Kategorie: Blogs

SV Madaris – Sabine + Peter Fehringer AT

WINDPILOT PACIFIC – 45 JAHRE ALT UND IMMER NOCH LEBENDIG

I found an old windpilot in a boatyard in greece, I bought it for 200€, another 200€ I spent for mounting gear. I mounted it on my sunbeam 30, the next 20 000 miles it steered over 90% sailing time, only when there was no wind the electric autopilot was in use. In this time I only had to invest in some lines. It steared above 8 kn of wind and also when there was more than 30 kn. Its still more important than a chart plotter, watermaker, AIS or other electronic gear.

Ich habe den Comment deswegen geschrieben, da ich vom System Windsteueranlage einfach überzeugt bin, aber heutzutage ist ja ein Wlanrouter an Bord wichtiger, als wirklich essenzielle Ausrüstung wie Ankergeschirr und Selbststeueranlage.

Obwohl ich 15 Jahre jünger bin als Du, denke ich oft, wohin die Entwicklung im Segelsport wohl noch führen wird. Immer wieder habe ich in Gesprächen das Gefühl, dass ein ziemlich hoher Prozentsatz gar nicht weiß, was ihnen alles passieren kann.
LG aus Wien
Peter Fehringer WEITERLESEN

SV Merlin – Torsten Agena GER

ATLANTIC EASTBOUND – PLEITEN PECH UND PANNEN

SV Mille Momenti – Havard Johnset NO

SEGLER HELFEN SEGLERN – ZUVERLÄSSIG

Kürzlich erreicht mich ein Anruf aus Porto Santo: Werner Müller von der SV WIND OF CHANGE ( OVNI 445 ) stellt mir die Frage, ob ich einem norwegischen Segler mit seiner BOREAL 44, der bei ihm längsseits im Hafen liegt, Service Tipps und vor allem ein englisches Handbuch geben könne. Innerhalb weniger Minuten entspann sich folgender Mailwechsel mit Werner und Havard:

Moin Werner,
Vielen Dank für Euer Engagement … ich habe meine Mail an die Jungs kopiert an Euch. Und da ich gerade so schön durch meine Datenbank spaziere, entdecke ich natuerlich, dass ich von Eurer schiucken OVNI auch noch keinerlei Fotos habe …
Es wäre nett, wenn Ihr das nachholt, denn dann kann ich die Lage kommentieren … und meinen Quark dazugeben. Abgesehen, dass ich ohnehin am liebsten von jedem Schiff mit Windpilot schicke Fotos hätte … amliebsten in traumhafter Kulisse …Madeira nehme ich auch…
Ach so, Whatssapp spiele ich nicht, genauso wenig wie FB und Co.
beste Gruesse
Peter

Und meine Mail an Havard zur gleichen Zeit:

Dear Havard,
it happens to me that I have had an extended communication about the BOREAL vessels with Jean-Francois Eeman of Boreal yesterday as we have fitted many BOREAL ( 44 and 47 )in the past successfully.

My question to you: please provide me with some picts showing the entire vessel incl. its transom ornament … and some picts showing the entire line transfer ready to go to sea. anabling me to provide improvement comments im necessary.

Please mind that the axis 340 will always have some clearance towards pendulum carriage, its one of the precondidtions to achieve perfect light air performnace even after years. You will need to know at this junction that any servo unit will have to provide active steering to one side of the heading only ( i.e. rudder to leeward! ) while any vessel will tend to the windward side on its own.

After geeting your input with picts you will get further advice
with kind regards from Hamburg!
Peter

Minuten später:

Thanks a lot for quick replay Peter and thanks a lot for putting us in contact and all help Werner!
 
I have used the Windpilot with very good result and performance for app 1 year ago, but after we encountered a force 9 gale a few months ago the Windpilot have not worked so well after that.. I have cleaned all moving parts with fresh water and sprayed with WD40. I will try to send the pictures but the WIFI is not the best her in PortoSanto☺
Thanks again and best regards!
Håvard Johnset

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SV Pamina – Conor O´Regan UK

CIRCUMNAVIGATION + 3 ATLANTIC CROSSINGS ON RIVAL 38

Hi Peter,
I have a Pacific, purchased in 2003 and which was the only self steering system I have used on a 3 year circumnavigation incl 3 transatlantic. I was wondering if you can supply a replacement red cap? The existing one has cracked and deteriorated.
Kind regards,
Conor WEITERLESEN

SV Madaris – Sabine + Peter Fehringer AT

WINDPILOT PACIFIC – 45 JAHRE ALT UND IMMER NOCH LEBENDIG

I found an old windpilot in a boatyard in greece, I bought it for 200€, another 200€ I spent for mounting gear. I mounted it on my sunbeam 30, the next 20 000 miles it steered over 90% sailing time, only when there was no wind the electric autopilot was in use. In this time I only had to invest in some lines. It steared above 8 kn of wind and also when there was more than 30 kn. Its still more important than a chart plotter, watermaker, AIS or other electronic gear.

Ich habe den Comment deswegen geschrieben, da ich vom System Windsteueranlage einfach überzeugt bin, aber heutzutage ist ja ein Wlanrouter an Bord wichtiger, als wirklich essenzielle Ausrüstung wie Ankergeschirr und Selbststeueranlage.

Obwohl ich 15 Jahre jünger bin als Du, denke ich oft, wohin die Entwicklung im Segelsport wohl noch führen wird. Immer wieder habe ich in Gesprächen das Gefühl, dass ein ziemlich hoher Prozentsatz gar nicht weiß, was ihnen alles passieren kann.
LG aus Wien
Peter Fehringer WEITERLESEN

Ile de Groix. Ein Hafen. Ein Fahrradverleiher. Und das Grab des Wikingers.

Mitte Mai bin ich in Sizilien gestartet, um einhand
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln. 
Eine von ihnen ist die Ile de Groix, nur wenig entfernt vom Hafen von Lorient.

Das mit den Inseln, es geht tiefer als ich dachte. Eigentlich hatte ich angenommen, mit meinem Buch über die vergessenen Inseln sei alles erledigt. Doch immer wieder bleibe ich auf dieser Reise um Westeuropa an Inseln hängen. An Inseln wie Groix, an Halbinseln wie Quiberon.

Dahinter steckt nicht nur mein Fasziniert-Sein, wenn Inseln sich spröde zeigen und einsam. Auf Inseln hat sich etwas erhalten, was auf dem Festland abhanden gekommen ist. Geschichte und Geschichten entdecke ich ursprünglicher als auf dem Festland, sie sind noch da, sind intensiver und noch nicht abgegriffen. Und sie hauen mich manchmal um, als wären Inseln ein Ort, an dem Geschichten nichts von ihrer Intensität verlieren. Wie das Schiff des Wikingers, dessen Reste ich auf der Ile Groix fand.

Ich war an einem frühen August-Nachmittag im Hafen von Groix angekommen. Pascal, der aussah wie ein Student und der einzige Marinero im Hafen war, hatte in seinem Dinghi alle Hände voll zu tun, die einlaufenden Boote in den beiden Teilen des engen Stadthafen unterzubringen. Doch mit welcher Chuzpe, mit welcher Meisterschaft Pascal dabei vorging, das sollte ich erst am nächsten Abend vom Kai aus sehen. Vorerst begnügte mich damit, dem Wasser beim Fallen zuzusehen. Und irgendwann verwundert auf die beiden Ebenen des Stadthafens zu blicken, denn als ich ankam, war alles noch ein Hafen gewesen: Die eine Ebene oberhalb war durch eine Mauer mit Schleuse gesperrt und lag bei Ebbe nun fast zwei Meter höher als die untere. Wer oben raus wollte, der musste warten, dass von unten die Flut kam.

Am nächsten Tag lieh ich mir bei Jean-Luc, dem bärtigen Fahrrad-Verleiher, das letzte Fahrrad, das man sich auf der Insel noch leihen konnte. Jean-Luc war ein Mann wie ein Bär. Er sah nicht nur aus wie ein Fischer, der auf der Insel geboren war. Er war auch ein Fischer. Und geboren war er hier auch. Das Leben hatte ihn hier auf der Insel lachend in seine Bretterbude gestellt, in der er Fahrräder vermietete und auch Eis aus der Vitrine verkaufte, die er wenige Minuten vorher vor seine Bude gerollt hatte. Doch im Herzen war er Seemann geblieben, das sollte ich noch merken.

Ich strampelte los, hinüber auf die Westseite der Insel. Obwohl Groix kleiner ist als die Ile d’Yeu, war das anstrengend. Gleich hinter dem Hafen ging es steil bergauf, zwischen den alten Stadtmauern und den Stadthäusern hindurch, die erzählten, dass die Fischerei die Insel einst wohlhabend gemacht hatte. Wie an vielen Orten der bretonischen Südküste waren sie in Groix auf den Fang von Thunfischen spezialisiert, noch 1990, als ich zum ersten Mal die Bretagne besucht hatte, hatte ich am Festland den Thunfisch-Trawlern zugesehen, die in Lorient die zwei, drei Meter langen Thunfische mit Kränen ausluden.

