Segeln im Juni in Kroatien? Ein Update mit Karl-Heinz Beständig. Letzte Aktualisierung 29.5.2020
Inmitten der CORONA-Krise im April des Jahres befragte ich Karl-Heinz Beständig,
den Autor der 888 HÄFEN UND BUCHTEN, über die Situation in Kroatien.
Nachfolgend ein Update zur aktuellen Situation an Pfingsten für Segler und Motorbootfahrer in Kroatien.
tk: Guten Tag, Herr Beständig. Kann ich ab Anfang Juni in Kroatien aufs Wasser?
Karl-Heinz Beständig: Die ersten Chartergäste sind jetzt am vorletzten Maiwochenende losgefahren, um ihren Törn anzutreten. Da war ja noch alles unklar, was die Grenzen angeht – auch Kroatien war vorsichtig, man wollte die EU nicht verärgern, indem man einseitig vorprescht. Aber diese ersten Charterreisenden berichteten, dass man an der kroatischen Grenze für die Einreise zwei Dinge braucht:
• die Buchungsbestätigung einer Charter, eines Hotels, einer Pension oder Campingplatzes.
• oder den Nachweis, dass man Eigner eines Bootes mit Liegeplatz in Kroatien ist.
• sowie eine Mobilfunknummer, unter man ständig erreichbar ist und die man beim Grenzübertritt hinterlegen muss.
Ergänzung 29.5.2020: Laut einem SPIEGEL ONLINE-Bericht entfällt seit 28.5. an der Grenze zu Kroatien die erforderliche Buchungsbestätigung oder Eignernachweis.
tk: Aber kommt man denn überhaupt bis Kroatien? Wer mit dem Wagen aus Deutschland anreist, für den führt der Weg ja erst mal nach Österreich – dort herrscht noch Quarantänepflicht. Und von dort nach Slowenien – wo sie seit kurzem ausgesetzt ist. Und erst dann ist man an der kroatischen Grenze…
Karl-Heinz Beständig: Im Moment ist ja alles noch etwas in der Schwebe. Aber es funktioniert wie folgt:
• in Österreich gilt offiziell derzeit noch für alle Einreisenden die 14tägige Quarantäne.
• Allerdings darf man Österreich durchfahren, wenn man an der Grenze ein Formular unterschreibt und versichert, Österreich auf dem kürzesten Weg zu durchqueren und unverzüglich nach Slowenien auszureisen.
• Slowenien darf man aktuell durchfahren.
tk: Pfingsten war ja immer Hochsaison auf der Strecke Deutschland – Kroatien mit Staus vor Baustellen und Blockabfertigung vor den Alpen-Tunneln musste man rechnen. Wie wirds denn dieses Jahr sein?
Karl-Heinz Beständig: Ich erwarte tatsächlich zu Pfingsten Staus. An den Feiertagen wird einiges los sein, zumal auch am einen oder anderen Tunnel Bauarbeiten im Gang sind.
tk: Ist das CORONA-Virus also schon Vergangenheit?
Karl-Heinz Beständig: Die Ansteckungsgefahr ist keinesfalls erloschen. Kroatien kam dank harter Maßnahmen noch besser durch die Krise als Deutschland. Aktuell sind in Kroatien noch 93 Menschen infiziert. Insgesamt hatte das Land nur 101 Tote zu beklagen.
tk: Sind so niedrige Zahlen denn glaubwürdig?
Karl-Heinz Beständig: Ich denke schon. Gerade in den letzten Wochen berichteten die kroatischen Medien sehr offen über die jüngsten CORONA-Ausbrüche. Diese waren lokal begrenzt, und sie dokumentieren sehr gut, wie neue Infektionsherde oft aus reiner Sorglosigkeit entstehen. Und wie die kroatischen Behörden sehr entschlossen agieren.
tk: War das an der Küste?
Karl-Heinz Beständig: Auf der Insel Brac vor Split war ein älterer Patient mit Herz-Kreislaufproblemen aus dem Krankenhaus entlassen worden und feierte seine Rückkehr mit Nachbarn und Freunden. Das war leichtsinnig. Eine Nachbarin zeigte als erste Symptome, der Mann selber keine. Nach der Feier waren plötzlich 23 Menschen infiziert. Das Krankenhaus stritt heftig ab, Ursache zu sein. Die Insel Brac wurde kurzerhand isoliert.
