Kategorie: Blogs

Teaser „Stimmen im Nebel“ – Im Zweifel für den Segelsommer

Es ist soweit! Ab heute erhaltet ihr „Im Zweifel für den Segelsommer“ in jedem Buchhandel!:-) Zur Feier des Tages habe ich noch einen kleinen Video Appetithappen für euch: Am Anfang habe ich den Götakanal ja als reinen Zweckweg gesehen. Doch meine Meinung änderte sich ja schnell Hier nun einige bewegte Bilder aus dem Götakanal um euch dessen Faszination nahezubringen.

Und danach alle brav zum Buchhandel!:-)

Einhand um Sizilien. Im Gewitter.

Sciacca, an der Südküste Siziliens gelegen, sollte auf meiner Reise zu einem besonderen Highlight werden.

Aber davon ahnte ich nichts, als ich am Morgen den Hafen von Porto Empedocle verließ und gen Nordwesten motorte. Der Tag hielt anderes für mich bereit.

Er begann mit schwachem Wind. Erst am späten Nachmittag gewann er an Kraft und ließ sich blicken. Aber er kam nicht allein: Am Nachmittag zeigten sich über der nahen Küste im Norden Gewitterwolken. Es begann harmlos. Das Gewitter stand nordnordöstlich von uns, bei vorherrschendem Nordwest sollte es also einfach nördlich an uns vorbeiziehen.

Tat es aber nicht. Es blieb zuerst, wo es war. Und erfreulicherweise nahm der Wind weiter zu, drehte jetzt und kam aus dem Gewitter heraus. Halber Wind also. Und schnelle Fahrt. Das wichtigste am Gewitter ist immer wieder, Klarheit über seine Zugbahn zu bekommen. Wohin zieht es? Liegen wir „genau auf dem Weg“? Oder zieht es an uns vorbei? Oder hat das alles gar nichts mit uns zu tun? Weil das Gewitter fernab seiner Wege geht.

Um das zu bestimmen, gibt es verschiedene Methoden:

1. Das Gewitter beobachten.
2. Im Internet verfolgen, in welcher Richtung sich das Gewitter entwickelt.

Wir hatten dazu in unserem Buch „Gewittersegeln“ verschiedene Webseiten vorgestellt, die in Echtzeit die Blitzentwicklung darstellen. Anhand der Echtzeit-Darstellung erkennt man am unterschiedlichen „Alter“ der Blitze, wo ein Gewitter entsteht. Wohin es gerade zieht.

Mein Rätselraten, wohin das Gewitter zog, hatte nach einem Blick ins Internet also ein Ende. Es bewegte sich – erstaunlicherweise – nicht mit dem Wind von Nordwest, sondern genau in entgegengesetzter Richtung. Von Südost nach Westnordwest – und damit im spitzen Winkel genau auf uns zu. Irgendwo dort vorne, 10 oder 20 Kilometer weiter, bei dem Ort Sciacca, würde es entweder vor uns durchgehen. Oder uns erreichen.

Ich beschloss, alles auszureffen, um mal zu sehen: Wer kommt schneller an in im Hafen von Sciacca: Das Gewitter? Oder LEVJE und ich?

_________________________________________________________________________________

Was wirklich im Gewitter passiert – 
Herausgegeben vom Autor von Mare Piu: 



40 Segler berichten ihre Erfahrungen.
In 8 Revieren.
Auf 272 Seiten.
Mit über 100 Fotos.
Mit mehr als 100 Learnings über richtiges Verhalten im Gewitter.

Live-Interview im hessischen Rundfunk ansehen?

 Hier den Mitschnitt sehen.

Weiterlesen über Gewitter hier auf MARE PIU: 
Ist es gefährlich, im Gewitter zu segeln? Hier.

     Mehr erfahren? Bestellen und als eBook lesen: Hier!

_________________________________________________________________________________

Im Buch Gewittersegeln haben wir dargestellt, dass man Gewitter nicht „umsegeln“ kann. Und kurz gesagt: Einem Gewitter „davonsegeln“ klappt auch nicht. Es zieht schneller, als wir segeln. Vorausgesetzt, es entwickelt sich nicht (was gelegentlich vorkommt) orografisch über einem bestimmten Punkt, einem hohen Berg. Oder einem Gebirgszug. Und bleibt dort stehen einen ganzen Nachmittag, bis es zur vollen „Blüte“ kommt.

Mein Gewitter tat derlei nicht. Es zog gemächlich weiter in spitzem Winkel zu unserem Kurs. Der Wind nahm zu, aber da er genau von querab kam, aus dem Gewitter heraus wehte, war es herrliches Segeln.

Noch eineinhalb Stunden bis Sciacca.
10 Seemeilen. Der Himmel wurde im Norden düsterer, das dunkle Bleigrau breitete sich immer weiter aus am Nordhimmel, wo es doch vorher nur einen Viertel des Himmels über der Küste eingenommen hatte. Kein gutes Zeichen. LEVJE spurtete, auf der Seite liegend, durch die kleinen Wellen dem Hafen von Sciacca zu.

Noch eine Stunde bis Sciacca.
Sechs Seemeilen. Der Wind, der heraus wehte aus dem Gewitter, hatte jetzt auf 5- 6 bft. zugenommen. Er wehte aber stabil und sehr beständig aus dem Unwetter heraus. Seine Temperatur hatte abgenommen, der Himmel nördlich und nordwestlich von mir hatte von hellem graublau in dunkles Bleiblaugrau gewechselt. Weder sah noch hörte ich Blitze, was mir Mut machte, dass es so schlimm nicht werden würde. Natürlich beschäftigte mich bei diesem Spielchen die Frage: Wann müsste ich reffen? Wann könnte ich es mir zeitlich leisten, zu reffen?

Es war wie eine Regatta. Nur keine Zeit verschwenden mit Korrekturen der Segelfläche. Lieber mit voller Lage und hohem Ruderdruck weiterpreschen auf Sciacca zu, denn fünf Minuten Zeitverlust wegen Reffen könnten dafür sorgen, dass ich meinen Anleger im Hafen im Platzregen fahren würde. Oder wegen einsetzenden Starkregens und schlechter Sicht gar nicht den Hafen ansteuern und das Gewitter vor dem Hafen kreuzend abwettern müsste. Ich entschied mich dafür, obwohl zu viel Tuch drauf war, vorerst nicht zu reffen. Aber ich müsste höllisch aufpassen, um frühzeitig auf dem Wasser im Norden und Voraus die ersten Gewitterböen zu erkennen. Und in ihrer Stärke richtig einzuschätzen. Und genau im richtigen Moment die Segelfläche zu kürzen. Oder die Segel ganz einzuholen. Die Regatta gegen das Gewitter ging also weiter.

Eine halbe Stunde bis Sciacca.
Das Gewitter war nun ganz nah und bedeckte den Himmel nördlich von uns vollständig. Ich war noch etwa zwei, drei Seemeilen von der Küste entfernt – die richtige Distanz, damit der Wind keine Welle aufbauen konnte. Blitze sah ich keine,  Donner war nicht zu hören – was trügerisch war. Denn im Internet sah ich, wie sich „jüngere“ Blitze weiter Richtung Sciacca entwickelten und Kurs darauf zu hielten. Genau wie LEVJE und ich. Der schwarze Himmel war jetzt ganz nah. Ich beobachtete das Wetter unablässig, ich schenkte der dunklen Front mehr Aufmerksamkeit als Segel und Boot. Ein erstes Warnzeichen: Ein kurzer Schlauch, der genau nördlich aus einer dunklen Wolke zu ragen begann, Wolkenfetzen, die um den Stummelschlauch aus der Wolke herumwehten. Eine Windhose in der Entstehung? Ich wartete drauf, wie sich der Schlauch, das Kreiseln weiter entwickeln würde; ob der Rüssel sich bis zur Wasseroberfläche aufbauen würde. Aber das Kreiseln um den Schlauch verebte, plötzlich war der Rüssel weg. Und nur noch seine Mutter, die grauschwarze Wolke war da.

Die Distanz zur Gewitterfront war jetzt nur noch gering – es ist immer schlecht zu schätzen, wie groß die Distanz denn nun wirklich exakt ist. Nordwestlich vor mir ein kleines Schiff, das kleine, weiße Boot eines Fischers, verloren in der Weite, das ebenfalls auf die Hafeneinfahrt von Sciacca zustrebte, allerdings eng unter der Küste. Plötzlich – gerade eine Viertelstunde vor der Hafeneinfahrt – aufgeworfene Schaumkronen zwischen dem kleinen Fischer und mir, ein Moment, in dem ich ihn aus den Augen verlor, weil ich mich auf die Windböen konzentrierte, die nun von Norden – finalmente – heranrollten. Zeit, endlich den Bug in den Wind zu stellen. Zeit, blitzschnell alle Schoten und Fallen loszuwerfen. Zeit, zuerst die knatternde Genua, dann das Groß zu bergen. Zeit, sich geschlagen zu geben. Im Rennen mit dem Gewitter zum Hafen von Sciacca.

Denn die Regatta gegen das Gewitter: Die hatte ich verloren. Es begann, über dem Hafen von Sciacca zu regnen, ich sah die Blitze voraus im Westen. Das Gewitter: es hatte die Ziellinie als erstes und eine Viertelstunde vor mir passiert. Ich hielt den Bug einige Zeit im Wind, motorte mit langsamer Fahrt. Und lief im regennassen Sciacca eine halbe Stunde später ein. Glück gehabt.

Ich geh‘ segeln – Offizielles Video

Hier ist es nun endlich…das erste offizielle Video zum Song „Ich geh‘ segeln“. Zusammen mit einem „Making Of“ des Songs welches die Entstehung des Titels ein wenig begleitet.

Viel Spaß beim Anschauen!

Ich geh‘ segeln – Offizielles Video

Making Of „Ich geh‘ segeln“

Kochen an Bord: Trennkost mal anders

Ein neues Rezept, perfekt für den Bordgebrauch. Die Saison neigt sich dem Ende zu und da müssen die Reste weg. Dazu zählen halt auch die Gemüsekonserven, die ich eigentlich nicht gebraucht habe. Eigentlich ist das hier kein großartig kompliziertes Rezept und sehr einfach zuzubereiten. Und gerade bei den einfachen Ideen zur Resteverwertung oder um was ganz Schnelles auf dem Tisch zu bekommen, kommt man ja manchmal ins Schleudern. Die Zutaten bekommt man wieder überall, die Füllung ist beliebig austauschbar und die Reste können auf See am nächsten Tag prima verwertet werden. Also eigentlich wieder alle meine Kriterien erfüllt.

