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Eine ganz bestimmte Frage

Die Sommersaison neigt sich so langsam dem Ende zu. Wir merken das gerade ziemlich deutlich, denn der Betrieb auf dem See lässt sichtbar nach. Einige holen ihre Boote bereits wieder aus dem Wasser und man spürt, dass der Herbst nicht mehr weit weg ist.
Es wird also fleißig eingewintert am See, nicht jedoch an Bord der Morgenstern. Wir wintern nicht ein, sondern starten lediglich in eine neue Saison. Der Kamin ist seit gestern fertig eingebaut und steht zur Erstfeuerung bereit.

Wir werden also auch im Herbst und im Winter jede Woche am Schiff sein und es weiter verbessern und hoffentlich auch mal die Zeit finden, wenigstens eine kleine Runde auf dem See zu segeln, denn dazu sind wir in diesem Sommer leider nicht gekommen.
Dafür konnten wir allerdings viele Baustellen von der Liste streichen und sind nun endlich an dem Punkt, an dem die Altlasten nicht mehr dominieren und Zeit für Umbaumaßnahmen unter Deck übrig bleibt. Darauf freuen wir uns eigentlich am meisten. Den Salon verschönern, die neue Pantry anfertigen und das Bad mit Nasszelle beginnen.
Aktuell arbeite ich unter anderem am Sockel für den neuen Salontisch und der Abgasanlage für die Dieselheizung. Während der Woche fertige ich also in der Werkstatt weiterhin Bauteile an und am Wochenende wird das Zeug ins Schiff eingebaut. Immer und immer wieder, so lange bis alles fertig ist.

Und damit ist eigentlich auch schon eine der meist gestellten Fragen („Wann wollt ihr wieder los?“) fast beantwortet. Sobald das Schiff fertig und die Bordkasse gefüllt ist, geht es wieder los.

Erinnert ihr euch noch an den Countdown, den wir vor den letzten Reisen immer hier auf der Website hatten? Den wird es in der Form nicht mehr geben, weil einfach noch nicht absehbar ist, in welchem Jahr wir überhaupt fertig sein werden.
Deshalb haben wir uns etwas anderes einfallen lassen, damit ihr ein wenig mitfiebern könnt und einen Überblick habt, wie weit wir sind. Wie das Ding heißen soll, wissen wir gerade nicht, also immer her mit den Vorschlägen.

Jedenfalls zeigt dieses Widget an, wie weit wir mit dem jeweiligen Teilbereich des Schiffs sind. Sobald alle Balken bei 100% stehen, gehen wir wieder auf große Fahrt! Ist das ein Deal?

Deckweiß

Anfang September hatten wir ihn mit minimaler Verspätung endlich erreicht, den Punkt, an dem wir Morgenstern an Deck für fertig erklärt haben!

Fast den gesamten Sommer hat uns das Deck beschäftigt und unzählige Arbeitsstunden verschlungen.
Mit dem Ergebnis sind wir jetzt zufrieden. Alle, wirklich alle Altlasten sind beseitigt! Neuer Stahl wurde von oben überall dort eingeschweißt, wo bisher verrostete Durchführungen vor sich hin gammelten. Anschließend alles wieder konserviert und von unten isoliert.
Der Bugspriet ist nun ebenfalls fertig. Er hat nicht nur neues Holz bekommen, sondern auch zwei zusätzliche Streben, die für mehr Sicherheit bei Seegang sorgen.



Wie viele einzelne Makro- und Microbaustellen es an Deck insgesamt waren, wissen wir nicht. Anfang Juni hatten wir bei etwas mehr als 200 keine Lust mehr weiter zu zählen und da waren wir gerade mal am Großmast angekommen, nachdem wir am Bug gestartet sind.
Im Hafen hatte ich zwischenzeitlich den Spitznamen „Der Zahnarzt“ und wenn einer der Bootsnachbarn zum plaudern vorbei kam war oft die erste Frage: „Und? Was machst du heute? Wurzelbehandlung oder Füllung?“
Stundenlang lag ich manchmal an Deck, habe Pünktchen für Pünktchen aufgefräst und wieder versiegelt, als ginge es um den Hitzeschutzschild einer Raumkapsel.
Man hätte da auch teilweise einfach drüber streichen können und es wäre auch für ein paar Jahre Ok gewesen. Aber irgendwie hätte ich das nicht mit mir selbst vereinbaren können. Wer weiß, vielleicht haben Schiffe ja wirklich eine Seele und vielleicht haben sie sogar manchmal „Zahnschmerzen“!?

Nun ist jedenfalls wieder alles in bester Ordnung und das flugzeugträgergraue Deck gehört der Vergangenheit an.

Im nächsten Beitrag geht es dann um die meist gestellte Frage der letzten Zeit:

„Wann wollt ihr eigentlich wieder los?“

Ungeplanter Aufbruch aus Tikehau

So., 15.Sep.19, Franz.Polyn./Pazifik, Tag 1932, 18.694 sm von HH
Irgendjemand moechte nicht, dass wir in den Tuamotu im Pass tauchen gehen. Zuerst auf Hao schlechtes Wetter, dann war der Tauchverein geschlossen und in Makatea und Tikehau kam Achims Wunde am Fuss. Die Stelle war nun soweit abgeheilt, dass er wieder ins Wasser darf, da kommt der Skipper mit: „Ich habe Zahnschmerzen“ um die Ecke!
Meine Diagnose lautet Wurzelentzuendung. Alle Anzeichen sprechen dafuer. Im Gesundheitszentrum hatten wir gelesen, dass sich jeder mit Zahnproblemen nach Rangiroa – ins Nachbaratoll – fliegen lassen muss.
Achim hofft zunaechst noch auf Wunderheilung: „Ist von alleine gekommen, geht auch von alleine“. Er ist tapfer und faehrt mit mir zum ‚Mantapoint‘, einem Motu mitten in der Lagune. Dort soll man mit Mantas schnorcheln koennen. Die ‚Alrisha‘, die wir in Tikekau wieder getroffen haben, begleitet uns.
Und tatsaechlich, der Mantapoint kann etwas. Am zweiten Tag habe ich das grosse Vergnuegen einen dieser Koenige der Eleganz unter Wasser an der Putzerstation zu beobachten. Achim verzichtet, allein der Gedanke, den Schnorchel in den Mund zu nehmen, graust ihn.
Die Schmerzen nehmen zu, der Wind steht guenstig, der Skipper will zum Zahnarzt. Kurzentschlossen brechen wir am naechsten Morgen auf. Direkter Weg Tahiti. Warum sollen wir den Umweg ueber Rangiroa machen? Wir wissen nicht, ob der Zahnarzt ueberhaupt vor Ort ist, wir wissen gar nichts. Nach Tahiti wollten wir sowieso zurueck (zwar erst in 14 Tagen) und dort gibt es sicher eine Auswahl an Aerzten. Also Segel setzen und los.
Jetzt sind wir bereits seit 24 Stunden unterwegs. Ruppige, unangenehme Stunden. Den Wind mit 25 Knoten in der Nacht genau auf die Nase. Seit dem Vormittag ist es etwas ruhiger und der Wind kommt halb, so dass wir gemuetlich voran kommen. Ankunft wahrscheinlich im Morgengrauen. Die Schmerzen vom Skipper halten sich zum Glueck in Grenzen. Die Angst vorm Zahnarzt wirkt schon fuenfzig Meilen vor dem Ziel heilend auf ihn ein.
Test für: ä ö ü ß

