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Unter Segeln zur Bretagne: Die Insel Yeu. Port Joinville. Und der Gott des Chaos.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal und Nordspanien
erreichte ich die französische Atlantikküste mit ihren Inseln. 
Eine von ihnen ist die Ile d’Yeu.

Das Wetter südlich der Bretagne hat Mitte August seine Launen. Während jetzt in Süditalien mit Feuerwerk und Volksfest jedes kleine Kaff Maria Himmelfahrt feiert und die Augusthitze über allem brütet, wache ich im Hafen Bourgenay in dichtem Nebel auf. Das Boot ist tropfnass. Fährt ein Fischer vorbei, höre ich den Schwall, der sich aus dem Bimini aufs Deck ergießt. Statt der windstillen und sonnigen Herbsttage, die ich aus der nördlichen Adria oder von Sizilien kenne, herrscht hier im einen Moment Nebel. Am Mittag Sonne. Und am Spätnachmittag 20 Knoten Wind aus Nordwest. Mein gestriges Ziel, das nur sieben Seemeilen entfernte Les Sables d’Olonne zu erreichen musste ich aufgeben, weil Wind und Strom gegen mich standen. Aufkreuzen brachte keine eineinhalb Seemeilen Strecke in der Stunde. Ich verkroch mich in den Hafen von Bourgenay.

Auch die französischen Atlantikinseln machen die Reise nicht einfach. Zu gerne hätte ich die Ile d’Oleron vor La Rochelle besucht. Oder die Ile de Ré. Doch keine bietet einen guten Ankerplatz und erst recht keinen Hafen: Mit der Tide fallen deren Häfen allesamt trocken. Zum ersten Mal bedauere ich, dass Levje kein Kimmkieler ist: Dann könnte ich einfach in eine der Buchten fahren, bei Ebbe auf einer der Sandbänke parken, könnte einfach dort stehenbleiben in der Wattlandschaft des Atlantiks, wo der Unterschied zwischen Ebbe und Flut mittlerweile bei fünf Metern ist.

Auf dem Weg nach Norden bietet als einzige die sieben Stunden entfernte Ile d’Yeu einen richtigen Hafen. Also mache ich mich gleich am Morgen auf dem Weg, um nicht wieder von der spätnachmittäglichen 20-Knoten-Brise ausgebremst zu werden und den Inselhafen Port Joinville auf der Ile d’Yeu vorher zu erreichen.

Auch vor der Ile d’Yeu liegt eine Nebelbank – trotz Wind – aus der mir plötzlich ein Kutter entgegenkommt. In der Hafeneinfahrt begegnet mir die Schnellfähre, die gerade ausläuft. „Compagnie Yeu – Continent“ steht in großen Lettern auf dem Schiff, als wäre Europa an dieser Stelle ein entlegener Kontinent. Und die Insel Yeu eben ein anderer. Und der enormen Aufgabe, diese beiden Kontinente zu verbinden, hat sich eben die „Compagnie Yeu-Continent“ verschrieben. 

Im Hafen selber geht es eng her. Es ist Feiertag, Maria Himmelfahrt ist auch in Frankreich – mit allen Begleiterscheinungen der Freizeitgesellschaft. Was Beine hat, ist in Port Jointville auf dem Boot, Gedränge, Gasgeben, Hektik schon in der Hafeneinfahrt. Ich gestehe gern, dass auch ich ein Freizeitkapitän bin, doch ebenso gern, dass ich die Feiertage in den Häfen meide: An diesen Tagen herrscht ein unguter Mix aus anpreschenden Schnellfähren, unter Segeln gemächlich einlaufenden Traditionsschiffen, kreuz- und querschießenden Schlauchbooten und wirre Kreise drehenden Anglern. Er erzeugt in der Enge der Einfahrt eine ungute Hektik, bei der man die Augen nicht eine Sekunde vom Wasser lassen kann. Ein Marinero erwartet mich im Boot vor der Einfahrt in die Marina, die zwischen den massiven hohen Steinmolen keine zehn Meter misst. Zwei Schlauchbootfahrer füllern die Einfahrt mit der lebhaften Diskussion, wer denn nun als erster an die kurze Tankpier darf, während ein Angler bei dem Versuch, sich zwischen den Diskutierenden durchzuschieben, dazwischen steckenbleibt und drei andere vorbei wollen.

Ich folge dem Schlauchboot mit dem Marinero in die Gasse – verflixt, ist das eng hier. Zweimal rechts, dann gehe ich längsseits an einer Yacht. Geschafft für heute. 

Doch mein Tag ist damit noch nicht vorbei. Yacht auf Yacht kommt in den Hafen, und die Marineros packen eine nach der andere hinein ins Päckchen – solange, bis vor Levje sieben Yachten liegen. Und dahinter sieben. Und rechts drei. Und links drei. Eine respektable Leistung der Marineros. Doch Levje steckt fest mittendrin im Pulk, während das Wasser in der Marina fällt.

Am nächsten Morgen böet es mit 17 Knoten über dem Hafen. Soweit ist alles gut. Die Schiffe liegen fest und sicher. Gottseidank sagten gestern Abend alle Nachbarlieger, keinesfalls vor Übermorgen los zu wollen.

Doch gestern war gestern. Und heute ist heute. Der Gott, der zuständig ist für Chaos und das Schiefgehen der Dinge: Er hat heute morgen beschlossen, in Port Joinville vorbeizuschauen und im Topf des Marinabeckens einmal kräftig umzurühren. Ausgerechnet die beiden innen am Steg liegenden Boote äußern den Wunsch, doch ablegen zu wollen bei dem Wind. Und das sogleich. Erst ratlose Blicke der anderen 19 Boote. Dann bläst der Gott des Chaos ins Horn. Und in die