Die Rede ist von Weizentortillas mit einer mexikanisch angehauchten Hack-Mais-Käsefüllung. Und wenn man darauf keine Lust hat, oder der dänische Supermarkt gerade leider keine gefräste Kuh im Angebot hat, könnte man sich ja zum Beispiel auch ne Chicken Ceasar Füllung basteln. Oder doch vegetarisch? Der Fantasie sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Die Tortillas mache ich an Bord allerdings nicht selber. Das wäre dann doch etwas zu aufwendig. Fertige Tortillas halten sich ohne Kühlung viele Monate und eignen sich an Bord hervorragend zur Resteverwertung mit Stil. Also, los gehts:

Zutaten (2 Personen):

4 Weizentortillas
1 ganze Hühnerbrust
2 kl. Schalotten oder 1 Zwiebel
1-2 Knoblauchzehen
4 Tomaten
1 Paprika
ca. 150g Salat
100g Käse (z.B. geriebener Emmentaler)
1 Mozzarella
200g Salsa
Limone
gemahlener Koriander
gemahlener Kreuzkümmel
Paprikapulver
ggf. gemahlene Chilis
Pflanzenöl
Etwas Butter
Etwas Zucker
Salz Pfeffer
Balsamico

P1100278

Zubereitung, ca. 20 Min

1.Zwiebeln und Knoblauchzehen in kleine Würfel hacken, die Paprika in feine Streifen schneiden und die Tomaten ebenfalls separat würfeln.

P1100280

2. Die Hühnerbrust waschen und ebenfalls in etwa 2cm große Stücken schneiden.

3. Nun eine Marinade aus 2 Esslöffeln Pflanzenöl, 1 Esslöffel Kreuzkümmel, 1 Esslöffel Paprikapulver, 1 Esslöffel gemahlenem Koriander, einem halben Esslöffel Zucker und einer halben ausgepressten Limette (die andere Hälfte lässt sich super zu Cuba Lieber verwursten;) ) anrühren. Das Ganze je nach persönlichem Geschmack mit Salz, Pfeffer und gemahlenen Chilis schärfen und würzen. Anschließend die Zwiebeln, Paprika und das Hühnchen in der Marinade durchrühren.

4. Alles zusammen in der Pfanne etwa 10 min. mit etwas Butter anbraten. Den Salat waschen, klein zupfen und den Mozzarella in kleine Würfel schneiden. Anschließend alles zusammen mit dem geriebenen durchmixen.

5. Nun kommt die Trennkost ins Spiel. Für die Männer wird jetzt zu gleichen Teil die Hühnchenpfanne und die Salatmischung in einen Wraptortilla gegeben und gerollt. Alternativ gehen natürlich auch Brötchen, Pitataschen oder Ähnliches. Für die Damen und Figurbewussten lässt sich das Ganze jetzt auch einfach als Salat anrichten. Jetzt noch passende Getränke und einen Sonnenuntergang dazu, dann ist jeder glücklich. Wohl bekommt! ;)

 

Guten Appetit! Auf den Koch und den Skipper, den Abspüler und die klugen Ratschlaggeber am Niedergang! ;)

 

 

Viel Spaß beim Nachkochen!

Unwetter, Stillstand und der VNF – Teil 3

Nico und die White HeavenWas treibt der VNF eigentlich, wenn Stillstand herrscht? Wer sich das, so wie ich, auch schon mal gefragt hat, bekommt heute eine Teilantwort, wenn auch aus Jugendschutzgründen sehr zurückhaltend und verschachtelt formuliert.
Ich würde diese Geschichte selbst nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Aber ihr müsst nicht denken, dass die Schleusenmeister jetzt, wo Stillstand herrscht, die Zeit nutzen, um mal ein bisschen was an den vergammelten Dingern zu machen!? Die machen an ganz anderen Dingern was ganz anderes!
Als ich mit dem Fahrrad in Sichtweite dieser abgelegenen Schleuse kam, habe ich mich zunächst erschrocken, denn ich dachte im ersten Moment ernsthaft, dass dort in der Ferne ein Unfall passiert ist und sich jemand vor Schmerzen auf der frisch gemähten Wiese wälzt. Als ich näher kam, konnte ich erkennen, dass es zwei Personen waren. Jetzt dachte ich an einen Kampf…
Es war natürlich kein Kampf. Die beiden Turteltäubchen hatten ziemlich viel Spaß.
Ich fand es zunächst eigentlich auch ganz Ok. Hey, ich meine, das ist Frankreich. Es ist Sommer, die Hormone spielen verrückt und die Schleuse war abgelegen.
An dieser Szene gab es nur zwei Kleinigkeiten, die mich ein wenig gestört haben: Die vergammelte Schleuse und sein T-Shirt mit den drei großen Buchstaben!
Falls jetzt der Gedanke an Mittagspause aufkommen sollte: NEIN, die war bereits lange vorbei!

Aber ich will mal froh sein, dass der VNF überhaupt etwas unternimmt, um den Erdrutsch zu beseitigen. Nur Samstags nicht und am Sonntag verständlicherweise nicht und zwischen 12 und 14 Uhr auch nicht und in der zweiten Woche auch am Freitag nicht und wegen der EM nicht so richtig und…
Naja, ich kann ja gut verstehen, dass der eine Mensch, der den Bagger bedient und der andere Mensch, der den Lkw fährt auch mal Pause machen wollen und ein Wochenende zum erholen brauchen, aber mal ehrlich, hier steht seit über zwei Wochen nahezu die gesamte Schifffahrt auf dem Rhein-Rhone-Kanal! Einhundertzwölf Schleusen werden kaum noch bewegt! Die Schiffe liegen bis in die Saone runter nach Macon im Hafen und warten! In Richtung Rhein sieht es nicht besser aus. In den Schleusen verrecken die Karpfen und die Restaurantbesitzer zwischen Rhein und Rhone jammern, weil die Kundschaft fehlt! Es ist Hauptsaison und die Leute haben ihre Boote zum Teil verlassen und sind nach Hause. Stillstand!
Und während alles steht, beschäftigt der VNF einen Baggerfahrer und einen Lkw-Fahrer mit einem der schlimmsten Unglücksfälle des Kanals. Besonders „effektiv“ ist vor allem der eine Lkw. Ihr könnt euch denken was der Bagger in der halben Stunde macht, die der Lkw braucht um den Aushub weg zu fahren und zurück zu sein…
Ich würde am liebsten noch mehr von dem erzählen, was ich im Laufe der Zeit hier mitbekommen habe. Aber manches würde man ohnehin kaum glauben können und an anderem könnte ich mir die Finger verbrennen, so lange ich noch in Frankreich bin.

Deshalb jetzt ein Schwenk zum erfreulichen Teil.

Michael hat es einen Tag nach unseren erfolglosen Versuchen doch geschafft einen Schleusenmeister zur kurzzeitigen Öffnung des Sperrtores in Baume-les-Dames zu bewegen. Ich glaube, er wollte auch den schönen Ort Clerval besuchen…
Jedenfalls bin ich sofort los, als mich die Nachricht erreichte. Habe einen Rucksack mit Proviant und Rettungsweste gepackt und das Faltrad, das ich übrigens erst in Macon in einem Decathlon gekauft hatte, startklar gemacht.
Dann ging es los. Fünfzehn Kilometer bin ich geradelt, um Michael wenigstens die Hälfte der Strecke ein wenig zu unterstützen.
In Clerval habe ich auf ihn gewartet. Als er schließlich dort ankam, musste er „leider“ gleich weiter, denn der Anleger war ja nach wie vor gesperrt. Wie wir später erfahren haben, im übrigen bereits seit vielen Jahren! So lange liegen auch die Fingerstege schon neben dem Gebäude der Feuerwehr und sollen repariert werden, aber das ist eine andere Geschichte.

White Heaven kurz vor Clerval
Jedenfalls bin ich in der Schleuse hinter Clerval an Bord und durfte auf der folgenden Strecke auch mal die White Heaven fahren. War eine schöne Tour und hat sehr viel Spaß gemacht.

White Heaven auf dem Doubs Cockpit-Perspektive

Wir waren am späten Nachmittag in L’Isle-sur-le-Doubs. Eckhard und Annemarie standen da auch schon am Hafen und haben uns begrüßt.
Nachdem die Leinen fest waren, hat es nicht lange gedauert, bis der VNF um die Ecke kam. Die Mitarbeiterin bekam fast Schnappatmung, als sie das Schiff gesehen hat.

Eos und White Heaven in L'Isle-sur-le-Doubs
Dann haben wir uns hier eingerichtet.
Ich bin in den folgenden Tagen mehrmals täglich zur Unfallstelle geradelt, um den Fortschritt zu dokumentieren. Mittlerweile sind die Baggerarbeiten auch abgeschlossen. Die Strecke bleibt trotzdem gesperrt, denn es gibt ein weiteres Problem in Schleuse 19, wie sich vor kurzem herausgestellt hat. Dort wird nun seit heute auch gearbeitet. Wann es weiter geht, ist also immer noch nicht klar. Der VNF macht zwar Angaben zur Öffnung der Passage, hängt aber jedes mal ein „vielleicht“ hinten dran. Deshalb gebe ich diese Schätzungen hier auch nicht wieder. Also abwarten…

Zum Schluß noch eine Panorama-Fotoserie der Räumungsarbeiten an der Unglücksstelle (Jeden Tag ein Foto):

Erdrutsch 2016-06-30 Erdrutsch 2016-07-02 Erdrutsch 2016-07-03 Erdrutsch 2016-07-04 Erdrutsch 2016-07-05 Erdrutsch 2016-07-06 Erdrutsch 2016-07-07 Erdrutsch 2016-07-08 Erdrutsch 2016-07-09 Erdrutsch 2016-07-10 Erdrutsch 2016-07-11 Erdrutsch 2016-07-12

