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Wenn Fischerboote reden könnten. Ein Spaziergang durch den Hafen von Catania.

Es ist halb neun Uhr morgens im Hafen von Catania. Einer nach dem anderen kommen die Fischer herein, die die Nacht über draußen waren. Und laden aus, was sie über Nacht gefangen haben. Auf dem Achterdeck eines Fischers stapeln sich Kisten an Kisten: Obststeigen voller Heuschreckenkrebse. Styroporkisten mit Rotbarben, Drachenköpfen, Meeräschen, Meeraalen, alles bunt durcheinander. Blaue Bottiche voller Meerwasser, in denen Seespinnen die Fühler ausstrecken. Es riecht nach Tang und frischem Seegras, zwei Männer in knallorangen Latzhosen spülen mit  dickbauchigem Schlauch immer wieder den Inhalt der Kisten kräftig durch. Männer auf der Pier, die den Fang der Nacht …

kritisch beäugen, fachmännische Kommentare abgeben. Einer, der das Kommando hat auf der Pier, vielleicht der Großhändler, der mit dicken Bündeln Scheinen wedelt und dabei ständig „Luigi“, „Pepe“ ruft und die Männer hin und verscheucht, bis Steigen, Kisten und Bottiche endlich verladen sind auf ein kleines Dreirad, eine APE. So vollgepackt ist sie, dass ihre Hecktüren sich nicht schließen lassen. Zwei Männer bändseln endlich die Türen zu mit einem abgerissenen Strick, bis sich die APE qualmend, ruckelnd, spuckend aus dem Hafen bewegt, Richtung Kochtöpfe.

Die Fischer stecken sich eine Zigarette in den Mundwinkel, die wievielte dies Nacht. Die Männer auf der Pier verlaufen sich, die Arbeit ist getan. Zurück bleiben an diesem Morgen die Boote der Fischer, die im Schwippschwapp des Hafens behäbig schaukeln. Und darauf warten, dass die Fischer wiederkommen in ein, zwei Tagen, irgendwann am Abend, und in der Dämmerung wieder rausfahren, mit gespannten Mienen. Ohne die Männer an Deck und auf sich selbst gestellt, sind sie nun kleine Persönlichkeiten. Gesichter, die mir im Hafen begegnen.

Nehmen wir einmal PAOLA und NUNZIELLA. Wie Schwestern schaukeln die beiden einträchtig nebeneinander. Als kennten sie sich schon ein Leben lang. PAOLA jedenfalls, die ihr Besitzer wie die meisten hier in leidenschaftlichem Rot innen gestrichen hat, hat schon einiges erlebt, das sieht man den Kisten und Verschlägen auf dem Verdeck an. Aber sei es, um nur ja nicht zuviel preiszugeben; sei es, um die kostbare Inneneinrichtung zu schonen, hat PAOLA’s Eigentümer die Vorhänge hinter den beiden Fenstern geschlossen, über die er mit ungelenker Hand und dickem Faserstift die fünf Buchstaben mittig hingepinselt hat.

Etwas einladender geht es auf dem nächsten Fischkutter zu. Die Tür zum Inneren steht einladend offen. Ein Stuhl vom Campingplatz kündet davon, dass der Fischer auch noch Andres kennt als „Giro d’Affari“, das italienische Wort für Umsatz. Er scheint ein Freund der Gemächlichkeit zu sein, körperliche Arbeit? Die kann man doch im Sitzen erledigen. Während sein Schiff etwas verkniffen aus drei verhangenen Augen in die Welt schaut. Irgendeine Unzufriedenheit, die darüber lagert. Den Luftfilter im Motor zulange nicht ausgeklopft? Die Bilge länger nicht leergepumpt? Jedenfalls sagt das Gesicht mit verdrießlicher Miene: Es liegt was quer.

Setzen wir unseren Spaziergang auf der Mole an diesem Morgen weiter fort. Die Kleine da, mit dem hellblauen Hut. Sieht sie nicht gleichmütig aus, mit dem zusammengekniffenen Mund? Natürlich sind auch bei ihr die Vorhänge rammeldicht zugezogen, mit etwas Wehmut denke ich mich nach Holland, wo anders als in katholischen Gefilden immer alles offen steht an Fenstern. Wo jedermann sehen darf, dass es in diesem Haus rechtschaffen und gottesfürchtig zugeht. Aber dies ist nun mal Sizilien, Italien überhaupt: Ich kenne kein Land, in dem das private Leben so abgeschottet hinter den eigenen vier Wänden stattfindet wie Italien.

Endlich offenherzig zeigt sich dieses Fischerboot. Und siehe da: Im Inneren gibt es nichts Spektakuläres zu sehen. Ein Gashebel, ein Steuerrad, ein wenig Elektronik, die man so braucht. Funke, GPS, ein paar Schalter für die Lichter. Eine Gefriertruhe mit rostigem Deckel an Deck. Der Laderaum dürftig verschalkt, von einer Kette zusammengehalten. Vielleicht stimmt ja der Satz: „Reich ist nicht, alles zu haben. Reich ist, wer weiß, was er alles nicht braucht.“

Weiter links wieder ein Geschwisterpaar. Der Besitzer scheint die Farbe rot zu mögen, selbst ins Blau des Deckshauses ist kräftig Rot gemischt. Etwas streng sieht es mich an, das blaurote Gefährt, als ich so vor ihm stehe und versuche, ihm tief in die weit auseinandersetzenden, rotverhangenen Augen zu sehen. Nicht unser Tag heute. Man kann nicht jeden Tag ein Lächeln im Gesicht tragen. Warum eigentlich nicht?