Hirne aller Beteiligten die unterschiedlichsten Fragen: „Wie ablegen?“ „Was ist denn dann mein neuer Liegeplatz?“ „Wo soll ich denn dann hin?“ 10 Handfunkgeräte preien die Marina auf Kanal 9 an, um nach einem neuen Liegeplatz zu fragen, während sieben andere Skipper hierfür ihr Handy zücken und die einzige Marina-Angestellte mit einem Anruf beglücken. Die ersten legen ab, vergessen aber Landstromkabel oder Spring, während die ganz Innen schon mal nachdrücklich ihren Motor starten. Der Gott des Chaos lässt die Böen auf 20 Knoten ansteigen, drei Yachten treiben in der engen Gasse und wissen nicht recht, wohin mit sich und dem schönen Tag, während wieder andere loswerfen und erst mal Gas geben, „meine Droge heißt Speed“, auf die enge Gasse mit den drei anderen zu. Die Frau meines Nachbarn zur Rechten, der eigentlich nach mir ablegen müsste, weigert sich bereits jetzt abzulegen, bevor man nicht einen neuen Liegeplatz hätte. Ich bitte meinen Nachbarn, mir doch beim geordneten Ablegen zu helfen, worauf der seine versierteste Kraft an Deck, die zehnjährige Tochter an meinen Festmacher lässt, damit er selber Kopf und Hände frei hat für die verbalen Manöver seiner Frau. Die zehnjährige hält derweil den Festmacher und meine 7,5 Tonnen Levje bei 15 Knoten Seitenwind in der Hand. Ich rufe loswerfen, bevor sie sich verletzt, was sie auch folgsam tut und meine acht Meter Festmacher willig ins Wasser rutschen lässt, während mein Heck noch festhängt. Der Gott des Misslingens ist jetzt voll im Saft, ich spüre seine Blicke auf mir, wie er sagt: „Nun zeig mal, Bürschlein, was Du drauf hast.“ Ich muss erst mein Heck freibekommen und dort loswerfen. Dann Rückwärts entschieden Gas geben. Nach vorne rennen und den Festmacher reinholen, nicht auszumalen, wenn der jetzt in meinen Propeller kommt. Doch alles klappt, ein Wunder wie, ohne in der Enge ein Boot zu touchieren. Ich kann Levje in der Gasse abfangen, hart Ruder legen, um meinen Bug in den Wind zu bekommen. Doch wohin nun?

Ich laufe langsam die Gasse entlang, während links und rechts Yachten mit satter Geschwindigkeit vorbeischießen und den Ausgang aus dem Chaos suchen, koste es, was es wolle. Der Gott des Chaos reibt sich feist die Hände, als mein Nachbar samt Madame mit hoher Geschwindigkeit von hinten fast auf Levje aufläuft. Egal wo, ich nehme einfach eine der freien Boxen links, während wieder ein anderer an mir Richtung Ausgang vorbeischießt, der Gott lässt panische Fluchtgedanken in  Skipperhirnen keimen. Endlich bin ich in der Box. Doch während der Wind uns mit Kraft Richtung Steg schiebt, mühen zwei willige Helfer sich, genau dort meine Bugleinen zu belegen, wo der Wind uns hinschiebt, als wäre dies das Mittel der Wahl, Levjes Bug vom Steg abzuhalten. Ich gebe rückwärts Gas, dann eben so, die Spring muss warten. Als auch sie fest ist, mache ich Bestandsaufnahme, während hinter mir in der Gasse immer noch Yachten eilends dem Ausgang zustreben. Boot fest. Bruch vermieden. Alles gut.

Dann auf in Stadt, um mal etwas von der Ile d’Yeu zu sehen.

Windvane politics

ES WAR EINE SÜNDE WERT

Windvane politics

Windvane politics

ES WAR EINE SÜNDE WERT

Windvane politics

SV Marianne – Ben Schaschek GER

A SONG DEDICATED TO PETER FOERTHMANN

This song is dedicated to the best helmsman in the world. Thank you Peter Foerthmann from Windpilot for steering us effortlessly around the world!
Ben Schaschek
Beyond Elements first official music video release…’Vogelfisch’ written by Claudio Oster.

SV Marianne – Ben Schaschek GER

A SONG DEDICATED TO PETER FOERTHMANN

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Ben Schaschek
Beyond Elements first official music video release…’Vogelfisch’ written by Claudio Oster.

La Rochelle: Die Türme. Die Tide. Wie plötzlich das Wasser unter Levje weg war.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal erreichte ich  
von der Küste Nordspaniens aus die französische Atlantikküste. 

Die Türme der Hafeneinfahrt in den Vieux Port von La Rochelle. Sie zieren jeden Prospekt von La Rochelle, sie stehen auf fast jeder touristischen Webseite. Ich hatte das Bild der beiden Türme im Kopf, als ich mich im Mai von Sizilien aus auf die Reise machte. Ich habe sie nicht vergessen. Ich wollte dorthin, wollte zwischen dem größeren Tour St. Nicolas und dem kleineren Tour de la Chaine hindurchfahren. Bilder lösen etwas aus. Bilder motivieren.

Nun war ich dort. Auch wenn ich die beiden kleineren Leuchttürme rechts daneben im ersten Moment übersah: Es war ein guter Moment. Zufrieden drehte ich meine Runde. Und kehrte dann eine Seemeile zurück, in den Port de Minimes, die eigentliche Marina von La Rochelle, der auch ein Steg im Vieux Port untersteht.

Der Port de Minimes, zu dem ich durch den Kanal im dichten Samstagsverkehr entlang der Spundwände motorte, wartet gleich mit mehreren Superlativen auf. Erstens ist er mit 3.600 Liegeplätzen wohl der größte der Freizeithafen nicht nur in Frankreich, sondern auch in Europa. Und zweitens steht La Rochelle mit fünf Metern Tidenhub auf meiner Liste ganz an der Spitze. War jahrelang mein Rekord in Venedig und den Lagunen von Grado bei 1,70 Meter, hatten mich seit Gibraltar eigentlich immer zwei Meter Tidenhub begleitet. Doch fünf Meter sind noch einmal etwas anderes, auch wenn Royan an der Gironde, der Hafen aus dem ich gekommen war, schon der erste Hafen gewesen war, in den man nicht mehr so mir-nichts, Dir-nichts einlaufen konnte, wie ich wollte. Sondern erst die Flut abwarten musste, über die vor dem Hafen liegenden Flachs drüberzukommen.

Doch mit der Tide macht man ständig neue Erfahrungen. Als ich am nächsten Morgen am Kanal entlang spazierte und dieselben beiden Motive noch einmal aufnahm, sahen Kanal, Betonwand und die Türme in der Ferne ganz anders aus:

Von der breiten Wasserfläche war nichts anderes übrig als das schmale Rinnsal, auf dem sich nur noch ein Schlauchboot bewegte. Auch die Türme ragten nun viel höher.

Fünf Meter Höhenunterschied machten sich auch auf meinem Steg bemerkbar. Gelangte man bei Flut zu Fuß fast eben über die Brücke auf die Pier, an der Levje vertäut lag, so sah dieselbe Landschaft sechs Stunden später ganz anders aus.

Vorher:


Nachher (vom gleichen Standort aus 6 Stunden später aufgenommen):

Die Brücke war plötzlich eine steile Rampe, die sichtlich Mühe kostete und dazu zwang, Anlauf zu nehmen, wenn man ein Fahrrad hinaufschieben wollte.

Doch meine Abenteuer mit der Tide waren damit noch keineswegs zu Ende. In der Nacht am Steg weckten mich ungewöhnliche Geräusche an Bord. Ein Knacken, das aus dem Salon kam. Dann Stille. Vielleicht hatte ich mich getäuscht? Dann war das Knacken wieder da. Ich stand auf, um nachzusehen. Da war nichts. Alles ok. Ich hob die Bodenbretter an. Alles trocken. Ich wollte schon wieder zurück ins Bett, als sich das Knacken ein drittes Mal meldete. Was war da bloss los? 

