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Unter Segeln: Auf LEVJE nachts durch den Kanal von Korinth. Oder: ImReich der Lichter.

Am Morgen war ich von Athen aufgebrochen. Windstill begann der Tag in der verlassenen ATHENS MARINA direkt neben dem Olympia-Stadion. Ein langsames Hinaustuckern in die Sonne, vorbei an der Insel Salamis, nicht ohne mir die Bucht angesehen zu haben, in der im September vor bald 2.500 Jahren die übermächtige persische Flotte auf eine hoffnungslos unterlegene griechische Flotte getroffen war. Kaum war ich dort an dem Ort, der heute zwischen Container-Terminals, den Werften von Perama liegt und heute eher einem Schiffsfriedhof gleicht, kam der Wind: ein netter Süd mit 10, 12 Knoten, zum ersten Mal, seit ich zwischen den Inseln unterwegs bin, ein Südwind. Das bedeutete: Regen für den nächsten Tag, aber soweit war es noch nicht, der nette Süd, er schob mich mit fünfeinhalb Knoten westwärts, zum Kanal von Korinth. 

Am frühen Abend hatte der Wind weiter aufgefrischt. Ich war bis kurz vor die Kanaleinfahrt gesegelt, hatte brav drei Kabellängen davor gewendet und die Segel fallen lassen. Hatte brav den Funkkanal 11 eingestellt, mich brav eine Stunde vor Erreichen bei der CHANNEL AUTHORITY angemeldet, noch einmal brav den Wetterbericht angesehen: Starkregen für den nächsten Morgen, Regen den ganzen Tag. Und was mir gar nicht gefiel: fünf, sechs Windstärken genau in die Bucht vor dem Kanal.

Ich entschloß mich, noch am Abend die Durchfahrt zu wagen, im Dämmer, statt am nächsten Tag im Mistwetter. Vorausgesetzt, die CHANNEL AUTHORITY spielte mit. „Yes, you can pass this evening“, war die Antwort der Frauenstimme per Funk. Also legte ich LEVJE im auflandigen Wind an die Pier der CHANNEL AUTHORITY, ein grausiger Ort bei diesem Wind. Ich hatte alle Fender draußen an Steuerbord, Rod Heikell’s immer noch schätzenswertes Buch hatte mich gewarnt, es half trotzdem nichts. Die auf die Betonmole platschenden Wellen warfen LEVJE auf und ab, die Klampen ächzten fürchterlich, Festmacher zum Zerreissen gespannt. Es wurde erst besser, als ich Springs ausgebracht hatte, da schleuderte LEVJE nicht mehr gar so wild herum. Aber ich schaute trotzdem sorgenvoll in den Kanal hinein: Jetzt noch ein Frachter, der aus dem Kanal käme und genau hier an dieser Stelle wenige Meter neben LEVJE die Schrauben beschleunigte: Herausgerissene Klampen und was sonst für Bruch wären unvermeidlich. Doch der Kanal war leer. Der Frachter, den die CHANNEL AUTHORITY über Funk anpreite, war auf der anderen Seite noch fünf Seemeilen von der Einfahrt entfernt. Jetzt also los. Mit einem Sprung auf die Pier, ins Gebäude gespurtet, bei einem freundlichen Beamten für das Passieren von LEVJE’s 9,40 Meter 109,72 € bezahlt. Wie Rod Heikell schreibt: Gemessen in Euro pro Seemeilen ist der Kanal von Korinth die teuerste Wasserstraße der Welt.

Ganze dreieinhalb Seemeilen misst das Wegstück, das um 1890 ungarische Ingenieure und griechische Arbeiter über 85 Meter tief in den Fels sprengten, hackten, kratzten. Ganze dreieinhalb Seemeilen lang. Und 24,60 Meter breit. Mit 7,50 Wassertiefe. Ich hatte Zeit darüber nachzudenken, während ich auf der schwankenden LEVJE saß und auf die Freigabe zur Einfahrt wartete. Das dauert. Es dämmerte schon. Bis sich plötzlich ganz oben im Kontrollturm ein Fenster öffnete und eine Frauenstimme herunterrief: „Go! Go!“ Und mich mit der unnachahmlichen Geste griechischer Frauen von meiner wackeligen Pier hinein in den Kanal wegscheuchte. Die Brücke, die mir vorher den Weg in die Einfahrt versperrt hatte, war weg, einfach versunken im Wasser. Der Weg lag frei vor mir.

Kaum war ich drin, steigen die Felswände zu beachtlicher Höhe an. Felswand links, Felswand rechts, Vor mir die mit dem Lineal gezogene Wasserstraße durch den Fels. Bäume und Büsche, die von ganz oben heruntergrüßen, manchmal auf einer der vier Brücken in luftiger Höhe ein Fußgänger, der herunterschaut, ein Hund, der in die aufkommende Nacht zu mir herunterbellt. Ich bin mit LEVJE allein im Kanal. Vor mir: Sechs Kilometer Fahrt durch den Fels.

Kaum bin ich drin, meldet sich über Funk die Frauenstimme aus dem Tower, die mit der unnachahmlich wegscheuchenden Handbewegung. Ich habe alle Hände voll zu tun. Die Pinne halten. Gleichzeitig quer durchs Cockpit mich nach dem Funkgerät recken, ich hatte mir vorsorglich im Niedergang unter größter Dehnung das Mikro festgeklemmt. „Das nächste Mal: Nur mit Handfunke“, schwöre ich mir.  Es dauert, bis ich das Mikro in der Hand habe, LEVJE derweil auf die Felswände zudriftet, weil ich die Pinne gerade noch so eben mit den Fingerspitzen halte, während ich mit der anderen Hand  vorne nach dem Knopf am Mikro taste. Die Botschaft der Frau mit der unnachahmlichen Geste an mich ist eindeutig: „Faster, LEVJE! Faster!“

Wieso?? Ich fahr doch hier schon mit 4,8 Knoten. Strom setzt dagegen, der Motor jault, ich gebe noch mehr Gas. Immerhin 5,3 Knoten über Grund. Jetzt quäle ich die Maschine ganz ordentlich.

Aber während ich im Kanal bin, ist die Nacht lautlos und mit einem Schlag herangeschlichen. Gelbe Lampen an den Tunnelwänden, abwechselnd links, abwechselnd rechts erleuchten meinen einsamen Weg. Die Felswände, LEVJE’s Mast, das ganze Boot. Alles ist in rotes Licht getaucht, ein unbeschreiblicher Anblick. Passiere ich eine der Lampen, glüht LEVJE richtig auf. Mast, Wanten und Stagen, Seezaun, Dinghi: alles ist ins gelbrot der Lampen getaucht, das langsam verglimmt, wenn ich sie hinter mir lasse und LEVJE wieder in die Dunkelheit taucht.

LEVJE’s roter Mast, der hinaufragt, zur Brücke, hoch oben über mir, mit einem Scheinwerfer. Ganz versunken bin ich in den Anblick, hin und weg. Ein Fußgänger, der hoch oben zu mir heruntersieht, reglos. Als sich wieder die Frau mit der unnachahmlichen Geste meldet, unbarmherzig: „Faster, LEVJE! Faster!“

5,3 Knoten! Also wirklich! Noch mehr Gas geben wäre unverantwortlich. Was passiert eigentlich, wenn hier drin plötzlich der Motor aussetzt? Mit einem Schlag abstirbt, vielleicht noch ein einziges Mal bullernd hustet, dann unabänderlich – weg ist? Und LEVJE dann noch mit dem Schwung, den sie jetzt hat, lautlos gerade noch 211 Meter weiterläuft, langsamer wird und langsamer und dann plötzlich liegenbleibt, bei Kilometer 1,6 und auf 24,5 Meter Breite? Läßt man den Anker fallen? Teilt man der Frau mit der unnachahmlichen Handbewegung das dann mit wie APOLLO 13: „Houston, we have got a problem.“? Schickt sie dann ein Lotsenboot, das LEVJE und mich ans andere Ende schleppt? Werde ich dort dann geteert und gefedert? Oder zusätzlich zu den 109€ mit Rechnungen in unfasslicher Größenordnung überschüttet?