Doch in Groix ist davon heute nichts mehr zu spüren. Es gibt keinen Thunfischfang mehr. Ein paar prächtige Häuser, ein paar alte Fischer, die im kleinen Museum am Hafen in kehligem bretonisch von den alten Zeiten erzählen. Und dort, in dem kleinen Museum, zwischen Relikten des Thunfischfangs und anderen Dingen hatte ich eine erste Spur entdeckt: Ein Modell des Grabhügels, in dem man einen Wikinger samt seinem Schiff neben einer grazilen Person hier auf der Insel begraben hatte. Ich wollte mir zuerst die Stelle ansehen, an der der Grabhügel gestanden hatte.

Eigentlich verlasse ich mich bei meinen Landausflügen auf Google Maps. Doch das führte diesmal in die Irre. Als ich nach 20 Minuten hügelauf, hügelab auf der Westseite von Groix in der Bucht ankam, entpuppte sich, was in Google Maps als „Viking Shipgrave“ verzeichnet war, als eingestürzter Dolmen. Doch vor meiner Abfahrt hatte ich Jean-Luc, den bärtigen Fahrradverleiher in seiner Bretterbude nach dem Hügel gefragt. Er stutzte kurz auf meine Frage. Sah erst mich prüfend an. Und dann auf die postkartengroße Inselkarte vor sich. Und malte genau an der Stelle, an der ein langer Sandstrand  im Osten endete und in die Hafenmole mündete, ein Kreuz, ohne zu zögern. Ich hätte es mir denken können – als Seemann hatte er gelernt, dass ein Ort nicht nur ein haltlos im Raum schwirrender Punkt ist. Sondern ein Ort immer durch einen anderen definiert ist: „Wo der lange Sandstrand im Osten an der Kaimauer endet“, die Fähigkeit einer Beschreibung, die uns Google Maps vielleicht in spätestens einer halben Generation abtrainiert haben wird, weil wir sie nicht mehr brauchen.

Da war die Stelle. Farne und Dornenhecken bedecken den Boden, in denen wilde Himbeeren hingen. Ich folgte dem schmalen Pfad bis zu den Klippen, von dem aus man über die beiden Buchten links und rechts blicken konnten. Und die ihre Geschichte erzählten.

Unmittelbar an den Klippen hatten Ausgräber einen kreisrunden Hügel geöffnet, das Meer hatte ihn bereits angenagt hatte. Sie entdeckten darin die angekohlten hölzernen Trümmer eines Schiffes. Und das Skelett eines Mannes und ein graziles daneben.

Der Ort war gut gewählt. Die Bucht war voller Untiefen, ich sah die Seezeichen und beobachtete eine große Segelyacht bei dem Versuch, sich zwischen den Tonnen zum geschützten Sandstrand durchzulavieren, als sie abrupt stoppte. Und sich plötzlich sachte wieder rückwärts hinaus tastete. Sie hatte keinen Weg zwischen Untiefen gefunden. Doch nordische Seeleute des 10. Jahrhunderts

konnten das vermutlich an einem Tag wie heute besser: Ein Mann mit gutem Augenlicht im Masttop sah nicht nur den Grund unter sich, sondern auch im weiten Umkreis. Er fand einen Weg zwischen den Riffen. Und wenn man ihn fand, hatte man am langen Sandstrand einen komfortablen und vor allem geschützten Ankerplatz. Ich begriff: Die Bucht vor dem Sandstrand war der Ort, den die Wikinger auf der Reise mit ihrem Schiff aufgesucht hatten. Hier war ihr Hafen gewesen. Hier hatten sie gelagert. Von hier aus hatten sie sich der wochenlangen Mühe unterzogen, das Schiff auf die Landzunge heraufzuzerren. Es mitsamt den Toten zu verbrennen. Und einen aufwändigen Hügel über der Asche erst aus Steinen, dann aus Erdreich zu errichten, wie man sie nur aus Skandinavien kennt. Doch was hatte sich da unten in der Bucht von Groix abgespielt? Woher waren die Wikinger gekommen?

Die Ausgräber waren neben den Knochen auf zahllose Ausrüstungsteile gestoßen, die man dem Toten mitgegeben hatte. Er war zweifellos ein Anführer gewesen, sein hölzernes Langschiff so groß wie Levje, um die 11 Meter, soviel konnte man aus den im Hügel entdeckten 800 Nieten, Bolzen und Nägeln, die das Langschiff zusammengehalten hatten, errechnen. Anhand des verkohlten Plankenrests einer bestimmten Eichenart konnte man feststellen, dass sie an den Ufern der Loire gewachsen und gefällt worden war.

Noch erstaunter waren die Ausgräber, als sie darangingen, die Herkunft der weiteren Objekte zu ermitteln. Da war ein kleiner Ring aus Gold. Vielleicht hatte ihn die Frau am Finger getragen? Er stammte jedenfalls aus dem Süden Norwegens, etwa 1.000 Seemeilen von Groix entfernt. Die kunstvoll verzierte Spitze einer Schwertscheide aus Bronze: Sie kam noch einmal von 1.000 Seemeilen weiter östlich, aus Birka, nördlich der Insel Gotland in der Ostsee. Eine Gürtelschnalle, die Schmiede vermutlich in Haithabu in der Nähe Schleswigs geschmiedet hatten. Eine Lanzenspitze mit Widerhaken aus fränkischer Produktion, gehämmert 600 Seemeilen entfernt irgendwo in einer Schmiede irgendwo zwischen Rhein und Weser, genauso wie zwei Äxte. Die silberne Spitze  eines ledernen Gürtels, fein mit nordischen Ornamenten ziseliert, von einem Silberschmied in Südengland geschaffen. Der Rest eines Feuer geschmolzenen Goldrings, der irgendwo von der Charente stammte. Spielsteine eines Brettspiels aus Knochen. Ein Würfel in Quaderform aus Elfenbein, das es so nur in Afrika oder Indien gegeben haben konnte.
 

Er war ein wohlhabender Mann gewesen, der die Insel besucht, vielleicht hier gelebt und mit großer Sicherheit hier gestorben war. Eine Wunde? Krankheit? Er war nicht alt gewesen, ein Reisender unterwegs wie sie alle. Wie wir alle. Wie ich. Und ein Mann seiner Zeit, dessen Ausrüstung eindrucksvoll belegte, dass er zutiefst mit den europaweiten Handelsströmen des zehnten Jahrhunderts verwoben war und sie zu nutzen wusste. Er war nicht nur ein Barbar aus einem Kaff an der Küste Jütlands, sondern jemand, der im 10. Jahrhundert die europäischen Küsten bereist und sich mit dem, was dieses Europa an Luxus zu bieten hatte, umgeben hatte – im Leben wie im Tod. Sein Pferd und seinen Hund hatte man getötet. Und zusammen mit ihm verbrannt. Es ist nicht auszuschließen, dass man ihm, um sein Wohlbefinden in Wallhall zu mehren, auch seine Lieblingssklavin mit auf die Reise in die Anderwelt gschickt hatte – das grazile Skelett an seiner Seite.

Als ich Jean-Luc am Abend das Fahrrad zurückbrachte, war der bereits dabei, seine kleine Bretterbude am Hafen zu schließen. Ich schlenderte ich in der anbrechenden Dunkelheit um den alten Hafen. Und konnte sehen, wie gut Pascal, der Marinero von Groix gearbeitet hatte. Ich sah in der Dämmerung, wie er Schiff auf Schiff in drei Reihen geschlichtet und hintereinander an zwei Bojen vertäut worden. Ein dickes Knäuel, das sich am nächsten Vormittag wieder entwirren würde, sobald auch nur der erste sagen würde: „Ich möchte jetzt los.“ Aber da wäre ich dann schon weiter. Ich wollte gleich frühmorgens um sieben aufbrechen. Unterwegs sein entlang der Insel Groix zum nächstem Ziel meiner Reise.

Leinen los

Heute Abend war es endlich soweit! Der Pegel in Wesel hatte mit ziemlich genau 1,65m nach wochenlangem warten den ersehnten Höchststand der Miniwelle erreicht, die seit 3 Tagen den Rhein runter lief.
Sabrina war bereit, Nomade war bereit, ich war bereit! Bereit unser Schiff an den Gästesteg zu verlegen, von dem wir vor einigen Wochen eigentlich gar nicht weg wollten, weil sich ja kurzfristig herausgestellt hat, dass der Verein langfristig doch keine brauchbare Box für uns hat. Naja, hätte er eigentlich schon, aber lassen wir das besser…
Jedenfalls sind wir heute Abend zügig zum Hafen gefahren, um Nomade zu verlegen und die Box für den Unbekannten freizugeben, der seit Wochen vermutlich kaum schlafen kann, weil es nichts wichtigeres in seinem Leben gibt, als diese seine „eigene“ Box, deren Fingerstege er vermutlich noch selbst aus altem Panzerstahl über Kohlefeuer geschmiedet hat.

Der Volvo lief, Sabrina stand am Bug, ich am Heck. Ein kuzer Ruf: „Leinen los!“
Ich werfe die Heckleinen los, Sabrina die Vorleinen, ich laufe an den Steuerstand, Sabrina zu den Mittelleinen und 5 Sekunden später schiebt der Vierzylinder den Zweimaster langsam aus der Box.