Ach ja. ROSARIA. Da ist nun jemand wirklich stolz auf sein Schiff. Nein, schiere Größe zählt gar nicht. Nur das Glück. Und so prangt nicht nur der schöne Name auffällig über allem, nein: Sogar mit Sternchen versehen ist er, eins links, eins rechts. So, als wollte der Besitzer sagen: „Das ist nun die siebzehnte – aber so glücklich wie mit ROSARIA war ich mit keiner zuvor!“ Es bleibt nun uns überlassen, darüber zum mutmaßen, ob nicht noch andere Liebe im Spiel ist als nur die zu einem Boot. Und bei er Namensgebung nicht noch ein Jubel im Spiel war, endlich, endlich das richtige Du gefunden zu haben.

SANTA LUCIA hingegen blickt in verschiedenen Richtungen in die Welt: Nach links. Nach vorn. Nach rechts. Verhangen ist auch ihr Blick aus dem etwas breiten Gesicht, das ihr einen Hauch Würde verleiht. Da ist natürlich der Name nicht unschuldig. Santa Lucia, die Patronin aus dem wenige Seemeilen entfernten Siracusa: Ein eifersüchtiger Bräutigam, ein ungnädiger Richter, der sie während der diokletianischen Christenverfolgung in Siracusa ob ihrer christlichen Tugend und Standhaftigkeit zur öffentlichen Schändung ins Bordell verurteilte. Weder tausend Männer noch ein Ochsengespann (sic!!) waren in der Lage, so fortzuschaffen, sie blieb im Gerichtssaal wie angewurzelt. Nicht Pech, nicht Schwefel, nicht Feuer konnte ihr etwas anhaben. Bis sich einer erbarmte. Und ihr endlich ein Schwert in den Hals stieß. Dass derlei Geschichten bei der Namenswahl des Bootes eine Rolle spielten, darf bezweifelt werden. Santa Lucia ist einfach die Lokalheilige, und ihr Fest wird jetzt im Dezember in Siracusa ganz sicher gebührend gefeiert. Wie auch im bayerischen Fürstenfeldbruck die Kinder an diesem Tag das Lucienfest feiern. Und kleine selbstgebastelte Häuschen mit einer Kerze in der Dämmerung auf der Amper aussetzen. So weit ist Siracusa ja nun auch nicht weg.

Vo anderer Denkungsart ist der Besitzer dieses Fischkutters: Der freie Geist! Da ist jemand mal von der Ethik-Seite gekommen, hat sich freigeschwommen und hat das jahrtausendealte Handwerk des Fischers ergriffen. SPIRITO? Ja sicher, Geist immer! Aber nicht SPIRITO SANTO, den heiligen Geist. Sondern SPIRITO LIBERO, den freien Geist, der über allem thront. Zu so einem Namen gehört Mut. Und Ausdauer. Und die Überzeugung, dass man das auch ein Leben lang durchhalten kann, mit dem freien Geist. Nicht verknöchert, nicht verspießert, zwar immer ordentlich die Holzkisten links aufs gewienerte Vordeck sortiert, aber doch ein freier Kopf bleibt, bis ans Ende seiner Tage.

Beenden wir nun unseren morgendlichen Spaziergang durch den Hafen von Catania. Noch schnell ab in die BAR DEL PORTO, über die ich im letzten Post schrieb, wo nun der eine oder andere Fischer zusammen mit den Hafenarbeitern am Tresen steht, für einen kurzen Moment, eine Espresso-Länge. Verabschieden wir uns von der molligen Schwester des Barbesitzers und verlassen wir diesen schönen Ort. Und bewahren wir uns zumindest für den heutigen Tag den Blick für die netten kleinen Geschichten, die am Wegrand liegen.

Im nächsten Post: Wie ist das eigentlich, in Sizilien und seinen Häfen: Warum Siracusa nicht nur eine Reise wert ist.

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Der Mensch und seine Sachen: Der Leuchtturm im Winter: Formentor auf Mallorca.

Der Leuchtturm von Kap Formentor auf Mallorca.

Bei meinen Reisen kehre ich oft an dieselben Orte zurück. Schließlich ist es ja nicht so, dass es viele Orte gäbe, die man einfach aufsucht: Und schon ist man glücklich mit sich und der Welt. In Formentor ist das aber so. Es ist ein abgelegener Ort in der nördlichsten Ecke Mallorcas, aber das ist noch nicht präzise genug: Man muss der äußersten gebirgigen Verlängerung der Serra Tramuntana, des langen nördlichen Gebirgszugs Mallorcas, bis an ihr alleräußerstes Ende folgen, dahin, wo nur noch Gestrüpp und dürre Gräser sich zwischen die Felsbrocken klammern.

Formentor ist ein abgelegener Ort, auch wenn dort heute – quer durchs Gebirge, über Heide, durch Kiefernwälder und Schafweiden – eine gut ausgebaute Straße hinführt, auf der sich selbst im frühen Januar tagsüber die Autos drängeln. Der Leuchtturm liegt da, wo die Welt endet: Auf einer Klippe zwischen anderen Klippen, ein Fels mitten in der Unendlichkeit. Nur noch ein Ziegeldach über einem weißen Gemäuer – und dann nichts mehr, aber auch gar nichts mehr als Blau und duftige Wolken jetzt im frühen Januar.

Kein Ort, wo man denn gerne wäre, im Sturm. Wie oft haben wohl Segler und Seeleute hinaufgeschaut zum 210 Meter hoch gelegenen Leuchtfeuer mit der inbrünstigen Bitte „Lass mich jetzt nur schnell herumkommen um diese Huk, in den Frieden und das ruhige Wasser auf der anderen Seite.“ Oder wie wir, nach 20stündiger Überfahrt herüber von Barcelona mit den Segelrebellen im März letzten Jahres – aber das ist eine andere lesenswerte Geschichte.

Weiterlesen bei: KEIN GANZ NORMALER TÖRN: Von Barcelona nach Mallorca. Hier.