Ich sah auf die Uhr. Halb zwei. Ob die Tide das war? Levje hat zwei Meter Tiefgang, den ich beim Check-In im Hafen auch angegeben hatte. 

Ich schaltete den Tiefenmesser an, sicherheitshalber. Er brauchte einen Moment. Dann erschienen drei Zahlen im Display: Die 1. Die 3. Die 0. 1,30 Meter??? Dann fehlen ja siebzig Zentimeter, wo Levje doch zwei Meter Tiefgang hat?!? Voller Grausen beugte ich mich über die Bordwand. Tatsächlich. Levjes Festmacher führten steil nach unten und hielten den kleinen Schwimmsteg nach oben. Das war doch nicht möglich?

Ich spurtete nach draußen, wie ich war. Levjes Bug ragte über dreißig Zentimeter aus dem Wasser in die Luft. Levje schwamm nicht mehr, sie stand im Wasser. Ihr Kiel hatte sich 70 Zentimeter, soweit er konnte, in den Schlick des Hafengrunds gebohrt. Nackt, wie ich war, rannte ich in der Dunkelheit unter dem Neumond zu den anderen Booten rings um mich, alles Segelyachten in Levjes Größenordnung. Mindestens zwei von ihnen ragten ebenfalls mit straff gespannten Festmachern aus dem Wasser. Hatten die Marineros mir den falschen Liegeplatz gegeben?

Als erstes taucht in einem solchen Moment reflexartig der Gedanke auf, einfach den Motor zu starten und aus dem Schlammassel rauszufahren. Blödsinn. Doch bemerkenswert, wie sich in so einer Situation Fluchtreflexe einstellen. Ich überlegte. Rief auf dem Smartphone den Tiedenkalender auf. Tatsächlich. Für 1 Uhr 26 war der Pegel tatsächlich auf Null. Nicht auf 1,20 Meter darüber wie sonst meist auch.

Des Rätsels Lösung: Der Mond war schuld. Genauer gesagt: Der Neumond. Neumond bedeutet, dass der Mond zwischen Sonne und Erde steht, was seine Anziehungskraft verstärkt genauso wie bei Vollmond, wo die Erde zwischen Sonne und Mond steht. Bei Vollmond und bei Neumond entsteht die Springtide – eine vom normalen Tidenhub stark abweichende Tide.

Da blieb nur eins. Einfach warten. Und hoffen, dass sich der Kiel nicht im Schlamm festsaugte und diesmal die Erde Levje festhielt. Ich wartete einfach. Das Knacken war nicht mehr zu hören. Das Wasser stieg wieder. Eine Stunde später war Levjes Bauch fast wieder im Wasser.

Die Tide: Ich hatte mir alle möglichen Gedanken gemacht. Aber auf den Mond zu achten: Das hatte ich nicht. 

Die Türme: Ich besuchte sie am nächsten Tag. Neben einem herrlichen Rundblick auf den Hafen und heranziehende Regenschauer kann man von ihnen vor allem eines tun: Einen Blick von oben herunter werfen. Auf die Tide.

Quer durch Frankreich

Urlaub! Endlich! Endlich mal wieder etwas gemeinsam unternehmen, nach der langen Zeit, in der Sabrina, Filou und ich getrennt waren.
Da aus der Urlaubsfahrt mit Nomade wegen des Niedrigwassers ja nichts wurde, haben wir uns kurzerhand entschieden mit den Rädern auf der Eurovelo 6 ein Stück durch Frankreich zu fahren. Die Eurovelo 6 ist ein Radwanderweg, der vom Schwarzen Meer zum Atlantik führt und einen ganz kleinen Teil davon kannte ich bereits. Vor 2 Jahren, als ich mit EOS im Rhein-Rhône-Kanal festhing, bin ich ein Stück auf diesem Weg zusammen mit Michael von der WHITE HEAVEN geradelt. Ich weiß noch genau, wie ich damals gesagt habe: „Hier würde ich gerne mal irgendwann zusammen mit Sabrina entlang fahren.“

Aus dem „irgendwann“ ist dann eben dieser Urlaub geworden. Eigentlich viel zu knapp, was die Vorbereitung angeht, zumal ich wenige Tage vorher damit begonnen hatte, ein Fahrrad aus Bambus zu bauen und parallel dazu unsere Mountainbikes wegen eines Versuchs zu E-Bikes umgebaut hatte. Allerdings war nichts richtig fertig, die Räder teilweise zerlegt, Chaos pur. Sabrina und ich hatten also ganz gut zu tun, um alles unter einen Hut zu bekommen. Aber es hat mit ein paar Nachtschichten geklappt. Die Testfahrten habe ich dann tatsächlich immer Nachts gemacht und am 29. Juli waren wir unterwegs mit Sabrinas Renault Modus. Das Auto hat einen ziemlich interessanten Fahrradträger, der ohne den „Umweg Anhängerkupplung“ direkt mit der Karosserie verbunden ist. Entsprechend angenehm ist das Fahrverhalten mit den Rädern am Heck. Kein wippen, kein rappeln…
Filou hat die knapp 600 Kilometer bis kurz vor Basel überwiegend verschlafen. Er fährt mittlerweile richtig gerne Auto. Bequem hat er es auch. Ihm steht die gesamte Rücksitzbank zur Verfügung. Die Bank selbst ist allerdings noch mit einer gepolsterten Unterkonstruktion aus Multiplex eingeebnet. So hat er erstens mehr Liegefläche und liegt zweitens nicht schräg. Auf der Fahrt nach Dänemark im letzten Jahr ist ihm nämlich durch die blöde Liegeposition mal ein Bein eingeschlafen. Danach habe ich das Auto entsprechend umgebaut. Einen Gurt braucht er nun auch nicht mehr zu tragen, dafür ist jetzt ein Fangnetz verbaut.



Filou wird immer neugieriger auf Wasser…

Schön hier.