Unwetter, Stillstand und der VNF – Teil 2

Mit dem Fahrrad auf dem Weg zum ErdrutschZwei Nächte bleibe ich mit Eos an der Schleuse liegen, bevor der Pegel endlich wieder fällt und der VNF die Schifffahrt auf dem Doubs freigibt. Aber es dauert an diesem 27. Juni bis zum Nachmittag, bevor sich der Verwaltungsapparat in Bewegung gesetzt und den „grünen Knopf“ gedrückt hat.
Während dieser Wartephase begegne ich ihr zum ersten Mal. Sie, die Schleusenmeisterin, gegen die ich vermutlich im Armdrücken verlieren würde, macht mir unmissverständlich, aber eigentlich grundlos klar, wer hier an dieser Schleuse der Boss ist. Revier markiert, ich dackel ab und warte. Und warte… und warte…
Sie macht Mittagspause…

In der Zwischenzeit treffe ich den Schleusenmeister, der (Achtung) das Schleusenhaus an dieser Schleuse bewohnt, aber für eine andere Schleuse zuständig ist und frage ihn, weil er im Gegensatz zu seiner Kollegin Englisch spricht, ob er denn wüsste, wann es weiter geht. Kurze Antwort: „Nein“
Meine nächste Frage: „Wissen sie etwas von einer zweiwöchigen Sperrung des Kanals in L’Isle-sur-le-Doubs?“
Seine Antwort war eine Gegenfrage: „Wer behauptet denn so etwas!?“
Ich: „Das hat mir ihre Kollegin erzählt.“
Er: „Also, wenn hier um die Ecke der Kanal für zwei Wochen gesperrt wäre, dann wüsste ich das! Da müsste schon ein Schleusentor brechen oder etwas schlimmeres passieren, damit hier zwei Wochen nichts mehr geht. Glauben sie so einen Unfug nicht!“

Ich bin beruhigt und warte weiter. Irgendwann kommt Sie wieder, schaltet die Anlage ein, sagt mir kurz bescheid und ist weg. Ich sprinte mit Eos los. Den Bukh hatte ich da bereits auf Betriebstemperatur vorgehalten. Man weiß ja nie.
Also hoch mit Eos, raus aus der Schleuse und mit Vollgas den immer noch stark strömenden Doubs stromaufwärts schleichen. Dann die nächste Schleuse. Läuft problemlos. Anschließend nur noch eine weitere Schleuse und ich wäre im Kanal. Aber sie funktioniert nicht!
Also festmachen am Warteponton, hoch laufen… Kennt ihr ja mittlerweile.
Nach einer Weile taucht hinter mir ein anderes Schiff auf. Zu groß, um an Eos längsseits festzumachen. Also laufe ich wieder nach oben, um dem VNF zu sagen, dass mittlerweile zwei Schiffe im Fluß warten. Man erzählt mir wieder etwas von „Twenty Minutes“. Wie immer. Beim VNF dauert alles „Twenty Minutes“!
Als ich wieder zurück beim Boot bin, fährt die Motoryacht an mir vorbei und macht in der Schleuse fest. Macht Sinn. Am Heck lese ich den Heimathafen: Düsseldorf.
Ja Hallo, jemand aus der Heimat. Also laufe ich wieder nach oben zur Schleuse und komme mit Silke & Michael ins Gespräch. Wir tauschen uns kurz über die Schleusenkammer aus und die beiden probieren ein paar Tricks. Irgendwann funktioniert die Anlage wieder. Ich fahre allerdings nicht mit Eos hinein, sondern lass die beiden alleine nach oben. In der Zwischenzeit ist Sie auch da. Die Schleusenmeisterin, die ich bereits kenne. Viel Palaver. Ich lass sie stehen und geh zurück zum Boot.
Irgendwann ist dann auch Eos oben und nach einem kurzen Stück im Kanal bin ich neben der „White Heaven“ von Silke & Michael fest.

Eos in Baume-les-DamesEs folgt ein Nachmittag mit vielen Gesprächen vor Ort. So langsam werden aus Gerüchten Tatsachen, später dominieren wieder die Gerüchte. Ich telefoniere, höre mich um und verlege Eos am Abend schließlich in eine ruhigere Ecke, an das hintere Ende dieses Stadtanlegers in Baume-les-Dames.
Es gab tatsächlich einen Erdrutsch im Kanal vor mir und es ist Fakt, dass es eine ganze Weile dauern wird, bis es weiter geht.

Ich bin ziemlich traurig an diesem Abend. Kann es kaum noch fassen, wie unmöglich dieser Weg wird, umso weiter ich fahre und frage mich, ob ich hier richtig bin. Ist es vielleicht das, was ich hier oben, so kurz vor der Scheitelhaltung finden sollte? Die Erkenntnis, dass Eos hier nicht hin gehört?
Ich werde das Gefühl nicht los, das umso näher ich dem Gipfelpunkt der Reise komme, umso mehr irgendetwas versucht, mich davon abzuhalten.
Hätte ich doch besser zurück segeln sollen?

Am nächsten Tag dann mehr Gerüchte als Tatsachen. Es kursieren Zeitangaben zur Sperrung zwischen 2 Wochen und 3 Monaten. Beim VNF weiß auch keiner richtig bescheid. Nur eins ist klar: Das Sperrtor zur nächsten Passage ist geschlossen, die Anlage abgeschaltet.

Also denke ich über einen Rückzug mit anschließendem Umweg über andere Kanäle nach. Bevor ich allerdings eine Entscheidung treffe, wollte ich wenigstens wissen, wo der Kanal genau gesperrt ist und ob an der Unglücksstelle gearbeitet wird. Da vom VNF auch am folgenden Tage kaum verlässliche Infos zu bekommen sind, bin ich am 30. Juni mit einem Rad vom örtlichen Fahrradverleih selbst dorthin gefahren. Was anderes als Fahrräder gibt’s hier nicht. Kein Bus, kein Mietwagen, Roller oder Motorrad. Zug wäre noch möglich gewesen, aber von dem hat mir die Mitarbeiterin im Tourismusbüro abgeraten, wegen Ausfällen und der zerstörten Bahntrasse. Also das Rad, war mir sowieso am liebsten…
85 Kilometer standen am Abend auf dem „Tacho“ und ich war platt! Habe ja hier keine Kondition mehr. Michael ist mit seinem Elektrorad auch mitgefahren und auf dem Rückweg musste er ab und zu auf mich warten. Mein Muskel-Akku war da bereits kurz vor Brennschluss, während er noch einen zweiten Lithium-Akku dabei hatte.

Erdrutsch in L'Isle-sur-le-Doubs
Die Unglücksstelle sah leider sehr bescheiden aus und ist schwer zugänglich. Wenn man das Foto sieht, könnte man meinen, es wäre nicht so schlimm, tatsächlich ist aber der Kanal auf 50m Länge so mit Geröll zugeschüttet und so flach, das man mit Gummistiefeln von der einen zur anderen Seite gehen könnte.
Aber ein Bagger auf einem Ponton und ein Lkw standen immerhin schon bereit. Die ersten Bäume waren auch bereits geborgen und zerlegt.
Im Hafen vor der Unglücksstelle war Platz. Hier waren nur zwei Dauerlieger festgemacht. Also habe ich mich für Weiterfahren entschieden und einen Tag später den VNF dazu gebracht, das Tor in Baume-les-Dames kurz für Eos zu öffnen und mich in den eigentlich gesperrten Bereich zu lassen.
Es war eine lange Diskussion und es hat auch nur geklappt, weil ich nicht alles erzählt habe. Geschwindelt habe ich auch nicht, denn ich wollte ja wirklich den schönen Ort Clerval besuchen, zumindest kurz. Ganz kurz. Und da ich wegen der Radtour entlang der Strecke wusste, dass alle Schleusen innerhalb des gesperrten Bereichs in Betrieb waren hatte ich die Hoffnung, dass es vielleicht klappen könnte.
Die ersten Schleusen funktionieren auch problemlos. Als ich schließlich in Clerval bin und mit meiner Fernbedienung die Anlage hinter dem Ort aktiviert habe, da hatte ich allerdings ein wenig bammel, dass man mich an der Schleuse danach stoppen könnte. Eine Ausrede hatte ich aber auch schon parat, denn der Stadtanleger in Clerval war ja offiziell gesperrt. Das wusste nur der VNF in Baume-les-Dames nicht…

Jedenfalls war Eos an diesem Abend 14 Schleusen weiter. Leinen fest in L’Isle-sur-le-Doubs. Tagesziel erreicht. Es gab vor Ort nur ein wenig Gefuchtel mit dem erhobenen VNF Zeigefinger, mehr nicht.
Yeah!!!

Eos in L'Isle-sur-le-Doubs
Kaum sind die Leinen fest, kommt jemand vorbei und sagt nicht Bonjour, sondern Hallo. Eckhard steht neben mir und fragt mich nach dem Woher und Wohin. Eckhard ist jemand, den man im ersten Moment für den liebenswürdigen Hausmeister von nebenan halten könnte. Einer, der nicht viel quatscht, sondern macht. Auch mit über Siebzig hat er fast jeden Tag den Arbeitsanzug an und ist in Aktion. Erst nach und nach erfährt man, wer Eckhard wirklich ist. Er erzählt mir von den Jura-Vipern in dieser Region, die in der Lage sind einen Menschen zu töten, wenn man nicht aufpasst. Das kommt zwar nur noch selten vor, aber diese Schlangen sind durchaus gefährlich. Davon lese ich dann auch nochmal zwei Tage später in einem Buch, das mir Michael in die Hand drückt. Auch in diesem Buch findet man etwas über Eckhard.
Später erfahre ich dann noch ganz nebenbei vom Master of Science in Mathematik und Physik, der Zeit als Pilot bei der Luftwaffe der Bundeswehr, der genauesten mechanischen Kirchturmuhr in Südfrankreich und noch viel mehr. Eine Lebensgeschichte, über die man ein Buch schreiben könnte. Allein die Sache mit der Transall und den beiden MiG-17… Leute, Leute…

Mit Eckhard am Sperrtor in Baume-les-Dames
Aber bleiben wir in der Gegenwart, Eckhard betreibt zusammen mit seiner Frau Annemarie das Hotel „Maison au canal“ hier in L’Isle-sur-le-Doubs. Es liegt direkt am Kanal, kurz vor der Schleuse. Also gegenüber von Eos. Ich habe das Glück, dass ich über Eckhards Router per Wifi ins Internet darf und liege nur knapp 2 Kilometer vor der Baustelle am Kanal. Jetzt bin ich optimal mit Infos versorgt.