Das Funkgerät reißt mich aus meinen Gedanken: „Faster, LEVJE! Faster!“
„Jaaajaaa.“
Das war Slobo’s Antwort, wenn es nichts mehr zu anatworten gab. Slobo, dem einer meiner ersten Posts galt und dem ich in meinem Buch ein kleines Denkmal gesetzt habe. Also gut. Weil sie es will. 5,4 Knoten jetzt.

Je weiter ich in den Kanal eindringe, je höher die Felswände links und rechts von LEVJE steigen: Um so faszinierender wird das Schauspiel der Lichter. Es ist, als wäre ich tief im Gestein der Erde unterwegs. Malereien, die die gelben Lampen auf Felswände zeichnen, gewaltige Schattenbilder rings um mich herum, neben mir auf dem Wasser. Felswände, in sanftes Rot getaucht wie vom matten Licht einer Fackel, bei der ein Steinzeit-Künstler seine Stiere an die Felsen zeichnet, seine Hand. Felswände, die zu Kino-Leinwänden werden, wenn LEVJE und ich daran vorbeifahren, dann: LEVJEs und mein Schatten an der Felswand, der uns überholt. Ein Mast, ein Bootskörper, der hinter mir als als kleiner Schatten an der Wand auftaucht, größer wird, uns langsam überholt, während wir an der Felswand entlanggleiten. Und vor uns im Dunkel wieder versinkt.

„Faster, LEVJE! Faster!“

LEVJE’s Motor gibt nun wirklich, was er hat. Er jault und jodelt, und wäre die Gegenströmung nicht: dann wären wir ganz sicher jetzt mit sechseinhalb, sieben Knoten unterwegs. Aber so: Sind es gerade mal fünfeinhalb Knoten. Was macht das. Denn das Reich der Lichter im Kanal, es hat mich gefangengenommen. Das Rot der Felswände. Das Fackelleuchten auf dem fast unbewegten Wasser. Die beiden Grüns, die am anderen Ende des Kanals langsam sichtbar werden, langsam, langsam näher kommen, eins links. Eins rechts.

Langsam verlieren die Felswände an Höhe. Hingen Buschwerk und Bäume vorher vom Kanalrand hoch über mir herunter, sind sie jetzt fast schon wieder auf meiner Höhe. Ein Nachtvogel singt. Das Rot der Lampen verschwindet, nichts mehr, das ihnen Kinoleinwand wäre, auf Nimmerwiedersehen versickert es in der umgebenden Nacht, als ich aus dem Kanal heraus bin und ins Hafenbecken des westlichen Kanalendes einfahre. Für einen Moment verliere ich die Orientierung. Nichts mehr links, nichts mehr rechts. Nur noch Dunkelheit. Und die beiden grünen Lichter vor mir.

„Faster, LEVJE! Faster!“ Wieder die Stimme.

Als ich näherkomme, sehe ich, dass auch die beiden grünen Lichter eine Brücke markieren. Eine Brücke, die im Kanal versenkt ist. Autos stehen links und rechts, mit leuchtenden Schweinwerfern, Menschen unter den grünen Lichtern. Sie warten auf – mich? Applaus brandet auf, als ich näherkomme. Es sind tatsächlich geschätzt 100 Autos, die links und rechts der grünen Lichter warten. Fahrer sind ausgestiegen. Hämischer Applaus und wütendes Geschimpfe bricht los, als ich die grünen Lichter erreiche. Ein Mann gestikuliert wütend und deutet auf seine Uhr. Vier, fünf Leute daneben klatschen. Ein Mann am anderen Ufer, der mir einen Vogel zeigt. Aus der Dunkelheit und dem Gebüsch neben mir dringt erneut Applaus. Und wie erklärt man jetzt mit freundlichen Worten seinen griechischen Mannsgenossen, dass LEVJE’s Motor ja nunmal nur seine 19 PS hat und der Faltpropeller bei Gegenströmung nicht unbedingt kraftvoller zubeißt? Ich lasse es lieber. Und denke mir: Vielleicht ist das so. Keine Schönheit, ohne dass nicht jemand dafür leiden müsste.

„Faster, LEVJE! Faster!“

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Und wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat:

Soeben erschienen vom Autor von Mare Pius als Film
für Download und auf DVD:


                         Als Download und auf DVD: € 19,99

Was passiert, wenn das Leben die gewohnten Bahnen verlässt? 
Was geschieht, wenn man sich einfach aufmacht und fünf Monate Segeln geht? 
Darf man das? Und wie ändert sich das Leben?
Der Film einer ungewöhnlichen Reise, der Mut macht, seinen Traum zu leben.

Mehr erfahren. Filmtrailer ansehen. Bestellen. Hier.

Der Film entstand nach diesem Buch: 
Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen 
und die Kunst, wieder sehen zu lernen
Einmal München – Antalya, bitte. 
Das Buch: Mehr erfahren: Hier.

The Sailing Bassman – Episode 30 – Die Mutprobe

Susanne Guidera vom Verlag millemari bat mich darum vor der Kamera etwas aus meinem Buch SchärenSegeln vorzulesen. Irgendwo an Bord oder so…. aber da Susanne sich so sehr für das Buch eingesetzt hatte, erschien mir das zu lasch. Daher lese ich nun in 35 Metern Höhe aus dem Mast der Rickmer Rickmers. Nur musste ich vorher dort hinaufklettern. Und da ich nicht ohne Höhenangst bin, fiel es mir alles andere als leicht. Seht selbst…

Meine Premiere als Buchautor

Soeben ist mein erstes Buch zur Reise bei millemari. erschienen. Und zeitgleich zu dessen Veröffentlichung erschien gerade das Kapitel über die Alandinseln im Magazin „SEGELN“. 

Eigentlich wollte ich vor einem Jahr einfach nur lossegeln und 6 Monate Freiheit geniessen. Das daraus ein Blog, ein Buch, viele Fotos, eine Musik CD und sogar ein ganzer Film werden würde, hätte ich mir nie zu träumen gewagt. Es bestärkt mich aber nur einmal mehr darin, das man einfach irgendwann nur den ersten Schritt in eine neue Richtung gehen muss, um seinem Leben zu verändern. Es fühlt sich schon aufregend an, sich plötzlich in einem Magazin zu finden, das man selber immer schon gerne gelesen hat. Es hat richtig Spaß gemacht aus allen Bildern und Erinnerungen dieses Buch zusammenzustellen und vom Abenteuer des Segelns in den Schären (Süd-, Ost- und Westschweden, den Alandinseln und, last but not least, quer durch Schweden über den Götakanal) zu schwärmen. Auch wenn ich dieses Jahr dafür nun deutlich weniger auf dem Wasser war, hat sich die viele Arbeit auf jeden Fall gelohnt. Und ich bin natürlich auch ein wenig stolz. Mein besonderer Dank gilt dabei Susanne Guidera vom Verlag millemari. Für ihre Motivation. Für ihren Einsatz. Für ihre Ideen. Für ihre Ruhe im Sturm. Ohne Susanne wäre es wohl nur bei ein paar Schnappschüssen und ein paar facebook Postings geblieben. Neugierig? Hier kann man das Buch bestellen.

http://millemari.de/schaeren-segeln/

Meine Premiere als Buchautor

Soeben ist mein erstes Buch zur Reise bei millemari. erschienen. Und zeitgleich zu dessen Veröffentlichung erschien gerade das Kapitel über die Alandinseln im Magazin „SEGELN“. 