Als wir in Lörrach, kurz vor dem Dreiländereck, ankamen waren wir entsprechend entspannt. Nur die Hitze hat uns zu schaffen gemacht. Trotz Tarp und Schatten der Bäume ging bei deutlich über 30°C nicht mehr viel. Nachdem unser Basislager stand haben wir Siesta gemacht. Filou ist als Grieche ja hohe Temperaturen gewohnt, aber man hat gemerkt, dass ihm die Hitze ebenfalls zu schaffen macht. Im Wetterbericht für die Region wurden die vorhergesagten Temperaturen der nächsten Tage noch dazu täglich nach oben korrigiert. Als am Abend für den übernächsten Tag satte 38°C gemeldet waren, haben wir den Plan, die 350 Kilometer auf der Eurovelo 6 zu radeln, gekippt. Eigentlich wollten wir das Auto in Lörrach stehenlassen und bis Chalon-sur-Saône ausschließlich radeln und auf Campingplätzen übernachten. Bei solch hohen Temperaturen wäre das für uns und vor allem für Filou aber zu riskant gewesen. Er sitzt zwar die meiste Zeit im Hundeanhänger, aber auch der heizt sich trotz Belüftung auf. Über Asphalt kann man bei so einer Hitze auch keinen Hund mehr laufen lassen…
Also haben wir nach einer heißen Nacht (nicht was ihr jetzt denkt) am frühen morgen das Zelt abgebaut und bei Eckhard & Annemarie in L’Isle-sur-le-Doubs angerufen. Den beiden gehört ein Hotel am Rhein-Rhône-Kanal und der ein oder andere erinnert sich vielleicht an die Geschichten, die ich vor 2 Jahren erzählt habe. Damals lag ich wegen des Erdrutsches fast 3 Wochen direkt vor ihrem Hotel.
Wir wollten die beiden sowieso besuchen und eine Nacht dort bleiben und so sind wir kurzerhand mit dem Auto am Kanal entlang nach Westen gefahren, haben an einigen Stationen angehalten und uns die Orte angeschaut, die ich mit EOS damals besucht hatte. Ich wollte Sabrina unbedingt die weißen Bisamratten in Kembs zeigen. Von denen war sie damals ziemlich begeistert. Gefunden haben wir sie diesmal leider nicht. Wahrscheinlich war es ihnen auch zu heiß.
Also sind wir klimatisiert weiter, bis zum Hafen in Montbeliard. Dort haben wir etwas gegessen und sind ein schattiges Stück Eurovelo entlangspaziert.






Dann wieder weiter, bis wir am frühen Nachmittag schließlich dort waren, wo ich anscheinend nur bei Extremwetter lande, in L’Isle-sur-le-Doubs! Vor 2 Jahren der nasseste Sommer seit Generationen, diesmal der heißeste Sommer seit langer Zeit. Aber ich war froh, wieder hier zu sein. In dieser Gegend habe ich mich trotz des vielen Regens damals immer wohlgefühlt. Eine spannende und auch manchmal angespannte Zeit war das, als ich mit Michael wochenlang dort festhing und niemand uns sagen konnte wann es weiter geht. Aber trotz aller Schwierigkeiten war es eine unglaublich gute Zeit!
Und nun bin ich wieder hier. Ich freue mich riesig, Eckhard und Annemarie wiederzusehen und Sabrina fühlt sich gleich wie zu Hause. Wir bekommen ein sehr gemütliches Zimmer im Hotel und sind froh, dass es hier im Haus nicht so warm ist wie draußen.
Am Abend gehen wir zur Schleuse 25 und Filou badet zum ersten Mal in seinem Leben so richtig im Wasser. Er verliert schnell seine Scheu und hat nach einer Weile richtig Spaß daran, im flachen Doubs zu planschen.






Am nächsten Tag sind wir doch noch auf der Eurovelo 6 unterwegs. Wenigstens die Strecke bis Clerval wollen wir fahren und sind deshalb früh losgeradelt. Bevor die Sonne so richtig aufdreht, liegen knapp 40 sehr schöne Kilometer entlang des Kanals und des Doubs hinter uns. Der weitere Tag ist mit Siesta und weiterer Urlaubsplanung am Smartphone ausgefüllt. Da weiterhin keine Abkühlung in Sicht ist, buchen wir kurzfristig für eine Woche ein Apartment, in der einzigen Gegend weit und breit, in der es eigentlich nie zu heiß wird. Schlappe 930 Kilometer weiter westlich, am Atlantik!
Bevor es losgeht, verbringen wir noch einen sehr gemütlichen Abend mit Eckhard und Annemarie. Wir essen gemeinsam und plaudern bis spät am Abend. Es gibt so viel zu erzählen und die Zeit ist eigentlich viel zu kurz.

Als wir am folgenden Tag auf der Autobahn unterwegs sind, ist die Vorfreude riesig. Vor allem sind wir neugierig, wie Filou aufs Meer reagiert und gespannt, ob sich Port Medoc verändert hat!? Oh und dann ist da ja auch noch der Jakobsweg…

Weiter gehts…

Filou verschläft die Fahrt wieder überwiegend und nachem wir in Le Verdon die Klamotten ins Apartment gebracht haben, im Lebensmittelmarkt um die Ecke kurz vor Ladenschluss noch schnell eingekauft haben, geht es auf dem schnellsten Weg ans Meer. An den Strand, an den wir vor ein paar Jahren fast jeden Tag vom Boot aus zu Fuß gelaufen sind. Endlich wieder am Atlantik, endlich wieder in Le Verdon sur Mer!
Ein toller Abend war das, nach der langen Zeit wieder hier zu sein, in der Gegend, in der wir fast einen ganzen Sommer verbracht haben. In Le Verdon hatten wir eine der besten Zeiten überhaupt. Hier gab es Wendepunkte, hier haben wir weitreichende Entscheidungen getroffen. Zufällig sind wir im Sommer 2015 hier mit EOS gelandet, zufällig hier über den Jakobsweg gestolpert…

Und heute Abend sind wir endlich wieder hier, laufen zusammen über die kleine Düne und hören schon von weitem die Wellen brechen bevor wir sie sehen können. Als Filou keinen Asphalt mehr, sondern feinen Sand unter den Füssen hat, ist er plötzlich wie verwandelt. Filou ist sonst die Ruhe selbst. Immer gelassen, oft tiefenentspannt und wenn er mal spielen will, dann kaum länger als eine Minute. Jetzt streckt er den Kopf nach oben, schnuppert die salzige Luft und sprintet nach vorne. Er hüpft vor Freude, tanzt regelrecht umher und trommelt mit den Vorderpfoten auf den Sand. So etwas haben wir noch nie bei ihm gesehen. Er buddelt nicht, er schlägt einfach nur freudig mit den Pfoten auf den Sand, schaut zu uns, schaut zum Meer, wedelt wie irre, hüpft, tanzt, schaut wieder zum Meer. So eine langanhaltende Freude haben wir noch nie bei ihm gesehen. Wir hatten uns ja schon die ganze Zeit gefragt, was er wohl machen wird, wenn er das Meer wieder sieht. Schließlich ist er in Kilada ja direkt am Meer groß geworden, als er noch ein Streuner war. So eine ausgelassene Freude hätten wir allerdings nicht erwartet.

Endlich wieder am Meer!