Von England nach Irland und Schottland (30): Tarbert und das Restaurant der Frauen.

Es war die rothaarige Schleusenwärtin auf dem Crinan-Canal gewesen, die den Ort Tarbert zum ersten Mal erwähnte. Und ihre Antwort auf die Frage, wo man denn abends guten Fisch bekäme. „Tarbert“, sagt sie. „Geht ins Starfish nach Tarbert. Das ist 2 Segelstunden südlich von hier, von der letzten Schleuse. Segelt einfach den Loch Fyne hinunter, und dann liegt Tarbert an Steuerbord.“ Und weil uns noch zwei weitere Schleusenwärter, junge Kerls an der Kurbel, um die Schleusentore zu schließen und das Wasser in die Kammern sprudeln zu lassen, dieselbe Antwort geben, segeln wir nach Tarbert.

Wir sind k.o. nach dem langen Tag in den Schleusen des Crinan-Canal, doch der Loch Fyne geht behutsam um mit uns. Heute jedenfalls ist das Segeln auf dem Loch Fyne wie ein Segelsonntag auf den bayrischen Seen. Ein milder West, der Levje über den wellenlosen See sachte, doch rasch schnüren lässt, bis eine Fähre den Loch quert und vor uns in einen schmalen Kanal zwischen den Hügeln einbiegt, sonst hätten wir fast die Einfahrt nach Tarbert verpasst. Vor der Marina liegen ein paar Bojen in einer hübschen Bucht, also flugs da angelegt und für den Abend hinübergerudert und um die Bucht gewandert. 

Tarbert? Hat alles, was ein vergessenes Hafenstädtchen ausmacht. Und die Schönheit des schottischen August. Die Burg. Den Schlick. Das leuchtende Grün der Hänge, bevor der nächste feine Sprühregen einsetzt. Den Geruch nach Meer, wo der zum Hotelschiff umgebaute dickbauchige Frachter wie eine Kröte vor der Pier hockt, wenn er nicht gerade zweimal täglich von der Flut sanft angehoben wird.

Am nächsten Tag stromern wir durch den Ort. Wie immer tun es mir die Buchhandlungen an, ich kann an Gedrucktem, Geschriebenem einfach nicht vorübergehen, ohne es zu lesen, und wenn es nur eine Zeile in einer Hauswand ist. Tarberts Buchhandlungen sind wie der Ort selber, sie scheinen übrig geblieben aus einer Zeit, als es zum Schreiben noch Papier und Stifte statt Tastaturen brauchte. Die Schreibutensilien gibt es immer noch. Und daneben zwei Regale mit Büchern über Inseln: THE VOICES OF ISLAY mit Geschichten derer, die zu Zeiten der alten Whiskybrenner noch lebten. THE ISLAND OF THE TIDES, SALT ON YOUR TONGUE. Und ein Buch über die Insel Aran, an der wir morgen entlangsegeln werden. Gedrucktes Fernweh, ein leises sich Stemmen der Bücher gegen die Myriadender Bilder, die sich aus Smartphones, Tablets, Fernsehern über die Welt ergießen.

Es ist spät, als wir dann ins STARFISH kommen, das Fischrestaurant, von dem nicht nur die Schleusenwärterin von Lochgilphead schwärmt. Das STARFISH ist nun wie der Eintritt in die moderne Welt. Makrelenpaste, steht an der Tafel über der Bar. Und Hummus. Und Jakobsmuscheln auf Kohlpüree mit Curry-Öl. Und jede Menge anderer Kombinationen aus heimischem Fisch und fernen Dingen, die so gar nicht passen mögen zum verschlafenen Tarbert oder der schottischen Küche.

Wo der Koch sein Handwerk lernte? Die Frauen, die das Restaurant betreiben, sehen alle aus, als kämen sie aus der Gegend. Nicht hipp, aber kernig. Als ich die Kellnerin frage, ob keine Männer hier arbeiten würden, sagt sie: Die würden gerade an der Bar warten, bis ihre Frauen mit der Arbeit fertig seien hier im Restaurant. Aber ich hätte richtig beobachtet: Das STARFISH wurde von Frauen gegründet. Und die stellten tatsächlich irgendwann fest, dass es einfach besser funktionieren würde, wenn sie unter sich blieben. Und alles so bliebe, wie es gerade ist. Tatsächlich gehen die Frauen untereinander nicht nur achtsam um, sondern auch mit den Gästen.

Vielleicht stimmt wieder einmal der alte Spruch: „Die Dinge müssen sich ändern, wenn alles so bleiben soll, wie es ist.“ Am nächsten Tag will ich noch einmal ins STARFISH. Ich will rauskriegen, was die Geschichte des STARFISH ist und das Geheimnis der Frauen, die ihr Restaurant zu einem Erfolg machen an einem Ort, wo Verschlafenheit regiert. Doch am Nachmittag ziehen Südwest-Böen heran. Keine Chance, noch an Land zu kommen, wir bleiben, wo wir sind, wild schwingt Levje hin und her in den wütenden Schauern. Ich will weiter ins 8 Stunden entfernte Glasgow. Die Geschichte eines ungewöhnlichen Restaurants muss für diesmal ungeschrieben bleiben.

Von England nach Irland und Schottland (30): Tarbert und das Restaurant der Frauen.