Ich erzähle Eckhard natürlich auch von den Problemen mit dem VNF und der Idee, die White Heaven von Michael so schnell wie möglich hier her zu holen. Also bietet er mir am nächsten Tag an, mich zurück nach Baume-les-Dames zu fahren. Ich will Michael bei der Aktion helfen, da seine Frau Silke in den ohnehin geplanten Heimaturlaub ist und er das 15 Meter lange Schiff noch nicht Einhand geschleust hat.
Ich gebe Michael bescheid, schonmal alles vorzubereiten und bin gegen Mittag wieder im letzten Hafen. Das Gespräch mit dem VNF führt Eckhard für uns. Er spricht perfekt Französisch. Die Gegenseite klingt ein wenig überrumpelt und will so gleich einen Schleusenmeister vorbei schicken. „Twenty Minutes“!
Also legen wir den Bügel, damit die White Heaven durch die Brücken passt und machen die Leinen los. Michael fährt sein Schiff bis zum Sperrtor und wir warten. Twenty Minutes, dreißig Minuten, vierzig Minuten. Nichts passiert. Also setzt er mich am Tor ab und ich fange am Telefonkasten eine lange Diskussion mit dem VNF an. Ergebnis: Verwirrung, Gelaber, falsche Behauptungen!
Wir setzen zurück, machen wieder fest, kontaktieren Eckhard, der schon wieder mit dem Auto auf dem Rückweg ist. Er will nochmal beim VNF anfragen. Es vergeht Zeit. Irgendwann kommt von Eckhard die Info, dass der VNF nach der Mittagspause einen Schleusenmeister vorbei schickt, um das Tor zu öffnen.
Die Mittagspause ist lang. Sehr lang. Und dann sehen wir endlich das Auto vom VNF. Als ich erkenne wer aussteigt, sacke ich innerlich zusammen. Sie ist es!
Ich versuche es zunächst ganz sachlich, sogar auf Französisch (ja, so langsam wird’s). Aber gegen Sie habe ich keine Chance. Irgendwann wird sie laut, ich auch, jetzt driftet das Gespräch langsam ab in Richtung Spanisch. Wir trennen uns in etwa so:
Ich: „Das Schiff fährt nach L’Isle-sur-le-Doubs und zwar heute!!!“
Sie: „Das Schiff bleibt hier und zwar drei Wochen!!!“

Ich dackel wieder ab. Es ist klar, wer hier der Boss ist.

Michael und ich entwickeln noch eine Strategie für den nächsten Tag, trinken eine Cola, dann mache ich mich auf den Fußweg zum Bahnhof. Dort schaue ich auf den Plan und sehe, dass der Zug in zwei Minuten fährt! Ich buche panikartig durch gefühlte 23 Untermenüs in Französisch an einem Ticketautomaten eine Fahrkarte nach L’Isle-sur-le-Doubs und bin stolz wie Oskar. Ja, es wird wirklich, ist aber in diesem Einzelfall vermutlich dem Adrenalin zu verdanken.
Danach warte ich. Es kommt kein Zug. Dann finde ich den Ersatzplan und bin froh, dass bald ein Zug kommt. Dann finde ich den Ausnahmeplan für den 3. Juli für den Ersatzplan der Woche vom… Ach lassen wir das. Es gab jedenfalls wirklich einen Ersatzplan vom Ersatzplan und demnach fährt erst heute Abend wieder ein Zug, allerdings nur bis Clerval. Von dort aus soll dann ein Bus eine Sonderfahrt machen.
Clerval… Wollte ich ja sowieso besuchen…

Fahrkarte gebucht! Komme ich heute noch zurück zu Eos?

Naja, ich bin dann zunächst zurück zur White Heaven. Dort haben Michael und ich etwa eine Stunde lang zusammen über den VNF geflucht. Dann wieder zurück zum Bahnhof, Zug bekommen, Bus in Clerval bekommen.
Eckhard kam mir kurz vorm Hafen zufällig entgegen, hat mich fragend angeschaut und am Ende die Hände überm Kopf zusammen geschlagen.

Wie es Michael gelungen ist sich einen Tag später durch das Sperrtor zu mogeln, warum ich dann doch noch die White Heaven gefahren bin und was so manch ein Schleusenmeister treibt, wenn gerade Stillstand herrscht, erfahrt ihr wahrscheinlich im nächsten Beitrag.

Bis dahin könnt ihr ja mal bei Silke & Michael vorbei schauen: Ferienaufdemwasser.eu

Einhand um Sizilien. Im Gewitter.

Sciacca, an der Südküste Siziliens gelegen, sollte auf meiner Reise zu einem besonderen Highlight werden.

Aber davon ahnte ich nichts, als ich am Morgen den Hafen von Porto Empedocle verließ und gen Nordwesten motorte. Der Tag hielt anderes für mich bereit.

Er begann mit schwachem Wind. Erst am späten Nachmittag gewann er an Kraft und ließ sich blicken. Aber er kam nicht allein: Am Nachmittag zeigten sich über der nahen Küste im Norden Gewitterwolken. Es begann harmlos. Das Gewitter stand nordnordöstlich von uns, bei vorherrschendem Nordwest sollte es also einfach nördlich an uns vorbeiziehen.

Tat es aber nicht. Es blieb zuerst, wo es war. Und erfreulicherweise nahm der Wind weiter zu, drehte jetzt und kam aus dem Gewitter heraus. Halber Wind also. Und schnelle Fahrt. Das wichtigste am Gewitter ist immer wieder, Klarheit über seine Zugbahn zu bekommen. Wohin zieht es? Liegen wir „genau auf dem Weg“? Oder zieht es an uns vorbei? Oder hat das alles gar nichts mit uns zu tun? Weil das Gewitter fernab seiner Wege geht.

Um das zu bestimmen, gibt es verschiedene Methoden:

1. Das Gewitter beobachten.
2. Im Internet verfolgen, in welcher Richtung sich das Gewitter entwickelt.

Wir hatten dazu in unserem Buch „Gewittersegeln“ verschiedene Webseiten vorgestellt, die in Echtzeit die Blitzentwicklung darstellen. Anhand der Echtzeit-Darstellung erkennt man am unterschiedlichen „Alter“ der Blitze, wo ein Gewitter entsteht. Wohin es gerade zieht.

Mein Rätselraten, wohin das Gewitter zog, hatte nach einem Blick ins Internet also ein Ende. Es bewegte sich – erstaunlicherweise – nicht mit dem Wind von Nordwest, sondern genau in entgegengesetzter Richtung. Von Südost nach Westnordwest – und damit im spitzen Winkel genau auf uns zu. Irgendwo dort vorne, 10 oder 20 Kilometer weiter, bei dem Ort Sciacca, würde es entweder vor uns durchgehen. Oder uns erreichen.

Ich beschloss, alles auszureffen, um mal zu sehen: Wer kommt schneller an in im Hafen von Sciacca: Das Gewitter? Oder LEVJE und ich?

_________________________________________________________________________________

Was wirklich im Gewitter passiert – 
Herausgegeben vom Autor von Mare Piu: 



40 Segler berichten ihre Erfahrungen.
In 8 Revieren.
Auf 272 Seiten.
Mit über 100 Fotos.
Mit mehr als 100 Learnings über richtiges Verhalten im Gewitter.

Live-Interview im hessischen Rundfunk ansehen?

 Hier den Mitschnitt sehen.

Weiterlesen über Gewitter hier auf MARE PIU: 
Ist es gefährlich, im Gewitter zu segeln? Hier.

     Mehr erfahren? Bestellen und als eBook lesen: Hier!

_________________________________________________________________________________

Im Buch Gewittersegeln haben wir dargestellt, dass man Gewitter nicht „umsegeln“ kann. Und kurz gesagt: Einem Gewitter „davonsegeln“ klappt auch nicht. Es zieht schneller, als wir segeln. Vorausgesetzt, es entwickelt sich nicht (was gelegentlich vorkommt) orografisch über einem bestimmten Punkt, einem hohen Berg. Oder einem Gebirgszug. Und bleibt dort stehen einen ganzen Nachmittag, bis es zur vollen „Blüte“ kommt.

Mein Gewitter tat derlei nicht. Es zog gemächlich weiter in spitzem Winkel zu unserem Kurs. Der Wind nahm zu, aber da er genau von querab kam, aus dem Gewitter heraus wehte, war es herrliches Segeln.

Noch eineinhalb Stunden bis Sciacca.
10 Seemeilen. Der Himmel wurde im Norden düsterer, das dunkle Bleigrau breitete sich immer weiter aus am Nordhimmel, wo es doch vorher nur einen Viertel des Himmels über der Küste eingenommen hatte. Kein gutes Zeichen. LEVJE spurtete, auf der Seite liegend, durch die kleinen Wellen dem Hafen von Sciacca zu.

Noch eine Stunde bis Sciacca.
Sechs Seemeilen. Der Wind, der heraus wehte aus dem Gewitter, hatte jetzt auf 5- 6 bft. zugenommen. Er wehte aber stabil und sehr beständig aus dem Unwetter heraus. Seine Temperatur hatte abgenommen, der Himmel nördlich und nordwestlich von mir hatte von hellem graublau in dunkles Bleiblaugrau gewechselt. Weder sah noch hörte ich Blitze, was mir Mut machte, dass es so schlimm nicht werden würde. Natürlich beschäftigte mich bei diesem Spielchen die Frage: Wann müsste ich reffen? Wann könnte ich es mir zeitlich leisten, zu reffen?

Es war wie eine Regatta. Nur keine Zeit verschwenden mit Korrekturen der Segelfläche. Lieber mit voller Lage und hohem Ruderdruck weiterpreschen auf Sciacca zu, denn fünf Minuten Zeitverlust wegen Reffen könnten dafür sorgen, dass ich meinen Anleger im Hafen im Platzregen fahren würde. Oder wegen einsetzenden Starkregens und schlechter Sicht gar nicht den Hafen ansteuern und das Gewitter vor dem Hafen kreuzend abwettern müsste. Ich entschied mich dafür, obwohl zu viel Tuch drauf war, vorerst nicht zu reffen. Aber ich müsste höllisch aufpassen, um frühzeitig auf dem Wasser im Norden und Voraus die ersten Gewitterböen zu erkennen. Und in ihrer Stärke richtig einzuschätzen. Und genau im richtigen Moment die Segelfläche zu kürzen. Oder die Segel ganz einzuholen. Die Regatta gegen das Gewitter ging also weiter.

