Heute in Griechenland (5): Komme ich im Urlaub an Geld,Diesel,Lebensmittel heran?
Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei aufgebrochen und über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.
Weiterlesen bei: Heute in Griechenland, Teil 1. Hier.
Der Urlaubsort Agios Nikolaos im Osten Kretas am gestrigen Abend. Im Vordergrund der Voulismeni-See, mitten im Ort ein mit Süßwasser gefüllter Vulkankrater, der erst seit ein paar Jahrzehnten eine künstliche Verbindung zum Meer hat. Alle Bilder dieses Posts wurden in den letzten 24 Stunden hier in Agios Nikolaos aufgenommen.
Freitag, 10.7.2015: Mit dem pünktlichen Eintreffen eines neuen Reformplanes aus Athen heute Nacht in Brüssel hat sich auch die Stimmung in den deutschen Medien etwas gelegt. Das Wort von der „humanitären Katastrophe“, das SPIEGEL und andere Medien Anfang der Woche noch über die Situation in Griechenland verbreitet hatten, es ist verschwunden so schnell, wie es aufgetaucht ist. Aber damit ist die drohende Pleite der griechischen Banken und des griechischen Staates überhaupt nicht vom Tisch. Und die Dinge und Mißstände, die der Marina-Betreiber Mikhalis Farsaris so klar und präzise im gemeinsamen Umgang zwischen Europäern und Griechen aufgelistet hat, auch nicht.
Wie ist die Situation tatsächlich in Agios Nikolaos, einem Urlaubsort mit knapp 12.000 Einwohnern hier im Osten Kretas? Bekomme ich tatsächlich alles, was ich brauche?
Für heute habe ich mir einen Selbsttest verordnet – eine Art „Stress-Test“ für Agios Nikolaos, sozusagen:
Ich gehe zuerst los, um für LEVJE Diesel zu besorgen.
Dann: werde ich Geld abheben.
Und dann Lebensmittel einkaufen.
Ganz normale Dinge also. Beginnen wir also unseren Rundkurs:
1. Diesel im Hafen bekommen.
LEVJE, meine DEHLER 31, hat keinen großen Tank: 40 Liter gehen hinein, dazu führe ich 20 Liter in zwei Kanistern mit. Etwa 25 Liter bräuchte ich. Also gehe ich hier in der Marina zur kleinen Rezeption. Meine gute Despina ruft sofort Iannis, den Marinero auf der Pier an. Zwei Minuten später treffe ich ihn – das passt gut, meint Iannis, eine andere Segelyacht bräuchte 250 Liter Diesel, dann würde er den Tanklaster gleich bestellen, ich solle doch mit zwei Kanistern in zehn Minuten da sein. Und so wackle ich also zurück zu LEVJE, hole meine beiden Kanister und wackle wieder zurück zur großen Pier. Dort wartet Manolos neben seinem Tanklaster schon, er hat die holländische Yacht mit 250 Litern schon versorgt und schaut auf die Uhr. Er sieht aus, als wäre er von Früh bis spät auf den Beinen.
Das Abfüllen meiner beiden Kanister zieht sich etwas, weil er den richtigen Stutzen nicht dabei hat. Am Ende zahle ich 26 Euro für 20 Liter. Und wackle wieder zurück zu LEVJE. Wo Iannis, weil ihm grad fad war, meine beiden Kanister per Roller hingebracht und vor LEVJE abgestellt hat. Passt.
Volle Punktzahl: Alle vier von vier erreichbaren Punkten.
2. Geld am Automaten abheben.
Es wurde viel geschrieben über die langen Schlangen vor den griechischen Geldautomaten. Und wie schrecklich es sei, pro Tag nur 60€ abheben zu dürfen.
Dass das mit den 60 € täglich eigentlich eine ganz entspannte Sache ist, die die Griechen jedenfalls hier und im benachbarten Herklion, immerhin viertgrößte Stadt Griechenlands, auch ganz entspannt annehmen: darauf hat mich ebenfalls Mikhalis Farsaris gebracht.
Weiterlesen bei: Warum Mikhalis Farsaris sagt: „They pay like hell“. Hier.