Eigentlich wollte ich vor einem Jahr einfach nur lossegeln und 6 Monate Freiheit geniessen. Das daraus ein Blog, ein Buch, viele Fotos, eine Musik CD und sogar ein ganzer Film werden würde, hätte ich mir nie zu träumen gewagt. Es bestärkt mich aber nur einmal mehr darin, das man einfach irgendwann nur den ersten Schritt in eine neue Richtung gehen muss, um seinem Leben zu verändern. Es fühlt sich schon aufregend an, sich plötzlich in einem Magazin zu finden, das man selber immer schon gerne gelesen hat. Es hat richtig Spaß gemacht aus allen Bildern und Erinnerungen dieses Buch zusammenzustellen und vom Abenteuer des Segelns in den Schären (Süd-, Ost- und Westschweden, den Alandinseln und, last but not least, quer durch Schweden über den Götakanal) zu schwärmen. Auch wenn ich dieses Jahr dafür nun deutlich weniger auf dem Wasser war, hat sich die viele Arbeit auf jeden Fall gelohnt. Und ich bin natürlich auch ein wenig stolz. Mein besonderer Dank gilt dabei Susanne Guidera vom Verlag millemari. Für ihre Motivation. Für ihren Einsatz. Für ihre Ideen. Für ihre Ruhe im Sturm. Ohne Susanne wäre es wohl nur bei ein paar Schnappschüssen und ein paar facebook Postings geblieben. Neugierig? Hier kann man das Buch bestellen.

http://millemari.de/schaeren-segeln/

Menschen am Meer: Kostas. Hafenmeister auf Spetses.

Manchmal: Da begegnet man einem Menschen, und man weiß gar nicht, wie einem geschieht.
Kennt man sich aus einem früheren Leben?
Ist man sich schon mal begegnet?
Strahlten in der Minute der Geburt hell die gleichen Gestirne?
Was ist es, was Verstehen und Verständigung zwischen zwei Menschen möglich macht ganz ohne Worte?
Ich weiß es nicht. Nur das: Jenseits von Sprache, Inhalt, Herkunft, Rang gibt es etwas, das Verstehen möglich macht, ganz ohne Worte und Zeichen. Vieles, was man eben noch im Kopf hatte, was zu tun, zu erledigen, dringlich hinzubekommen wäre, ist im Moment einer solchen Begegnung zweitrangig, es zählt nicht mehr. Und dann ist da nur noch ein Gegenüber, das tief vertraut ist, obwohl ich dieses Gegenüber gerade mal zwei Sekunden kenne. Und so erging es mir mit Kostas.

Drei, vier Tage war ich in der Bucht im Osten von Spetses geblieben, da wo Spetses und Spetsoupola, die Privatinsel des Reeders Niarchos, sich am nächsten kommen. Drei, vier Tage, bis ich mich auf den Weg machte, um nach einem Liegeplatz im Hafen von Spetses zu suchen. Und weil es in der Hafenbucht Ormos Baltizas sehr eng zugeht, unternahm ich meine Erkundungstour zu Fuß, ließ LEVJE einfach in der Bucht zurück und wackelte die drei Kilometer zu Fuß/per Anhalter im Elektro-Golfcart nach Spetses.

Die ersten fünf, sechs Werftbesitzer, die ich nach einem Liegeplatz fragte, lehnten ab. Zu voll. Zu eng. Zu seicht das Wasser. Zu ausgebucht jetzt. Kopfschütteln in verschiedenen Farben und Formen. Ich schlich mich auf die andere Seite des Hafens, auf die Ostseite. Im Werftladen Kopfschütteln. Zwei Marineros weiter ebenso. Ich kam langsam ans Ortsende, die Häuser wichen einem kleinen Kiefernwäldchen, eigentlich ist hier nichts mehr – oder doch? Da war ein Weg, der vom Wasser wegführte, hügelan, zum Leuchtturm. Fast wollte ich schon aufgeben, aber der Weg führte zum Wasser zurück auf eine Betonpier. Da lagen Segelyachten. Und da stand: Kostas, Hafenmeister.

Ob er denn einen Platz hätte? Ja, klar. Und ob er eine Mooring hätte, ich müsste meine Ankerwinsch zerlegen und bräuchte Ersatzteile? Hm. Auch das. Wie lange ich denn bleiben wolle? Und wenn ich käme: dann bitte bleiben und nicht dauernd rein und raus. Sprachs. Und stapfte weiter. Ich quengelte weiter: Was denn das kosten würde, für zehn Meter Schiffslänge? Kostas blieb stehen und sah mich an: „You give me, what you want to give.“ Und stapfte weiter.

Damit hatte ich Denkstoff für den späten Nachmittag genug. Gibts das? Einer der nicht das Maximum rausholt? Einer der sagt: „Gib mir, was Du willst.“? Ich war jedenfalls zufrieden und machte mich am nächsten Vormittag auf den Weg zu Kostas Mole. Da hing ich dann zuerst an einem anderen Schiff. Ohne Buganker. Heck zur Pier. Im ständigen Geschaukel der mit unanständiger Geschwindigkeit vorbeidonnernden Wassertaxis. Mir war Angst und Bang. Um LEVJE. Und was würde erst, wenn der Wind heute Nacht mit angekündigten 5-6 bft. in den Hafen stünde? „Don’t worry, be happy“, brummte Kostas, und zog sich unter das Dach seines schneeweißen Fischerbootes zurück, von wo er alles im Blick hatte. Nix happy – was mach ich bloß? Kann das hinhauen, dies griechische „alles wird gut?“, ganz ohne eigenes Mühen und sich kümmern? Ich hatte arge Zweifel.

Der Nachmittag verstrich. Die Mooring, die ich bekommen sollte, war belegt mit einer Yacht mit Baterrieschaden, den die Crew eben beschlossen hatte, mit einem Besuch im weltberühmten Epidaurus per Auto zu krönen. „Ich-brauch-die-Mooring“, hämmerte mein Hirn. Kostas linste unter seinem Sonnensegel hervor. Es wurde Abend. Da erschien Kostas, nach gebotener Zeit des Nachdenkens. Stieg auf ein Schlauchboot, das an der Pier lag, verlegte es auf die andere Seite und strahlte mich an: „Here is your Mooring!“. Und so kam ich zu meinem Platz in Kostas‘ Hafen.