Eine halbe Stunde bis Sciacca.
Das Gewitter war nun ganz nah und bedeckte den Himmel nördlich von uns vollständig. Ich war noch etwa zwei, drei Seemeilen von der Küste entfernt – die richtige Distanz, damit der Wind keine Welle aufbauen konnte. Blitze sah ich keine,  Donner war nicht zu hören – was trügerisch war. Denn im Internet sah ich, wie sich „jüngere“ Blitze weiter Richtung Sciacca entwickelten und Kurs darauf zu hielten. Genau wie LEVJE und ich. Der schwarze Himmel war jetzt ganz nah. Ich beobachtete das Wetter unablässig, ich schenkte der dunklen Front mehr Aufmerksamkeit als Segel und Boot. Ein erstes Warnzeichen: Ein kurzer Schlauch, der genau nördlich aus einer dunklen Wolke zu ragen begann, Wolkenfetzen, die um den Stummelschlauch aus der Wolke herumwehten. Eine Windhose in der Entstehung? Ich wartete drauf, wie sich der Schlauch, das Kreiseln weiter entwickeln würde; ob der Rüssel sich bis zur Wasseroberfläche aufbauen würde. Aber das Kreiseln um den Schlauch verebte, plötzlich war der Rüssel weg. Und nur noch seine Mutter, die grauschwarze Wolke war da.

Die Distanz zur Gewitterfront war jetzt nur noch gering – es ist immer schlecht zu schätzen, wie groß die Distanz denn nun wirklich exakt ist. Nordwestlich vor mir ein kleines Schiff, das kleine, weiße Boot eines Fischers, verloren in der Weite, das ebenfalls auf die Hafeneinfahrt von Sciacca zustrebte, allerdings eng unter der Küste. Plötzlich – gerade eine Viertelstunde vor der Hafeneinfahrt – aufgeworfene Schaumkronen zwischen dem kleinen Fischer und mir, ein Moment, in dem ich ihn aus den Augen verlor, weil ich mich auf die Windböen konzentrierte, die nun von Norden – finalmente – heranrollten. Zeit, endlich den Bug in den Wind zu stellen. Zeit, blitzschnell alle Schoten und Fallen loszuwerfen. Zeit, zuerst die knatternde Genua, dann das Groß zu bergen. Zeit, sich geschlagen zu geben. Im Rennen mit dem Gewitter zum Hafen von Sciacca.

Denn die Regatta gegen das Gewitter: Die hatte ich verloren. Es begann, über dem Hafen von Sciacca zu regnen, ich sah die Blitze voraus im Westen. Das Gewitter: es hatte die Ziellinie als erstes und eine Viertelstunde vor mir passiert. Ich hielt den Bug einige Zeit im Wind, motorte mit langsamer Fahrt. Und lief im regennassen Sciacca eine halbe Stunde später ein. Glück gehabt.

Teaser „Der schönste Hafen der Ostsee“ – Im Zweifel für den Segelsommer

Pünktlich zum Sonntagabend gibt es einen neuen Teaser für euch. Ein paar bewegte Bilder aus dem schönsten Hafen der Ostsee. In Einer Woche ist es endlich soweit: Im Zweifel für den Segelsommer! :-)

Unwetter, Stillstand und der VNF – Teil 1

IMG_7139Am 23.06. lief es noch ganz gut. Ich bin an diesem Tag, trotz zwei defekter Schleusen, 31 Seemeilen weit gekommen. Hab die maximale Schleusenbetriebsdauer ausgenutzt und bin von 8 Uhr bis 20 Uhr gefahren. Kurz vor Besancon war dann Schluss und ich habe Eos am Warteponton, unmittelbar vor der Schleuse festgemacht.
An diesem Tag hatte ich auch eine interessante Begegnung mit jemandem, der mit dem Fahrrad unterwegs ist und schon einige Reisen hinter sich hat. Ich treffe Irineo aus Leipzig vor einer kaputten Schleuse und wir kommen ins Gespräch. Er fährt mit seinem Rad nach Lissabon und hat einiges zu erzählen. Leider ist die Zeit viel zu kurz.

IMG_20160623_102032

Die Schleuse wurde irgendwann repariert und hinter mir kommt langsam eine Peniche näher. Irineo füllt sich noch schnell die Trinkflaschen mit Wasser von Eos auf, wir tauschen E-Mail Adressen aus und es geht weiter. Bis zu diesem Warteponton vor Besancon. Die Stelle liegt zwar nah an der Stadt, aber spät abends ist hier niemand mehr, so dass ich ungestört im Cockpit mit einem Eimer Wasser duschen kann.

Am 24.06. aktiviere ich mit meiner Fernbedienung die Schleuse vor mir, löse die Leinen und fahre auf die Kammer zu. Die Tore öffnen sich, die Ampel springt auf Grün und kurz bevor ich da bin, auf Doppelrot. Schleuse gesperrt! Also aufstoppen, umdrehen, wieder festmachen, hoch laufen, defekte Schleuse melden, warten…
Irgendwann kommt der Schleusenmeister und bringt das Ding wieder in Gang. Als die Anlage wieder läuft, kommt von oben ein Boot. Das schleust er als erstes manuell nach unten, was auch völlig in Ordnung ist. Die Anfahrt auf die Schleuse aus dem Oberlauf ist nicht einfach, weil man direkt am Wehr vorbei fährt und aufpassen muss, nicht dort runter zu rutschen. Deshalb wird dieses Boot zuerst geschleust.
Als es durch ist, mache ich mich wieder bereit, will gerade die Leinen lösen, da stellt der Meister vom VNF die Anlage wieder auf Doppelrot. Ich wundere mich, denn er macht daraufhin nichts anderes, als mit einem Staubwedel die Geländer von Spinnweben zu befreien. Das geht eine ganze Weile so und ich werde langsam ungeduldig. Irgendwann ist er mit dem Schleusenputz fertig, trottet zu seinem Auto, packt den Staubwedel ein, dreht und fährt in aller Seelenruhe weg! Die Schleuse noch auf Doppelrot! Ich sprinte vom Anleger nach oben, denn er muss daran vorbei, und stehe jetzt auf der Straße. Als er mich sieht, geht er in die Eisen, dreht wieder, fährt zügig zurück, rennt zum Häuschen, schaltet die Schleuse auf Grün und dackelt ab.
Eine Stunde gewartet, zum Teil sinnlos. Ich bin entsprechend genervt, löse die Leinen und fahre endlich in die Schleuse.
Die drauf folgende Schleuse ist auch nicht Ordnung. An diesem Tag komme ich nicht weit und nehme den erstbesten Anleger im Doubs. Ich muss noch Wäsche waschen und ein paar Kleinigkeiten erledigen.

Die Nacht an diesem Anleger im Doubs wird ziemlich ungemütlich. Es war zwar viel Regen vorhergesagt, aber es bleibt nicht nur dabei. Mitten in der Nacht wird es stürmisch. So stürmisch, dass selbst auf diesem kleinen Fluss ein leichter Seegang entsteht. Ich hole nur noch die Flagge in die Kajüte und hoffe, dass mein improvisiertes Bimini den heftigen Wind überlebt. Das Unwetter tobt die ganze Nacht. Es blitzt und donnert und es kommen Wassermengen vom Himmel, wie ich es noch nie vorher erlebt habe. Ich schlafe irgendwann trotzdem ein und als ich am nächsten morgen aufwache, strahlt die Sonne wieder vom Himmel.
Es kommt aber bereits Kleinholz den Doubs runter und der Pegel ist innerhalb der letzten Stunden um etwa einen halben Meter gestiegen. Da ahne ich bereits böses.
Also zügig los und Meilen machen. Ich will heute bis zum Hafen in Baume-les-Dames.
Der Gegenstrom hat gegenüber dem Vortag bereits etwas zugelegt, ich komme aber trotzdem noch gut vorwärts. Allerdings nicht lange. Das Wasser steigt unheimlich schnell an. Viel schneller als ich es erwartet hätte. Nach etwa 2 Stunden fällt die Geschwindigkeit auf unter 2 Knoten über Grund. Da bin ich bereits dicht am Ufer auf der Innenseite und weiche immer öfter Baumstämmen aus. Das Wasser schießt regelrecht rechts und links aus den steilen Berghängen in den Fluss hinein.

Hochwasser Doubs
Ich erlebe jetzt hautnah, was ich sonst nur aus Fernsehberichten kenne und bin erschrocken, wie rasend schnell so ein gemütlicher Fluss im Mittelgebirge zum reißenden Strom werden kann.

Hochwasser Doubs 2
Die Ansteuerung der nächsten Schleuse wird jetzt richtig schwierig. Direkt unterhalb vom Wehr bilden sich Strudel und das Wasser ist extrem unruhig. Das Boot lässt sich nur noch schwer auf Kurs halten. Aber ich schaffe es ohne Kratzer in die Schleusenkammer.
Während ich Eos zügig nach oben schleuse, um keine Zeit zu verlieren, fluche ich vor mich hin! Ausgerechnet im längsten Flussstück des Rhein-Rhone-Kanals trifft mich das schlimmste Hochwasser. Es gibt meilenweit, bis Baume-les-Dames, kein Kanalstück mehr. Und ich ärgere mich über den VNF, der die Hoheit über die Schleusen hat. Ich ärgere mich, weil sie, obwohl sie die Pegel im Oberlauf live sehen und die Schifffahrt permanent überwachen, die letzte Schleuse vor dem langen Stück im Doubs überhaupt frei gegeben haben! Hier hat sich die Gefährlichkeit einer trägen Behörde live gezeigt.
Die nächste Schleuse ist leider wieder defekt. Ich gebe die Meldung ab und muss zunächst warten. Aber ich bin froh über die kaputte Schleuse, denn jetzt kann ich wenigstens einen Schleusenwärter fragen, ob die Passage bis zum nächsten Hafen überhaupt noch machbar ist, oder ob ich besser umdrehe.
Der Schleusenwärter meint, dass ich vielleicht bis Baume-les-Dames komme, ist sich aber nicht sicher. Zurück wäre auch keine gute Idee, denn die Zufahrten vor den Schleusen sind so kurz und zum Teil bereits überspült, das Gefahr besteht, übers Wehr gezogen zu werden. Also schnell weiter.