Es war die rothaarige Schleusenwärtin auf dem Crinan-Canal gewesen, die den Ort Tarbert zum ersten Mal erwähnte. Und ihre Antwort auf die Frage, wo man denn abends guten Fisch bekäme. „Tarbert“, sagt sie. „Geht ins Starfish nach Tarbert. Das ist 2 Segelstunden südlich von hier, von der letzten Schleuse. Segelt einfach den Loch Fyne hinunter, und dann liegt Tarbert an Steuerbord.“ Und weil uns noch zwei weitere Schleusenwärter, junge Kerls an der Kurbel, um die Schleusentore zu schließen und das Wasser in die Kammern sprudeln zu lassen, dieselbe Antwort geben, segeln wir nach Tarbert.

Wir sind k.o. nach dem langen Tag in den Schleusen des Crinan-Canal, doch der Loch Fyne geht behutsam um mit uns. Heute jedenfalls ist das Segeln auf dem Loch Fyne wie ein Segelsonntag auf den bayrischen Seen. Ein milder West, der Levje über den wellenlosen See sachte, doch rasch schnüren lässt, bis eine Fähre den Loch quert und vor uns in einen schmalen Kanal zwischen den Hügeln einbiegt, sonst hätten wir fast die Einfahrt nach Tarbert verpasst. Vor der Marina liegen ein paar Bojen in einer hübschen Bucht, also flugs da angelegt und für den Abend hinübergerudert und um die Bucht gewandert. 

Tarbert? Hat alles, was ein vergessenes Hafenstädtchen ausmacht. Und die Schönheit des schottischen August. Die Burg. Den Schlick. Das leuchtende Grün der Hänge, bevor der nächste feine Sprühregen einsetzt. Den Geruch nach Meer, wo der zum Hotelschiff umgebaute dickbauchige Frachter wie eine Kröte vor der Pier hockt, wenn er nicht gerade zweimal täglich von der Flut sanft angehoben wird.

Am nächsten Tag stromern wir durch den Ort. Wie immer tun es mir die Buchhandlungen an, ich kann an Gedrucktem, Geschriebenem einfach nicht vorübergehen, ohne es zu lesen, und wenn es nur eine Zeile in einer Hauswand ist. Tarberts Buchhandlungen sind wie der Ort selber, sie scheinen übrig geblieben aus einer Zeit, als es zum Schreiben noch Papier und Stifte statt Tastaturen brauchte. Die Schreibutensilien gibt es immer noch. Und daneben zwei Regale mit Büchern über Inseln: THE VOICES OF ISLAY mit Geschichten derer, die zu Zeiten der alten Whiskybrenner noch lebten. THE ISLAND OF THE TIDES, SALT ON YOUR TONGUE. Und ein Buch über die Insel Aran, an der wir morgen entlangsegeln werden. Gedrucktes Fernweh, ein leises sich Stemmen der Bücher gegen die Myriadender Bilder, die sich aus Smartphones, Tablets, Fernsehern über die Welt ergießen.

Es ist spät, als wir dann ins STARFISH kommen, das Fischrestaurant, von dem nicht nur die Schleusenwärterin von Lochgilphead schwärmt. Das STARFISH ist nun wie der Eintritt in die moderne Welt. Makrelenpaste, steht an der Tafel über der Bar. Und Hummus. Und Jakobsmuscheln auf Kohlpüree mit Curry-Öl. Und jede Menge anderer Kombinationen aus heimischem Fisch und fernen Dingen, die so gar nicht passen mögen zum verschlafenen Tarbert oder der schottischen Küche.

Wo der Koch sein Handwerk lernte? Die Frauen, die das Restaurant betreiben, sehen alle aus, als kämen sie aus der Gegend. Nicht hipp, aber kernig. Als ich die Kellnerin frage, ob keine Männer hier arbeiten würden, sagt sie: Die würden gerade an der Bar warten, bis ihre Frauen mit der Arbeit fertig seien hier im Restaurant. Aber ich hätte richtig beobachtet: Das STARFISH wurde von Frauen gegründet. Und die stellten tatsächlich irgendwann fest, dass es einfach besser funktionieren würde, wenn sie unter sich blieben. Und alles so bliebe, wie es gerade ist. Tatsächlich gehen die Frauen untereinander nicht nur achtsam um, sondern auch mit den Gästen.

Vielleicht stimmt wieder einmal der alte Spruch: „Die Dinge müssen sich ändern, wenn alles so bleiben soll, wie es ist.“ Am nächsten Tag will ich noch einmal ins STARFISH. Ich will rauskriegen, was die Geschichte des STARFISH ist und das Geheimnis der Frauen, die ihr Restaurant zu einem Erfolg machen an einem Ort, wo Verschlafenheit regiert. Doch am Nachmittag ziehen Südwest-Böen heran. Keine Chance, noch an Land zu kommen, wir bleiben, wo wir sind, wild schwingt Levje hin und her in den wütenden Schauern. Ich will weiter ins 8 Stunden entfernte Glasgow. Die Geschichte eines ungewöhnlichen Restaurants muss für diesmal ungeschrieben bleiben.

Schön – schöner – Tikehau

Mo., 08.Sep.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Tikehau, Tag 1925, 18.584 sm von HH

Wasser – fabelhaft
Strand – märchenhaft
Inseln am Horizont – traumhaft
Haie am Ufer – sagenhaft

 

Nichts für Türkis-Allergiker – Motu auf dem Saumriff

Hai auf Patrouille am Prinzesinnen-Strand

Auf Tikehau kann man nur ‚Superlativ‘ sprechen. Die klassischen Südsee-Klischees werden aufs Beste erfüllt. Ein wahrer Südsee-Traum. Und um dem Ganzen noch einen oben drauf zu setzen, ist der Strand zart rosa gefärbt. Ein echter Prinzessinnen-Strand.

Strand von Tikehau

Während wir auf die Heilung von Achims Fuß warten, ankern wir vor der ‚Hauptinsel‘ Tuherahera. Viel ist nicht los, obwohl es ein paar Pensionen mit einer Handvoll Touristen gibt. Wir finden zwei Snackbars, die aber nur tagsüber geöffnet haben. Um abends essen zu gehen, müssten wir es wahrscheinlich in einem der Gästehäuser versuchen. Darauf haben wir bislang verzichtet.
Die fünfhundert Einwohner wohnen weit auseinander gezogen in schnieken Häusern, mit schnieken Gärten und schnieke gefegter Straßenfront. Zwei kleine Läden, eine Polizeistation, die Post und eine Notunterkunft, mehr öffentliche Gebäude gibt es nicht. Vor über hundert Jahren ist Tikehau zuletzt von einem Zyklon getroffen worden. Tuherahera wurde dabei schwer verwüstet, das Dorf am anderen Ende der Insel wieder aufgebaut. Heute gibt es für den Ernstfall eine Notunterkunft auf Stelzen.

