Krise im April des Jahres befragte ich Karl-Heinz Beständig, 
den Autor der 888 HÄFEN UND BUCHTEN, über die Situation in Kroatien.
Nachfolgend ein Update zur aktuellen Situation für Segler und Motorbootfahrer in Kroatien.

tk: Guten Tag, Herr Beständig. Kann ich ab Anfang Juni in Kroatien wieder aufs Wasser?

Karl-Heinz Beständig: Die ersten Chartergäste sind jetzt am vorletzten Maiwochenende auf eigenes Risiko losgefahren. Da war ja noch alles unklar – auch Kroatien war vorsichtig, man wollte die EU nicht verärgern, indem man einseitig vorprescht. Aber die ersten Charterreisenden berichteten mir, dass man an der kroatischen Grenze für die Einreise zwei Dinge braucht:
• eine Buchungsbestätigung einer Charter, eines Hotels, einer Pension oder Campingplatzes.
• oder den Nachweis, dass man Eigner eines Bootes mit Liegeplatz in Kroatien ist.
• sowie eine Mobilfunknummer, unter man ständig erreichbar ist und die man beim Grenzübertritt hinterlegen muss.

tk: Aber kommt man denn überhaupt bis Kroatien? Wer mit dem Wagen aus Deutschland anreist, für den führt der Weg ja erst mal nach Österreich. Und von dort nach Slowenien. Und erst dann ist man an der kroatischen Grenze…

Karl-Heinz Beständig: Im Moment ist ja alles noch etwas in der Schwebe. Aber es funktioniert wie folgt:
• in Österreich gilt offiziell derzeit noch für alle Einreisenden die 14tägige Quarantäne.
• Allerdings darf man Österreich durchfahren, wenn man an der Grenze ein Formular unterschreibt und versichert, Österreich auf dem kürzesten Weg zu durchqueren und unverzüglich nach Slowenien auszureisen.
• In Slowenien gilt momentan dieselbe Regelung wie in Österreich: An der Grenze einen Passierschein unterschreiben und Slowenien auf kürzestem Weg durchqueren.

tk: Pfingsten war ja immer Hochsaison auf der Strecke Deutschland – Kroatien. Staus vor Baustellen, Blockabfertigung vor den Alpen-Tunneln. Wie wirds denn dieses Jahr sein?

Karl-Heinz Beständig: Ich rechne tatsächlich zu Pfingsten mit Staus. Zu den Feiertagen wird einiges los sein, zumal auch am einen oder anderen Tunnel Bauarbeiten im Gang sind.

tk: Ist denn das CORONA-Virus also schon Vergangenheit?

Karl-Heinz Beständig: Die Ansteckungsgefahr ist keinesfalls erloschen. Kroatien kam dank harter Maßnahmen noch besser durch die Krise als Deutschland. Aktuell sind in Kroatien noch 93 Menschen infiziert. Insgesamt hatte das Land nur 101 Tote zu beklagen.

tk: Sind so niedrige Zahlen denn glaubwürdig?

Karl-Heinz Beständig: Ich denke schon. Gerade in den letzten Wochen berichteten die kroatischen Medien sehr offen über die jüngsten CORONA-Ausbrüche. Diese waren lokal begrenzt, und sie zeigen gut, wie sowas aus reiner Sorglosigkeit entsteht. Und wie die kroatischen Behörden sehr schnell agierten.

tk: War das an der Küste?

Karl-Heinz Beständig: Auf der Insel Brac war ein älterer Pateint mit Herz-Kreislaufproblemen aus dem Krankenhaus entlassen worden und feierte seine Rückkehr mit Nachbarn und Freunden. Das war leichtsinnig. Eine Nachbarin zeigte als erste Symptome, der Mann selber keine. Nach der Feier waren plötzlich 23 Menschen infiziert. Das Krankenhaus stritt heftig ab, Ursache zu sein. Die Insel Brac wurde kurzerhand isoliert.

Der zweite Fall betraf einen Flug der Croatian Airlines, in dessen Folge man 18 Infizierte feststellte. 16 Passagiere – und die beiden Piloten.

tk: Wie kam das?