IMG_7137 Hochwasser Doubs
Das Wasser steigt währenddessen unaufhörlich und mittlerweile zieht das nächste Unwetter über uns her. Ich komme kaum noch vorwärts, muss ständig Baumstämmen ausweichen und habe zum ersten Mal Angst um Eos. Das kannte ich bisher noch nicht. Wenn es auf See mal ruppig wurde, da hatte ich bammel, dass Sabrina oder mir selbst was passiert. Aber Angst um Eos hatte ich da nie. Ich wusste, dass unser Boot den Seegang und alles andere wegstecken würde.
Aber jetzt hatte ich Angst um mein Boot. Immer öfter schaffe ich es nicht mehr dem Holz auszuweichen und es knallt entsprechend. Meistens nur am Rumpf, zweimal erwische ich etwas mit dem Propeller.
Ich selbst würde hier jederzeit ohne große Schwierigkeiten raus kommen. Die Offshore-Weste habe ich sowieso fast immer an und das Ufer ist nicht weit entfernt. Aber was mache ich mit Eos, wenn ich nicht mehr vorwärts komme? Egal was ich mir überlege, eine hundertprozentig sichere Lösung gäbe es nicht. Also nicht lange grübeln und weiter.
Es dauert lange, bis ich diese nächste Schleuse erreiche. Auch sie funktioniert nicht und ist auf Doppelrot. Ich mache Eos am Warteponton fest und laufe schnell nach oben zum Telefonkasten am Schleusengebäude. Nach wie vor ist die Schifffahrt noch nicht eingestellt und man will schnell jemanden vorbei schicken.
Als der Schleusenmeister dann schließlich da ist, bringt er die Anlage wieder in Gang, lässt mich in die Kammer fahren und schaltet ab.
Man hat den Rhein-Rhone-Kanal jetzt für die Schifffahrt gesperrt. Weiterfahren unmöglich. Auch der Warteponton vor der Schleuse im Unterlauf ist nicht mehr sicher, meint der wirklich kompetente Mann. Deshalb habe er mich in die Kammer geholt, die ein ungewöhnlich hohes vorderes Tor hat. Hier ist Eos sicher und hier soll ich jetzt so lange bleiben, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Er schätzt, dass es etwa drei Tage dauern wird. Dann zeigt er mir noch wo ich Trinkwasser zapfen kann und verabschiedet sich schließlich.

IMG_20160626_084315 Hochwasser Doubs
Wie ich erst Tage später erfahre, war das eines der schlimmsten Unwetter und Hochwasser, welches diese Region je erlebt hat. 18 Städte waren betroffen. Die Regenmengen waren extrem. In L’Isle-sur-le-Doubs hat es fast den gesamten Ort schwer getroffen. Keller liefen voll, Straßen wurden mit Schlamm überspült, ein Haus ist in den Fluß gerutscht und ein Helikopter hat nach Vermissten gesucht.
Die Bahntrasse zwischen Clerval und Belfort wurde so schwer beschädigt, dass der Schienenverkehr auch heute noch nur eingeschränkt funktioniert.

Im Rhein-Rhone-Kanal gab es durch das Unwetter in L’Isle-sur-le-Doubs zwischen Schleuse 25 und 24 einen Erdrutsch. Dort ist auf etwa 50 Meter Länge eine ca. 20 Meter hohe Felswand in den Kanal gestürzt. Bäume sind ebenfalls umgeknickt und blockieren kurz hinter der Schleuse die Durchfahrt.
Auch heute, fast zwei Wochen nach dem Unglück, ist noch nicht klar, wann die Strecke wieder befahrbar ist.

Was in den Tagen danach geschah, warum ich jetzt mit Eos im Hafen von L’Isle-sur-le-Doubs liege und wie es weiter geht, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.

Ferienwohnung auf Sylt – Für 12€

Von List sollte es gleich noch einen Hafen weiter gehen. Nach Munkmarsch. In die letzte Ecke die man mit dem Schiff im Wattenmeer erreichen kann. Nach einer kurzen Fahrt durch die Priele ankerten wir ein Stück vor dem Hafen bis das Wasser hoch genug gestiegen ist. Denn Munkmarsch ist vor allem eines: flach.  Während die Nonsuch dort vor Anker liegt schlägt das Wetter um. Regen, und eine frische Brise mit um die 20 kn aus West. Wie angekündigt zwar, und doch plötzlich. Mittlerweile sind wir ja hinter Sylt „in Deckung“, doch keine 6 Stunden vorher sind wir noch an der endlosen Außenküste langgetingelt. Vor den Wetterumschwüngen muss man hier echt auf der Hut sein.

Bildschirmfoto 2016-06-11 um 19.36.39

Der Hafen von Munkmarsch ist schon von Weitem durch das imposante weiße Fährhaus zu erkennen. Müde und kaputt laufen wir dort nach etwa 24 Stunden nach dem Auslaufen in Tönning ein. Gleich nach dem Anlegen sind wir auch schon von den Mitgliedern umlagert. Das übliche „Woher? – Wohin?“, doch irgendwie scheint man sich hier einfach mehr um seine Mitmenschen zu kümmern. Wie viele Häfen in der Nordsee ist der Hafen von Munkmarsch von einem Verein betrieben. Doch nicht nur das, er wurde sogar vor langer Zeit von den Mitgliedern eigenhändig gebaut. Dementsprechend viel Charme hat die Anlage. Wir sind die einzigen Gäste. „Joa, im Schnitt haben wir hier so 2-3 Gäste im Jahr“ erklärt uns der Hafenmeister. Das macht mich etwas stutzig. Zwar erreicht man den Hafen eine Stunde vor und nach Hochwasser nur mit etwa 1,60 Tiefgang, und doch sinkt man wie schon in Tönning mit einem Kielschiff sicher im Schlick ein. Wenn die Sicht klar ist, sieht man sogar die Zugspitze von hier. Nur halt die sich bewegende auf dem Eisenbahndamm zum Festland. Alter Inselflachwitz… Vor allem aber liegt der Hafen zentral in der Inselmitte von Sylt, der Deutschen beliebtester Ferieninsel, gelegen. Und im direkten Umfeld sind ein das Fährhaus mit dem untergebrachten Luxushotel, ein kleines Dorf mit überwiegend reetgedeckten Häusern, Dünen, und vor allem ein Sandstrand und das Watt direkt vor dem Boot. Und das alles für 12 Eumel pro Tag. Billiger kann man eine Ferienwohnung auf der mondänen Insel ganz bestimmt nicht haben. Und das auch noch mit Meerblick.

IMG_8617

Natürlich ist das Revier nicht immer einfach zu befahren, aber bisher wurden alle Anstrengungen immer mit traumhafter Landschaft vergolten. Nicht umsonst ist Sylt die beliebteste Urlaubsinsel des Landes. Und so nutze ich meine Absprungposition direkt in der Inselmitte und bleibe eine Weile. Wann hat man schon die Chance dazu so günstig ein paar Tage auf so einer schönen Insel zu verbringen? Strandbesuche an den endlosen Sandstränden der Insel, Kneipenbummel, ein bisschen Kulturprogramm, und Spaziergänge durch die frühsommerlicher Landschaft. Dazu noch ein paar kleine Ausflüge um die Insel per Boot. Eine Zeit lang lasse ich das Boot hier stehen und komme am Wochenende mit Freunden in mein ganz privates Inseldomizil. Und das schönste überhaupt natürlich noch dazu. Ich lasse einfach mal ein bisschen die Bilder sprechen, bevor ich mich nun langsam wieder Richtung Süden hangel…

IMG_4421

Einhand um Sizilien, Teil II. Der Südwesten. Licata. San Leone. Agrigento. Porto Empedocle.

In lockerer Reihenfolge erzähle ich in dieser Artikelserie meine Reise 
um Sizilien auf meiner 31-Fuß-Yacht LEVJE im Sommer 2016. 
Alle Artikel dieser Reihe finden Sie auf click HIER.

Das nautische Sizilien hat viele Gesichter. Nicht jedes davon ist schön.

Von Malta nach Licata auf Sizilien zurückgekehrt, hält es mich nicht im Hafen. Zwar dauert es einen Tag, bis ich wieder von maltesischem auf italienisches Internet umgestellt habe (schon merkwürdig: einen Tag ‚frisst‘ die Internet-Organisation beim Grenzübertritt immer. Warum eigentlich?), aber danach: Nichts wie raus. Zwar fegt der Wind aus Nordwest die Küste entlang, aber am Ende siegt die Unvernunft: Ich lege am frühen Nachmittag ab. Reffe noch im Hafen aufs zweite Reff. Und dann: Los gehts!

Aber Hand aufs Herz: Das zu machen ist wirklich reine Unvernunft.
Erstens wehen draußen 6bft.
Zweitens genau die Küste entlang. Und von dort, wo ich doch hin will.
Drittens wäre der nächste Hafen San Leone (Agrigento). Was ganz ohne aufkreuzen schon fünf Stunden entfernt wäre.
Viertens käme ich mit Aufkreuzen frühestens neun Uhr Abends an.
Fünftens: … ach was soll’s.

Also gehe ich raus. Lasse LEVJE hoch am Wind laufen, um auszuprobieren, wie sie sich so verhält. Es herrscht ziemlich Seegang. Wellen, die dumpf dröhnend an LEVJE’s Bordwand brechen. Im Nu bin ich nass vom überkommenden Wasser – aber trotzdem macht das alles Riesen-Spaß. Eineinhalb Stunden lasse ich LEVJE hinauslaufen ins große Blau, hinüber nach Malta wäre heute ein echtes Vergnügen mit halbem Wind. Aber da bin ich ja gestern erst herüber motort. Grundregel für Malta scheint zu sein wie folgt: Hinüber? Einfach. Retour? Schwierig.