Spetses und Kostas‘ Hafenmole: Noch nie habe ich in einem Hafen ein derartiges Durcheinander erlebt. Kaum lag ich fest, dirigierte Kostas die riesige BILMAR genau neben mich. Kaum lag die fest, legten drei, vier, fünf andere Motoryachten ihre Anker über den der BILMAR. Und noch einer. Und noch eine Yacht, 15 Meter vor der BILMAR, mitten in der Hafeneinfahrt. Kostas Aufgabe bestand darin, aus seiner Betonmole mit ihren klar viereckigen Abmessungen möglichst viel Platz für Boote herauszuholen. Und so lagen jeden Abend die Boote im Halbkreis um Kostas‘ Mole, Heck zur Pier und übles Geschaukel mit jedem roten Wassertaxi, das nah vorbeibrauste. Und Kostas‘ Flüche weckte. „Don’t worry, be happy.“


Unsere Konversation beschränkte sich überhaupt auf einfache Äußerungen. Sah er mich, rief er einfach nur laut, dass jedermann auf der Pier es hören konnte: „Jermanooooz“. „Deutscher“. Was ich mit einem ebenso lauten „Elljinaaaaaz“, „Grieche“, beantwortete. Worauf wir uns verständnisinnig angrinsten. Vielleicht lag es daran, dass er die Tiere an seinem Steg liebte: Ständig wuselten auf seinem Steg fünf Katzen herum, ich lernte das griechische Wort für Katze, nämlich „Rata“, und als Kostas Brot brauchte, weil die 20 Gänse von Spetses mal wieder an seiner Mole haltmachten und herumschwammen wie auf einem Dorfteich, half ich ihm aus und gab ihm, was an Brot noch auf LEVJE war. Sonst nahm Kostas nichts an von niemand und von mir auch nicht, keine Melone, keine eiskalte Bierdose. Die ersten zwei Tage jedenfalls nicht. Am dritten aber nahm er abends meine Bierdose an. Da saßen wir dann, in der Abenddämmerung, auf seiner Parkbank auf der Pier. Wir redeten wenig, tranken unser Bier und schauten aufs Wasser und die Boote, die ihre Anker und Ketten kunterbunt übereinander warfen, und die Welt drehte sich in diesem Moment in der richtigen Richtung.

Vom nächsten Tag an besuchte ich Kostas öfter auf seinem Fischerboot unter dem blauen Sonnensegel. Da steckte er, wenn ihn etwas ärgerte und wenn ihm einfach zu heiß war. Hin und wieder saßen wir da, „Jermanoooz“ und „Elljinaaaaaz“, schauten aufs Wasser und redeten wenig. Als ich ihn fragte, warum er denn das mache, mit der Pier, den Job als Hafenmeister, sagte er: „I want to help people.“ Fuhr ein Fischer vorbei, brüllte er ihm etwas Unverständliches zu, ein lautes „Kaptanjeeeeee“ oder irgendetwas, das ich nicht verstand.

Am Montag war das Ersatzteil für meine Winsch aus Athen da, das ich Samstag Mittag um halb eins – so geht Griechenland! – telefonisch in Athen bei NAVTILUS bestellt hatte. Kostas organisierte mir binnen drei Minuten einen Motorroller, damit ich das Teil vom Kurierdienst holen konnte. Nach einem halben Tag tat die Ankerwinsch wieder, und zwei Tage später habe ich Spetses verlassen. Kostas stand auf der Pier und rief sein „Jermaneeeeeeeee“ und ich mein „Elljinaaaaaaz“ – aber das dauerte nicht lang, denn ich hatte den Patzer meines Lebens gebracht: War langsam aus der Box getuckert – und hatte vorher – ich weiß nicht, was mich geritten hat – die Mooring nicht losgeworfen! Also endete das  „langsam aus der Box tuckern“ schon gleich nach der Box. LEVJE drehte einen Halbkreis, Kostas begann auf der Pier zu schimpfen, ich schalt mich einen Idioten.
Aber vielleicht: War das ja alles so richtig mit der Mooring, die mich festhalten wollte, auf Spetses, und bei Kostas, an seiner Pier.

Ganz sicher ist: Dass unsere Seele machmal mehr weiß als wir selbst.


Übrigens: Kostas ist seit 35 Jahren in Spetses. Bis Oktober steht er noch auf seiner Pier in Spetses. Über den Winter hilft er, Boote ausbessern, hier in Spetses, in Porto Cheli und Ermioni auf dem Festland – wenn es gerade nicht zuviel regnet. Auf meine Frage, wie lange er das denn noch machen wolle, meinte er: „Twentythree years.“ Dann wäre Kostas achzig…
 

 
Und wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat:
In diesem Buch gibts mehr davon: Geschichten über die Entschleunigung, übers langsam Reisen und die Kunst, wieder zu sehen, wer und was einem da gegenüber sitzt:

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Manchmal: Da begegnet man einem Menschen, und man weiß gar nicht, wie einem geschieht. 
Kennt man sich aus einem früheren Leben? 
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Strahlten in der Minute der Geburt hell die gleichen Gestirne?
Was ist es, was Verstehen und Verständigung zwischen zwei Menschen möglich macht ganz ohne Worte?
Ich weiß es nicht. Nur das: Jenseits von Sprache, Inhalt, Herkunft, Rang gibt es etwas, das Verstehen möglich macht, ganz ohne Worte und Zeichen. Vieles, was man eben noch im Kopf hatte, was zu tun, zu erledigen, dringlich hinzubekommen wäre, ist im Moment einer solchen Begegnung zweitrangig, es zählt nicht mehr. Und dann ist da nur noch ein Gegenüber, das tief vertraut ist, obwohl ich dieses Gegenüber gerade mal zwei Sekunden kenne. Und so erging es mir mit Kostas.

Drei, vier Tage war ich in der Bucht im Osten von Spetses geblieben, da wo Spetses und Spetsoupola, die Privatinsel des Reeders Niarchos, sich am nächsten kommen. Drei, vier Tage, bis ich mich auf den Weg machte, um nach einem Liegeplatz im Hafen von Spetses zu suchen. Und weil es in der Hafenbucht Ormos Baltizas sehr eng zugeht, unternahm ich meine Erkundungstour zu Fuß, ließ LEVJE einfach in der Bucht zurück und wackelte die drei Kilometer zu Fuß/per Anhalter im Elektro-Golfcart nach Spetses.

                                                                          Weiterlesen bei: Die vergessenen Inseln. Spetses.

Die ersten fünf, sechs Werftbesitzer, die ich nach einem Liegeplatz fragte, lehnten ab. Zu voll. Zu eng. Zu seicht das Wasser. Zu ausgebucht jetzt. Kopfschütteln in verschiedenen Farben und Formen. Ich schlich mich auf die andere Seite des Hafens, auf die Ostseite. Im Werftladen Kopfschütteln. Zwei Marineros weiter ebenso. Ich kam langsam ans Ortsende, die Häuser wichen einem kleinen Kiefernwäldchen, eigentlich ist hier nichts mehr – oder doch? Da war ein Weg, der vom Wasser wegführte, hügelan, zum Leuchtturm. Fast wollte ich schon aufgeben, aber der Weg führte zum Wasser zurück auf eine Betonpier. Da lagen Segelyachten. Und da stand: Kostas, Hafenmeister.

Ob er denn einen Platz hätte? Ja, klar. Und ob er eine Mooring hätte, ich müsste meine Ankerwinsch zerlegen und bräuchte Ersatzteile? Hm. Auch das. Wie lange ich denn bleiben wolle? Und wenn ich käme: dann bitte bleiben und nicht dauernd rein und raus. Sprachs. Und stapfte weiter. Ich quengelte weiter: Was denn das kosten würde, für zehn Meter Schiffslänge? Kostas blieb stehen und sah mich an: „You give me, what you want to give.“ Und stapfte weiter.

Damit hatte ich Denkstoff für den späten Nachmittag genug. Gibts das? Einer der nicht das Maximum rausholt? Einer der sagt: „Gib mir, was Du willst.“? Ich war jedenfalls zufrieden und machte mich am nächsten Vormittag auf den Weg zu Kostas Mole. Da hing ich dann zuerst an einem anderen Schiff. Ohne Buganker. Heck zur Pier. Im ständigen Geschaukel der mit unanständiger Geschwindigkeit vorbeidonnernden Wassertaxis. Mir war Angst und Bang. Um LEVJE. Und was würde erst, wenn der Wind heute Nacht mit angekündigten 5-6 bft. in den Hafen stünde? „Don’t worry, be happy“, brummte Kostas, und zog sich unter das Dach seines schneeweißen Fischerbootes zurück, von wo er alles im Blick hatte. Nix happy – was mach ich bloß? Kann das hinhauen, dies griechische „alles wird gut?“, ganz ohne eigenes Mühen und sich kümmern? Ich hatte arge Zweifel.