Typisches Wohnhaus auf Tikehau

Notunterkunft bei Zyklon-Warnung

nette Anwesen

Eine von zwei Dorfkirchen

Zwei bis drei Maschinen laden täglich auf Tikehau

Die Insel ist knapp drei Kilometer lang und schnell erkundet. Türkis im Norden, Türkis im Süden, Türkis im Westen. Nur der Osten ist tiefblau am Außenriff.
Am Ankerplatz scheinen die Seeschwalben von unten türkis von der Reflektion der Lagune. Türkis, soweit das Auge reicht. Wer eine ‚Türkis-Allergie‘ hat, sollte Tikehau meiden.

Und abends, wenn die Farben erloschen sind, brennt die Insel ein anderes Feuerwerk ab. Der Duft der Frangipani-Blüten wabert schwer zu uns herüber. Die Duftintensität nimmt zum Abend zu, um Nachtfalter anzulocken. Blumige Noten, wie Jasmin- und Rosenduft; Vanille und Mandel; die fruchtigen Noten haben einen Hauch Zitrone und Waldmeister. Ein sinnlicher Duft, exotisch. So muss Südsee riechen.

Frangipani – perfekte, immer fünfblättrige Blüte mit betörendem Duft.

Besuch im Medic-Center

Mo., 01.Sep.19, Franz.Polyn./Tuamotu/Insel Tikehau, Tag 1918, 18.584 sm von HH

Die Verletzung am Fuß hat Achim schon aus Tahiti mitgebracht. Ein harmloser Ratscher, der sich, wie es gerne in den Tropen passiert, entzündet hat. Wir bekommen die Entzündung aber alleine nicht in den Griff. „Du reinigst zu zaghaft und du musst die faule Haut entfernen“. Ich kann nur kluge Ratschläge geben. Um herzhaft die Wunde zu reinigen, während sich der Patient vor Schmerzen windet, bin ich zu weich.
In den letzten Tagen hat die Infektion ein schönes Loch in Achims Hacke gefressen. Jetzt müssen Profis ran, bevor ihm der Fuß abfault. Auf zum Gesundheits-Zentrum.

Tikehau hat fünfhundert Einwohner. Ein Krankenhaus oder Arzt gibt es nicht. Aber zwei Krankenschwestern, die vormittags zwei Stunden geöffnet haben. Man muss draußen vor der Tür warten. Holzbänke stehen im Schatten und Aushänge informieren über das schlimmste Krankheitsrisiko auf Tikehau: Diabetes. Die Polynesier mögen gerne Süßes und noch lieber Fettes. Pommes sind ihr absoluter Favorit. Ein beliebter Pizza-Belag sind Pommes und es gibt tatsächlich Baguette belegt nur mit Pommes, Mayo und Ketchup. Ohne Quatsch, die reine Wahrheit.

Starkes Übergewicht ist die Regel, nicht die Ausnahme. Eine Ernährungs-Pyramide erklärt gesunde Nahrung. Wo der geneigte Polynesier allerdings das empfohlene Obst und Gemüse herbekommen soll, ist mir schleierhaft. In den zwei Mikro-Läden konnte ich bisher nur Zwiebeln entdecken. Selbst nach der Ankunft des Versorgungs-Schiffes fehlt der übliche Kohl und die Möhren. Da ist es einfacher die Pommes aus der Tiefkühltruhe in die Fritteuse zu werfen und mit einer Cola runter zu spülen.

Vor der Tür des Medic-Centers warten schon die Patienten des Tages. Wir sind an fünfter Stelle dran. So denken wir. Ein Patient wird aufgerufen. Noch vier vor uns. Es geht nicht voran. Weitere Patienten treffen ein, gesellen sich zu uns auf die kleine Veranda. Es wird geschwätzt und gelacht, man kennt sich. Gesprochen wird ausschließlich Tahitianisch, Französisch scheint verpönt.
Die Patienten werden nach dem Lifo-Prinzip abgearbeitet: last in – first out. Alle, die nach uns kommen, sind vor uns dran. Die vier, die schon da waren, müssen ebenfalls warten. Das beruhigt uns. Aber ein Prinzip in der Reihenfolge können wir nicht feststellen. Nach zwei Stunden sind wir die Vorletzten sind, die aufgerufen werden.

Gesundheits-Zentrum auf Tikehau

Die beiden Krankenschwestern sind bewandert in der Behandlung von Tropen-Entzündungen. „Kein Fieber, kein Antibiotikum“, so lautet ihre Diagnose. „Nur einmal am Tag reinigen“, lautet die Therapie, „und nicht nass werden lassen“! Die Wunde wird gereinigt und hübsch verbunden. Achim bekommt noch für fünf Tage Verbandmaterial und in Parafin getränktes Wund-Pflaster mit. „Dann sollte die Entzündung verschwunden sein“. Genau wie die Einheimischen brauchen wir weder für Behandlung noch für Verbandmaterial etwas bezahlen.

Fünf Tage später ist die Infektion tatsächlich verschwunden. Jetzt ist nur noch das Loch mit gesundem rohen Fleisch zu sehen. Also weiter Bade-Verbot. Schon blöd. Da schwimmen wir in einem See aus geschmolzenem Türkis und einer von uns darf nicht hinein.

Besser geht nicht – perfektes Wasser und der Lange darf nicht rein

Die 28. Neuerscheinung bei millemari. Aus der Werkstatt: Vom Spaß, unvernünftig zu sein und einen Verlag zu gründen.

Vor fünf Jahren gründeten wir millemari.
Zum Jubiläum gibts jetzt millemari.s
allererste Neuerscheinung als Hörbuch
– gelesen vom schlechtesten Sprecher der Welt.

Ein verregnetes Wochenende vor zwei Jahren. Susanne Guidera, die mit mir drei Jahre zuvor den Verlag millemari. gegründet hatte, kam – typisch Frau! – vom samstäglichen City-Shopping mit einem guten Mikrofon und einer faltbare Sprecherkabine zurück ins Büro. Sie meinte, statt in den Regen zu schauen, könnten wir doch einfach mal ein Hörbuch aufnehmen. Als Text sollte das erste Buch dienen, das bei millemari. erschienen war.  Band Nr. 1. Das Buch, mit dem millemari. begonnen hatte 2014: EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE.