Als wir am späten Abend wieder im Hotel sind, wissen wir, es war absolut richtig wieder hier her zu kommen.
In den nächsten Tagen lassen wir Filou ganz langsam immer mehr Raum. Was an vielen anderen Orten kaum noch möglich ist, geht hier ganz einfach. Das ist es, was wir in Frankreich unter anderem so sehr lieben. Die Gelassenheit.
Kaum ein Hund an der Leine, kein Gebell, keine Kommandos, kein Stress: „Laissez-faire“

Die Hunde sind hier ganz anders drauf als ich das von vielen Hunden in Zentraleuropa kenne. Sie sind keine zu kleinen Kindern erzogenen Haustiere, die viele Befehle ihrer Herrchen oder Frauchen verstehen, jedoch die ureigene Sprache nicht mehr „sprechen“. Die Hunde hier, sie sind einfach Hunde.
Wäre ich nicht Nico, sondern Filou, hätte ich hier in Le Verdon nach langer Durststrecke wohl folgendes gedacht: „Endlich wieder normale Leute!“

Diese „normalen Leute“ und ihre „normalen Leute“ lassen es zu, dass wir Filou den Raum geben können, den er zuletzt in Kilada hatte, als er noch frei war. Nicht nur Filou freut sich darüber, auch wir sind glücklich, ihn so zu sehen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie das war, als er in Griechenland nach ein paar Tagen bei mir geblieben ist, als er zu meinem besten Freund wurde. Er hätte wieder weggehen können, aber er lag irgendwann den ganzen Tag unterm Boot auf dem kleinen Teppich, den ich dort für ihn hingelegt hatte und hat auf mich gewartet. Er war froh, dass er endlich jemanden gefunden hatte.
Und so wie er damals immer wieder zurück gekommen ist, kommt er jetzt erst recht wieder.



























Wassersport!

Schöne Tage sind das, Tage am Strand, Ausflüge mit den Fahrrädern durchs Medoc, mit der Fähre rüber nach Royan, Zeit zum relaxen, Tage auf dem Jakobsweg.
Vor allem sind die Tage hier nicht so heiß wie mitten im Kontinent. Der Wind kommt wie fast immer in der Biskaya von Westen. Saubere Luft, kaum wärmer als das Wasser und als nach vielen schönen Erlebnissen der letzte Abend angebrochen ist, da zeigt sich die Biskaya noch einmal von ihrer seltensten Seite. Sie plätschert leise vor sich hin wie der Mahnensee in Rees bei Windstärke Eins. Null Dünung, Null Windsee!
Wer an diesem Abend zum ersten Mal die Biskaya sieht, wird enttäuscht sein oder sich zumindest wundern. Aber auch so kann sie sein. Ganz ruhig und zahm, wenn auch nur an ganz wenigen Tagen im Jahr.

Als Sabrina, Filou und ich schließlich Le Verdon verlassen, wissen wir: Irgendwann kommen wir wieder hierher…

Alle Fotos bis hier sind übrigens mit Film entstanden. Ich habe diesmal ganz bewusst die GH5 Zuhause gelassen und nur meine alte Canon AE-1 Program und 5 Filme mit auf die Reise genommen. Die Schwarzweißfotos habe ich diesmal selbst entwickelt und ganz schön geschwitzt dabei. Fürs erste Mal bin ich damit zufrieden.

Jetzt zeigen wir euch noch ein paar digitale Fotos, die mit Sabrinas Canon EOS 100D und dem 24mm Pancake entstanden sind. Sabrina hat diesmal ganz bewusst nur diese Festbrennweite mitgenommen.









Letzter Sonnenuntergang.

Unter Segeln: 34 Stunden über die Biskaya. Von Bilbao nach Bordeaux.

Seit Mitte Mai bin ich von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal segle ich heute 
von der Küste Nordspaniens nach Norden zur französischen Atlantikküste. 

Wer segelt, braucht Wind. Doch abgesehen von zwei, drei Tagen ließ er sich den Juli und den August weder in Portugal noch in Nordspaniens blicken. Bis auf wenige Ausnahmen musste ich die meiste Zeit im schwachen Wind motoren, und meine vielen Stunden unter Motor werden mir im Gedächtnis bleiben, weil statt des erhofften Windes nur ein nerviger Nordwest-Schwell unser ständiger Begleiter war, der Levje stundenlang von einer Seite zur anderen durch die Wellen geigen ließ. Schwacher Wind: 5-8 Knoten – bei ruhigen Bedingungen hätte ich vielleicht den Blister gesetzt, wieder und wieder überlegte ich das, doch es wäre sinnlos gewesen, der Nordwest-Schwell war stärker als jeder Windhauch: Er hätte jedes eingefangene Lüftchen auch gleich wieder aus dem Segel geprügelt.

Ich wartete. Auf eine Vorhersage mit 15 Knoten Wind aus der richtigen Richtung, die uns über die Biskaya nach Norden tragen könnte. Ich umschlich die Wetterseiten wie ein Wolf seine Beute. Ich lag auf der Lauer. Dann war sie plötzlich da, vergangene Woche, die richtige Vorhersage: Kommenden Dienstag 20 Stunden Wind aus West. Mit 20-25 Knoten, in Böen über 30. Danach: 10 Tage wieder schwachwindig, wie gehabt. Ich lief Sonntags in die Ría de Santoña ein, ein breites Flussdelta kurz vor Bilbao. Und wartete.

Montag Nachmittag wurde der Himmel düster. Die Luft voll Schwere und Schwüle. Die Gipfel der Berge ringsum verschwanden unter Schwaden düsterer Wolken. Es bereitete sich etwas vor.

Wer segelt, braucht Wind. Aber nicht zuviel. Der Anblick des Wetters am Abend war dramatisch. Zudem korrigierten die beiden Wetterberichte ihre Windprognose nach oben. Von 4 Uhr Morgens an 12 Stunden Wind in den oberen 20ern, Böen in den 30ern. Das kannte ich, das konnte Levje ab. Aber dies war die Biskaya. Die kannte ich nicht. Wie würden sich die Wellen anfühlen, die 500 oder 1.000 Kilometer ungehindert aus Westen anrollten? Ich habe Respekt vor dem, was ich kenne. Und noch mehr vor dem, was ich nicht kenne.

Es sind Regeln, die mir in solchen Momenten helfen. Meine alte Regel: „Entscheide nicht. Aber geh nachsehen. Streck die Nase raus. Und sieh nach, wie es draußen aussieht.“

Meine Nacht ist unruhig. Als gegen 22 Uhr der Wind einsetzt, schalte ich die elektronische Ankerwache ein. Doch wieder einmal narrt mich das Zusammenspiel von Wind und Gezeiten, sie lassen Levje so wirr um den Anker drehen und kreisen, dass mein Schlaf vier mal vom Alarm unterbrochen wird und ich aus dem Bett losrenne, weil ich denke, der Anker würde nicht halten. Doch immer, wenn ich in dieser Nacht an Deck bin und meine Peilmarke hinüber nach Santona kontrolliere, sehe ich: Das kleine Stadion von Santoña ist noch da, wo es gestern Abend war. Seitlich unter der dritten Straßenlaterne. Levjes Anker hält.