Der Nachmittag verstrich. Die Mooring, die ich bekommen sollte, war belegt mit einer Yacht mit Baterrieschaden, den die Crew eben beschlossen hatte, mit einem Besuch im weltberühmten Epidaurus per Auto zu krönen. „Ich-brauch-die-Mooring“, hämmerte mein Hirn. Kostas linste unter seinem Sonnensegel hervor. Es wurde Abend. Da erschien Kostas, nach gebotener Zeit des Nachdenkens. Stieg auf ein Schlauchboot, das an der Pier lag, verlegte es auf die andere Seite und strahlte mich an: „Here is your Mooring!“. Und so kam ich zu meinem Platz in Kostas‘ Hafen.

Spetses und Kostas‘ Hafenmole: Noch nie habe ich in einem Hafen ein derartiges Durcheinander erlebt. Kaum lag ich fest, dirigierte Kostas die riesige BILMAR genau neben mich. Kaum lag die fest, legten drei, vier, fünf andere Motoryachten ihre Anker über den der BILMAR. Und noch einer. Und noch eine Yacht, 15 Meter vor der BILMAR, mitten in der Hafeneinfahrt. Kostas Aufgabe bestand darin, aus seiner Betonmole mit ihren klar viereckigen Abmessungen möglichst viel Platz für Boote herauszuholen. Und so lagen jeden Abend die Boote im Halbkreis um Kostas‘ Mole, Heck zur Pier und übles Geschaukel mit jedem roten Wassertaxi, das nah vorbeibrauste. Und Kostas‘ Flüche weckte. „Don’t worry, be happy.“

Unsere Konversation beschränkte sich überhaupt auf einfache Äußerungen. Sah er mich, rief er einfach nur laut, dass jedermann auf der Pier es hören konnte: „Jermanooooz“. „Deutscher“. Was ich mit einem ebenso lauten „Elljinaaaaaz“, „Grieche“, beantwortete. Worauf wir uns verständnisinnig angrinsten. Vielleicht lag es daran, dass er die Tiere an seinem Steg liebte: Ständig wuselten auf seinem Steg fünf Katzen herum, ich lernte das griechische Wort für Katze, nämlich „Rata“, und als Kostas Brot brauchte, weil die 20 Gänse von Spetses mal wieder an seiner Mole haltmachten und herumschwammen wie auf einem Dorfteich, half ich ihm aus und gab ihm, was an Brot noch auf LEVJE war. Sonst nahm Kostas nichts an von niemand und von mir auch nicht, keine Melone, keine eiskalte Bierdose. Die ersten zwei Tage jedenfalls nicht. Am dritten aber nahm er abends meine Bierdose an. Da saßen wir dann, in der Abenddämmerung, auf seiner Parkbank auf der Pier. Wir redeten wenig, tranken unser Bier und schauten aufs Wasser und die Boote, die ihre Anker und Ketten kunterbunt übereinander warfen, und die Welt drehte sich in diesem Moment in der richtigen Richtung.

Vom nächsten Tag an besuchte ich Kostas öfter auf seinem Fischerboot unter dem blauen Sonnensegel. Da steckte er, wenn ihn etwas ärgerte und wenn ihm einfach zu heiß war. Hin und wieder saßen wir da, „Jermanoooz“ und „Elljinaaaaaz“, schauten aufs Wasser und redeten wenig. Als ich ihn fragte, warum er denn das mache, mit der Pier, den Job als Hafenmeister, sagte er: „I want to help people.“ Fuhr ein Fischer vorbei, brüllte er ihm etwas Unverständliches zu, ein lautes „Kaptanjeeeeee“ oder irgendetwas, das ich nicht verstand.

Am Montag war das Ersatzteil für meine Winsch aus Athen da, das ich Samstag Mittag um halb eins – so geht Griechenland! – telefonisch in Athen bei NAVTILUS bestellt hatte. Kostas organisierte mir binnen drei Minuten einen Motorroller, damit ich das Teil vom Kurierdienst holen konnte. Nach einem halben Tag tat die Ankerwinsch wieder, und zwei Tage später habe ich Spetses verlassen. Kostas stand auf der Pier und rief sein „Jermaneeeeeeeee“ und ich mein „Elljinaaaaaaz“ – aber das dauerte nicht lang, denn ich hatte den Patzer meines Lebens gebracht: War langsam aus der Box getuckert – und hatte vorher – ich weiß nicht, was mich geritten hat – die Mooring nicht losgeworfen! Also endete das  „langsam aus der Box tuckern“ schon gleich nach der Box. LEVJE drehte einen Halbkreis, Kostas begann auf der Pier zu schimpfen, ich schalt mich einen Idioten. 
Aber vielleicht: War das ja alles so richtig mit der Mooring, die mich festhalten wollte, auf Spetses, und bei Kostas, an seiner Pier. 

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Übrigens: Kostas ist seit 35 Jahren in Spetses. Bis Oktober steht er noch auf seiner Pier in Spetses. Über den Winter hilft er, Boote ausbessern, hier in Spetses, in Porto Cheli und Ermioni auf dem Festland – wenn es gerade nicht zuviel regnet. Auf meine Frage, wie lange er das denn noch machen wolle, meinte er: „Twentythree years.“ Dann wäre Kostas achzig…

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Fieser Nachttörn in den Heimathafen – Südseefinale


Hinaus in die Nacht. Weiter kann ich nicht sehen.

Eigentlich dachte ich mein Bericht über meinen einwöchigen Törn durch die dänische Südsee wäre beendet. Das letzte Stück von der Dyvig über Sönderborg bis in die Marina Minde würde sicher nichts besonderes hergeben. Doch es kam etwas anders. Bereits gegen Mittag lief ich in Sönderborg ein, nachdem ich mich mit einem netten Hamburg Motorbootpärchen verquatscht hatte. Ja, auch so etwas kann mir mal passieren. Der Törn war sehr böig, und so beschloss ich erst einmal im Stadthafen von Sönderborg zu bleiben. Es lief eine recht starke Welle hinein, die schon auf die Verhältnisse draussen auf der Förde hinwies. Gegen 2000h kamen immer mehr Boote in den Hafen und mir wurde gleichermaßen langweilig wie übermütig. Ich beschloss daher die noch 13 Meilen bis Minde zu segeln. Macht natürlich auch immer etwas her, wenn man Diesel und Bordbeleuchtung einschaltet und alleine in die Dämmerung an allen Booten vorbei entschwindet. Doch das Hochgefühl hielt genau bis zur roten Tonne in der Ausfahrt aus dem Hafen. Die Welle dort signalisierte schon was auf mich warten würde. Und kaum hatte ich dann alle Abdeckungen verlassen wurde es stockfinster, starkwindig und es ging eine extrem hohe, teils schon brechende Welle. Zweites Reff im Groß und nur noch etwas Fock reichen schon für 30° Krängung und fast 6 Knoten Speed. Für mein Boot schon viel. Mir wurde mulmig, denn ich sah in der Dunkelheit nicht was da draussen auf mich wartet. Andererseits war Zurückkehren jetzt auch keine Option mehr.