Tatsächlich habe ich hier in dieser Woche nicht eine jener Menschentrauben vor Geldautomaten gesehen. Aber wie sieht’s denn aus: Komme ich als Urlauber an Bargeld? Unbegrenzt? Auch wenn jede Bank seit einer Woche geschlossen ist?
Weil ich ja gerne gegen den Stachel löcke, suche ich mir einen Geldautomaten mitten in der Innenstadt aus, genau unter dem großen OXI-Plakat von SYRIZA. Niemand vor mir am Apparat, also gleich ran.
Bedienung wie auch in Deutschland, ich könnte alle Beträge wählen, auch oberhalb 600 Euro. Das mache ich aber nicht – ich will nicht, dass dem nächsten nach mir ein leerer Geldautomat OXI sagt, wenn er 60 Euro abheben will. Also belasse ich es zu Testzwecken bei 200 Euro. Und die sind sofort da. Alle schön nagelneu und druckfrisch.
Erneut vier von vier Punkten. Damit stehen wir bei acht von acht erreichbaren Punkten.
3. Lebensmittel. Und: Haben eigentlich alle zu essen?
In einem Post vor wenigen Tagen schrieb ich darüber, wie ich mich als Segler für einen einwöchigen Törn hier im örtlichen CARREFOUR-Supermarkt anstandslos versorgte.
Weiterlesen bei: Warum Despina kein Geld von mir annimmt. Hier.
Daran hat sich bis heute überhaupt nichts geändert. Um meinen „Stresstest“ mit gebotener deutscher Gründlichkeit durchzuführen, kaufe ich in drei verschiedenen Supermärkten mitten im Ort ein: Frisches Brot. Frisches Obst. Wasser. Weißwein. Tomaten. Käse. Alles da.
Erneut vier von vier Punkten.
Also insgesamt: „La Grèce: Douze Points!“
Doch bleiben wir realistisch:
Zum einen: Griechenland besitzt etwa 6.000 Inseln, von denen gerade mal 113 bewohnt sind. Griechenland ist damit der Staat mit den meisten Inseln im Mittelmeer.
Weiterlesen bei: Wieviele Inseln gibt es im Mittelmeer? Hier.
Was für Kreta und Agios Nikolaos stimmt, kann anderswo anders sein. Was ich aber nicht glaube: noch vorige Woche waren auf Lefkas, dem großen griechischen Charterzentrum, die Dinge nicht anders als hier in Agios Nikolaos.
Vor allem in und um die Großstädte Athen und Thessaloniki kann es anders aussehen. Und im Krisenfall auch anders „zur Sache gehen“.
Zum anderen: Die griechische Krise ist definitiv vorhanden – und noch nicht vom Tisch. Die Dinge können morgen anders aussehen.
Und Morgen?
Das ist Emanuela Gianikaki, Diplom-Sozialarbeiterin. Sie ist aufgewachsen am Meer hier auf Kreta in Rethymno. Sie ist offizell von der Gemeinde Agios Nikolaos bestellt und seit 2010 für die Sozialarbeit verantwortlich.
Ich habe sie heute in ihrem Büro besucht, weil ich wissen wollte:
• Wie geht es Menschen, die über keine Rücklagen verfügen?
• Wie geht es den Griechen, die jetzt gerade nicht an ihr Sparkonto kommen?
• Was tun Menschen in Not in einem Land, das fast pleite ist?
Das Interview mit Emanuela Gianikaki können Sie lesen ab morgen, Samstag Abend auf Mare Più.
Jeden Post aus der Serie HEUTE IN GRIECHENLAND lesen: Nach unten scrollen.
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Herausgegeben vom Autor von MARE PIU:
Vierzig Segler erzählen ihre Geschichte, wie es ihnen im Gewitter auf See erging.
„Ich bin hellauf begeistert… es sind ja die persönlichen Geschichten, die Geschichten aus der Praxis, die Dramen, die den Unterschied zu einem Lehrbuch machen.“
Ein Leser in seinem Post.
Mehr erfahren: Hier klicken.
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