Er hat auch schon einige Jahre auf dem Buckel, der Leuchtturm. Wahrscheinlich hatten schon die Römer hier in der Nähe ein Leuchtfeuer, schließlich lag die wichtigere ihrer beiden großen Städte nur noch ein paar Seemeilen entfernt, Pollentia, die Mächtige, als die zweite Stadt Palma Palmensis wirklich noch die zweite und nicht wie heute die erste Geige auf Mallorca spielte. Spätestens als die Vandalen über die Insel kamen, sie ausplünderten und ihre kurzlebige Thalassokratie, ihr Seereich von Nordafrika aus errichteten, war Schluss mit Licht und Leuchtzeichen. Für lange Zeit. Erst um 1857, als die industrielle Schiffahrt einsetzte und das Mittelmeer dank Dampfschifffahrt einen neuen Aufschwung nahm, begann man mit dem Bau eines neuen Leuchtturmes. Das neue Feuer wurde am 30. April 1863 entzündet und mit Olivenöl betrieben. Der Bau war dermaßen schwierig, das Terrain derart abgelegen, dass es unerhörte Anstrengungen kostete, das Leuchtfeuer zu bauen. Weswegen dann auch der Bischof von Mallorca ausnahmsweise auch der Samstags- und Sonntagsarbeit zustimmte, allerdings den bischöflichen Dispens unter der Bedingung erteilte, dass die Arbeiter jeden Morgen an einem provisorischen Altar die Messe hören konnten

.

Auch die Versorgung des Leuchtturms blieb schwierig. Die ersten Arbeiter hatten einen 17 Kilometer langen Saumpfad von der Bucht Cala Muerta heraufgelegt. War das Wetter gut, was es in dieser sturmreichen Ecke offensichtlich nicht oft war, konnte man im nahegelegenen Moll dell Patronet anlegen, nicht mehr als einer Lücke in den Felsen, von der die Arbeiter 272 Stufen herauf in den harten Fels geschlagen hatten.

Die Sache mit dem Olivenöl entpuppte sich auch nicht als der wahre Jakob, so dass man bald auf Paraffin umstellte. Und kaum war das Benzin in der Welt, stellte man darauf um, bis der Fortschritt 1962 in Gestalt einer Stromleitung auf die Insel und vor allem nach Formentor kam. Neue Linsen gabs dann 1971, und so sendet der Leuchtturm heute Nacht, wie jede andere Nacht seine Blitze über 40 Kilometer weit in die Nacht hinaus: vier weiße Blitze alle 20 Sekunden. Und weist denjenigen den Weg, die in die Häfen von Pollenca und Alcudia wollen – dorthin, wo schon die Römer hinwollten vor 2.000 Jahren: Zu ihrer Hauptstadt Pollentia, die heute unter dem alten Alcudia liegt.

Weiterlesen bei weiteren Geschichten über Mallorca: Hier!

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Vom Autor von MARE PIU: 


Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
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VORTRAG in Flensburg – Mittwoch, 13.01.16 – 21:30

Als wäre es gestern gewesen sind die Bilder meines letzten Besuches in Flensburg in meinem Kopf präsent. Wie der Leuchtturm Kalkgrund auf einmal vor mir aus dem Nebel auftaucht, die Flensburger Förde glatt wie ein Ententeich vor mir liegt, und wie ich nach über 5 Monaten das erste Mal wieder in einem deutschen Hafen fest mache.

Nun komme ich am 13. Januar wieder nach Flensburg, um dort bei der Seglervereinigung Flensburg in Fahrensodde über meine Erlebnisse zu berichten. Kurzentschlossene Gäste sind herzlich willkommen! Los gehts um 2130 im Clubhaus der SVF. Bei Interesse findet ihr alles Nähere findet ihr unter: Vortrag in Flensburg bei der SVF

Würde mich freuen viele von euch dort begrüßen zu können!

Feiert schön und habt euch lieb

Kommt gut rüber 2015 - 2016 C

Im Winter: Am Meer (IV). Von Sizilien und Mallorca. Oder: Kommen und Gehen.

Es ist Weihnachten geworden, und ich bin nun etwa 550 Seemeilen, 1.000 Kilometer, weiter nordwestlich: Der Hafen heißt Port de Pollença, und er liegt auf Mallorca. Von Sizilien, der größten Insel des Mittelmeers, auf die siebtgrößte. Von 5 Millionen Einwohnern auf eine Insel mit knapp 850.000. Auch hier hat es jetzt an Weihnachten tagsüber freundliche 18, 19 Grad. Und manches arglose Bleichgesicht, das nicht aufpasst mit der Sonne, zeigt sich tags darauf in schmerzhaftem Krebsrot. Statt in Sizilien pünktlich um fünf vor fünf geht die Sonne hier eine Dreiviertelstunde später unter. Fürs Queren der Insel mit dem Auto braucht man auf Siziliens buckligen Landstraßen mehr als sechs Stunden, in Mallorca ist man dank properer Autobahn in 45 Minuten einmal quer durch. Um Mallorca herumzusegeln, für die 150 Seemeilen, ist man drei bis vier Tage unterwegs, mindestens. Die gleiche Distanz ist gerade mal die Länge der Südküste Siziliens, die Nordküste ist genauso lang, Verlockungen wie Ägadische oder Äolische Inseln nicht eingerechnet. Aber darüber berichte ich dann im Frühsommer 2016, wie sich das anfühlt, einmal um Sizilien herum. Über die „halbe Umrundung Mallorcas“ schrieb ich im vergangenen Frühjahr, vom Törn mit den SEGELREBELLEN“ – hier weiterlesen.