„Sieht doch ganz gut aus.“ rufe ich optimistisch zu Sabrina, während Nomade weiter Fahrt aufnimmt. Man spürt zwar, dass sie sich noch etwas durch den Schlamm wühlen muss, aber es geht. Ich freue mich schon dass es klappt und gebe ein wenig mehr Gas, da knirscht es plötzlich leise, der Bug geht hoch, Sabrina schaut verwundert.
Nomade sitzt fest! Kein lockerer Schlamm, sondern fester Grund und zwar viel fester Grund! 10 Meter vor der Box geht nichts mehr, auch nicht mit hoher Drehzahl an der Propellerwelle, in einem Hafen, der bei einem Pegel von 1,45m laut diverser Vereinsmitglieder ja bereits über 2 Meter tief sein soll!
Nun haben wir einen Pegel von 1,65m und eine Wassertiefe in der Box von 1,85m. Weiter vorne war es also wesentlich flacher.
Ich hätte in dem Moment kotzen können und war froh, dass gerade niemand von den Vögeln auf der Steganlage war.

Also Rückwärtsgang rein, viel Gas und schnell dort runter, bevor die Strömung zu sehr versetzt. Hat geklappt und Nomade ließ sich halbwegs gerade zurück in die Rinne ziehen, die sie sich selbst in den letzten Wochen frei gewühlt hat.
Sabrina hat noch schnell ein Foto gemacht, dann Leinen fest und zügig runter von der Steganlage. An Land lief mir dann der große Meister über den Weg. Heute ist es mir gelungen, zumindest nur mittellaut zu werden, obwohl ich mehrere Gründe für einen höheren Lärmpegel als gestern gehabt hätte.
Offenbar kennt niemand der Verantwortlichen auch nur annähernd die Tiefen im Hafen. Aber damit nicht genug. Es wird felsenfest und hartnäckig wesentlich mehr angegeben als tatsächlich vorhanden ist. Man lügt und nötigt uns dazu, dass Schiff zu bewegen, obwohl es längst noch nicht möglich ist.
Damit konfrontiert war die einzige Antwort des großen Meisters: „Mir iss datt egal, ich halt mich da raus!“
Dazu fiel mir dann auch nicht mehr ein als: „Ihr seid auf dem besten Weg, euch als Verein lächerlich zu machen!“

Dann sind wir gegangen! Mal wieder ein Abend im Arsch.

Fortsetzung folgt…

Wieso Nomade nicht in Wesel bleibt

Und warum ich noch nicht mit der Restauration begonnen habe…

So ruhig, wie es hier auf unserem Blog seit einiger Zeit ist, war es heute im Vereinshafen (leider) nicht, denn mir ist verbal der Kragen geplatzt. Eigentlich nicht meine Art und ich ärgere mich darüber, dass ich mich habe dazu provozieren lassen, aber bei so viel komprimiertem Schwachsinn und ungerechtfertigten Vorwürfen, kein Wunder.

Aber der Reihe nach.

Angefangen hat das Theater bereits an dem Abend, an dem ich die Leinen von Nomade zum ersten Mal in Wesel festgemacht habe. Ziemlich müde kam ich da vor ein paar Wochen an und wurde erst mal angefaucht. „Revier markieren“, dachte ich zu dem Zeitpunkt noch…
Ohne erkennbaren Grund sollte Nomade an einem anderen Gästesteg festmachen, später dann doch wieder dort bleiben. Kinkerlitzchen, über die ich an dem Abend noch gelacht habe. Ich hatte gerade schließlich meine lange Einhandfahrt mit Nomade von der Türkei bis nach Deutschland beendet. Hinter mir lagen knapp 3 Monate und 3.700 Kilometer. Ich war überglücklich, Sabrina, Filou und meine Familie wieder zu sehen. Da war mir der Meister, der dabei war sich dazwischen zu drängeln und herum zu meckern, ziemlich egal.
Am nächsten Tag sollte Nomade dann einen langfristigen Liegeplatz bekommen. Daraus wurde allerdings nichts. Dazu muss ich kurz vorher noch erwähnen, dass wir bereits lange vorher und auch kurz vor meiner Ankunft mehrfach Kontakt zum Verein aufgenommen haben und eigentlich alles besprochen war, wovon allerdings nun kaum mehr jemand etwas wusste. Die Aussagen im Vorfeld waren immer: „Wir haben immer genug freie Plätze! Alles kein Problem!“

An dem Tag wars dann plötzlich doch ein Problem. Die hinterste passende Box im Hafen wäre nicht praktikabel gewesen. Ich fahre ja mit Nomade nun wirklich auch in Ecken, in die sie kaum rein passt, aber dieser angedachte Platz wäre einfach beschissen zu erreichen gewesen. Ich hätte über die flachste Stelle im Hafen und im 90° Winkel abbiegen müssen. Nicht sinnig für eine 20 Tonnen schwere Segelyacht mit Langkiel, ohne Bugstrahlruder.
Hat der Meister dann aber auch selber gemerkt und Nomade in eine gut zugängliche Box verwiesen: „Hier könnt ihr den Sommer über bleiben, der Liegeplatz ist 2 bis 3 Monate frei.“

Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich mich darauf eingelassen und nicht gleich in einen anderen Hafen verlegt habe. Es gab Leute, die mich vor dem Verein gewarnt haben, aber wer mich kennt weiß, ich gebe nichts auf Gerüchte und mache lieber meine eigenen Erfahrungen. Diesmal war das ein großer Fehler, wie sich später herausstellen sollte.

5 Wochen später, Sabrina und ich waren gerade im Urlaub, bekam ich einen Anruf des Vereins: „Dein Boot muss dort weg, wir brauchen die Box!“
1 Woche zuvor (Ende Juli) hatte ich mich nochmals erkundigt, ob Nomade auch wirklich noch bis September dort bleiben kann. Ich hatte sogar angeboten, wieder an den Gästesteg zu verlegen, für den Fall, dass die Box doch früher gebraucht wird. Denn der Pegel war weiterhin sinkend und keine Änderung in Sicht, was die Großwetterlage betraf. Antwort: „Nein, bleib ruhig in der Box. Alles kein Problem!“

So lief das bei einigen anderen Dingen ebenfalls. Ich frage: „Kann ich morgen an den Kransteg um meine Masten zu stellen, oder wird der irgendwann gebraucht?“
Antwort: „Kannst du den ganzen Tag dran, da muss morgen keiner was machen!“
Am nächsten Tag wird mir vorgeworfen, Nomade hätte am Kransteg der Wasserschutzpolizei den Liegeplatz weggenommen!
Parkplatzsituation mit dem Auto ein ähnlicher Quatsch. Wenn ich nicht jedes Mal gefragt hätte, würde ich das ja noch nachvollziehen können. Aber gerade wegen der Warnungen: „Bei dem Verein darfste dir keinen Fehler erlauben!“ hab ich wegen jedem Scheiß gefragt. Ich kam mir ein bisschen vor, wie damals während der Ausbildung im ersten Lehrjahr und hatte irgendwann das Gefühl, ich nerve die Leute schon mit meiner Fragerei.

Jedenfalls sollte Nomade nun weg und zwar sofort! Problem: Sie saß bereits längst auf Grund! Hat den Meister allerdings nicht interessiert. Ein Streitgespräch folgte, man wollte Nomade mit anderen Booten dort wegziehen. Damit war ich nicht einverstanden, weil an dem Tag bereits 25cm am Liegeplatz und 35cm Wasser unterm Kiel am Gästesteg fehlten und im Hafen nochmal 10cm Wasser ablaufen, wenn draußen ein Dicker auf dem Rhein an der Einfahrt vorbeifährt.
Solche Aktionen kann man mit ’nem kleinen Boot machen, wenn die Kielform unproblematisch und die Lateralfläche gering ist, nicht aber mit ’ner Suncoast 42. Der gemäßigte Langkiel ist etwa 10m lang, 1,85m tief und an der (flachen) Basis 70cm breit. Ich weiß aus Erfahrungen in der Donau, dass ich durch 20cm tiefen, lockeren Schlamm noch so gerade eben mit Vollgas und etwas Anlauf geradeaus durch komme, drehen ist da jedoch längst nicht mehr sicher möglich…

Argumente halfen jedoch nicht. Ab jetzt war ich also bereits „der Arsch“. Ein Versuch der Klärung mit dem Vorstand ergab die Anweisung per E-Mail: „Ab einem Pegel von 1,90m wird verlegt.“