Die Tonspur, die bei dieser mehrtägigen Sitzung entstand, lag dann erst mal zwei Jahre rum. Keiner kam dazu, was draus zu machen. 

Aber bei Dingen, an die sie glaubt, besitzt Susanne die Zähigkeit des Terriers. Als Jacopo Moratto, ihr neuer italienischer Praktikant in ihr Büro schneite, witterte sie ihre Chance. Jacopo spricht kaum Deutsch, aber weil Jacopo davon träumt, in seiner Heimat Pop-Sänger zu werden, kennt er sich mit Tonspuren aus. Also verbrachte Jacopo seine Zeit damit, die alte Tonspur zu putzen und all die gesammelten Räusperer, Hüpfer, Schlucker und Giekser des wohl ungeeignetsten Sprechers der Welt aus unserer Aufnahme rauszupolieren. Doch statt von der Tätigkeit angeödet zu sein, weil er vom Inhalt so gut wie nichts verstand, war Jacopo fasziniert von der Art des Sprechers. Er putzte und schrubbte zwei Wochen unermüdlich, bis die Tonspur sauber war. Dann überraschte mich Susanne mit all dem und schickte mir das obenstehende Cover.

Warum ich das erzähle? Es sagt mehr als alles aus, warum wir machen, was wir machen. Weil wir wie beim Segeln lieber „Einfach machen und ausprobieren“ als vom perfekten Törn auf dem perfekten Boot zu träumen. Träume sind wichtig. Aufs Meer gehen, draußen unterwegs sein, ist noch wichtiger.

Und damit ist auch schon alles über den Inhalt meines Buches gesagt.

Danke, Susanne, für 5 spannende Jahre –
th.

PS: Ich würd ja jetzt gern in gutem Marketing-Deutsch was von LIMITED EDITION und so faseln. Politik und Marketing haben die Neigung zu Unwahrheit oder gar Lüge gemeinsam. Ich lass es also lieber. Und preise lieber den ungeeignetsten Sprecher der Welt an: 

-> Hörprobe gefällig? Hier klicken!

Die 28. Neuerscheinung bei millemari. Aus der Werkstatt: Vom Spaß, unvernünftig zu sein und einen Verlag zu gründen.

Vor fünf Jahren gründeten wir millemari.
Zum Jubiläum gibts jetzt millemari.s
Neuerscheinung Nr. 1 als Hörbuch
– gelesen vom ungeeignetsten Sprecher der Welt.

Ein verregnetes Wochenende vor zwei Jahren. Susanne Guidera, die mit mir drei Jahre zuvor den Verlag millemari. gegründet hatte, kam – typisch Frau! – vom samstäglichen City-Shopping mit einem guten Mikrofon und einer faltbare Sprecherkabine zurück ins Büro. Sie meinte, statt in den Regen zu schauen, könnten wir doch einfach mal ein Hörbuch aufnehmen. Als Text sollte das erste Buch dienen, das bei millemari. erschienen war.  Band Nr. 1. Das Buch, mit dem millemari. begonnen hatte 2014: EINMAL MÜNCHEN – ANTALYA, BITTE.

Die Tonspur, die bei dieser mehrtägigen Sitzung entstand, lag dann erst mal zwei Jahre rum. Keiner kam dazu, was draus zu machen. 

Aber bei Dingen, an die sie glaubt, besitzt Susanne die Zähigkeit des Terriers. Als Jacopo Moratto, ihr neuer italienischer Praktikant in ihr Büro schneite, witterte sie ihre Chance. Jacopo spricht kaum Deutsch, aber weil Jacopo davon träumt, in seiner Heimat Pop-Sänger zu werden, kennt er sich mit Tonspuren aus. Also verbrachte Jacopo seine Zeit damit, die alte Tonspur zu putzen und all die gesammelten Räusperer, Hüpfer, Schlucker und Giekser des wohl ungeeignetsten Sprechers der Welt aus unserer Aufnahme rauszupolieren. Doch statt von der Tätigkeit angeödet zu sein, weil er vom Inhalt so gut wie nichts verstand, war Jacopo fasziniert von der Art des Sprechers. Er putzte und schrubbte zwei Wochen unermüdlich, bis die Tonspur sauber war. Dann überraschte mich Susanne mit all dem und schickte mir das obenstehende Cover.

Warum ich das erzähle? Es sagt mehr als alles aus, warum wir machen, was wir machen. Weil wir wie beim Segeln lieber „Einfach machen und ausprobieren“ als vom perfekten Törn auf dem perfekten Boot zu träumen. Träume sind wichtig. Aufs Meer gehen, draußen unterwegs sein, ist noch wichtiger.

Und damit ist auch schon alles über den Inhalt meines Buches gesagt.

Danke, Susanne, für 5 spannende Jahre –
th.

PS: Ich würd ja jetzt gern in gutem Marketing-Deutsch was von LIMITED EDITION und so faseln. Politik und Marketing haben die Neigung zu Unwahrheit oder gar Lüge gemeinsam. Ich lass es also lieber. Und preise lieber den ungeeignetsten Sprecher der Welt an: 

-> Hörprobe gefällig? Hier klicken!

PPS: Ganz ohne Marketing geht nicht. Vollständigkeit halber seien unsere beiden anderen Hörbücher erwähnt. Ich habe der Versuchung widerstanden, sie ebenfalls einzulesen – dafür konnte Susanne  echte Profisprecher gewinnen:


-> Hörprobe STURM gefällig? Hier klicken!


-> Hörprobe AM BERG gefällig? Hier klicken!

GGR 2044 – Neues aus der Manege

REGELN NACH GUTSHERRENART

News aus der Manege

Von England nach Irland und Schottland (29): Unterwegs auf dem Crinan-Kanal.

„Und wenn Ihr mit Eurem Schiff irgendwo aufsetzt: Kein Problem. Einfach anrufen!“, sagt die Schleusenwärterin an der Einfahrt in den Kanal. „Wir können jeden Abschnitt bei Bedarf fluten. Dann seid Ihr gleich wieder flott!“

Sie meint es gut mit mir. Dabei hatte ich sie bloß arglos gefragt, ob Levjes 2-Meter-Tiefgang ein Problem wären im Kanal. „Eigentlich nicht“, meinte sie, „bis 2,30 Meter geht immer. Mehr Tiefgang nur nach Anmeldung.“ Tröstlich zu wissen, dass ich die nächsten Stunden immer 30 Zentimeter unterm Kiel haben werde auf der etwa 8 Stunden langen Fahrt, die die 50 Kilometer lange Halbinsel Mull einmal quer durchschneidet.