Und sonst? Gibts natürlich noch mehr Unterschiede – Insel ist ja nicht gleich Insel. Die unterschiedlichen „Nationalitäten“ fallen dabei noch am wenigsten ins Gewicht. Nein, Sizilien ist fast schon irgendwie eine Insel wie ein eigenes Festland. Es lebt irgendwie aus sich selber („Nüsse vom Ätna!!“ „Orangen vom Ätna!!“), zumindest scheint das so, wo Mallorca ganz offensichtlich sehr vom und von anderen lebt und seine liebe Not hat, zwischen all dem „anderen“ das „eigene“ irgendwie zu bewahren. Zu schnell boomen Orte wie Port de Pollença, und dies „Boomen“ besteht mehr aus dem Auf- und Abschwellen dieses kleinstädtischen Organismus mit den Jahreszeiten. Kommt der Sommer, wächst die Einwohnerzahl von Port de Pollenca mal eben aufs fünf- bis siebenfache, grob geschätzt. Kommt der Winter, reduziert sich das alles dann wieder auf die 8.000 tatsächlichen Einwohner. 

Es sind hauptsächlich Briten und Festlandsspanier, die hier ihre Ferienwohnungen haben oder Hotels buchen, die jetzt im Winter geschlossen, stillgelegt sind. So wie auch die Strandpromenade von Port de Pollença, wo nicht nur SUPERSPAR und HIMALAYAN SOUVENIR verrammelt sind. Sondern fast der ganze Ort. Nur bei den Immobilienmaklern in Port de Pollença geht abends das Licht nicht aus. Zu viele von ihnen am selben Ort sind untrügliches Zeichen, was auf dieser Insel für heftiges Kommen und Gehen herrscht. Und mancher unter ihnen brüstet sich gern damit, dass er diese oder jene Wohnung „nun schon zum fünften Mal verkaufe“. Und so bleiben sie merkwürdig unter sich, die Mallorquiner, wo Sizilien an vielen Orten „großstädtischer“ und gelegentlich auch echter „melting pot“ ist und der sizilianisch aussehende Kellner sich schnell als waschechter Albaner entpuppt.

Ja, das mit dem „verrammelt“, es hat dann aber auch wieder seine eigenen Reize. Das Meer gehört einem nun wirklich ganz allein. Liveaboards, Leute die hier den Winter auf dem Boot verbringen, gibt es in Port de Pollença kaum, auch im nahen Alcudia nicht, das nun wirklich mit einer großen Marina punkten könnte. Wer kommt, der bleibt nicht, anders als in Marina di Ragusa, jedenfalls nicht über den Winter. Der Hafenmeister in Port de Pollença blickt sehnend hinaus auf die Mole, auch die Strände hat man für sich allein, gerade mal ein Mensch mit Weitwinkel-Objektiv, der sich wie wir am Strand in der Dämmerung herumtreibt, auf der Suche nach eben jenen 15 Minuten, in der sich die Welt am Meer – Sommer wie Winter – in ganz besonderen Licht zeigt.

Restaurants haben meistens zu, im ein paar Kilometer entfernten Cala San Vicenc jedenfalls alle, der Ort ist nun wirklich verlassen. Und doch ein Traum in den purpur-, violett-, sowieso blau-Tönen, die sich alle, alle jetzt zeigen, wo die Sonne weit in unserem Rücken schon im Meer versunken ist.

In diesem Licht besehen versteht man manchen abstrakten Maler besser, dem die Welt nur noch als Aufeinandertreffen zweier Farbflächen erschien, aber das ist ja nun nicht nur im Winter so am Meer. Und das haben sie nun wirklich alle gemeinsam, die Orte am Mittelmeer, die ich im Winter bereist habe:  Die duftigen Wolken in der Luft. Die weichen Blautöne. Und mit ein wenig Glück auf der weiten Leinwand des Himmels einen zartrosa Strich, der sie trennt, die Farbflächen.
All das allein in der Stunde, wenn die Sonne sinkt, ist schon das Kommen wert. Und sie, die unzähligen weichen Blautöne: sie machen mir das wieder-Weggehen vom Meer schon heute schwer – egal ob Sizilien oder Mallorca.

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Im Winter: Am Meer (IV). Von Sizilien und Mallorca. Oder: Kommen und Gehen.

Es ist Weihnachten geworden, und ich bin nun etwa 550 Seemeilen, 1.000 Kilometer, weiter nordwestlich: Der Hafen heißt Port de Pollença, und er liegt auf Mallorca. Von Sizilien, der größten Insel des Mittelmeers, auf die siebtgrößte. Von 5 Millionen Einwohnern auf eine Insel mit knapp 850.000. Auch hier hat es jetzt an Weihnachten tagsüber freundliche 18, 19 Grad. Und manches arglose Bleichgesicht, das nicht aufpasst mit der Sonne, zeigt sich tags darauf in schmerzhaftem Krebsrot. Statt in Sizilien pünktlich um fünf vor fünf geht die Sonne hier eine Dreiviertelstunde später unter. Fürs Queren der Insel mit dem Auto braucht man auf Siziliens buckligen Landstraßen mehr als sechs Stunden, in Mallorca ist man dank properer Autobahn in 45 Minuten einmal quer durch. Um Mallorca herumzusegeln, für die 150 Seemeilen, ist man drei bis vier Tage unterwegs, mindestens. Die gleiche Distanz ist gerade mal die Länge der Südküste Siziliens, die Nordküste ist genauso lang, Verlockungen wie Ägadische oder Äolische Inseln nicht eingerechnet. Aber darüber berichte ich dann im Frühsommer 2016, wie sich das anfühlt, einmal um Sizilien herum. Über die „halbe Umrundung Mallorcas“ schrieb ich im vergangenen Frühjahr, vom Törn mit den SEGELREBELLEN“ – hier weiterlesen.