Die Wellen wurden immer höher und ich beschloss mich zunächst einmal von der Küste gut fernzuhalten. Ja, nun musste ich da durch und brachte alles ins magische Gleichgewicht des Segelns. Nur mir mir selbst wollte das nicht gelingen. Ein Schreckensszenario nach dem anderen ging mir durch den Kopf. Legerwall, Mastbruch usw. Was war denn bloß los? Was aber eigentlich immer hilft ist Singen, und so legte ich einfach los. Sofort frischte der Wind noch weiter auf, es klang wohl nicht so toll, aber nun war es mir auch irgendwie egal. Interessant wie einfach man mit Singen die Angst besiegen kann. Das ist mir schon einmal irgendwo aufgefallen….Jetzt war ich in so einer „Egal, wird schon werden Haltung“. Zumindestens solange bis mich ein gewaltiger Brecher auf die Seite warf. Gewaltig ist natürlich relativ, wenn man sich manche Videos über den Atlantik ansieht, aber mir kam es alleine im Dunkeln gewaltig vor. Kaum kam das Boot wieder hoch, rauschte auch schon der nächste Brecher herein. Was war denn hier los…war das schon Brandung? Und da ging mir auf, das ich ja Kurs über ein Flach nehme. Die sogenannte „Helts Banke“. Scheinbar fühlen die vom Wind der letzten Tage gewachsenen Wellen hier schon den 5 bis 6 Meter tiefen Grund und beginnen sich zu brechen. Also ging ich erst einmal so hoch am Wind und spitz zu den Wellen wie möglich. Bloß runter vom Flach.  Nach ein paar Minuten war der Schreck dann auch überstanden. Aber mir ist dabei auch das Singen wieder vergangen. Ich denke mit großem Respekt an die Einhandsegler die sich wochenlang mit dem Wind des Südatlantiks anlegen. Und dabei an Bord übernachten, wissend das es keinen Hafen in der Nähe gibt. Und das tage- und wochenlang. Hut ab. Ich jedenfalls kann nach 30 Minuten dann endlich immer mehr vor den Wind gehen und in die Förde hineinfahren. Das Groß zerre ich noch hinunter und habe dann nur unter Mini Fock und immer noch 6 Knoten Fahrt endlich Ruhe das Adrenalin loszuwerden. 


 Nur unter diesem Handtuch geht es mit 6 Knoten vor dem Wind

In Minde ist ein Hafenfest in Gange und keiner registriert den einsamen Segler der sich mühsam mit einem Handscheinwerfer seinen Weg in den Hafen sucht. Fest! Jetzt nur noch unter die Dusche und ins Bett. Was war das für ein Abschlussritt einer wunderbaren Woche in Dänemark. Und wieder fühlen sich die paar Tage an wie 2 Wochen. Es ist schon fast Magie was das Segeln mit der Zeitwahrnehmung machen kann.

Fieser Nachttörn in den Heimathafen – Südseefinale


Hinaus in die Nacht. Weiter kann ich nicht sehen.

Eigentlich dachte ich mein Bericht über meinen einwöchigen Törn durch die dänische Südsee wäre beendet. Das letzte Stück von der Dyvig über Sönderborg bis in die Marina Minde würde sicher nichts besonderes hergeben. Doch es kam etwas anders. Bereits gegen Mittag lief ich in Sönderborg ein, nachdem ich mich mit einem netten Hamburg Motorbootpärchen verquatscht hatte. Ja, auch so etwas kann mir mal passieren. Der Törn war sehr böig, und so beschloss ich erst einmal im Stadthafen von Sönderborg zu bleiben. Es lief eine recht starke Welle hinein, die schon auf die Verhältnisse draussen auf der Förde hinwies. Gegen 2000h kamen immer mehr Boote in den Hafen und mir wurde gleichermaßen langweilig wie übermütig. Ich beschloss daher die noch 13 Meilen bis Minde zu segeln. Macht natürlich auch immer etwas her, wenn man Diesel und Bordbeleuchtung einschaltet und alleine in die Dämmerung an allen Booten vorbei entschwindet. Doch das Hochgefühl hielt genau bis zur roten Tonne in der Ausfahrt aus dem Hafen. Die Welle dort signalisierte schon was auf mich warten würde. Und kaum hatte ich dann alle Abdeckungen verlassen wurde es stockfinster, starkwindig und es ging eine extrem hohe, teils schon brechende Welle. Zweites Reff im Groß und nur noch etwas Fock reichen schon für 30° Krängung und fast 6 Knoten Speed. Für mein Boot schon viel. Mir wurde mulmig, denn ich sah in der Dunkelheit nicht was da draussen auf mich wartet. Andererseits war Zurückkehren jetzt auch keine Option mehr.

Die Wellen wurden immer höher und ich beschloss mich zunächst einmal von der Küste gut fernzuhalten. Ja, nun musste ich da durch und brachte alles ins magische Gleichgewicht des Segelns. Nur mir mir selbst wollte das nicht gelingen. Ein Schreckensszenario nach dem anderen ging mir durch den Kopf. Legerwall, Mastbruch usw. Was war denn bloß los? Was aber eigentlich immer hilft ist Singen, und so legte ich einfach los. Sofort frischte der Wind noch weiter auf, es klang wohl nicht so toll, aber nun war es mir auch irgendwie egal. Interessant wie einfach man mit Singen die Angst besiegen kann. Das ist mir schon einmal irgendwo aufgefallen….Jetzt war ich in so einer „Egal, wird schon werden Haltung“. Zumindestens solange bis mich ein gewaltiger Brecher auf die Seite warf. Gewaltig ist natürlich relativ, wenn man sich manche Videos über den Atlantik ansieht, aber mir kam es alleine im Dunkeln gewaltig vor. Kaum kam das Boot wieder hoch, rauschte auch schon der nächste Brecher herein. Was war denn hier los…war das schon Brandung? Und da ging mir auf, das ich ja Kurs über ein Flach nehme. Die sogenannte „Helts Banke“. Scheinbar fühlen die vom Wind der letzten Tage gewachsenen Wellen hier schon den 5 bis 6 Meter tiefen Grund und beginnen sich zu brechen. Also ging ich erst einmal so hoch am Wind und spitz zu den Wellen wie möglich. Bloß runter vom Flach.  Nach ein paar Minuten war der Schreck dann auch überstanden. Aber mir ist dabei auch das Singen wieder vergangen. Ich denke mit großem Respekt an die Einhandsegler die sich wochenlang mit dem Wind des Südatlantiks anlegen. Und dabei an Bord übernachten, wissend das es keinen Hafen in der Nähe gibt. Und das tage- und wochenlang. Hut ab. Ich jedenfalls kann nach 30 Minuten dann endlich immer mehr vor den Wind gehen und in die Förde hineinfahren. Das Groß zerre ich noch hinunter und habe dann nur unter Mini Fock und immer noch 6 Knoten Fahrt endlich Ruhe das Adrenalin loszuwerden. 


 Nur unter diesem Handtuch geht es mit 6 Knoten vor dem Wind

In Minde ist ein Hafenfest in Gange und keiner registriert den einsamen Segler der sich mühsam mit einem Handscheinwerfer seinen Weg in den Hafen sucht. Fest! Jetzt nur noch unter die Dusche und ins Bett. Was war das für ein Abschlussritt einer wunderbaren Woche in Dänemark. Und wieder fühlen sich die paar Tage an wie 2 Wochen. Es ist schon fast Magie was das Segeln mit der Zeitwahrnehmung machen kann.

Die vergessenen Schiffe: Unterwegs mit dem FLYING DOLPHIN zwischen den vergessenen Inseln.