Als ich meinen Wendepunkt erreiche und meine erste Wende hingelegt habe, stelle ich fest, dass wir auf die Strecke nur wenige Seemeilen nach Nordwest gutgemacht haben. Wind, vor allem Welle ist zu stark, die Abdrift ist zu groß. Es dürfte also Mitternacht werden, bis ich San Leone erreiche. Nein, das lassen wir lieber. Ich falle ab. Mit halbem Wind spurtet LEVJE zurück Richtung Hafen Licata, dass es reine Freude ist. Das bräuchte ich mal an dieser Küste: 5 bft. aus Südsüdwest, um mit halbem Wind Richtung Westspitze Siziliens zu schießen. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Der Nordwest: Er ist und bleibt an der Südküste Siziliens in den Sommermonaten der bestimmende Faktor. Weil mich der Hafen nicht lockt, ankere ich in dessen Lee, draußen, allein, auf Reede. Und über mir entfaltet sich die ganze Pracht eines sizilischen Abendhimmels, für die ich sonst wie weit laufen würde. Und die mich noch öfter beschäftigen wird.

Natürlich herrscht am nächsten Tag Windstille. Nix geht. Ich motore also brav die fünf Stunden nach Westnordwest, vorbei am Castello di Montechiaro, das irgendwie irisch von seinem Felsen herunter grüßt. Nördlich davon dreht die Küste nach Nord am Capo Finanza – heißt wirklich so. Kostet auch nix, dran vorbeizusegeln.

Es ist später Nachmittag, als ich San Leone erreiche. Ein moderner Sportboothafen, scheint es. Meine Seekarte auf dem iPAD zeigt in NAVIONICS im und vor dem Hafen ein Dreieck mit Ausrufezeichen. Als ich drauf klicke, erhalte ich den dürren Hinweis „Caution Area“. Und: „See Sailing Directions“.  Etwas kryptisch. Die Einfahrt zwischen den beiden Steinmolen ist breit. Sieht gut aus. Angler sitzen friedlich auf den Molen. Halten ihre Ruten ins Wasser. Sizilischer Spätnachmittagsfrieden, denke ich. Und schon im ersten Anlauf auf die breite Zufahrt: Rrrrrumms! LEVJE ist genau in der Hafeneinfahrt auf Grund gelaufen. Irgendwas Hartes, Steinernes. Dabei liegt keine Markierung aus. Keine Boje zeigt Gefahr an. Und während ich mit meinen fast vier Tonnen Schiff fluchend auf Grund sitze: Tun die Angler am Ufer keinen Mux. Und starren weiter konzentriert auf ihre Ruten ins Wasser.

Mühselig motore ich LEVJE wieder nach hinten zurück, komme frei, während mir hundertfünfzig Meter vor mir der Hafenmeister zeigt, dass er eine Grundleine in seinem Hafen für mich hat.

Also nochmal. Langsam nähere ich mich wieder der Einfahrt. Rrrrumms. Wieder ein Knall. Wieder ein Schlag. Wieder sitzen wir fest. Gottseidank bin ich diesmal nur mit eineinhalb Knoten unterwegs gewesen, habe mich rangetastet. Aber das Ergebnis ist dasselbe. Wieder hängt LEVJE fest, obwohl sie ja nur 1,60 Tiefgang hat und nichts in der Fußballplatzbreiten Einfahrt darauf hinweist, dass hier eine Untiefe ist. Wieder fluche ich. Mehr aus Sorge um mein Schiff, das bei Derartigem ernsthaften Schaden nehmen kann. Ich stürze nach unten, zitternd vor Sorge, hebe alle Bodenplatten an. Alles trocken. Kein Wasser. Die Kielbolzen sind fest. „LEVJE, tut mir echt leid. Ich hab so Scheiße auf Dich aufgepasst…“

Von den Anglern regt sich keiner. Als wäre ich – nicht da. Auch der Hafenmeister hält nur interessiert seine Muring in der Hand. Wo komme ich hier bloß rein?

Wieder mühsam freikommen. Mein dritter Anlauf. Diesmal auf zwei Drittel nördlich. Rrrrrrumms. Zum dritten Mal aufgelaufen. Der Hafen scheint auf zwei Dritteln seiner Einfahrt unpassierbar zu sein – und niemand findet es für nötig, irgendeine Markierung auszubringen. Ich koche vor Wut, Flüche prasseln aus mir. Stünde jetzt einer vor mir…

Erst im vierten Anlauf schaffe ich – ganz an die nördliche Molenkante geklemmt – die Zufahrt. Hier hat der Hafen über drei Meter Wassertiefe. Was erstmal einer wissen muss!

„Ich sah, dass Du Probleme hattest“, sagt Giovanni, der Hafenmeister, als ich nach unten stürze, um mein Schiff gründlich zu untersuchen, ob sie nicht doch irgendeinen Schaden davontrug, kaum, dass die Festmacher steif sind. Nein. Alles heile. Zart streichle ich meinem tapferen Schiff über den Mastfuß. So weit hat sie mich getragen. In die Türkei. Und von der Türkei durchs halbe Mittelmeer. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich jetzt Bruch gebaut hätte.

Doch nun Giovanni. Der ist eigentlich ein netter junger Kerl. Aber er hat das Pech, der einzige Mensch zu sein, der nun gerade vor mir steht. Erst weise ich höflich darauf hin, ob schon mal jemand daran gedacht hätte, die Untiefe mit roten Bojen zu markieren?

„Rote Bojen?“ Giovanni fragt das so ungläubig, als hätte ich ihm eben vorgeschlagen, auf einem Sack Rote Beete (italienisch: „Barbabietola“) den Atlantik zu überqueren.

Als er mich dann darüber informiert, dass der Hafen die Nacht 45 € kosten würde, Toiletten und Duschen aber gerade – leider! – nicht funktionieren würden, platzt mir endgültig der Kragen.

Ich möchte nicht wiedergeben, was der arme Giovanni von mir und seinem Sch…-hafen zu hören bekam. Ich warf einfach meine Leinen los, und steuerte meine arme LEVJE raus, weg von diesem Unglückshafen und diesem Unglücksraben.

Es war halb sieben geworden. Die Sonne sank. Aber eine Stunde weiter westlich lag der Hafen von Porto Empedocle, der Industriehafen von Agrigento. DA MUSSTE zumindest die Hafeneinfahrt frei sein. Und irgendein Eckchen würde ich da schon finden, irgendwo in der Dämmerung zwischen Frachtern und Fischern. Als wollte ich wieder etwas gut machen, motorte ich  LEVJE ganz sacht in die untergehende Sonne. Und gerade, als die Sonne hinter den Bergen versank, liefen wir hinein in den weiten Industriehafen. Drehten langsam eine weite Kurve, dorthin, wo hinter zwei Molenstücken der enge innere Stadthafen mit der Fährpier lag.

Kein schlechtes Hilfsmittel für die erste Orientierung in italienischen Häfen bietet die Website www.cruiserswiki.org. Doch von den über 100 Liegeplätzen, die mir die Seite für Porto Empedocle versprochen hatte, war so gut wie nichts zu erkennen. Eine Telefonnummer war angegeben, von Giuseppe Filippi, dem Hafenmeister. Aber der ging nicht ran. Langsam drehte ich auf die Stege in der Nordwest-Ecke zu.

Da winkte ein Mann, hielt eine Grundleine in der Hand. Es war Giuseppe, mit dem zusammen ich LEVJE in einem Winkel seines Steges vertäute, während sich über mir der sizilische Abendhimmel in ganzer Pracht entfaltete. Ein Feuerwerk von Abendröte am Himmel, während gerade die Fähre aus Malta in den Innenhafen gleitet und wenige Meter vor LEVJE dreht, um kunstvoll auf engem Raum ihren Rückwärtsanleger zu vollführen.

Das nautische Sizilien: Es hat viele Gesichter. Nicht jedes davon ist schön. Aber viele.

Mare Più: heißt „mehr Meer“. 
Und wenn Sie mehr Geschichten 
über die Menschen am Meer lesen wollen:


Wie es ist, auf einem kleinen Segelboot
• Italien
• Griechenland
• Türkei
zu bereisen. Und in fünf Monaten: Von München nach Antalya zu reisen.

Jetzt lesen. Als eBook. Als Print. Hier bestellen.

Auch als Film:  



Im Download. Als DVD. Hier.

Demnächst auch in den CINEPLEX-Kinos 
in Aichach und Germering bei München.

Das sagt die Presse über Buch und Film:

„… ein Sehnsuchtsbuch par excellence.
Und ein echtes sinnliches Erlebnis.“
MÄRKISCHE ZEITUNG im Oktober 2015

„… eröffnet dem Weltenbummler ganz wunderbare Traumziele, auf die man 
bei üblicher Herangehensweise schwerlich gekommen wäre.“
YACHT im Mai 2015 

„Die Besonderheit des einstündigen Streifens ist seine Ruhe. 
Eine Ruhe, die der Film mit poetisch angehauchter Sprache und sinnlichen Bildern von Szene zu Szene eingehender vermittelt.“
SEGELREPORTER im Dezember 2015

„… ein schönes, ein gelungenes Werk, animierend und inspirierend.“
LITERATURBOOT im Juli 2015

„Absolut empfehlenswert!
Für Reisebegeisterte ist ‚Einmal München-Antalya, bitte!‘ definitiv zu empfehlen.“


RATGEBER.REISE. im Juni 2015

Einhand um Sizilien. Der Südwesten. Licata. San Leone. Agrigento. Porto Empedocle.

In lockerer Reihenfolge erzähle ich in dieser Artikelserie meine Reise 
um Sizilien auf meiner 31-Fuß-Yacht LEVJE im Sommer 2016. 
Alle Artikel dieser Reihe finden Sie auf click HIER.

Das nautische Sizilien hat viele Gesichter. Nicht jedes davon ist schön.

Von Malta nach Licata auf Sizilien zurückgekehrt, hält es mich nicht im Hafen. Zwar dauert es einen Tag, bis ich wieder von maltesischem auf italienisches Internet umgestellt habe (schon merkwürdig: einen Tag ‚frisst‘ die Internet-Organisation beim Grenzübertritt immer. Warum eigentlich?), aber danach: Nichts wie raus. Zwar fegt der Wind aus Nordwest die Küste entlang, aber am Ende siegt die Unvernunft: Ich lege am frühen Nachmittag ab. Reffe noch im Hafen aufs zweite Reff. Und dann: Los gehts!