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Ja, das mit dem „verrammelt“, es hat dann aber auch wieder seine eigenen Reize. Das Meer gehört einem nun wirklich ganz allein. Liveaboards, Leute die hier den Winter auf dem Boot verbringen, gibt es in Port de Pollença kaum, auch im nahen Alcudia nicht, das nun wirklich mit einer großen Marina punkten könnte. Wer kommt, der bleibt nicht, anders als in Marina di Ragusa, jedenfalls nicht über den Winter. Der Hafenmeister in Port de Pollença blickt sehnend hinaus auf die Mole, auch die Strände hat man für sich allein, gerade mal ein Mensch mit Weitwinkel-Objektiv, der sich wie wir am Strand in der Dämmerung herumtreibt, auf der Suche nach eben jenen 15 Minuten, in der sich die Welt am Meer – Sommer wie Winter – in ganz besonderen Licht zeigt.

Restaurants haben meistens zu, im ein paar Kilometer entfernten Cala San Vicenc jedenfalls alle, der Ort ist nun wirklich verlassen. Und doch ein Traum in den purpur-, violett-, sowieso blau-Tönen, die sich alle, alle jetzt zeigen, wo die Sonne weit in unserem Rücken schon im Meer versunken ist.

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All das allein in der Stunde, wenn die Sonne sinkt, ist schon das Kommen wert. Und sie, die unzähligen weichen Blautöne: sie machen mir das wieder-Weggehen vom Meer schon heute schwer – egal ob Sizilien oder Mallorca.

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Eine Art Weihnachtsgeschichte

Das Jahr neigt sich mal wieder dem Ende zu. Sabrina und ich sitzen in diesen Tagen so oft es geht zusammen und lassen die Zeit Revue passieren. Mama und Oma versorgen uns mit selbstgemachten Plätzchen in rauen Mengen und abends sorgen Räuchermännchen für eine gemütliche Atmosphäre. Es geht uns gut nach dem letzten Abenteuer und wir genießen diese freien Tage, bevor Sabrina Anfang Januar im neuen Job durchstartet und ich Teil 2 von „Mit Wind und Sonne um die Welt“ in Angriff nehmen werde.

2015 war für uns eines der turbulentesten Jahre. Der zweite Aufbruch ins Ungewisse, viel Arbeit an Eos und ein wunderschöner Sommer in Frankreich. Nach der ersten Euphorie dann der Dämpfer in der Biskaya und die anschließende Suche nach dem richtigen Weg. Auf den Jakobsweg sind wir dabei durch Zufall gekommen. Eben weil er direkt am Hafen vorbei geführt hat und weil wir durch eine Freundin wussten, was die Jakobsmuschel am Wegesrand zu bedeuten hat. Dass wir dann kurze Zeit später Eos in Port Medoc abschließen, mit Rucksack auf dem Rücken los laufen, unterwegs zwei Mountainbikes kaufen und nach 46 Tagen tatsächlich am Kap stehen, das war mit das Beste was uns passieren konnte.
Der Camino, der Jakobsweg, er hat uns eine Menge gegeben. So viel, dass wir selbst heute noch immer wieder Momente haben, in denen wir einzelne Details erst so richtig realisieren. Einfach, weil diese 46 Tage so voll waren mit Erlebnissen, Begegnungen, Bildern und verschiedenen Gefühlen. Ein Auf und Ab, nicht nur in Gestalt unglaublich vieler Höhenmeter, nein, vor allem eine Gefühlsachterbahn, ähnlich wie beim Fahrtensegeln. Mit einem Unterschied: Segeln ist für uns in erster Linie eine Herausforderung für den Kopf und dabei leicht für den Körper, was die Anstrengung anbelangt. Pilgern empfinden wir dagegen um 180° verdreht. Federleicht für die Psyche und dabei schwer für die Physis. Beides hat seine Reize. Bei beiden Arten des Reisens gibt es Licht und Schatten. Ein Freund von uns hat dabei treffend angemerkt: „Nun, wenn das auf dem Boot umgekehrt ist, auch daran kann man ja arbeiten, genau wie der Körper sich allmählich an schwere Arbeit gewöhnt.“
Das wird eine der Aufgaben für die nächste Zeit. Wird vermutlich etwas länger dauern. Aber besser, als Eos zu verkaufen und den Traum vielleicht für immer aufzugeben. Davon sind wir zum Glück mittlerweile ziemlich endgültig wieder ab.
Also werden wir Eos 2016 erst mal nach Hause holen! Weiter aus dem Fenster lehnen möchte ich mich an dieser Stelle noch nicht. Wir planen noch…

In der Zwischenzeit hat sich noch etwas etwas ereignet. Wir haben vor einigen Tagen eine Karte nach Elguero geschickt. Wir waren uns allerdings nicht sicher, ob sie überhaupt ankommen wird, denn adressiert hatten wir sie an „unsere Freunde in Elguero“. Auf der Karte war auch ein Foto von Sabrina und mir, wie wir am Kap stehen. Wer uns also gesehen hat, konnte vielleicht etwas damit anfangen, so unsere Hoffnung.

Vorgestern hatten wir dann eine wunderbare Nachricht im E-Mail Postfach. Unsere Postkarte hat den Weg zu unseren Freunden gefunden und wir haben Weihnachtsgrüße aus Elguero bekommen, jenem Ort, an dem wir eine so unglaublich große Gastfreundschaft neben dem Jakobsweg erlebt haben. Von dort, wo wir spät abends, ohne Aussicht auf einen Schlafplatz, als Fremde aufgetaucht sind. Als Fremde, die nicht mal richtig Spanisch konnten. Man hat in diesem kleinen Dorf damals alles in Bewegung gesetzt, um uns zu helfen. Am Ende haben wir den Schlüssel für das Gemeindehaus bekommen und hatten einen sicheren Schlafplatz für die Nacht.

Frohe Weihnachten … und für alle, die nicht Weihnachten feiern, ein paar schöne freie Tage.

Viel Spaß mit dem Videoupdate #21:

Video Nummer Zwei – Ein wenig Rückreisefeeling

Drei Tage, drei Videos

Fangen wir an mit einem Rückblick auf den Botafumeiro in Santiago. Für uns war die Atmosphäre nach dem langen Weg ziemlich ergreifend.