Der zweite Fall betraf einen Flug der Croatian Airlines, in dessen Folge man 14 Infizierte feststellte. 12 Passagiere – und die beiden Piloten.
tk: Wie kam das?
Karl-Heinz Beständig: Das war zunächst ein Rätsel, weil die Piloten während des Fluges die Türen des Cockpits nicht geöffnet hatten und merkwürdigerweise die Flugbegleiter nicht infiziert waren. Man vermutet, dass es kroatische Mechaniker waren, die aus Schweden von einem Auftrag zurückkehrten.
tk: Wie hoch schätzen Sie die Ansteckungsgefahr in Kroatien?
Karl-Heinz Beständig: Aufgrund der vorliegenden und schon genannten Zahlen dürfte die Wahrscheinlichkeit, sich in Kroatien im Urlaub zu infizieren, derzeit fünfmal niedriger sein als in Deutschland.
Allerdings wird die Maskenpflicht zum Beispiel nicht so streng gehandhabt wie in Deutschland. In kroatischen Supermärkten gibt es keine Maskenpflicht. Oder nur, wenn der Mindestabstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann… Hotels und Campingplätze haben hohe Auflagen, was Reinigung und Desinfektion angeht.
tk: Wo sehen Sie denn die Hauptquelle im Urlaub für Ansteckung?
Karl-Heinz Beständig: Wenn man leichtsinnig wird, wie im Beispiel auf Brac. Entsprechend sehe ich das Hauptrisiko in den Restaurants. Die Kellner haben Maskenpflicht – aber wenn der Alkohol fließt, fallen die Vorsichtsmaßnahmen unter den Tisch.
tk: Das Ischgl-Phänomen der Sorglosigkeit?
Karl-Heinz Beständig: Die kroatischen Behörden werden strengstens kontrollieren. Selbst in abgelegenen Inselkonoben können Strafen bis 5.000€ verhängt werden, wenn die Wirte Vorschriften nicht einhalten. Zudem wurde ein großer Vorrat an Testmaterial geschaffen, um wie in Brac oder Split sehr schnell vor Ort testen zu können.
tk: Würden Sie selbst denn augenblicklich Urlaub in Kroatien machen?
Karl-Heinz Beständig: Ich würde runterfahren. Ich hätte keine Bedenken. Wenn man sich vernünftig verhält, die Mindestabstände einhält und Masken trägt, sollte eigentlich nichts passieren.
tk: Wie stellen Sie sich den Worst Case vor?
Karl-Heinz Beständig: Es ist schon möglich, dass es den einen oder anderen lokalen Ausbruch gibt. Dass die Behörden das eine oder andere Restaurant oder auch eine Marina sehr schnell dichtmachen. Die Abgabe der Mobilfunknummer bei der Einreise dient dazu, in einem solchen Fall sehr schnell zentral zu informieren und eventuell sogar zu testen. Ich bin zuversichtlich, dass da nicht allzuviel passiert.
tk: Könnte ich denn aktuell mit meinem Boot von Italien aus in Kroatien einklarieren?
Karl-Heinz Beständig: Noch sind die Seegrenzstellen geschlossen. Derzeit dürfen nur Yachten über 24 Meter Länge einreisen, die einen Werfttermin oder einen anderen triftigen Grund schriftlich vorweisen können. Auch slowenische Skipper dürfen einreisen, weil Kroatien und Slowenien Sonderabkommen unterzeichneten. Es ist derzeit alles etwas chaotisch, aber ich gehe davon aus, dass parallel zur Grenzöffnung Italiens ab dem 3. oder 4. Juni auch die Seegrenzstellen wieder öffnen und man von Italien aus per Schiff in Kroatien einreisen kann. Aber aktuell weiß niemand, was gerade vor sich geht – eventuell machen die Seegrenzstellen schon übermorgen auf.
tk: Und wie sehen Sie den Sommer in Kroatien?
Karl-Heinz Beständig: Die YACHTWEEK-Flotten mit Partywütigen starten vermutlich ab nächster Woche, allerdings werden nur wenige junge Leute erwartet – der Flugverkehr ist das Nadelöhr.
Ab Juli und August wird auch auf dem Wasser wieder einiges los sein. Ich schätze, dass insgesamt ein Drittel weniger Gäste nach Kroatien kommen wird – vor allem Pauschalreisende werden wegen des erst nach und nach wieder anlaufenden Flugverkehrsausbleiben. Und Kreuzfahrttouristen sowieso. Aber das betrifft ausschließlich Dubrovnik.
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