Aber Hand aufs Herz: Das zu machen ist wirklich reine Unvernunft.
Erstens wehen draußen 6bft.
Zweitens genau die Küste entlang. Und von dort, wo ich doch hin will.
Drittens wäre der nächste Hafen San Leone (Agrigento) ohne aufkreuzen schon fünf Stunden entfernt.
Viertens käme ich mit Aufkreuzen frühestens neun Uhr Abends an.
Fünftens: … ach was soll’s.

Also gehe ich raus. Lasse LEVJE hoch am Wind laufen, um auszuprobieren, wie sie sich so verhält. Es herrscht ziemlich Seegang. Wellen, die dumpf dröhnend an LEVJE’s Bordwand brechen. Im Nu bin ich nass vom überkommenden Wasser – aber trotzdem macht das alles Riesen-Spaß. Eineinhalb Stunden lasse ich LEVJE hinaus laufen ins große Blau, hinüber nach Malta wäre heute ein echtes Vergnügen mit halbem Wind. Aber da bin ich ja gestern erst herüber motort. Grundregel scheint zu sein wie folgt: Hinüber? Einfach. Retour? Schwierig.

Als ich meinen Wendepunkt erreiche und meine erste Wende hingelegt habe, stelle ich fest, dass wir auf die Strecke nur wenige Seemeilen gutgemacht haben. Wind, vor allem Welle ist zu stark, die Abdrift ist zu groß. Das dürfte also Mitternacht werden, bis ich San Leone erreiche. Nein, das lassen wir lieber. Ich falle ab. Mit halbem Wind spurtet LEVJE zurück Richtung Hafen Licata, dass es reine Freude ist. Das bräuchte ich mal an dieser Küste: 5 bft. aus Südsüdwest, um mit halbem Wind Richtung Westspitze Siziliens zu schießen. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Der Nordwest: Er ist und bleibt an der Südküste Siziliens in den Sommermonaten der bestimmende Faktor. Weil mich der Hafen nicht lockt, ankere ich in dessen Lee, draußen, allein, auf Reede. Und über mir entfaltet sich die ganze Pracht eines sizilischen Abendhimmels, für die ich sonst wie weit laufen würde. Und die mich noch öfter beschäftigen wird.

Natürlich herrscht am nächsten Tag Windstille. Nix geht. Ich motore also brav die fünf Stunden nach Westnordwest, vorbei am Castello di Montechiaro, das irgendwie irisch von seinem Felsen herunter grüßt. Nördlich davon dreht die Küste nach Nord am Capo Finanza – heißt wirklich so. Kostet auch nix, dran vorbeizusegeln.

Es ist später Nachmittag, als ich San Leone erreiche. Ein moderner Sportboothafen, scheint es. Meine Seekarte auf dem iPAD zeigt in NAVIONICS im und vor dem Hafen ein Dreieck mit Ausrufezeichen. Als ich drauf klicke, erhalte ich den dürren Hinweis „Caution Area“. Und: „See Sailing Directions“.  Etwas kryptisch. Die Einfahrt zwischen den beiden Steinmolen ist breit. Sieht gut aus. Angler sitzen friedlich auf den Molen. Halten ihre Ruten ins Wasser. Sizilischer Spätnachmittagsfrieden, denke ich. Und schon im ersten Anlauf auf die breite Zufahrt: Rrrrrumms! LEVJE ist genau in der Hafeneinfahrt auf Grund gelaufen. Irgendwas hartes, Steinernes. Dabei liegt keine Markierung aus. Keine Boje zeigt Gefahr an. Und während ich mit meinen fast vier Tonnen Schiff fluchend auf Grund sitze: Tun die Angler am Ufer keinen Mux. Und halten weiter konzentriert ihre Ruten ins Wasser.

Mühselig motore ich LEVJE wieder nach hinten zurück, während mir hundertfünfzig Meter vor mir der Hafenmeister zeigt, dass er eine Grundleine in seinem Hafen für mich hat.

Also nochmal. Langsam nähere ich mich wieder der Einfahrt. Rrrrumms. Wieder ein Knall. Wieder ein Schlag. Wieder sitzen wir fest. Gottseidank bin ich diesmal nur mit eineinhalb Knoten unterwegs gewesen, habe mich rangetastet. Aber das Ergebnis ist dasselbe. Wieder hängt LEVJE fest, obwohl sie ja nur 1,60 Tiefgang hat und nichts in der Fußballplatzbreiten Einfahrt darauf hinweist, dass hier eine Untiefe ist. Wieder fluche ich. Mehr aus Sorge um mein Schiff, das bei derartigem ernsthaften Schaden nehmen kann. Ich stürze nach unten, zitternd vor Sorge, hebe alle Bodenplatten an. Alles trocken. Kein Wasser. Die Kielbolzen sind fest. „LEVJE, tut mir echt leid. Ich hab so Scheiße auf Dich aufgepasst…“

Von den Anglern regt sich keiner. Als wäre ich – nicht da. Auch der Hafenmeister hält nur interessiert seine Muring in der Hand. Wo komme ich hier bloß rein?

Wieder mühsam freikommen. Mein dritter Anlauf. Diesmal auf zwei Drittel nördlich. Rrrrrrumms. Zum dritten Mal aufgelaufen. Der Hafen scheint auf zwei Dritteln seiner Einfahrt unpassierbar zu sein – und niemand findet es für nötig, irgendeine Markierung auszubringen. Ich koche vor Wut, Flüche prasseln aus mir. Stünde jetzt einer vor mir…

Erst im vierten Anlauf schaffe ich – ganz an die nördliche Molenkante geklemmt – die Zufahrt. Hier hat der Hafen über drei Meter Wassertiefe. Was erstmal einer wissen muss!

„Ich sah, dass Du Probleme hattest“, sagt Giovani, der Hafenmeister, als ich nach unten stürze, um mein Schiff gründlich zu untersuchen, ob sie nicht doch irgendeinen Schaden davontrug, kaum, dass die Leinen fest sind. Nein. Alles heile. Zart streichle ich meinem tapferen Schiff über den Mastfuß. So weit hat sie mich getragen. In die Türkei. Und von der Türkei durchs halbe Mittelmeer. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich jetzt Bruch gebaut hätte.

Doch nun Giovanni. Der ist eigentlich ein netter junger Kerl. Aber er hat das Pech, der einzige Mensch zu sein. Der nun vor mir steht. Erst weise ich höflich darauf hin, ob schon mal jemand daran gedacht hätte, die Untiefe mit roten Bojen zu markieren?

„Rote Bojen?“ Giovanni fragt das so ungläubig, als hätte ich ihm eben vorgeschlagen, auf einem Sack Rote Beete (italienisch: „Barbabietola“) den Atlantik zu überqueren.

Als er mich dann darüber informiert, dass der Hafen die Nacht 45 € kosten würde, Toiletten und Duschen aber gerade – leider! – nicht funktionieren würden, platzt mir endgültig der Kragen.

Ich möchte nicht wiedergeben, was ich der arme Giovanni von mir und seinem Sch…-hafen zu hören bekam. Ich warf einfach meine Leinen los, und steuerte meine arme LEVJE raus, weg von diesem Unglückshafen und diesem Unglücksraben.

Es war halb sieben geworden. Die Sonne sank. Aber eine Stunde weiter westlich lag der Hafen von Porto Empedocle, der Industriehafen von Agrigento. DA MUSSTE zumindest die Hafeneinfahrt frei sein. Und irgendein Eckchen würde ich da schon finden, irgendwo in der Dämmerung zwischen Frachtern und Fischern. Als wollt wieder etwas gut machen, motorte ich  LEVJE ganz sacht in die untergehende Sonne. Und gerade, als die Sonne hinter den Bergen versank, liefen wir hinein in den weiten Industriehafen. Drehten langsam eine weite Kurve, dorthin, wo hinter zwei Molenstücken der enge innere Stadthafen mit der Fährpier lag.

Kein schlechtes Hilfsmittel für die Orientierung in italienischen Häfen bietet die Website www.cruiserswiki.org. Doch von den über 100 Liegeplätzen, die mir die Seite versprochen hatte, war so gut wie nichts zu erkennen. Eine Telefonnummer war angegeben, von Giuseppe Filippi, dem Hafenmeister. Aber der ging nicht ran. Langsam drehte ich auf die Stege in der Nordwest-Ecke zu.

Da winkte ein Mann, hielt eine Grundleine in der Hand. Es war Giuseppe, mit dem zusammen ich LEVJE in einem Winkel seines Steges vertäute, während sich über mir der sizilische Abendhimmel in ganzer Pracht entfaltete. Ein Feuerwerk von Abendröte am Himmel, während gerade die Fähre aus Malta in den Innenhafen gleitet und wenige Meter vor LEVJE dreht, um kunstvoll auf engem Raum ihren Rückwärtsanleger zu vollführen.

Das nautische Sizilien: Es hat viele Gesichter. Nicht jedes davon ist schön. Aber viele.

Mare Più: heißt „mehr Meer“. 
Und wenn Sie mehr Geschichten 
über die Menschen am Meer lesen wollen:


Wie es ist, auf einem kleinen Segelboot
• Italien
• Griechenland
• Türkei
zu bereisen. Und in fünf Monaten: Von München nach Antalya zu reisen.

Jetzt lesen. Als eBook. Als Print. Hier bestellen.

Auch als Film:  



Im Download. Als DVD. Hier.

Demnächst auch in den CINEPLEX-Kinos 
in Aichach und Germering bei München.

Das sagt die Presse über Buch und Film:

„… ein Sehnsuchtsbuch par excellence.
Und ein echtes sinnliches Erlebnis.“
MÄRKISCHE ZEITUNG im Oktober 2015

„… eröffnet dem Weltenbummler ganz wunderbare Traumziele, auf die man 
bei üblicher Herangehensweise schwerlich gekommen wäre.“
YACHT im Mai 2015 

„Die Besonderheit des einstündigen Streifens ist seine Ruhe. 
Eine Ruhe, die der Film mit poetisch angehauchter Sprache und sinnlichen Bildern von Szene zu Szene eingehender vermittelt.“
SEGELREPORTER im Dezember 2015

„… ein schönes, ein gelungenes Werk, animierend und inspirierend.“
LITERATURBOOT im Juli 2015

„Absolut empfehlenswert!
Für Reisebegeisterte ist ‚Einmal München-Antalya, bitte!‘ definitiv zu empfehlen.“


RATGEBER.REISE. im Juni 2015