Menschen am Meer:

Was nun folgt, mag möglicherweise für den ein oder anderen trostlos sein. Aber wie vieles im Leben ist das nur eine Frage der Perspektive.

Nehmen wir mal das Bild oben: Ich habe es aufgenommen heute Nachmittag, als gegen Viertel vor fünf die Sonne unterging, in Punta Secca, wohin ich nun fast jeden Abend streune, weil sich da die Südküste Siziliens nach Westen weitet. Und sich plötzlich der Blick auf die untergehende Sonne bietet. Punta Secca im Winter also, …

am heutigen 17. Dezember, bei Sonnenuntergang. Vier verlassene Häuser irgendwo in Südsizilien, verrammelt vor den Südstürmen, die in den kommenden Wochen unweigerlich hier fegen werden. Vier Häuser, die sich wie vier Alte in ihrer Einsamkeit aneinanderschmiegen, als wollten Sie sich Trost zusprechen. Der Winter am Meer, auf dem Boot, er kann schon ganz schön trostlos sein. Oder?

Derselbe Ort, derselbe Augenblick: Ich habe mich lediglich einmal im Halbkreis um mich selber gedreht, und schaue jetzt nach Westen, aufs Meer, statt auf die einsamen Häuser. Punta Secca, wie 

ich es nie vergessen werde. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Warum ich im Winter so gerne am Meer bin? Warum ich im Winter gerne auf dem Boot lebe?

Aber lassen wir erst einmal ein paar andere Menschen zu Wort kommen. Menschen, die ich hier getroffen und kennengelernt habe, und die jetzt im Winter genauso wie ich auf dem Boot leben. 

1. Julia, aus Kanada, 52.
Im Hafen von Marina di Ragusa überwintern derzeit etwa 50 Langfahrtsegler. Schweden, Holländer, Kanadier, Briten. Meist Paare. Man trifft sich ein-, zweimal die Woche. Zum Beispiel vergangenen Sonntag, wo die Schweden das Lucienfest feierten. Und alle anderen einluden zu Punsch und Selbstgebackenem. Oder gestern Abend, als das Marina-Restaurant für die Segler italienische Schweinshaxe offerierte. Dabei lernte ich Julia* (Name geändert) kennen. Und über der italienischen Schweinshaxe, die im Kartoffelbett geschmort auf den Teller kam und eine Offenbarung war, ging das Gespräch zwischen Julia und mir um das Thema „Jetzt auf dem Boot“. Julia ist mit ihrem Mann Peter erst seit kurzem hier in Marina di Ragusa. Sie ist Kanadierin aus Montreal, 52. Und bis letztes Jahr hat sie dort im Management einer kanadischen Bankengruppe gearbeitet. Alles war ok – doch irgendwas fehlte im Leben. Also begann sie vor einigen Jahren, zu segeln. Machte wilde Sachen: Von Nordkanada zusammen mit Peter die Westküste hinunter nach Californien – kein Spaß in der Kälte und den Stürmen Nordkanadas. Aber es war ihrer beider Ding. 
Irgendwann hat sie im vergangenen Jahr gekündigt. Das verstand ihr Boß so gar nicht. Und ging mit Peter auf die Suche nach einem Boot. Sie hatten ein Bestimmtes im Sinn, eines, das weltweit nur 28 mal gebaut wurde – und hier in Marina di Ragusa fanden sie es. Und nun sind beide hier. Auch wenn sie noch nicht wissen, wohin ihre Reise gehen wird, wie weit. „Es ist so phantastisch schön hier“, sagt Julia, „und eigentlich genieße ich jeden Tag, bevor wir in einigen Wochen für einige Zeit zurück nach Kanada gehen“. Warum Sie längere Zeit von dort weggehen will? Julia meint, dass sie ihren Job schon sehr geliebt hat. „Ich habe viel gearbeitet. Und gerne. Aber zuhause ist das irgendwie, als wäre etwas in Dich eingraviert. ‚Sei ehrgeizig‘. ‚Sei erfolgreich‘. ‚Arbeite hart‘. Es ist wie eine Gravur, die wir nicht loswerden. Aber hier am Meer auf dem Boot: Da werde ich sie los.“

2. Juran, aus Schweden, 74. 
Mein Nachbar Juran ist Schwede. Juran ist 74 und lebt mit der quirligen Eileen hier in Marina di Ragusa auf dem Boot neben Levje. Am Samstag wird Juran zusammen mit Eileen nach Schweden reisen, für ein paar Wochen, vor allem um seine Enkel zu sehen. Warum er denn nicht in Schweden bliebe, bei Kindern und Enkeln, habe ich ihn vor ein paar Tagen gefragt. Und er erzählt mit sanfter Stimme: „Ich bin jetzt seit 22 Jahren unterwegs auf diesem Boot. Ich habe Elektronik-Entwicklung gemacht und Beratung für die Industrie, es wurde immer mehr und immer mehr. Irgendwann hatte ich genug davon, nur immer getrieben zu sein. Da bin ich mit 52 los.“ Und warum er heute mit 74 nicht nach Schweden zurückkehre, zu seinen Kindern und Enkeln? Juran denkt einen Moment nach. „Es ist gut, meine Enkel zu sehen. Aber es tut mir einfach sehr weh, zu beobachten, wie sehr meine Kinder und Enkel einfach im Rattenkäfig des Daily Life stecken und leiden. Auch wenn Schweden meine Heimat ist: Ich kann da nicht mehr zurück.“