Ich hatte für mich selbst bereits ins Auge gefasst, schon ab 1,65m an den Gästesteg zu verlegen, um die Box im halbleeren Hafen (für wen auch immer) schnell freizugeben. Bei einem Pegel von 1,65m an der Pegelstation in Wesel hätte ich in der jetzigen Box 1,85m Wassertiefe gehabt und am Gästesteg 1,75m. Damit wäre ich schon irgendwie durch den Schlamm geeiert und hätte anschließend auf den Tag gewartet, an dem ich endlich aus dem Hafen kann. Denn die Tiefe in der Hafeneinfahrt ist nochmal etwas geringer und entspricht ziemlich genau dem Pegelmesswert.
Seitdem habe ich also täglich zweimal in die Pegeldiagramme geschaut und gehofft, dass bald Wasser den Rhein runter kommt.
Kam es leider nicht, bis heute! Seit zwei Tagen steigen die Wasserstände weiter südlich bereits ganz ordentlich und es ist absehbar, dass ich Nomade morgen oder übermorgen zumindest aus der Box bekommen könnte.
Also bin ich heute zum Boot getigert, um mal nach dem rechten zu schauen und ein bisschen was vorzubereiten.
Ich war keine Minute an Bord, da rief es hinter mir aus unbekanntem Mund: „Hömma, wann willste denn mal verlegen!?“
Ich hab mich kurz umgedreht und entgegnet: „Wenn ich ’nen Hauch von Wasser unterm Kiel habe, bin ich hier weg!“
Unbekannter: „Haste doch!“
Nico: „Hab ich nicht! Pegel Wesel liegt gerade bei 1,45m, also hab ich hier etwa 20cm mehr. Zu wenig zum fahren.“
Unbekannter: „So ein Quatsch! Hier isses über 2 Meter tief!!!“
Nico: „Nix für ungut, aber das stimmt nicht!“
Unbekannter: „Hömma, wenn wir die Anweisung geben, du hast zu verlegen, dann hast du zu verlegen!“

Das klang in dem Moment so, als redet ein Schließer mit ’nem Häftling. Wobei, wenn man die Gesamtsituation betrachtet, kommt das ja auch in etwa hin…

(An dieser Stelle fing ich jedenfalls an, laut zu werden.)

Nico: „Aber mit Sicherheit nicht, wenn ich kein Wasser unterm Kiel habe!“
Unbekannter: „Hier isses über 2 Meter tief!“
Nico: „Mit Sicherheit nicht! Soll ich nen Zollstock holen!?“
Unbekannter: „Ja, dann hol mal den Zollstock.“

Nico holt genervt den Zollstock, faltet ihn aus, will ihn ins Wasser stecken und wird folgendermaßen unterbrochen:

Unbekannter: „Nicht da messen, da sind Steine!“
Nico: „Wo dann?“
Unbekannter: „Hier vorne!“

Nico drückt den Zollstock weiter vorne ins Wasser, bis dieser feststeckt. Folgender Messwert kann abgelesen werden: 1,65m!!!

Wer nun meint, die (unnötige) Diskussion wäre damit beendet und der Unbekannte würde mit eingezogenem Schwanz und rotem Gesicht von dannen ziehen (so wie ich auch dachte), der irrt sich.

Nico: „EINMETERFÜNFUNDSECHZICH!!!“
Unbekannter: „Datt kann nich!“
Unbekannter: „Aber egal, du hättest…“
Nico (kurz vorm platzen): „Nix iss egal! Und was hätte ich!? Hör mal lieber auf hier Quatsch zu erzählen! Du kommst hier an, machst Palaver, behauptest, hier isses über 2m tief und redest jetzt drumherum!? Ich diskutiere da nicht weiter drüber!“

Während ich zurück an Bord gehe und den Unbekannten stehen lassen will, kommt ein weiteres (ranghohes) Vereinsmitglied dazu und steht dem Unbekannten bei.

Hochrangiges Vereinsmitglied: „Du hättest ja auch schon vor ein paar Tagen verlegen können, da war der Pegel richtig hoch, aber du bist ja nicht erreichbar! Wir haben mehrmals versucht, dich anzurufen und E-Mails geschickt!“
Nico: „Ich habe bis auf eine E-Mail ganz am Anfang, in der mir 1,90m Pegel zum verlegen genannt wurde, keine weiteren Mails bekommen und einen SPAM-Filter hab ich nicht! Anruf hab ich nur einen vom XYZ bekommen, der hat mir auf die Mailbox gequatscht und angeboten, mal zu reden, aber da war ja bereits alles per Mail geklärt!
Und wo war der Pegel in den letzten Wochen mal richtig hoch!? Der war in den letzten 4 Wochen nicht mal irgendwann auf 1,60m…“

Das Pegeldiagramm der letzten 4 Wochen.

Hochrangiges Vereinsmitglied widerspricht in allen Punkten, auch sich selbst, leugnet den niedrigen Pegel und ich habe schließlich keine Argumente mehr. Tatsachen werden verdreht, für alles was passiert ist, wird mir die Schuld gegeben und ich werde beleidigt.
Wenn man nun bedenkt, um was für eine Nichtigkeit es geht, könnte man eigentlich besser darüber lachen. Vereinsmeierei in einem Hafen, dem immer mehr die Gäste und Mitglieder fern bleiben. Da wird wegen eines Liegeplatzes ein Aufstand gemacht, als wenn es um Existenzprobleme geht, in einem Hafen, der eigentlich mehr als genug freie Plätze für alle hat. Aber offenbar kann hier nicht jeder gut mit jedem. Der eine will nur da liegen, der andere nur dort und zwischendurch versucht man dich mit vermeintlichen Qualifikationen zu beeindrucken und damit zu bewegen, dein Schiff zu verlegen, wo es keinen Sinn macht. Hier noch ein kleiner Auszug, dann ist aber wirklich Schluss:

„Ich bin schon den Rhein von Holland bis hier hoch gefahren!“

Was das jetzt mit dem Pegel hier zu hat, wollte ich wissen, aber darauf bekam ich keine Antwort.

Am Ende hieß es von höchster Ebene in meine Richtung, wortwörtlich: „Sowas wollen wir hier nicht haben!“

Als ich dem Meister die Frage stellte: „An welche Stelle des Gästesteges soll ich denn verlegen, wenn ich morgen genug Wasser unterm Kiel habe?“, rief es aus anderer Richtung: „Am besten gleich ganz raus hier aus dem Hafen!“

Ja, Leute, ich hab schon lange verstanden, dass ich, wir, bzw. Nomade nicht Willkommen sind.

To be continued…

Ganz wichtige Anmerkung noch:
Es gibt mehrere Vereine in Wesel. Den einen will ich nicht nennen. Ihr wisst schon, Datenschutz und so. Aber ich möchte noch kurz hinzufügen, das es auch ganz tolle Vereine in Wesel gibt. Bei einem lagen wir mal mit Camino ein ganzes Jahr und das war wirklich toll. Nur ist Nomade für die Steganlage etwas zu groß, sonst wären wir sicherlich dort geblieben.

Durch die Meerenge zwischen Pointe du Raz und Ile de Sein.

Mitte Mai bin ich in Sizilien gestartet, um einhand
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln und 
segelte nun auf Brest zu. 

Zum Charakter dieser Reise gehört meine eher schlichte Art der Reisevorbereitung. Ich habe mich um mein Schiff gekümmert und dafür gesorgt, dass es im bestmöglichen Zustand ist. Ich habe den Winter über keine Seekarten studiert und nicht über Reiseberichten gebrütet. Ich habe mir nicht die günstigste Route oder die besten Häfen ausgewählt oder gefährliche Stellen mit „Rot“ in den Karten markiert. Im Grunde genommen bin ich in Sizilien aufgebrochen nur mit dem groben Plan, für 2.000 Seemeilen 4 Monate Zeit zu haben. Pro Monat also 500 Seemeilen zurücklegen zu müssen. Mehr hatte ich an Planung nicht.

Zum Teil entspringt dies meinem Bedürfnis, nicht am Morgen schon zu wissen, wo ich am Abend mein Haupt betten werde. Zum anderen aber ist es aber auch Konzept: Mein Schiff mag modern sein, und die Wettervorhersagen 500 mal präziser als alles, was phönizische Steuerleute, nordische Schiffsführer, Nelsons Kapitäne wer sonst zum ersten Mal diese Küste befuhr zur Verfügung hatten. Aber sonst: Will ich diese Küste buchstäblich er-fahren, wie sie diese Küste erfuhren: Wie jemand, der sie zum ersten Mal bereist. Und nur mit meiner Erfahrung.

Zwar gönne mir zwei Dinge: Den präzisen Wetterbericht. Zur Not auch mal zwei. Und mir am Nachmittag, wenn ich mir überlege, welchen Hafen oder Ankerplatz ich ansteuere, mir Informationen darüber einzuholen, doch meist ist dies erst am späten Nachmittag. Sonst: Rausfahren. Und Segeln.

Für Menschen mit größerem Sicherheitsbedürfnis mag das der Alptraum sein. Tatsächlich komme ich gelegentlich nicht umhin, zu sagen: „Schwein gehabt.“ So wie gestern. Ich hatte die Nacht vor dem langen Sandstrand von Audierne geankert. Und noch am Morgen überlegt, ob ich nicht vor dem Sandstrand bleiben sollte, schwimmend, lesend, Levje und mich mit Ebbe und Flut auf und ab tragen zu lassen und den Tag verstreichen zu lassen. Es war Nordwest mit 25-20 Knoten angesagt – wie so häufig. Doch ich wollte weiter, so schön der Strand auch leuchtete und der Frieden in der Bucht auch sein mochte. Ich holte um acht Uhr Morgens den Anker, setzte das Großsegel, und fuhr Richtung Westen, um vor Pointe du Raz, wo der Wind auffrischen würde, zu versuchen, nach Nordwesten Richtung Brest aufzukreuzen.