Um vier Uhr Morgens, als ich eigentlich los wollte, weht es heftig. Nein, das ist gar zu wild. Ich verschiebe meinen Aufbruch in der Dunkelheit und bleibe behäbig im Bett. Gegen sieben wird es ruhiger. Im ersten Grau starte ich den Motor, hole den Anker, fahre hinaus und setze das Groß neben dem Trawler, der wie ich im Schutz der Felsen ankernd auf den rechten Zeitpunkt wartet.

Zuerst ist alles ruhig. Der große Berg über Santoña schirmt den Westwind ab. Fast spiegelglatte See. Kaum Wind. Das war doch eben noch anders? Habe ich mir zuviele Sorgen gemacht?

Nein. Eine halbe Stunde später sind wir mittendrin. Levje legt sich auf die Seite, am Himmel jagen Wolken aus Westen, leichter Regen.

Anfangs bin ich nervös. Wird der Wind die dreißiger überschreiten? Werden die Wellen höher sein als gedacht? Doch Levje hält brav ihren Kurs. Läuft zwar schwankend, aber zielstrebig und ohne zu Mucken auf dem eingegebenen Kurs. Ich beginne, mich zu entspannen. Und meine Umwelt genauer zu betrachten.

Ich stehe auf und beobachte das Meer. Erst aus dem Cockpit von der Steuerbordbank aus. Eine dreiviertel Stunde später von der gegenüberliegenden Bank. Dann vom Sitz im Heckkorb, zu dem ich mich langsam hinaus hangle, weil Levje so durch die Wellen geigt. Dann im Stehen aus dem Cockpit heraus, wo ich über die Sprayhood hinweg einen weiten Blick habe. Gut eine Stunde stehe ich, vergesse die Zeit über dem Betrachten der Welt.

Das Meer. Erstmals voll in mein Bewusstsein trat es, als ich als 17jähriger von England zurückreiste. Ein September-Nachmittag, ich hatte gerade noch die Fähre nach Ostende erwischt, es zog mich nach oben, aufs oberste Deck des Schiffes. Da stand ich allein und ließ mich von Wind und Herbstkühle durchblasen, zum ersten Mal versunken in den Anblick, von dem ich einfach nicht genug kriegen konnte. Ich 

wurde nicht satt. Am Bild der Wellen. An den Formen und Strukturen, die Wind und Sonne auf die Oberfläche des Meeres malten. Das immergleiche und doch sich jeden Sekundenbruchteil ändernde Bild fesselte mich für Stunden, wenn nicht für die ganze Überfahrt von Dover bis Ostende. Ich vergaß die Kühle des englischen Frühherbsts, ich ignorierte die Rußflocken aus dem Schornstein des Schiffes, die um mich auf dem weißen Deck platzten. Ich stand einfach. Wurde ruhig. Und schaute hinaus aufs Meer. So wie jetzt, irgendwo zwischen Bilbao und Bordeaux.

Da stehe ich. Und bin versunken in den Anblick des Meeres. Ein Wellenkamm, der neben Levje bricht. Es sieht es so aus, als wäre das Meer nicht ein großer Organismus, sondern als würde es aus lauter kleinen Wesen bestehen. Ich ahne sie, wie jetzt, wenn der Wind ihre Spitzen von den Wellenkämmen weht und sie als tausend kleine Individuen davontanzen, als würde Leben in ihnen wohnen.

 

Ich beobachte die Wassertropfen, die wie urplötzlich zum Leben erwachte Elementarwesen nach allen Seiten davonhüpfen, sobald eine Böe sie erfasst. Ich schaue ihnen zu, wie der nach unten abgelenkte Windstrom von Levjes Vorsegel auf unsere Bugwelle das Muster eines Fächers zaubert, aus dem die Elementarwesen fortspringen. Ich beobachte die Wellen, wie sie unter Levje hindurchrauschen: Wie sie mein Schiff erst packen und fast flach auf die Seite legen. Dann unter ihm hindurchgehen, es mit sich fortreißen und auf neun, zehn Knoten beschleunigen. Es dann, als läge Levje auf einem Drehteller und wäre nichts als der Wellen Spielzeug, einfach packen und einen Viertelkreis nach links in den Wind drehen, um zuletzt gischtend auf Levjes anderer Seite aufzutauchen, wo sie mein Schiff für einen Moment fast reglos in den Wellen liegenlassen wie ein Spiel, das plötzlich nicht mehr interessiert. Um dann den Tanz von neuem zu beginnen.

Eine Böe reißt mich aus meinen Gedanken. Der Wind beschleunigt auf 26, 28 Knoten – das ist gerade soviel, wie man am Arm spürt, wenn man ihn bei Ortsgeschwindigkeit aus dem fahrenden Wagen streckt. Das mag nicht viel sein. Im Auto kann ich den Arm ja jederzeit wieder in den Wagen holen und die Scheibe hochdrehen. Hier draußen gibt es keine Scheibe, die ich schließen könnte. Es ist, wie es ist. Ein Brausen umgibt mich, es ist enorm. Würde ich mich jetzt mit jemandem unterhalten, müsste ich schon sehr laut sprechen, damit er mich verstünde. Levje legt sich in der Böe über, dreht mit dem Bug in den Wind, bis der Autopilot sie sicher wieder unter Kontrolle hat. Ich sehe dem wie von Geisterhand sich drehenden Ruderrad zu, das mich selbst bei diesen Wellen und dem Wind sicher durch die Wellen bringt.

Eine Viertelstunde später bewegt sich Levje plötzlich mit merkwürdigen Bocksprüngen über die Wellen. Was ist das nun? Eine dieser Böen hat sie anluven lassen, die Wellen kommen nun nicht mehr von der Seite, sondern von vorne, wir hoppeln wie ein wildgewordener Presslufthammer über die von vorn kommenden Wellenkämme. Zeit, mich um mein Ruder zu kümmern. Ich stelle mich kurz hinters Rad, schalte den Autopilot aus und steuere Levje von Hand wieder wieder zurück auf den alten Kurs, vor den Wind. Lein Zweifel: Gegenan heute wäre möglich. Aber eine ungute Quälerei.

Seit fünf Stunden bin ich jetzt allein hier draußen. Drehe ich meinen Kopf einmal im brausenden Wind von links nach rechts, sehe ich nichts als rollende und brechende Wellenkämme. Um mich ist im Umkreis von 50 Kilometern nur Wasser, nichts als Wasser. Wenn ich darüber nachdenke, wird mir bewusst, wie lebensfeindlich meine Umgebung eigentlich ist. Mir sollte Angst und bang sein. Wasser. Ich kann darin nicht atmen. Ich kann darauf nicht laufen. Ich könnte es nicht trinken – der minimale Salzgehalt seiner 2% würde meinen Durst nicht löschen, im Gegenteil: Es würde meinem Körper Wasser entziehen. Mein Gehirn würde dafür sorgen, dass ich noch mehr Durst empfinde, mein Durst würde ins Unermessliche Steigen, meine Gliedmaßen würden anschwellen. 