Ist man in Griechenland unterwegs von einer vergessenen Insel zur anderen, dann ist für den Inselhopper der  FLYING DOLPHIN, das Tragflügelboot, das schnellste Reisemittel. Von Spetses nach Athen sind es mit dem Auto vier Stunden, per Katamaran-Fähre zweieinhalb Stunden – und mit dem FLYING DOLPHIN etwas über zwei. Und dabei genießt man das einzigartige Erlebnis, in eine Technik einzusteigen, die es heute so gar nicht mehr gibt. Ein bisschen ist es, als wäre man mit der CONCORDE unterwegs, dem Technik-Denkmal der Sechziger und Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, einer Technik-Ikone, die nur von einem kündet: dem Glauben daran, dass technisch alles, wirklich alles hinzukriegen ist.

Betritt man den engen Bootskörper des FLYING DOLPHIN, der an der Kaimauer schaukelt und schwankt, dann empfängt den Reisenden zweierlei: Die Enge der geschlossenen Röhre, angefüllt mit dem wohligen Geruch nach Diesel und Schmiermittel. Ein Geruch, den Teppiche, Sitze, Sessel in einem FLYING DOLPHIN in den 30, 40 Jahren seiner Nutzung so ausgesetzt waren, dass er diesen vollkommen Unbeteiligten nun auch schon zu eigen wurde. Das Verstauen des Gepäcks in der kleinen Kammer am Einstieg durch ein Besatzungsmitglied ist jedes Mal ein Abenteuer: Der Reisende wird nicht nach der Größe seines Gepäckstücks befragt; sondern danach, wo er hin will. Ist das der letzte Ort auf der Fahrt, kommt das Gepäckstück ganz zuunterst. Alles andere kommt obendrüber, und man darf nicht zu mitfühlend mit der eigenen Bagage sein: Wer zuletzt aussteigt, liegt zuunterst, basta. 

Noch an der Pier wird der FLYING DOLPHIN bei laufendem Motor betankt. Ein Wummern in der engen Röhre von vielen PS, die in den beiden betagten Motoren herumtoben und herumtollen. Tragflächenboote sind eine relativ alte Erfindung, sie kamen, als die ersten Autos über die Straßen rumpelten, Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Es ist kein Zufall, dass ein Italiener sie erfand. Kein Zufall deshalb, weil das Italien jener Jahre am ungebremstesten dem Futurismus fröhnte, dem Glaubend daran, dass die Zukunft ja nur eines bringen könne: Das Paradies, erwachsen aus Fortschritt. Aber schon bald beschäftigten sich nur noch Militärs mit der Idee, dass man mit etwas Geschwindigkeit auf zwei kleinen Flügeln fast ohne Widerstand übers Wasser fliegen könne. Deutsche, Engländer, Russen, Amerikaner, selbst der legendäre Felix Wankel war so hingerissen, dass er seinen sagenhaften WANKEL-Motor in ein übers Wasser auf Gleitkufen dahinschießendes Etwas namens ZISCH-2 verbaute. Die Tragflügelboote hatten den Weg in die zivile Nutzung gefunden.

Und unser FLYING DOLPHIN? Mittlerweile nebelt der Ausstoß seiner riesigen schwarzen Qualmwolken die kleinen Verkaufsbuden auf der Pier ein, als wir im Hafenbecken drehen. Kaum legt einer der beiden Piloten oben in der engen Steuerkanzel den Gang ein, macht der FLYING DOLPHIN einen Satz nach vorne. Schiere Kraft, schiere PS schon im Leerlauf, noch ohne dass jemand überhaupt am Gashebel gezupft hätte. Der FLYING DOLPHIN ist ein Kind einer Zeit, in der die Frage nach Spritverbrauch oder Umweltverträglichkeit überhaupt noch nicht erfunden war. „Wir wollen ein möglichst schnelles Transportmittel bauen, das von A nach B übers Wasser fliegt“ lautete die Aufgabe. Und los gings.

Die schwarzen Qualmwolken werden nun wirklich beängstigend, als der Pilot an den Gashebeln spielt und den FLYING DOLPHIN mit der römischen Nummer XVIII aus der Drehung in Fahrt bringt.. Ein Donnern, ein Heulen, ein Pfeiffen aus dem hinteren Viertel des FLYING DOLPHIN, das allein die Motoren bewohnen in einem Reich, das kein Reisender stört. Die Röhre vibriert, der kleine Fernseher, der vorne auf einer Konsole steht, ist mit zwei roten Gurtbändern, wie sie muskulöse Klavier-Transporteuren nutzen, gesichert. Noch mehr Gas, noch mehr Dieselgeruch im Inneren, der Lärm der Vibrationen von allem, was beschlossen hat, im Takt der Kolben nun auch mitzuschwingen: Fensterscheiben, Türen, Innenverkleidungen, Sitze: ein einziges Schwingen, ein einziger Freischwinger, als der Pilot an der Hafenausfahrt erst richtig Gas gibt.

Und dann passiert auch das Wunderbare: Der Rumpf des Tragflügelbootes hebt sich langsam, langsam aus dem Wasser, solange, bis die halbe Fußballfeld große Blechzigarre über dem Wasser schwebt und nur noch auf den metergroßen Flügeln durchs Wasser gleitet, eine feine Schaumspur hinter sich herziehend: Mit sagenhaften 35 Knoten, also über sechzig Stundenkilometer. Ein Brüllen, während der FLYING DOLPHIN roh wie ein ungefederter Güterwaggon über die spiegelglatte See rumpelt und sich leise wiegend elegant wie ein Wasserskifahrer in die Kurven legt.

Aber plötzlich nimmt das Vibrieren ins ungeahnte zu, der Lärm wird infernalisch, die Passagiere halten sich die Ohren zu vor Lärm, fast, dass sie um Gnade betteln, die dann auch der Pilot keine fünf Minuten später erlösend gewährt, indem er mitten auf dem offenen Meer den Motor drosselt, Fahrt herausnimmt. Und dann liegen wir auf dem offenen Meer. Der Motor wummert, der FLYING DOLPHIN schaukelt reglos auf dem Meer, während ein Schiffsmechaniker im ölig-grauen Werkstatt-Overall – jawoll, auch der gehört fest zur Besatzung des kleinen Gefährts – mit einem riesigen Schraubenschlüssel nach hinten in den Motorraum eilt. Die griechischen Passagiere des FLYING DOLPHIN scheinen derlei gewohnt, kaum einer, der von seiner Zeitung aufschaut, als abgehackt eine Entschuldigung der Stewardess über die Bordlautsprecher knackt. Dann gibt der Pilot etwas Gas. Aber das Vibrieren ist immer noch infernalisch, ich rechne fest damit, dass gleich in der Decke der Aluminiumhaut des FLYING DOLPHIN ein Riß klaffen und der FLYING DOLPHIN auseinanderbrechen wird wie die TITANIC. Wieder nimmt der Pilot die Fahrt aus dem Gefährt, die Passagiere bangen nun mit dem Mechaniker im verschmierten Overall, ein Bulle von Mann, er wirds schon richten. Nach fünf Minuten nimmt der FLYING DOLPHIN wieder zaghaft Fahrt auf, mehr, dann noch mehr. Vibrieren weg. Jetzt schießt die Blechzigarre wieder mit Vollgas über die Wellen, die sich jetzt aufbauen, das Vibrieren ist wieder auf Normalmaß reduziert. Bugs, die man noch mit großem Schraubenschlüssel in der Hand eines Bullen reparieren kann: Wo gibts denn das heute noch?