Soweit so gut. Als ich Pointe du Raz erreichte, lief ich unter Maschine und Großsegel. Kabbelige See vor dem Kap. Zu unstet, zu launenhaft hatte der ablandige Wind von der Felsküste heruntergeblasen, als dass man gegen die Welle hätte ansegeln können. Links lag die Ile de Sein, die so verlockend im Morgenlicht leuchtete, dass ich gerade die Seekarte prüfte, ob ich nicht den Tag dort verbringen wollte. Ich war noch mit dem Internet beschäftigt, als sich schlagartig die Bedingungen in der Durchfahrt änderten. Ich sah vom Internet auf: Der Windmesser zeigte 15 Knoten von vorn. Die Geschwindigkeit nach GPS zeigte neun Knoten – und das gegen 15 Knoten Wind. Und wenn ich nach rechts schaute, hinüber zum Leuchtturm von Tévenne, dann bildeten sich dort lange Brecher. Schäumende Grundseen – brechende Wellen, als würde dort, wo ich hinsteuerte, sich meilenweit Riffe und Sandbänke hinziehen.

Unüberhörbar schrillte in meinem Kopf, der eben noch über die Ile de Sein nachgedacht hatte, die große rote Alarm-Klingel. Ich starrte in die Seekarte. Aber westlich des Leuchtturms waren in der Seekarte keine Untiefen. Und auch kein Riff. Ich schaute nach vorn. Kein Zweifel. Da brachen große Wellen. War meine Position nicht die richtige? Mindestens zehn Mal starrte ich nach vorn, und mindestens 12 Mal in die Seekarte. Nein alles richtig. Wir standen südsüdöstlich des Leuchtturms von Tévennec.

Und: Wir hatten Strom. Die Seekarte sagte, dass gerade viereinhalb Knoten Strom durch die Meerenge schoben. Daher die achteinhalb, neun Knoten Speed auf dem GPS – trotz 15 Knoten Gegenwind.

Die Wellen wurden steiler. Rollten mächtiger von vorne. Ich rannte nach unten, um mein Steckschott zu holen. Falls wir querschlagen oder eine der steilen Wellen seitlich ins Cockpit einsteigen würde, dürfte unter keinen Umständen das Schiff volllaufen. Zur Sicherheit zog ich das Schiebeluk zu und sprang wieder hinter das Steuer, um ein Gefühl für mein Schiff zu bekommen.

Wieder rollte eine dieser ungewöhnlich hohen steilen Wellen an, überschlug sich vor uns und hinterließ einen Gischt-Teppich auf dem Wasser. Levje kletterte einfach die Welle hinauf, um drüben Bug voraus nach unten zu knallen und dann die Rückseite der Welle hinunterzusurfen. Wie steil die Wellen waren, welche Steigung Levje unter Motor und Groß hinauf und hinunterkletterte, begriff ich erst, als ich meinem Schiebeluk zusah, das sich wie von Geisterhand bewegte. Sich öffnete, wenn wir einen Wellenkamm hinunterfuhren. Sich unsichtbar bewegt schloss, wenn wir hinauffuhren. Ich hatte vor der Abfahrt in Sizilien die Gleitschienen mit Teflonspray eingesprüht – jetzt lief es im Auf und Ab tatsächlich wie geschmiert.

Ich starrte auf den Tiefenmesser. Gute 32 Meter unter mir, leicht steigend. Erstaunlich, wie klar mein Verstand in dieser Situation blieb. Die Wellen rollten immer noch mächtig von vorn an. Ich musste hier raus, sagte mein Gehirn. Aber auch, dass die brechenden Seen nichts mit der Wassertiefe zu tun hatten. Das waren 5 Knoten Strom gegen 15 Knoten Wind in einer engen, düsenartigen Durchfahrt vor dem Kap. Was für raue See würde das erst bei 25 Knoten geben. Trotzdem musste ich aus diesen Wellen von der Kraft und Gewalt von Grundseen irgendwie raus.

Ich dachte nach, an meine Erfahrungen bei 25 Knoten vor der galizischen Küste. Von der Seite hatten die Wellen ebenfalls bedrohlich ausgesehen – wie Wände aus Wasser, die seitlich auf uns zurollten. Aber dann war Levje, unterstützt vom Großsegel, einfach hinaufgeklettert, als wöge sie nur ein Bruchteil ihrer siebeneinhalb Tonnen. Vorsichtig legte ich Ruder, drehte Levjes Nase aus den heranrollenden Wellen, nahm die nächste Welle mehr seitlicher. Es funktionierte. Mein Schiff beschleunigte. Wenn jetzt nur keine von den Wellen seitlich über der Bordwand brach. Doch das taten sie nicht.

Mein Kurs führte jetzt nordwestlicher, auf den Leuchtturm von Tévennec zu, der wie das Zwiebeltürmchen eines russisch-orthodoxen Kirchleins auf seinem nackten Felsen hockte und zwischen den ihn umgebenden Riffen zu uns herübersah. Zehn Minuten später beruhigten sich mit einem Schlag die Wellen, als hätte ich deren Spielplatz verlassen. Wir waren aus der engen Durchfahrt zwischen Pointe du Raz und der Ile de Sein hindurch. Ich konnte die Genua ausrollen. Und den Motor abstellen. Wir liefen immer noch mit sieben Knoten, geschoben vom Strom, nach Norden.

Und jetzt? Wenn ich über alles nachdenke, habe ich Glück gehabt. Glück, dass ich ahnungslos mit der richtigen „Besegelung“, nämlich unter Groß und Motor in die Grundseen gelaufen bin. Der Motor gab dem Schiff Kursstabilität, die ich unter Segeln in den schwachen 15 Knoten nicht gehabt hätte. Das Groß gab ihm Seitenstabilität. Ich hatte ohne Verstand, doch mit Glück die richtige Entscheidung getroffen. Ich dachte daran, wie ich am Anfang meiner Berufsjahre ältere Verleger gelegentlich gefragt hatte, worauf es wirklich ankäme in diesem Beruf. Und hatte von den Alten oft nur die eine für mich unbefriedigende Antwort zu hören bekommen: „Am Ende ist alles Glückssache.“ Vielleicht hatten sie doch recht.

Saint Nazaire. Im Bunker.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste 
und Saint Nazaire an der Mündung der Loire. 

Es ist Sonntag. Am Himmel über der Loire-Mündung zischen Jagdflugzeuge der französischen Luftwaffe im Tiefflug, drehen graziös in senkrechten Steigflug und malen als Rauchfahne die Farben der französischen Trikolore in den Himmel, bis sie im unermeßlichen Blau verschwunden sind. 50.000 Zuschauer säumen die Strände in der Bucht von Pornichet, wo ich mit Levje ankere. „Plein Vol“ heißt das Spektakel über dem Grande Plage, ein Amüsement für die ganze Familie, es beginnt am späten Nachmittag und endet kurz vor 22.00 Uhr.

Schon am frühen Morgen sind die Straßen gesperrt, Pornichet ist dicht. Männer in schwarzen Uniformen mit Maschinenpistolen bewachen jede Kreuzung. In den Hafen kommt niemand mehr rein und auch nicht raus. Die Anschläge von Paris und Nizza haben in Frankreich ihre Spuren hinterlassen.

Ich gehe schnellen Schrittes Richtung Bahnhof. Ich möchte nach Saint Nazaire zu den U-boot-Bunkern des II. Weltkriegs, mein Großvater war hier im Krieg, er hat vermutlich als einfacher Maurer an dem Bauwerk mitgearbeitet, ich möchte sehen, was er sah. Aber erstmal geht der Bus nicht. Ich lege die Strecke zum Bahnhof von Pornichet im Laufschritt zurück, für den TGV darf ich kein Ticket lösen, weil er ausverkauft ist. Ich steige dann doch ein, als ein freundlicher Kontrolleur mich trotzdem reinwinkt.

Saint Nazaire ist an diesem Sonntag wie ausgestorben. Ob französische Städte an Sonntag Vormittagen so sind? Oder fuhren die Einwohner Saint Nazaires nach Pornichet zum „Flieger kucken“. Ich irre durch die Stadt, kein Mensch weit und breit, am Hafen ein Dolmen, mit Graffiti beschmiert. 

Als ich aus der Rue des Dolmen komme, liegt der Bunker vor mir am Meer. Alt und grau und böse, wie ein an diesem Ort verendetes Reptil, das es nicht mehr geschafft hat zurück ins Meer und wenige Meter davor einfach verendete. Monströs.