3. Angelika Gebhard aus Deutschland.
Angelika Gebhard ist die Frau des 2013 verstorbenen Weltumseglers Rollo Gebhard, dessen acht Bücher demnächst bei millemari. in neuer Überarbeitung erscheinen werden. Mit ihrem Mann segelte Angelika Gebhard sechs Jahre um die Welt – es war ihr erster Törn überhaupt, und die Route hatte es in sich. Von Deutschland nach USA – aber nicht über die Kanaren, sondern über Island und Grönland nach New York. Von der Südsee mal einfach nach Alaska. Zurück von der Südsee nonstop nach Emden. 
Bei unserem zweiten Gespräch erzählt Angelika Gebhard über diese Jahre und zieht folgendes Resumee: „Wissen Sie: Es ist ja nicht so, dass Segeln einen Menschen wirklich verändern würde. Man bleibt doch derselbe. Was sich aber ändert, ist: Wie man manche Dinge sieht. Zum Beispiel ‚Reichtum‘. Reichtum ist nicht, was man besitzt. Reichtum ist, zu wissen, was man nicht braucht.“ 

4. Die Kartenspieler von Punta Secca.

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden in Punta Secca. Der Leuchtturm, den ich schon im vorigen Post beschrieb, wirft sein Licht in die Nacht. Die Bar LA PICCOLA OASI darunter ist schon dunkel. Zwei, drei Grüppchen von Männern, Fischer augenscheinlich, stehen auf der Piazza herum, palavern im Dunkel. Und auch die Kartenspieler, über die ich schrieb, sitzen am selben Platz. Ich getraue mich nicht, die vier, auch sie wohl Fischer, anzusprechen, so vertieft sind sie in ihr Spiel. Aber wenn ich sie fragen würde, was um Himmels willen sie denn in einer Dezembernacht am Meer in Wollmützen draussen sein und ausgerechnet in der Kälte Kartenspielen lässt: Dann bin ich mir fast sicher, dass ihre Antwort in dürren Worten nicht so verschieden wäre von dem, was Angelika Gebhard über die Sicht auf die Welt sagte.

Belassen wir es zunächst bei diesen Antworten. Und während ich jetzt in meine Segeljacke gehüllt die nächtliche Hafenpromenade von Marina di Ragusa entlangschlendere und nur die Wellen höre, die von Malta und Afrika heranrauschen, denke ich mir: Schon gut so, wie die Welt gerade ist.
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Soeben bei millemari. erschienen:


Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
auf unserer millemari.-Bestellseite für Sie zusammengestellt. 
Klicken Sie rein.

Menschen am Meer: Warum manche Menschen im Winter gerne auf dem Boot und am Meer leben. Vier Antworten.

Was nun folgt, mag möglicherweise für den ein oder anderen trostlos sein. Aber wie vieles im Leben ist das nur eine Frage der Perspektive.

Nehmen wir mal das Bild oben: Ich habe es aufgenommen heute Nachmittag, als gegen Viertel vor fünf die Sonne unterging, in Punta Secca, wohin ich nun fast jeden Abend streune, weil sich da die Südküste Siziliens nach Westen weitet. Und sich plötzlich der Blick auf die untergehende Sonne bietet. Punta Secca im Winter also, am heutigen 17. Dezember, bei Sonnenuntergang. Vier verlassene Häuser irgendwo in Südsizilien, verrammelt vor den Südstürmen, die in den kommenden Wochen unweigerlich hier fegen werden. Vier Häuser, die sich wie vier Alte in ihrer Einsamkeit aneinanderschmiegen, als wollten Sie sich Trost zusprechen. Der Winter am Meer, auf dem Boot, er kann schon ganz schön trostlos sein. Oder?

Derselbe Ort, derselbe Augenblick: Ich habe mich lediglich einmal im Halbkreis um mich selber gedreht, und schaue jetzt nach Westen, aufs Meer, statt auf die einsamen Häuser. Punta Secca, wie 

ich es nie vergessen werde. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Warum ich im Winter so gerne am Meer bin? Warum ich im Winter gerne auf dem Boot lebe?

Aber lassen wir erst einmal ein paar andere Menschen zu Wort kommen. Menschen, die ich hier getroffen und kennengelernt habe, und die jetzt im Winter genauso wie ich auf dem Boot leben. 

1. Julia, aus Kanada, 52.
Im Hafen von Marina di Ragusa überwintern derzeit etwa 50 Langfahrtsegler. Schweden, Holländer, Kanadier, Briten. Meist Paare. Man trifft sich ein-, zweimal die Woche. Zum Beispiel vergangenen Sonntag, wo die Schweden das Lucienfest feierten. Und alle anderen einluden zu Punsch und Selbstgebackenem. Oder gestern Abend, als das Marina-Restaurant für die Segler italienische Schweinshaxe offerierte. Dabei lernte ich Julia* (Name geändert) kennen. Und über der italienischen Schweinshaxe, die im Kartoffelbett geschmort auf den Teller kam und eine Offenbarung war, ging das Gespräch zwischen Julia und mir um das Thema „Jetzt auf dem Boot“. Julia ist mit ihrem Mann Peter erst seit kurzem hier in Marina di Ragusa. Sie ist Kanadierin aus Montreal, 52. Und bis letztes Jahr hat sie dort im Management einer kanadischen Bankengruppe gearbeitet. Alles war ok – doch irgendwas fehlte im Leben. Also begann sie vor einigen Jahren, zu segeln. Machte wilde Sachen: Von Nordkanada zusammen mit Peter die Westküste hinunter nach Californien – kein Spaß in der Kälte und den Stürmen Nordkanadas. Aber es war ihrer beider Ding. 
Irgendwann hat sie im vergangenen Jahr gekündigt. Das verstand ihr Boß so gar nicht. Und ging mit Peter auf die Suche nach einem Boot. Sie hatten ein Bestimmtes im Sinn, eines, das weltweit nur 28 mal gebaut wurde – und hier in Marina di Ragusa fanden sie es. Und nun sind beide hier. Auch wenn sie noch nicht wissen, wohin ihre Reise gehen wird, wie weit. „Es ist so phantastisch schön hier“, sagt Julia, „und eigentlich genieße ich jeden Tag, bevor wir in einigen Wochen für einige Zeit zurück nach Kanada gehen“. Warum Sie längere Zeit von dort weggehen will? Julia meint, dass sie ihren Job schon sehr geliebt hat. „Ich habe viel gearbeitet. Und gerne. Aber zuhause ist das irgendwie, als wäre etwas in Dich eingraviert. ‚Sei ehrgeizig‘. ‚Sei erfolgreich‘. ‚Arbeite hart‘. Es ist wie eine Gravur, die wir nicht loswerden. Aber hier am Meer auf dem Boot: Da werde ich sie los.“