Karl-Heinz Beständig: Das war zunächst rätselhaft, weil die Piloten während des Fluges die Türen des Cockpits nicht geöffnet hatten und merkwürdigerweise die Flugbegleiter nicht infiziert waren. Man vermutet, dass es kroatische Mechaniker waren, die aus Schweden von einem Auftrag zurückkehrten.

tk: Wie hoch schätzen Sie denn die Ansteckungsgefahr in Kroatien?

Karl-Heinz Beständig: Aufgrund der vorliegenden und schon genannten Zahlen dürfte die Wahrscheinlichkeit, sich in Kroatien zu infizieren, derzeit fünfmal niedriger sein als in Deutschland.

Allerdings wird die Maskenpflicht zum Beispiel nicht so streng gehandhabt wie in Deutschland. In kroatischen Supermärkten gibt es keine Maskenpflicht. Oder nur, wenn der Mindestabstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann… Hotels und Campingplätze haben hohe Auflagen, was Reinigung und Desinfektion angeht.

tk: Wo sehen Sie denn die Hauptquelle im Urlaub für Ansteckung?

Karl-Heinz Beständig: Wenn man leichtsinnig wird, wie im Beispiel Brac. Entsprechend sehe ich das Hauptrisiko in den Restaurants. Die Kellner haben Maskenpflicht – aber wenn der Alkohol fließt, fallen die Vorsichtsmaßnahmen unter den Tisch.

tk: Das Ischgl-Phänomen der Sorglosigkeit?

Karl-Heinz Beständig: Die kroatischen Behörden werden strengstens kontrollieren. Wenn Wirte Selbst in abgelegenen Inselkonoben können Strafen bis 5.000€ verhängt werden, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden. Zudem wurde ein großer Vorrat an Testmaterial geschaffen, um wie in Brac oder Split sehr schnell vor Ort testen zu können.

tk: Würden Sie selbst denn augenblicklich Urlaub in Kroatien machen?

Karl-Heinz Beständig: Ich würde runterfahren. Ich hätte keine Bedenken. Wenn man sich vernünftig verhält, die Mindestabstände einhält und Masken trägt, sollte eigentlich nichts passieren.

tk: Wie stellen Sie sich den Worst Case vor?

Karl-Heinz Beständig: Es ist schon möglich, dass es den einen oder anderen Ausbruch gibt. Dass man das eine oder andere Restaurant oder auch eine Marina dichtgemacht wird. Die Abgabe der Mobilfunknummer bei der Einreise dient dazu, in einem solchen Fall sehr schnell zentral zu informieren und eventuell sogar zu testen. Ich bin zuversichtlich, dass da nicht allzuviel passiert.

tk: Könnte ich denn aktuell mit meinem Boot von Italien aus in Koratien einklarieren?

Karl-Heinz Beständig: Noch sind die Seegrenzstellen geschlossen. Derzeit dürfen nur Yachten über 24 Meter Länge einreisen, die einen Werfttermin oder ähnliches schriftlich vorweisen können. Auch slowenische Skipper dürfen einreisen, weil Kroatien und Slowenien Sonderabkommen unterzeichneten. Es ist derzeit alles etwas chaotisch, aber ich gehe davon aus, dass parallel zur Grenzöffnung Italiens ab dem 3. oder 4. Juni auch die Seegrenzstellen wieder offnen und man von Italien aus per Schiff in Kroatien einreisen kann. Aber aktuell weiß niemand, was gerade vor sich geht – eventuell machen die Seegrenzstellen schon übermorgen auf.

tk: Und wie sehen Sie den Sommer in Kroatien?

Karl-Heinz Beständig: Die YACHTWEEK-Flotten mit Partywütigen starten vermutlich ab nächster Woche, allerdings werden nur wenige junge Leute kommen zunächst.

Ab Juli und August wird auch auf dem Wasser wieder einiges los. Ich schätze, dass insgesamt ein Drittel weniger Gäste nach Kroatien kommen wird – vor allem Pauschalreisende werden wegen des erst nach und nach wieder anlaufenden Flugverkehrsausbleiben. Und Kreuzfahrttouristen sowieso. Aber das betrifft ausschließlich Dubrovnik.

Soeben erschienen:
Mein Page-Turner über meine Reise
unter Segeln entlang der europäischen Küste 
von Sizilien nach Südengland:

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