Monströs ist er allemal. Über drei Fußballfelder lang und eines breit. Kirchturmhoch. Um ihn zu bauen, wurden fast 500.000 Kubikmeter Beton an Ort und Stelle gerührt und vergossen. Fast 26 Millionen prall gefüllte Mörteleimer. Zeitweise arbeiteten bis zu 4.000 Arbeiter an dem Bau: Angehörige der Organisation Todt wie mein Großvater, die im Frieden Autobahnen und im Krieg Bunker bauten. Zwangsarbeiter. Franzosen, die als Freiwillige auf der Baustelle mitarbeiteten. Sie arbeiteten rund um die Uhr in zwei 12-Stunden-Schichten, von 7 bis 7. Der Bunker wurde in nicht einmal 18 Monaten fertig. Er wurde gebaut, um U-Boote zu warten, zu reparieren. Und um sie auszurüsten, bevor sie hinausfuhren, um britische und amerikanische Schiffe zu versenken.

Ich schließe mich einer Führung durch das Gebäude an. Unser Guide heißt Sebastien, er ist Ende 20, ein blonder Mann, offenes Gesicht und leises Lächeln, er könnte Norweger sein, doch er spricht jenes wunderschöne bilderreiche Französisch, das lässt keine Zweifel aufkommen. 

Ob es denn wahr wäre, dass die Resistance dafür gesorgt hätte, das Bauwerk zu schwächen, indem man ungeeignetes Material dem Zement hinzugefügt hätte, möchte ein älterer Herr wissen. Davon sei ihm nichts bekannt, antwortet Sebastien höflich. Er spricht meist von „Les Allemands“, den Deutschen, die das beim Bau so oder so gemacht hätten. Tatsächlich komme ich angesichts von 500.000 Kubikmetern Beton und den zahllos in den Beton gelegten daumendicken Stahlarmierungen ins Grübeln, ob denn das tatsächlich alles „Les Allemands“ aus Deutschland herangekarrt und hier verbaut haben. In einem früheren Hafen in Royan las ich in einem französischen Buch, dass an den 8.119 Bunkern des Atlantikwalls über 3.000 französische Firmen mitgearbeitet hätten. Ob das stimmt? Doch gern gehört wird so etwas in Frankreich immer noch nicht. Allenthalben findet man Dokus über „La Resistance“. Doch offen über die französische Gesellschaft und deren Beteiligung am Krieg scheint man in Frankreich immer noch nicht zu sprechen, das Bild von „La Libération“, mit der ein vom Besatzern unterdrücktes Gemeinwesen „befreit“ wurde, bestimmt die Sicht. Und für die, die „Kollaborierten“, stehen Leute, die man unmittelbar nach dem Krieg dafür erschoss, öffentlich demütigte oder gerichtlich aburteilte. Erledigt also. 

Sebastien erzählt derweil. Von „Les Allemands“. Von „Les Ü-Botts“. Von „Les Torpilles“, den Torpedos, die wie die gesamte Ausrüstung mit Güterzügen direkt in die Halle und an die U-Boote herangekarrt wurden. Eine perfekte Maschinerie, in der alles untergebracht war. Von der Brotbäckerei für die U-Bootbesatzungen bis zur Krankenabteilung zur Erstversorgung Verwundeter.  

Auch Sebastien kommt nicht umhin, von dem Gigantismus der Maschinerie und der Monstrosität des Gebäudes fasziniert zu sein. Und steckt auch seine Zuhörer an. Die dreieinhalb Meter dicken Stahlbetondecken waren so stark, dass alliierte Bombardements ihnen nichts anhaben konnten. Selbst als mit den Kriegseintritt der USA plötzlich 5-Tonnen-Bomben auf das Dach abgeworfen wurden, konnten die dem Gebäude nichts anhaben. Dauerbombardements machten dem Bunker selbst nichts aus – die Stadt und ihre Zivilbevölkerung gingen im alliierten Bombenhagel unter – genauso wie in Brest, in La Rochelle, in Lorient, in Royan. In fast jedem der Orte, die ich besucht hatte.  

Die alten Poller, an denen die U-Boote vertäut waren, rosten im Beton vor sich. Als die U-Boote, die rausfuhren, nicht mehr zurückkamen, weil sie draussen versenkt wurden, als sich das Blatt wendete mit der Landung der Alliierten, wurde der Bunker zur Festung. Er war eine Kleinstadt, in der die Besatzer geschützt waren – bis zur Kapitulation, während die Zivilbevölkerung weiter unter den Angriffen litt.

Die 70 Jahre alten deutschen Inschriften verblassen. Hier und dort ein Kürzel, „3. U-Fl.“ für die 3. U-Boot-Flottilie, die hier keine 3 Jahre beheimatet war. Sebastien erzählt, wie das mit dem Bunker weiterging. Daß man nach dem Krieg versuchte, das Gebäude zu sprengen. Doch das ging nicht – wie die Bomben vorher versagte der Sprengstoff. Oder er hätte die Stadt im Wiederaufbau in Mitleidenschaft gezogen. Dass man nicht wusste, was man mit dem Gebäude anfangen sollte. Es für die eigenen U-Boote nutzen? Es als Werft, als Lager, als Fabrik einsetzen? Von allem etwas. Doch die Hauptfrage war: Welche Rolle sollte denn nach dem Wiederaufbau der Stadt das Monstrum mitten in ihrem Zentrum spielen? Saint Nazaire entschied sich in den 90igern für eine eigenwillige Lösung: Der Bunker war nun mal Bestandteil der Stadt und ihrer Geschichte. Er sollte jetzt auch sichtbar ins neue städtebauliche Konzept integriert werden. Als Ort von gleich drei Museen. Als Ausstellungsfläche. Als Kunstobjekt und Heimat für Cafes und Bistros und Events.

Ein guter Ansatz. Die Museen sind entstanden. Und zeigen Saint Nazaire in bestem Licht. Der Flughafen Berlin Tempelhof hat der Stadt symbolisch einen ausgedienten Radar-Dom geschenkt. „Le Radom“ steht heute auf dem Dach des Bunkers und ist Tempel für moderne Kunst.

Doch ganz geglückt scheint mir der schwierige Versuch der Integration ins Stadtbild nicht. Saint Nazaire ist an diesem Sonntag wie ausgestorben. Auch der Bunker liegt verlassen, bis auf die Spaziergänger, die die Aussicht vom Dach genießen – und das kleine Häuflein, das sich um den blonden jungen Mann mit Namen Sebastien schart. Es ist nun mal nicht so einfach, „alt und grau und böse“ in dieser Monstrosität im Bild einer Stadt zu integrieren.

Noch schwerer ist es, es im Gedächtnis zu halten. Als Franzose. Aber auch als Deutscher.

Aufwachen an den Ufern der Loire. Atlantiksegeln.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste, die ich
ihren Inseln folgend nach Norden segle.

Eben geht die Sonne auf. Ein leuchtend roter Punkt, der hinter dem Horizont erscheint und durch die Heckfenster meine Koje in tiefes Orange taucht. Ein leises Geplätscher vorbeifließender Wellen wie von einem Bachlauf. Ein gemächliches Klappern vom Mast her. Ein Schweben, ein Eintauchen. Ein Neigen. Wieder das leise Murmeln in Orange unter Levjes Bauch entlang.

Als ich den Kopf aus dem Niedergang stecke, sind das Festland und die Mündung der Loire nichts als ein zarter waagrechter Strich in der Weite. Die breite Mündung wirkt verloren im unendlichen Blau zwischen Wasser und Himmel. Levje wiegt sich sacht auf der spiegelglatten Fläche des Wassers.

Ich habe gestern Abend weit draußen, inmitten des an diesem Morgen in allen Schattierungen leuchtenden Blaus Levjes Anker fallen lassen. Die aufgehende Sonne sieht von hier so ganz anders als in meinem kleinen Iffeldorf, wo ich im Winter lebe. Dort scheint sie mächtig hinter den Bäumen. Hier draußen scheint mir oft alles so zerbrechlich, obwohl es doch eigentlich ich sein müsste, der sich klein fühlt in der Weite des Meeres. Zerbrechlich scheint mir der zarte Strich am Ufer, der Europa ist. Fragil erscheint mir aber auch das Meer, trotz seiner Wildheit, seiner Größe, seiner Gefährlichkeit, auf dem ich seit vier Monaten segle. Es sollte mir wegen seiner Größe, seiner Wildheit doch alles andere als fragil erscheinen, doch das tut es nicht.

Gestern bin ich von der Ile d’Yeu heraufgesegelt. Der Wetterbericht verhieß alles andere als einen idealen Segeltag. Wind aus Nord, genau von dort, wo ich hinwollte. Mit 15 bis 20 Knoten, am Spätnachmittag darüber. Bis Mittag leichter Strom ebenfalls aus Nord – beides zusammen würde meine Reise verlangsamen, sagte mein Kopf, ich würde 15 Stunden brauchen für das Stück hinauf bis zur Loire-Mündung, bis zur Insel Noirmoutier. Vielleicht doch lieber den Tag in einer der felsigen Buchten hier auf der Ile d’Yeu ankern und dort faulenzen? Es war meine bretonische Bootsnachbarin mit dem unvergleichlichen Vornamen Siseguine, die am Morgen mit ihrem Mann hinauf nach Noirmoutier wollte und sagte: „Weisst Du, hier bei uns weht immer Nordwest. Jeden Tag. Davon darfst Du Dich nicht abhalten lassen. Es ist einfach so.“ Siseguine. Sie brachte mich auf den Weg wie die weise Sigune den Parzival. Ich beschloss, die Nase aus dem Hafen zu stecken und mal zu versuchen, wie es sich anfühlte, gegen Wind und Strom nach Norden zu segeln.