Wie sich das anfühlt? Anfangs ein bisschen, als würde man über rohe Eier laufen, die jeden Moment unter den Füssen zerbrechen können. Aber kaum liegen die ersten beiden Schleusen hinter mir, bin ich wieder da, wo ich vor drei Jahrzehnten war: Beim Gefühl, hier auf einem Paddelboot entlangzufahren. Ein langsames Gleiten durch eine unbewegte Flusslandschaft. Mit jedem einzelnen Paddelschlag das Gefühl, ein störender Eindringling zu sein in dem tiefen Frieden, der über dem Fluss liegt. Auf seinen ersten Metern hinter den Schleusen von Crinan ist der Kanal nichts anderes als das, was ich einst auf der auf der Themse kurz vor Oxford oder auf der Loire fand: Ein friedliches Flüsschen, das sachte durch Hecken und Gesträuch kriecht – als gäbe es 50 Meter weiter entfernt kein wildes Meer, keine Strömungen, keinen Strom vor Corryvreckan.

Etwas flau ist mir anfangs schon in der 3-Meter tiefen Badewanne, sie ist eng zwischen den Sträuchern. Levje kommt mir vor wie ein Supertanker. Fragen nagen allerdings an meiner Behaglichkeit hinter dem Steuerrad. „Was mach ich,

wenn ich Levjes 11,30 Meter zwischen den Hecken drehen muss?“
Oder: „Was tu ich, wenn mir in der Enge um die Ecke ein Motorboot entgegenrauscht?“

Schnell husche ich nach unten. Da wo Leckstopfen und Signalraketen lagern, liegt auch Trump. Trump fährt seit Jahren auf Levje mit. Trump kann verdammt laut, lauter als alle, die ich kenne.


Und wenn Trump sich einmal bemerkbar macht, kann das keiner überhören. Trump ist unignorierbar, Trump ist ein Genie darin, unüberhörbar zu sein, solange, bis Gehör und Gehirn sich wund anfühlen. Das Beste: Trump „nutzt sich nicht ab“, „ist schwimmfähig“ und „rostet nicht“. Nur dass Trump umweltfreundlich ist, glaub ich noch nicht ganz.

Aber hier im praktischen Leben des Crinan-Kanals ist Trump nur bedingt eine Hilfe. Das merke ich gleichan der ersten Brücke. Sie ist zu. Und sie bleibt zu. Selbst nachdem ich dreimal kräftig in Trump gepustet habe, passiert eine Viertelstunde lang nichts. Trump verhallt einfach ungehört. Nur der schlappohrige Köter im Cottage am Ufer beginnt zu jaulen. Erst der Griff zum Smartphone bringt Bewegung in die Brücke vor uns. Ein Schleusenwärter kommt angefahren, packt seine wuchtige Kurbel aus und winscht die Brücke einfach auf zur Seite. Luxuriös, wenn das von hier ab so weitergeht auf dem 6 Seemeilen langen Kanal zwischen den Schleusen von Crinan und dem kleinen Städtchen Lochgilphead im Osten.

Sie ist mal beschaulich, die Fahrt durchs Schilf. Und dann sorgt sie wieder für erhabenen Weitblick. Das Meer, über das wir eben noch fuhren, liegt jetzt 25 Höhenmeter unter uns.

Wie die Bergwanderer werden wir belohnt mit – ja: Fernsicht. Und Weitblick. 

Als knackig sind dann doch die 16 Schleusen, die man auf dem langen Weg erst rauf über die Anhöhen der Halbinsel Mull, dann wieder runter zu bewältigen hat. Denn sooooo luxuriös, wie wir noch an der Drehbrücke dachten, ist das alles nicht, denn ab dort sind wir auf uns allein gestellt.

Drei Mann auf einem Boot sind gerade richtig, um in der Schleuse zurechtzukommen. Zwei Mann, um die Leinen des Bootes in der Schleuse zu bedienen und dafür zu sorgen, dass das Boot im rauschenden Torfwassersprudel in der Schleuse nicht hilflos vertreibt. Und ein Mann, der am Schleusentor fürs Leeren und Füllen der Schleusenkammern per Kurbel zuständig ist.

Sven übernimmt das für uns. Aber irgendwann sind wir so eingespielt, dass Sven gar nicht mehr an Bord kommt, sondern am Land den Stress mit den Schleusentore übernimmt.

Denn neben dem Bedienen der großen Kurbel fürs Leeren und Füllen ist vor allem das Öffnen und Schließen der wuchtigen Schleusentore an den langen Balkenauslegern Sklavenarbeit. Das kostet mächtig Kraft, die langen Hebelarme  im Viertelkreis zu bewegen. Schon bald bleibt Sven nur noch an Land, rennt nach hinten, um die Tore wieder zu schließen,  sobald wir draußen sind. Und spurtet dann voraus zur nächsten Kammer, um mit einem von der Straße weg requirierten Fahrradfahrer die Schleusentore aufzuwuchten. Die langen schwarzen Hebeldinger habens in sich und sorgen dafür, dass der trainierte Bergfex Sven am Abend müde auf die Koje sinken wird..

Nein. Allein mit den langen Hebeln wäre der Einhandsegler hoffnungslos überfordert. Spätestens an einer der Schleusen im hinteren Drittel denke ich an Susanne Radlach, die Einhandseglerin, die sich einhand mit ihrer Segelyacht MISTRAL über 300 solcher Schleusen (in Worten: Dreihundert!!!) einen halben Sommer vom Rhein bis zur Rhone ins Mittelmeer geschleust hatte. „Nein“, hatte Susanne Radlach unschuldig erzählt, als wir uns in einer Bucht auf Menorca letztes Jahr begegneten, „ich hab die Fahrt über die Schleusen genossen“. Dabei sah ich in Port du Rhone schon Skipper weinen, die nach 300 Schleusen so erledigt waren, dass sie den Traum von der großen Segelreise einfach in den Wind schlugen und entnervt nach Hause reisten. 

Aber anstrengend ist das mit den Schleusen allemal. Als wir aus der letzten Schleuse in Lochguilphead von der Höhe ein letztes Mal hinunterschauen aufs offene Meer, spüre auch ich die Anstrengung des Tages.