Doch so sehr mir klar wird, wie lebensfeindlich das Meer in diesem Augenblick auch immer scheinen mag: Ich empfinde etwas ganz anderes. Ich empfinde keine Furcht, die mich doch eigentlich packen müsste. Stattdessen fühle ich tiefe Geborgenheit. Ich fühle mich nicht als Eindringling, sondern am einzig richtigen Ort auf dieser Welt, an dem ich in diesem Moment sein möchte. Für mich ist das immer wieder ein Rätsel. Vielleicht enthält das Meer, die Seeluft, einen Botenstoff, der mir dieses Gefühl gibt? Irgendein noch unentdecktes Glückshormon, ausgelöst durch das Schwanken? Irgendwelche Sterne, die mir in die Wiege legten, dass ich genau hier an diesem Ort Entspannung fände, ruhig werden und alle Fahrigkeit vergessen würde wie nirgendwo sonst? 

Wieder eine harte Böe. Doch sie kommt nicht allein. Was immer es war: Levje wird in Sekundenbruchteilen zur Seite flach aufs Wasser gedrückt. Ich sehe die Seereling, wie sie plötzlich unter einer Woge begraben ist, und gischtend durchs Wasser schneidet. Auf der anderen Seite des Schiffes sitzend sehe ich zu, wie der Festmacher, den ich oben am Seezaun verknotet hatte, schräg unter mir durchs Wasser gezogen wird. Ich schaue hinunter in die Woge unter mir, wo all das geschieht. Doch ich, der ich immer ein ängstliches Kind war, spüre keine Angst. Ich sitze auf meiner Cockpitbank und schaue fasziniert hinunter, bis sich Levje langsam wieder aufrichtet und noch eine halbe Minute später so langsam durch die Wogen kriecht, als hätte sie sich fürchterlich erschrocken. Und nicht ich.

18 Uhr. Zehn Stunden draußen. Anders als angekündigt hat der Wind Nachmittags nicht nachgelassen. Auf dem Bild in der elektronischen Seekarte ist mein Schiff als roter Pfeil eingezeichnet. Das Bild definiert meinen Standort in der Welt. Längst ist der gelbe Fleck am unteren Rand der Seekarte, der Nordspanien bezeichnete, aus dem Bild verschwunden. Doch der neue gelbe Fleck rechts oben, der Frankreich bezeichnet, er ist noch nicht da. Zwischen den dahinjagenden Wolken kommt kurz die Sonne zum Vorschein und bringt das Meer hinter uns zum Glitzern und Leuchten. Der Wind hat aufgefrischt. Levje rennt, was das Zeug hält. Schaue ich auf die Anzeige, lese ich 7, 8 oder 9 Knoten. Wir sind schnell unterwegs bei diesem Wind.

Ich sehe, wie hinter uns, wo das Meer blinkt und glitzert, eine Gischtfahne in den Himmel steigt, als entstünde dort auf dem Wasser eine Windhose. Jetzt? Bei diesem Wetter? Am Himmel ist keine Spur davon, anders als vor genau einem Jahr, als ich an einem Nachmittag über der kroatischen Insel Miljet acht Windhosen um mich zählte. Da. Wieder die Gischtfahne, die drei, vier Meter in den Himmel steigt und dann abbricht. Nein das kann keine Windhose sein. Ich sehe konzentriert hin, sehe die Gischtfahne noch sechs, acht, zehn Mal in den Himmel steigen und begreife: Es ist ein Wal, der da hinter uns durchzieht und mit seinem massigen Körper nach Westen pflügt.

Als die Sonne untergeht, ahne ich noch nicht, dass ich insgesamt 34 Stunden auf See sein werde. Am nächsten Morgen um 4 Uhr stehe ich zwar wie geplant vor der großen Bucht von Arcachon westlich von Bordeaux. Aber als ich wieder Netz habe und die Satellitenbilder der Bucht in Google Maps studiere, sehe ich, dass die große Bucht von Bojenfeldern übersäht ist und jetzt Anfang August voller Boote sein dürfte. Nichts für mich. Ich beschließe, obwohl ich hundemüde bin, die Bucht jetzt nicht anzulaufen und einfach nach Norden weiterzufahren. 

Nach insgesamt 34 Stunden und 380 Seemeilen erreiche die Mündung der Gironde, an deren Unterlauf Bordeaux liegt. Und laufe am späten Nachmittag im Hafen von Royan ein. Zu müde, um einschlafen zu können. Und nicht ohne leise Trauer, dass mein langer Schlag übers offene Meer zu Ende ist.

Nordspaniens wilde Küsten. Ankern in den Rías. Ein Morgen und ein nächtliches Abenteuer.

Seit Mitte Mai bin ich in von Sizilien aus einhand unterwegs, um 
für mein neues Buchprojekt um die Westküste Europas zu segeln. 
Nach den Balearen, Gibraltar und Portugal bin ich im Moment 
an der Küste Nordspaniens unterwegs. 

Es ist grau um mich, als ich die Augen aufschlage. Grau draußen vor dem Fenster. Grau um mich im Boot. Dämmerung. Das erste Licht des Tages. Zaghaftes erstes Gezwitscher eines Schilfrohrsängers vom Ufer. Das träge Gurgeln und Strömen des Gezeitenstroms unter dem Boot. Ein Hund bellt in der Ferne. Der Ruf eines Mannes auf der Flusspier.

Während ich die Augen öffne, versuche ich, Einzelheiten durch Levjes Heckfenster zu erkennen. Reihen gelber Lichter des Kais am Fluss spiegeln sich auf der leise kräuselnden Wasseroberfläche. Ich schaue auf die Stadt – wir liegen also mit dem Bug zum Meer. Es ist die Flut, sie drückt Levjes Heck in Richtung San Vicente, wo ich gestern auf dem Hügelrücken in der Abenddämmerung die Kirche mit dem eigenartigen Glockenturm sah, der aussah wie ein kriegerischer Bergfried. Ich überlege einen kurzen Moment, ob es nicht besser wäre, in meinem Bett zu bleiben, mich noch einmal umzudrehen. Aber dann siegt meine Neugier auf die Welt.

Draußen: Der Geruch der Ría de San Vicente, nach dem Leben des Flusses, nach Fischlaich und Vergehen. Über dem Sandstrand, den der Fluss am anderen Ufer schuf, die verträumte Hügellandschaft Asturiens. Flussaufwärts hinter der Brücke mit ihren unzählbaren Bögen grüne Matten im Grau. Vereinzelt weiße Gehöfte hingeworfen zwischen Hecken und Weiden. Gleich neben Levje liegt ein alte Fabrikhalle im Fluss, sein Steigen und Fallen nagt längst an ihrem grünen Mauerwerk, wo in der Abenddämmerung ein krächzendes Transistorradio gute Songs spielte, ich konnte nicht ausmachen, wer und wo der einsame Radiohörer war. Vergessen sieht das Gebäude aus, wie die zwei Werkshallen dahinter, in deren beiden Giebel ein Maler in kunstvoll an- und abschwellenden Buchstaben die Worte „Conservas Ortiz“ eingemalt hat. Eine Fischkonservenfabrik. Das muss lange her sein.