2. Juran, aus Schweden, 74. 
Mein Nachbar Juran ist Schwede. Juran ist 74 und lebt mit der quirligen Eileen hier in Marina di Ragusa auf dem Boot neben Levje. Am Samstag wird Juran zusammen mit Eileen nach Schweden reisen, für ein paar Wochen, vor allem um seine Enkel zu sehen. Warum er denn nicht in Schweden bliebe, bei Kindern und Enkeln, habe ich ihn vor ein paar Tagen gefragt. Und er erzählt mit sanfter Stimme: „Ich bin jetzt seit 22 Jahren unterwegs auf diesem Boot. Ich habe Elektronik-Entwicklung gemacht und Beratung für die Industrie, es wurde immer mehr und immer mehr. Irgendwann hatte ich genug davon, nur immer getrieben zu sein. Da bin ich mit 52 los.“ Und warum er heute mit 74 nicht nach Schweden zurückkehre, zu seinen Kindern und Enkeln? Juran denkt einen Moment nach. „Es ist gut, meine Enkel zu sehen. Aber es tut mir einfach sehr weh, zu beobachten, wie sehr meine Kinder und Enkel einfach im Rattenkäfig des Daily Life stecken und leiden. Auch wenn Schweden meine Heimat ist: Ich kann da nicht mehr zurück.“

3. Angelika Gebhard aus Deutschland.
Angelika Gebhard ist die Frau des 2013 verstorbenen Weltumseglers Rollo Gebhard, dessen acht Bücher demnächst bei millemari. in neuer Überarbeitung erscheinen werden. Mit ihrem Mann segelte Angelika Gebhard sechs Jahre um die Welt – es war ihr erster Törn überhaupt, und die Route hatte es in sich. Von Deutschland nach USA – aber nicht über die Kanaren, sondern über Island und Grönland nach New York. Von der Südsee mal einfach nach Alaska. Zurück von der Südsee nonstop nach Emden. 
Bei unserem zweiten Gespräch erzählt Angelika Gebhard über diese Jahre und zieht folgendes Resumee: „Wissen Sie: Es ist ja nicht so, dass Segeln einen Menschen wirklich verändern würde. Man bleibt doch derselbe. Was sich aber ändert, ist: Wie man manche Dinge sieht. Zum Beispiel ‚Reichtum‘. Reichtum ist nicht, was man besitzt. Reichtum ist, zu wissen, was man nicht braucht.“ 

4. Die Kartenspieler von Punta Secca.

In der Zwischenzeit ist es dunkel geworden in Punta Secca. Der Leuchtturm, den ich schon im vorigen Post beschrieb, wirft sein Licht in die Nacht. Die Bar LA PICCOLA OASI darunter ist schon dunkel. Zwei, drei Grüppchen von Männern, Fischer augenscheinlich, stehen auf der Piazza herum, palavern im Dunkel. Und auch die Kartenspieler, über die ich schrieb, sitzen am selben Platz. Ich getraue mich nicht, die vier, auch sie wohl Fischer, anzusprechen, so vertieft sind sie in ihr Spiel. Aber wenn ich sie fragen würde, was um Himmels willen sie denn in einer Dezembernacht am Meer in Wollmützen draussen sein und ausgerechnet in der Kälte Kartenspielen lässt: Dann bin ich mir fast sicher, dass ihre Antwort in dürren Worten nicht so verschieden wäre von dem, was Angelika Gebhard über die Sicht auf die Welt sagte.

Belassen wir es zunächst bei diesen Antworten. Und während ich jetzt in meine Segeljacke gehüllt die nächtliche Hafenpromenade von Marina di Ragusa entlangschlendere und nur die Wellen höre, die von Malta und Afrika heranrauschen, denke ich mir: Schon gut so, wie die Welt gerade ist.
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Sehenswerte Bilder und Texte aus diesem Buch haben wir 
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Betthupferl

Vor kurzem auf Eos…

In einer Nacht hab ich schlecht geschlafen. Kurz nach 0 Uhr war ich wieder wach. Rumwälzen hilft ja meistens nix, also schau doch mal nach draußen, dachte ich mir.
Bin leise aus der Koje gekrabbelt, während Sabrina tief und fest geschlummert hat. Danach noch den Niedergang geöffnet und siehe da, ein sternenklarer Himmel. Dazu kein Schwell im Hafen und absolut windstill. Könnte heute klappen, mit dem Astrofoto von Bord.
Das schwierige dabei ist, man muss lange belichten, um genug Sternenlicht auf den Chip der Kamera zu bekommen und ein Boot bewegt sich auch im Hafen eigentlich immer irgendwie. Das führt dann meistens zu verwackelten Fotos. Heute Nacht waren die Bewegungen aber sehr sehr gering und nach wenigen Fehlversuchen hatte ich einige brauchbare Fotos auf der Speicherkarte. Im ersten Bild waren es zwei mal 2 Sekunden bei ISO 12800, im zweiten Bild 5 mal 2 Sekunden, die mittels Bildbearbeitung später überlagert wurden, um das Rauschen zu verringern.
Die beiden Bilder geben recht gut den visuellen Eindruck wieder, den man an der dunklen Atlantikküste hat, wenn man von Deck aus nach oben schaut.

2015-12-11 Eos - Astrofoto Port Medoc 1