Am Ende meines Tages durch den Crinan-Kanal – und es gibt vier solcher für Segelyachten schiffbarer Kanäle durch Schottland – ziehe ich mein Fazit:
Es ist tatsächlich eine enorme Zeitersparnis, diese Abkürzung „über Land“ zu nehmen. Mit diesen 6 Seemeilen erspart man sich 100 Seemeilen um die Halbinsel Mull herum. 
Doch ich war froh um zwei Mann Begleitung, einhand wäre das gleichzeitige Schleusenbedienen, Leinenarbeit und Boot bewegen nur umständlich und zeitraubend machbar gewesen. Ich wäre in der Schleuse zum Verkehrshindernis für andere geworden. 
Die Warterei hat auch ihr Gutes: In der Enge der Schleusenkammer kommt man sich näher. Ein Plausch mit der rothaarigen Schleusenwärterin über ihr Leben als Mutter und Schleusenwärterin. Ein „Woher? Wohin?“mit dem schottischen Nachbarskipper – wie immer im Leben schafft Mühsal Gemeinsamkeit und Vertrautheit, die man so selbst im Hafen selten findet.

Manche der Schleusentore sind technisch in schlechtem Zustand – und nicht nur die, die die Jahreszahl 18-Hundertirgendwas tragen. Sie allein zu bewegen, ist gelegentlich unmöglich. Allerdings bieten jüngere „Pilots“ an Schleusen ihre Dienste an. Zum ohnehin nicht günstigen Preis von 160 Pfund für die einfache (!) Fahrt, für die wir 8 Stunden brauchten, kommen dann noch Entlohnung für die Pilots dazu.
Fazit: Wie schon der Kanal von Korinth ist auch der Crinan Kanal ein Vergnügen – wenngleich es seinen Preis hat.

Doch ich habe den Tag binnen sehr genossen. Nicht zuletzt wegen der Fernsicht. Und des Paddelboot-Feelings.

Von England nach Irland und Schottland (29): Unterwegs auf dem Crinan-Kanal.

„Und wenn Ihr mit Eurem Schiff irgendwo aufsetzt: Kein Problem. Einfach anrufen!“, sagt die Schleusenwärterin an der Einfahrt in den Kanal. „Wir können jeden Abschnitt bei Bedarf fluten. Dann seid Ihr gleich wieder flott!“

Sie meint es gut mit mir. Dabei hatte ich sie bloß arglos gefragt, ob Levjes 2-Meter-Tiefgang ein Problem wären im Kanal. „Eigentlich nicht“, meinte sie, „bis 2,30 Meter geht immer. Mehr Tiefgang nur nach Anmeldung.“ Tröstlich zu wissen, dass ich die nächsten Stunden immer 30 Zentimeter unterm Kiel haben werde auf der etwa 8 Stunden langen Fahrt, die die 50 Kilometer lange Halbinsel Kintyre einmal quer durchschneidet.

Wie sich das anfühlt? Auf den ersten Metern so, als würde ich über rohe Eier laufen, die jeden Moment unter den Füssen zerbrechen können. Aber kaum liegen die ersten beiden Schleusen hinter mir, bin ich wieder da, wo ich vor drei Jahrzehnten war: Beim Gefühl, hier auf einem Paddelboot entlangzufahren. Ein langsames Gleiten durch eine unbewegte Flusslandschaft. Mit jedem einzelnen Paddelschlag das Gefühl, ein störender Eindringling zu sein in dem tiefen Frieden, der über dem Fluss liegt. Auf seinen ersten Metern hinter den Schleusen von Crinan ist der Kanal nichts anderes als das, was ich einst auf der auf der Themse kurz vor Oxford oder auf der Loire fand: Ein friedliches Flüsschen, das sachte durch Hecken und Gesträuch kriecht – als gäbe es 50 Meter weiter entfernt kein wildes Meer, keine Strömungen, keinen Strom vor Corryvreckan.

Der Crinan-Kanal ist ein Veteran unter den Kanälen. Erdacht und ergraben, als britische Schiffe auf See gegen Napoleons Seeblockade kämpften, vor mehr als 200 Jahren. Und deshalb in weiten Teilen auch so geblieben, wie er um 1794 begonnen worden war. Mehr ein wasserspeisender schmaler und nicht tiefer Kanal durch einen königlichen Schlosspark. Etwas flau ist mir schon in der 2,50 Meter tiefen Badewanne, auf den ersten Metern ist sie eng zwischen den Sträuchern. Levje kommt mir vor wie ein Supertanker. Fragen kratzen allerdings an meiner Beschaulichkeit hinter dem Steuerrad. „Was mach ich, wenn ich Levjes 11,30 Meter zwischen den Hecken drehen muss?“
Oder: „Was tu ich, wenn mir in der Enge um die Ecke ein Motorboot mit Karracho entgegenrauscht?“

Schnell husche ich nach unten. Da wo Leckstopfen und Signalraketen lagern, liegt auch Trump. Trump fährt seit Jahrzehnten mit. Trump war immer schon da. Trump kann verdammt laut, lauter als alle, die ich kenne.


Und wenn Trump sich einmal bemerkbar macht, kann das keiner überhören. Trump ist unignorierbar, Trump ist ein Genie darin, unüberhörbar zu sein, solange, bis Gehör und Gehirn sich wund anfühlen. Das Beste: Trump „nutzt sich nicht ab“, „ist schwimmfähig“ und „rostet nicht“. Nur dass Trump umweltfreundlich ist, wie auf der Verpackungsröhre steht, glaub ich noch nicht ganz.

Aber hier im praktischen Leben des Crinan-Kanals ist Trump nur bedingt eine Hilfe. Das merke ich gleich an der ersten Brücke. Sie ist zu. Und sie bleibt zu. Wir eiern im engen Kanal herum, selbst nachdem ich dreimal kräftig in Trump gepustet habe, passiert eine Viertelstunde lang nichts. In Schottland verhallt Trump ungehört. Nur der schlappohrige Köter im Cottage am Ufer beginnt zu jaulen. Erst der Griff zum Smartphone bringt Bewegung in die Brücke vor uns. Ein Schleusenwärter kommt angefahren, packt seine wuchtige Kurbel aus und winscht die Brücke einfach auf zur Seite. Luxuriös, wenn das von hier ab so weitergeht auf dem 6 Seemeilen langen Kanal zwischen den Schleusen von Crinan und dem kleinen Städtchen Lochgilphead im Osten.