Ría. Das galizische Wort für eine weit ins Land reichende Meeresbucht, die Fluss und Meer in stetem Steigen und Fallen aus dem Festland herausschwemmten. Rías sind ähnlich wie Fjorde. Oder wie die Calas Mallorcas und Menorcas. Und doch etwas ganz anderes: Fjorde und Calas schnitt das Meer in die Felsen, die Ría entstand aus Flusstälern, die das Meer überschwemmte. Die meisten Rías gibt es Nordspanien und Portugal, die Ria de Aveiro, über die ich vor wenigen Posts schrieb, ist so eine. Rias werde ich auch im Norden Treffen, in der Bretagne, wo sie „Aber“ heißen, und in Wales und Irland. Die Ría. Ich ankere in einem Gezeitenfluss.

Die Ría kann auch so ganz anders als friedlich wie an diesem Morgen in San Vicente. Vor zwei Tagen hielt mich eine andere Ría eine Nacht lang auf Trab. Ich war in die Ría de Ribadeo nach einer wilden Fahrt von Coruna mit dem letzten Licht eingefahren, hatte die Autobahnbrücke passiert und weiter flussaufwärts einen Platz zum Ankern zwischen einer Sandbank und dem Hafen von Ribadeo gesucht. Nach einem windreichen Tag war der Wind Abend abgeflaut, der Gezeitenstrom des schnell fließenden fallenden Wassers hielt Levje kraftvoll in der Flussmitte. Doch kaum war der Mond über

dem Hügelkamm des kleinen Dorfes am anderen Ufer aufgegangen, setzte der Wind so kraftvoll ein, als hätte er nur kurz verschnauft. Er kam von dort her, woher auch die Gezeitenströmung kam: aus den Bergen. Levje lag stabil im Fluss. Ich ging fürs erste zufrieden in meine Koje.

Es waren Wellen, die mich plötzlich weckten. Levjes heftiges Auf und Ab. Das heftige Donnern von Wellen, die an Levjes Heck rumpelten. Ich schlug die Augen auf. Wieder das Donnern an Levjes Rumpf, als eine Welle gegen ihren Heck schlug, dort brach und das Boot erzittern ließ. Ich spähte nach draußen, in die Dunkelheit. Sah nichts. Sah nur, wie die Heckfenster, die einen halben Meter über der Wasseroberfläche liegen, von der nächsten Welle überspült wurden und im Wasser lagen.

Das Räderwerk der Gedanken setzte mein schlaftrunkenes Hirn träge in Gang. Im nächsten Moment rotierte es: Woher kamen die Wellen? Wir lagen in einem Fluss, fast eine Seemeile von der Mündung entfernt und in einer Flussbiegung. Hatte sich Levje losgerissen? War aufs Meer getrieben?

Mit einem Satz war ich aus dem Bett.  Mit dem zweiten im Cockpit. Levje lag brav an ihrem Platz, wo wir geankert hatten, mitten im Strom. Aber nun um 180 Grad gedreht, ihr Heck zeigte flussaufwärts. Die Flut hatte eingesetzt, ihre Strömung vom Meer her drückte das Schiff in diese Richtung. Doch der Wind aus den Bergen drückte genau in der anderen. Er war nicht eingeschlafen, er war hellwach, der Windmesser zeigte 24 Knoten, beständige sechs Windstärken mitten auf dem nächtlichen Fluss. Wind gegen Strom sorgte dafür, die steile Welle aufzubauen, die laufend an Levjes Heck donnerte und dort brach.

Doch das war nicht alles. Als ich durch die Dunkelheit am Bug die Ankerkette kontrollierte, sah ich sie straff gespannt flach unter dem Boot nach hinten verlief, als hätte sie sich am Kiel oder um den Propeller gewickelt. Nach einer Schrecksekunde in der Dunkelheit im Bugkorb und im kalten Wind dachte ich nach. Der Strom drückte das Schiff flussaufwärts. Doch der Wind drückte mit 24 Knoten von hinten genau dagegen – er war es, der das Schiff in seine merkwürdige Position gedreht hatte und Levje jetzt von hinten würgend wie ein Ringer mit aller Kraft in die eigene Ankerkette drückte.

Das Spiel währte, bis am Morgen die Flut bei mehr als drei Metern ihren Höhepunkt erreicht hatte. Das Strömen zum Stillstand kam. Und Levje frei gab und sie sich frei in den Wind drehen konnte.

Rías. Sie machen das Segeln aus an der Küste Nordspaniens. Und sie werden mein Ankerplatz bleiben, wo Meer und Fluss zusammentreffen. Hier in Nordspanien, bis zur Ría de Santoña, die vor Bilbao liegt. Und vermutlich auch bis in die Bretagne, wo der Gezeitenhub nicht nur drei Meter wie hier, sondern das doppelte, das dreifache Betrage wird.

Was ich dort wohl erleben werde?

SV Akka – Andrea Fuchs + Andreas Haensch GER

NACH 13 JAHREN MÖCHTEN WIR UNSEREM WIPI MAL WAS GUTES TUN

Lieber Peter,
kaum sind 13 Jahre Weltreise vergangen, da möchten wir unserem „Wipi“ mal Gutes tun …. er ist etwas wackelig geworden. Das kommt wohl mit Alter so, geht uns nicht anders. Geht aber immer noch brav seine Wachen. Wir hätten jetzt Zeit, die typischerweise betroffenen Delrinteile zu erneuern … und ich bastele so gern.  ;-)) 
Deckt sich das mit Deiner Erfahrung? Was empfiehlst Du?
Alles Gute und beste Grüße von Trinidad … Hurrikanpause
Andreas Haensch und Andrea Fuchs

SV Fairy Queen – Ronald Janssen NED

BOWMAN 45DS – CLEVER FITTING


Dear Peter, We really enjoy our Windpilot on the Fairy Queen, it steers perfect!

We now have mounted the Windpilot on a „plastic“ plate which we can slide in 2 slots. 1 when we are sailing and a „parking“ slot when we are for anchor. I think a perfect solution when a Windpilot in boats centre is not desired.
All the best,
Greetings,
Ronald
Fairy Queen

SV Annabel – Nigel Slack UK

PACIFIC LIGHT ON VEGA

Hi Peter, here’s the Pacific Lite on my Albin Vega Annabel.
It’s a great piece of kit – I use it all the time for single handed & short handed sailing. I am using it whenever there was wind to sail – it’s an essential piece of kit on Annabel!
Regards 
Nige – Annabel