Nach all den Jahren des Segelns fühle ich mich oft immer noch wie ein Anfänger. Ich wollte immer perfekt sein in dem, wie ich mein Schiff handhabe und fühle mich doch jeden Tag meilenweit davon entfernt. Das ist gut so, aus vielerlei Gründen, aber als Lebensgefühl nicht eben angenehm. Wir alle wären gern smart, souverän. Die Balance zwischen beidem zu finden, die richtige Haltung zwischen „perfekt“ und „imperfekt“: Das könnte eine lebenslange Aufgabe sein.

Ich mache jeden Tag Fehler. Ich lerne jeden Tag Neues. Das Meer überrascht mich jeden Tag neu. Noch im engen Hafenbecken kreisend, hatte ich voller Erwartung Levjes Großsegel gesetzt. Doch kaum draußen, fand ich nichts als nur wirres Wellendurcheinander und ein bisschen Wind, mal von hier, mal von da. Die Segel zogen nicht. Levje eierte wild hin und her, ich taumelte im schwankenden Cockpit. Einen kurzen Moment dachte ich daran, ob ich jetzt nicht doch lieber morgens um sechs eingeklemmt zwischen grauen Anzügen in eiskalten Ledersitzen im Businessflieger München-Hamburg säße. Nein, keine zehn Pferde brächten mich jemals dorthin zurück. Lieber hier draußen. „Jammer nicht rum. Tu was. Du siehst doch, dass Segeln hier nicht geht, weil der Grund vor der Insel ansteigt und alle möglichen Wellen erzeugt.“ Also erstmal raus aus dem Gewirr, dahin, wo der Wind ist und wo die Wellen Segeln erlauben. Zweieinhalb Meilen weiter nördlich war er da, der Wind. Aus Nord. Die Wellen nahmen ein gleichmässiges Muster an. Levjes Segel begannen zu ziehen. Ich konnte immerhin nun schon nach Westen segeln. Levje lief, das war doch schon was. Wir mussten jetzt nur noch irgendwie den richtigen Dreh nach Norden finden. Gegen den Wind.

Ich versuchte mein Glück mit einer Wende. Immerhin schon Kurs nach Nordost. Wenn ich jetzt noch die Segel richtig einstellen würde. Hier flatterte etwas. Dort war eine Beule im Tuch, wo keine sein sollte. Ich begann, an den Segeln zu zupfen. Zog hier am Vorsegel. Dort am Großsegel. Entrollte hier etwas. Nahm dort etwas enger. Levje wurde schneller und drehte gleichzeitig fast auf nördlichen Kurs. Na bitte. Geht doch. Nimm Deinen Verstand zusammen. Beobachte, was nicht stimmt. Und tu Dein Möglichstes, um das zu bessern. Das ist die Lektion, die ich jeden Tag lerne. Und die mir das Meer vermittelt.

Wir laufen jetzt auf die Ile de Noirmoutier in der Loiremündung zu und machen rasche Fahrt. Wie dankbar bin ich, jetzt hier draußen zu sein, den Hafen verlassen zu haben und zu segeln. Wieder einmal möchte ich alles in mich aufsaugen, könnte ich es doch in mir speichern, wie auf einer Festplatte, was ich alles hier sehe. Ich verlasse meinen Platz im Cockpit. Hangle mich nach vorne bis zu den Wanten, halte mich dort fest, wo ich jetzt, wo Levje stark auf der Seite liegt, den besten Überblick habe. Da liegt die große Brücke, die die flache Ile de Noirmoutier mit dem Festland verbindet. Ich sehe die Wassertürme in der Ferne. Sonst ist die Insel nur ein Strich, rechts und vor mir.

Dann die Untiefen vor der Nordwestküste. Wie so oft vor dieser Küste ziehen sich Flachstellen und Untiefen bis weit weit hinaus vor die Küste. Mit bloßem Auge sieht alles wie eine einfach zu befahrende Wasseroberfläche aus, doch die Seekarte erzählt mit den dutzendweise eingezeichneten Wracks eine andere Geschichte. Kaum habe ich hier vor der Küste eine Sandbank passiert, erreiche ich die nächste Untiefe. „Les boeufs“, „die Rinder“ heißen sie, vielleicht weil ihre unter Wasser liegenden und für mich unsichtbaren Erhebungen spitz wie Hörner aufragen? Um sie zu umfahren, folge ich ein Stück einem Kurs, der in meiner Seekarte als „Chemin des boeufs“ beschrieben ist, dem Weg der Rinder, der an ihnen entlangführt. Kein Zweifel. Hier haben sich segelnde Seeleute, die sich schon immer bei Nordwind hier durchhangeln mussten, ihre Erfahrungen mitgeteilt.

Kaum sind wir zwischen den „Boeufs“ durch, dreht der Wind wie Nachmittags üblich auf West und frischt auf. Levje schießt nun mit sieben Knoten hoch am Wind dahin, es geht nicht mit rechten Dingen zu, es ist wohl auch der Strom, der uns nun in rascher Fahrt entlang an den Felsen von Noirmoutier nach Norden zur Mündung der Loire trägt. Es ist 17 Uhr. Eigentlich könnte ich jetzt in den Hafen an der Nordspitze der Insel einlaufen. Doch die freundliche Dame sagt mir, dass der Hafen schon recht voll sei wegen des langen Wochenendes und es nur noch einen Platz im Päckchen für mich gäbe. Nein, das hatte ich gerade auf der Ile d’Yeu. Mir steht der Sinn mehr nach einer Bucht, in der ich ankern kann, und sei sie auch noch so voller Schwell und unbequem. Ich segle weiter nach Norden, da ist die Loire, ich sehe es an der Färbung des Wassers, das jetzt tiefgrün ist wie im Fluss flutender Hahnenfuß, die langen grünen Schlingpflanzen, die im Flusswasser wehen. Ein eigenartiges leuchtendes Grün, ich denke an die Augenfarbe einer Geschäftspartnerin vor vielen Jahren, deren Augenfarbe nicht nur die männlichen Kollegen ins Grübeln brachte, ob bei dieser Augenfarbe denn nun wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen wäre.

Die Mündung der Loire: Sie ist auch Weg und Liegeplatz für die Großschiffahrt. Weit draußen sehe ich Frachter liegen, während von rechts ein Tanker aus der Mündung auf uns zukommt. Der Wind ist gut, fast zu viel, ich sollte eigentlich reffen, doch nur jetzt nicht die rasche Fahrt nach Norden unterbrechen, die Sonne steht schon tief, gleich haben wir die rote Tone erreicht, die das nördliche Ende des Schiffahrtsweges markiert. Da liegt die Bucht, in der ich ankern will.

Aber auch das ist eine Lektion, die das Meer mir jeden Tag verpasst: Das Leben ist kein Ponyhof, auf Wunsch geht hier gar nichts. Der Wind frischt wie vorhergesagt am Abend auf und dreht zurück auf Nord. Ich muss aufkreuzen, mich in weitem Zickzack-Kurs gegen den Wind annähern. Und die Bucht selber ist, obwohl zum Greifen nah, wie durch eine Bojenkette durch einen Kranz von Riffen und Untiefen abgeschirmt, durch den es nur zwei markierte Einfahrten gibt. Die Ebbe ist zwar lang vorbei, aber ich möchte in dem mir unbekannten Gewässer nichts riskieren. Also noch eine Stunde mühsames Aufkreuzen vor den Untiefen, dann habe ich die mit zwei dünnen Bojen markierte Einfahrt vor mir. Ich suche mir, während die Sonne untergeht, meinen Ankerplatz, noch wirft der Wind beträchtlich Wellen in die Bucht, aber das macht nichts. Jetzt mag Levje noch wild am Anker schaukeln. Doch in zwei Stunden soll der Wind vorbei sein – aber da schlafe ich ganz sicher tief und fest.

Und Siseguine: Die hatte Recht.

Atlantikinseln. Auf der Ile d’Yeu, der Insel der Dolmen.

Mitte Mai bin ich in Sizilien gestartet, um einhand
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln. 
Eine von ihnen ist die Ile d’Yeu.

Vor La Rochelle beginnt die Kette der französischen Atlantik-Inseln, die sich wie ein Riff entlang der Nordwestküste Frankreichs reihen. Obwohl sie Inseln sind, machen sie dem Reisenden auf einem Boot das Leben nicht leicht. Die meisten besitzen keinen festen Hafen, sondern sind nur über eine Brücke vom Festland aus erreichbar. Sie sind Gezeiteninseln: Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut beträgt 4-5 Meter – was im einen Augenblick noch eine geschützte Bucht oder ein Hafen war, ist innerhalb Stunden eine trockengefallene Sandbank, auf der Wattvögel nach Schlickwürmern stochern. 