Sie ist mal beschaulich, die Fahrt durchs Schilf. Mal beschert sie erhabene Weitblicke, wenn sich zur Linken unter uns das Meer auftut, über das wir eben noch fuhren. Es liegt jetzt 20 Höhenmeter unter uns. Und die im Mittelmeer so beliebten PS-starken Schlauchboot-Monster? Sie fehlen nicht nur auf dem Crinan-Kanal. Sie fehlen auch auf den südenglischen oder irischen Flüssen wie River Dart oder River Barrow, auf denen ich fuhr – es gibt sie hier einfach noch nicht. Ist es fehlendes Kleingeld? Oder tatsächlich die Lust an der Beschaulichkeit?

Wie die Bergwanderer werden wir belohnt mit Stille. Und mit: Fernsicht. Und Weitblick. 

Als knackig erweisen sich aber die 16 Schleusen, die man auf dem langen Weg erst rauf über die Anhöhen der Halbinsel Kintyre, dann wieder runter zu bewältigen hat. Denn sooooo luxuriös, wie wir noch an der Drehbrücke dachten, ist das alles nicht, denn ab dort sind wir auf uns allein gestellt.

Drei Paar erfahrene Hände auf einem Boot sind gerade richtig, um in der Schleuse zurechtzukommen. Zwei Kräfte an Deck, um an Bug und Heck die Leinen des Bootes in der Schleuse zu bedienen und dafür zu sorgen, dass das Boot im Gesprudel des torbraunen Wassers in der Schleuse nicht hilflos vertreibt. Und ein Mann, der am Schleusentor fürs Leeren und Füllen der Schleusenkammern per Kurbel zuständig ist.

Sven übernimmt das für uns, während Ida und ich an Deck die Leinen fieren. Irgendwann sind wir so eingespielt, dass Sven gar nicht mehr an Bord kommt, sondern an Land den Stress mit den Schleusentore übernimmt. Bis zur Erschöpfung schwingt er im blauen Shirt die Kurbel oder wuchtet zwei Paar Schleusentore auf- und zu.

Denn neben dem Bedienen der großen Kurbel fürs Leeren und Füllen ist vor allem das Öffnen und Schließen der wuchtigen Schleusentore an den langen Balkenauslegern Sklavenarbeit. Das kostet mächtig Kraft, die langen Hebelarme  im Viertelkreis zu bewegen. Schon bald bleibt Sven nur noch an Land, rennt nach hinten, um die Tore wieder zu schließen, sobald wir draußen sind. Und spurtet dann voraus zur nächsten Kammer, um mit einem von der Straße weg requirierten Fahrradfahrer die Schleusentore aufzustemmen. Die langen schwarzen Hebeldinger habens in sich und sorgen dafür, dass der trainierte Bergfex Sven am Abend müde auf die Koje sinken wird..

Nein. Allein mit den langen Hebeln wäre der Einhandsegler hoffnungslos überfordert. Spätestens an einer der Schleusen im hinteren Drittel denke ich an Susanne Radlach, die Einhandseglerin, die sich ihre Segelyacht MISTRAL über 300 solcher Schleusen (in Worten: Dreihundert!!!) allein einen halben Sommer vom Rhein bis zur Rhone ins Mittelmeer geschleust hatte. „Nein“, hatte Susanne Radlach unschuldig erzählt, als wir uns in einer Bucht auf Menorca letztes Jahr begegneten, „ich hab die Fahrt über die Schleusen genossen“. Dabei sah ich in Port du Rhone schon Skipper weinen, die nach 300 Schleusen so erledigt waren, dass sie den Traum von der großen Segelreise einfach in den Wind schlugen und entnervt nach Hause reisten. 

Oder Klaus Aktoprak, der in seinem Buch Schärensegeln seine Fahrt auf dem Götakanal quer durch Südschweden beschreibt. Satte 58 Schleusen musste er einhand bewältigen und wusste hinterher, warum man den Götakanal auch „divorce ditch“ nennt, den „Scheidungsgraben“, in dem sich Mann und Frau auf einem Boot heillos über der Bedienung der Schleusen in die Haare geraten.

Anstrengend ist das mit den Schleusen allemal. Als wir am Spätnachmittag aus der letzten Schleuse in Lochguilphead von der Höhe ein letztes Mal hinunterschauen aufs offene Meer, spüre auch ich die Anstrengung des Tages.

Am Ende meines Tages durch den Crinan-Kanal – und es gibt vier solcher für Segelyachten schiffbarer Kanäle durch Schottland – ziehe ich mein Fazit:
Es ist tatsächlich eine enorme Zeitersparnis, diese Abkürzung „über Land“ zu nehmen. Mit diesen 6 Seemeilen erspart man sich 100 Seemeilen um die Halbinsel Kintyre und dessen Südende Mull of Kintyre, über dessen Strudel und Wildheit ich schrieb. 
Ich war froh um Sven und Ida. Einhand wäre das gleichzeitige Schleusenbedienen, Leinenarbeit und Boot bewegen nur umständlich und zeitraubend machbar gewesen. Ich wäre in der Schleuse zum zeitraubenden Verkehrshindernis für andere geworden. 
Die Warterei hat auch ihr Gutes: In der Enge der Schleusenkammer kommt man sich näher. Ein Plausch mit der rothaarigen Schleusenwärterin über ihr Leben als Mutter und Schleusenwärterin. Ein „Woher? Wohin?“mit dem Nachbarskipper aus Glasgow – wie immer im Leben schafft Mühsal Gemeinsamkeit und Vertrautheit, die man so selbst im Hafen selten findet.

Manche der Schleusentore sind technisch in schlechtem Zustand – und nicht nur die, die die Jahreszahl 18-Hundertirgendwas tragen. Sie allein zu bewegen, ist gelegentlich unmöglich. Allerdings bieten jüngere „Pilots“ an Schleusen ihre Dienste an. Zum ohnehin nicht günstigen Preis von 160 Pfund für die einfache (!) Fahrt, für die wir 8 Stunden brauchten, kommen dann noch Entlohnung für die Pilots dazu.
Fazit: Wie schon der Kanal von Korinth ist auch der Crinan Kanal ein Vergnügen – wenngleich es schon Anstrengung kostet und seinen Preis hat.

Doch ich habe den Tag binnen sehr genossen. Nicht zuletzt wegen der Fernsicht. Und des Paddelboot-Feelings.