Die Ile d’Yeu ist nach der Ile d’Oleron, der Ile de Ré die dritte von ihnen. Sie ist nicht groß – wer sich im Hafen der geschäftigen Inselhauptstadt Port Joinville ein Fahrrad leiht, erreicht von dort in 20 Minuten jedes Ende der Insel. Und trotzdem ist dieses kleine, nur 

drei mal sieben Kilometer große Eiland ein Ort, an dem ich schwach werde. Nicht bloß, weil hier das Auto zuhauf herumfährt, für das ich zum ersten Mal seit Jahren in Versuchung käme, Geld auszugeben – es ist das rote im Foto oben. Oder weil dies hier der Ort ist, an dem der „Deux Cheveux“, der alte Citröen 2CV, die „Diane“ und der „R4“ noch unterwegs sind, als hätten sie alle sich hier auf dieser Insel geheimnisvoller Weise verabredet, zu überdauern und die heutigen Gesichtslosigkeiten der Autobauer einfach würdevoll zu ignorieren. Allein das ist schon eine Reise in die Vergangenheit, die den Abstecher auf die Insel allemal lohnt. Nein, die Ile d’Yeu mag klein sein an Abmessung. Aber kaum ist man eine Viertelstunde über die Sandpisten durch die duftende Macchie geradelt, ist man in ihrem Westen in einer anderen Welt. Plötzlich stehe ich inmitten der Felsküste. Ich lasse mein Fahrrad Fahrrad sein und wandere einfach ein Stück die Felsen entlang, wo nichts und niemand ist als die Möwen, deren Federn die Wiese wie verblühter Löwenzahn weiß überziehen. Die Westküste der Ile d’Yeu ist der Ort der Winde. Kein Baum, kein Strauch kann sich hier festklammern, nur Flechten und bärtige Moose überdauern auf den Felsen. Wo Schatten ist, wuchern Farne. 

Und während ich draußen auf dem Meer einen Segler beobachte, der von Westen her auf die Küste zuhält, stehe ich plötzlich vor einem dieser geheimnisvollen Gebilde, die man Dolmen nennt. Ein von Menschen geschaffenes steinernes Haus aus seitlich aufgerichteten Tragsteinen und einem Deckstein obendrauf. Dolmen: Es gibt sie erstaunlicherweise in Europa in vielen Ländern – vor allem denen an der Meeresküste. In Spanien, in Portugal, wo man sie „Anta“ nennt, in Frankreich ebenfalls in Küstennähe, in England, in Irland, in Dänemark, im Emsland, in Schweden. War hier eine erste europäische Zivilisation am Werk? Gab es vor uns schon etwas, Wissen, Können oder Glauben, was die Menschen Europas miteinander verband, was sie teilten?

Der Dolmen, vor dem ich stehe, ist jedenfalls ein kleiner. Aber trotzdem zu groß, um einfach achtlos dran vorbeizugehen. Wie schafften es die Menschen jener Zeit, den schweren Deckstein oben auf die Felsen zu legen? Auch zehn Mann könnten ihn nicht heben, selbst 20 oder dreißig nicht, sie bräuchten eine Idee und Werkzeug, mit ihren Händen könnten sie ihn niemals alle gleichzeitig richtig fassen.

Ich stehe da vor einem Rätsel. Die Dolmen der Insel d’Yeu datiert man auf etwa 4.000 Jahre vor Christus. Wir sind mitten in der Steinzeit, als am Nil und am Euphrat die Menschen die ersten Städte überhaupt gründeten und lernten, in größeren Gemeinschaften zu leben. Es gibt noch keine Schrift. Das Rad ist noch nicht da. Metall war noch lange nicht in Sicht, der Kran noch Jahrtausende entfernt, an heutiges Tauwerk vom Typ „Bruchlast 2 Tonnen“ war überhaupt nicht zu denken.

Ein paar Schritte weiter entfernt stehe ich vor diesem:

Wieder dasselbe Bild, dieselbe Technik. Ein flacher Stein, den Menschen mit ihrer Muskelkraft allein nicht heben könnten, auf zwei natürlich aus dem Boden ragende Felsen gelegt. Der Stein scheint zu schweben, er ist seines Gewichtes beraubt. Ein Kunstwerk? Ein Kultplatz?

Ich rolle auf dem Fahrrad weiter in den Norden der Insel, wo der kleine unbenutzte Flugplatz ist. An der äußersten Nordwestecke der Ile d’Yeu steht dieses Gebilde:

Der Dolmen de la Planche à Puare befindet sich direkt am Sandstrand und am Meer. Vor 6.000 Jahren lag der Meeresspiegel des Atlantik um 10 Meter tiefer. Der Dolmen stand also nicht am Meer, sondern Hundert Meter landeinwärts, aber immer noch in Sichtweite des Meeres.

Hier wurde jeder Stein von Menschenhand gesetzt – auch die seitlichen. Im Arbeitsablauf bedeutet das für eine größere Gemeinschaft gewaltige Anstrengungen – und nicht nur Körperliche, sondern vor allem planerische. Zuerst muss ein Plan existieren, wie der Dolmen aussehen soll. Dann müssen Experten geeignete Steine in der näheren Umgebung ausfindig machen. Sie mit einfachem Werkzeug aus ihrer Umgebung herausbrechen, herausschlagen. Sie vermutlich auf Baumstämmen teilweise über Kilometer heranwälzen. Die Steine aufrichten. Sie nicht einfach planlos auf dem Sandboden aufstellen, sondern so im Boden verkeilen, dass sie für Jahrtausende fest stehen und nicht einfach wie ein Kartenhaus zur Seite umfallen. Und dann das größte aller Rätsel: Die seitlichen Steine nicht bloß irgendwie verbuddeln, sondern exakt so vermessen, dass die unebene Unterseite des schweren Decksteins nicht nur auf zweien wackelnd zu liegen kommt, sondern mit seiner ungleichmässigen Unterseite auf allen Seitensteinen wie auf Hauswänden stabil ruht. Und dann den schweren Deckstein über eine eigens dafür aus Erdreich errichtete Rampen nach oben wälzen – genau in die errechnete Position. Zuletzt den Dolmen mit kleineren Findlingen einkleiden und dann mit Erdreich so bedecken, dass ein Hügel entsteht.

Allen Dolmen gemeinsam ist nicht nur ihre Nähe zu Küste, sondern auch, dass sie Grablegen waren. Noch vor 200 Jahren entdecken Hobby-Ausgräber unter den oben abgebildeten Steinen gleich drei Grabkammern. Und in ihnen die Reste einer alten Kultur: Schaber aus Feuerstein. Klingen. Stechahlen. Gewichte, um ein Fischernetz waagrecht in der Strömung einer Bucht treiben zu lassen, um Fische hineinzujagen. Die kostbaren Zähne eines Pottwals, des größten Wales, der überhaupt Zähne besitzt. Waren sie in der Lage, Wale zu jagen? Die Knochenreste eines Menschen. Hier hatte eine Gemeinschaft ihrem Verstorbenen das Beste und Wertvollste an Ausrüstung mitgegeben, was er für die lange Reise in die Anderwelt und das Leben dort benötigen würde. 

Von den alten Kulturen ist wenig geblieben, nur die Dolmen. Das ist erstaunlich. Die Dolmen überdauerten, weil den nachfolgenden Generationen die Steine zu schwer waren, um sie zu bewegen – sie hatten einfach das detaillierte Wissen wieder verlernt, riesige Steine nur mit Muskelkraft zu bewegen. Das Know-How, das vor 6.000 Jahren da war, mühsam erlernt, war mit seiner Zivilisation wieder verschwunden, verloren. Um sich Häuser zu bauen, begnügten sich nachfolgende Kulturen damit, die kleineren Findlinge aufzuklauben, mit denen die Dolmen einst verkleidet waren, und sie für ihre Behausungen zu verwenden. Übrig blieb, was den Menschen zu groß und selbst den Atlantikstürmen zu gewaltig war: Die schwebenden Steine. Und die Sagen, dass die, die sie errichtet hatten, wohl Riesen gewesen sein mussten.

Auch das ist, was Geschichte und tote Steine erzählen: Was wir einst lernten. Was wir einst konnten. Wozu wir in der Lage waren. Und was wir doch immer wieder vergaßen. Verlernten. Weil plötzlich etwas Neues kam, was das Alte ablöste. Soviel eine Gemeinschaft an Fähigkeiten neu gewinnt, soviel scheint sie im selben Moment auch wieder zu verlernen. Das war bei den Menschen der Dolmen damals vor 6.000 Jahren so wie bei uns heute. 

Als in der Dämmerung der Wind wie fast jeden Abend auf über 20 Knoten auffrischt und der Himmel schon jetzt im August sich wie ein herbstlicher Sturmhimmel färbt, streife ich mit der Kamera durch den Hafen. Ich wüsste zu gerne mehr über das Volk, das die Dolmen hier in der Bretagne schuf. Aber ich bin sicher: Ich werde hier in der Bretagne noch mehr von den alten Steinsetzungen antreffen. Und auf viele alte Steine und ihre Geschichten stoßen – nicht nur auf der Ile d’Yeu, die ich sicher nicht zum letzten Mal besucht habe.