Und so schießt der FLYING DOLPHIN jetzt wieder dahin. Seegang hat sich aufgebaut. Es ist, als wäre man auf einen Preßlufthammer geschnallt, der sich sanft von links nach rechts und rechts nach links wiegt, während er in seiner engen Röhre auf und ab hämmert. An Schlaf ist nicht zu denken. An schreiben dreimal nicht, die Tastatur vor mir würde hüpfen. Es macht aber alles nichts, denn zu schön, zu urtümlich ist die Reise in der engen Blechröhre. Und ich bedauere nur eins: Dass es mir nie möglich war, einmal an Bord einer CONCORDE mitzufliegen. Aber für alle, denen es ja so geht wie mir: gibt es zwischen den vergessenen Inseln ja den FLYING DOLPHIN, den kleinen Bruder der wunderschönen großen Hübschen. Um mal zu sehen, wie das war, damals in den Sechzigern, mit moderner Technik.

Die vergessenen Schiffe: Unterwegs mit dem FLYING DOLPHIN zwischen den vergessenen Inseln.

Ist man in Griechenland unterwegs von einer vergessenen Insel zur anderen, dann ist für den Inselhopper der  FLYING DOLPHIN, das Tragflügelboot, das schnellste Reisemittel. Von Spetses nach Athen sind es mit dem Auto vier Stunden, per Katamaran-Fähre zweieinhalb Stunden – und mit dem FLYING DOLPHIN etwas über zwei. Und dabei genießt man das einzigartige Erlebnis, in eine Technik einzusteigen, die es heute so gar nicht mehr gibt. Ein bisschen ist es, als wäre man mit der CONCORDE unterwegs, dem Technik-Denkmal der Sechziger und Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, einer Technik-Ikone, die nur von einem kündet: dem Glauben daran, dass technisch alles, wirklich alles hinzukriegen ist.

Betritt man den engen Bootskörper des FLYING DOLPHIN, der an der Kaimauer schaukelt und schwankt, dann empfängt den Reisenden zweierlei: Die Enge der geschlossenen Röhre, angefüllt mit dem wohligen Geruch nach Diesel und Schmiermittel. Ein Geruch, den Teppiche, Sitze, Sessel in einem FLYING DOLPHIN in den 30, 40 Jahren seiner Nutzung so ausgesetzt waren, dass er diesen vollkommen Unbeteiligten nun auch schon zu eigen wurde. Das Verstauen des Gepäcks in der kleinen Kammer am Einstieg durch ein Besatzungsmitglied ist jedes Mal ein Abenteuer: Der Reisende wird nicht nach der Größe seines Gepäckstücks befragt; sondern danach, wo er hin will. Ist das der letzte Ort auf der Fahrt, kommt das Gepäckstück ganz zuunterst. Alles andere kommt obendrüber, und man darf nicht zu mitfühlend mit der eigenen Bagage sein: Wer zuletzt aussteigt, liegt zuunterst, basta. 

Noch an der Pier wird der FLYING DOLPHIN bei laufendem Motor betankt. Ein Wummern in der engen Röhre von vielen PS, die in den beiden betagten Motoren herumtoben und herumtollen. Tragflächenboote sind eine relativ alte Erfindung, sie kamen, als die ersten Autos über die Straßen rumpelten, Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Es ist kein Zufall, dass ein Italiener sie erfand. Kein Zufall deshalb, weil das Italien jener Jahre am ungebremstesten dem Futurismus fröhnte, dem Glaubend daran, dass die Zukunft ja nur eines bringen könne: Das Paradies, erwachsen aus Fortschritt. Aber schon bald beschäftigten sich nur noch Militärs mit der Idee, dass man mit etwas Geschwindigkeit auf zwei kleinen Flügeln fast ohne Widerstand übers Wasser fliegen könne. Deutsche, Engländer, Russen, Amerikaner, selbst der legendäre Felix Wankel war so hingerissen, dass er seinen sagenhaften WANKEL-Motor in ein übers Wasser auf Gleitkufen dahinschießendes Etwas namens ZISCH-2 verbaute. Die Tragflügelboote hatten den Weg in die zivile Nutzung gefunden.

Und unser FLYING DOLPHIN? Mittlerweile nebelt der Ausstoß seiner riesigen schwarzen Qualmwolken die kleinen Verkaufsbuden auf der Pier ein, als wir im Hafenbecken drehen. Kaum legt einer der beiden Piloten oben in der engen Steuerkanzel den Gang ein, macht der FLYING DOLPHIN einen Satz nach vorne. Schiere Kraft, schiere PS schon im Leerlauf, noch ohne dass jemand überhaupt am Gashebel gezupft hätte. Der FLYING DOLPHIN ist ein Kind einer Zeit, in der die Frage nach Spritverbrauch oder Umweltverträglichkeit überhaupt noch nicht erfunden war. „Wir wollen ein möglichst schnelles Transportmittel bauen, das von A nach B übers Wasser fliegt“ lautete die Aufgabe. Und los gings.

Die schwarzen Qualmwolken werden nun wirklich beängstigend, als der Pilot an den Gashebeln spielt und den FLYING DOLPHIN mit der römischen Nummer XVIII aus der Drehung in Fahrt bringt.. Ein Donnern, ein Heulen, ein Pfeiffen aus dem hinteren Viertel des FLYING DOLPHIN, das allein die Motoren bewohnen in einem Reich, das kein Reisender stört. Die Röhre vibriert, der kleine Fernseher, der vorne auf einer Konsole steht, ist mit zwei roten Gurtbändern, wie sie muskulöse Klavier-Transporteuren nutzen, gesichert. Noch mehr Gas, noch mehr Dieselgeruch im Inneren, der Lärm der Vibrationen von allem, was beschlossen hat, im Takt der Kolben nun auch mitzuschwingen: Fensterscheiben, Türen, Innenverkleidungen, Sitze: ein einziges Schwingen, ein einziger Freischwinger, als der Pilot an der Hafenausfahrt erst richtig Gas gibt.

Und dann passiert auch das Wunderbare: Der Rumpf des Tragflügelbootes hebt sich langsam, langsam aus dem Wasser, solange, bis die halbe Fußballfeld große Blechzigarre über dem Wasser schwebt und nur noch auf den metergroßen Flügeln durchs Wasser gleitet, eine feine Schaumspur hinter sich herziehend: Mit sagenhaften 35 Knoten, also über sechzig Stundenkilometer. Ein Brüllen, während der FLYING DOLPHIN roh wie ein ungefederter Güterwaggon über die spiegelglatte See rumpelt und sich leise wiegend elegant wie ein Wasserskifahrer in die Kurven legt.

Aber plötzlich nimmt das Vibrieren ins ungeahnte zu, der Lärm wird infernalisch, die Passagiere halten sich die Ohren zu vor Lärm, fast, dass sie um Gnade betteln, die dann auch der Pilot keine fünf Minuten später erlösend gewährt, indem er mitten auf dem offenen Meer den Motor drosselt, Fahrt herausnimmt. Und dann liegen wir auf dem offenen Meer. Der Motor wummert, der FLYING DOLPHIN schaukelt reglos auf dem Meer, während ein Schiffsmechaniker im ölig-grauen Werkstatt-Overall – jawoll, auch der gehört fest zur Besatzung des kleinen Gefährts – mit einem riesigen Schraubenschlüssel nach hinten in den Motorraum eilt. Die griechischen Passagiere des FLYING DOLPHIN scheinen derlei gewohnt, kaum einer, der von seiner Zeitung aufschaut, als abgehackt eine Entschuldigung der Stewardess über die Bordlautsprecher knackt. Dann gibt der Pilot etwas Gas. Aber das Vibrieren ist immer noch infernalisch, ich rechne fest damit, dass gleich in der Decke der Aluminiumhaut des FLYING DOLPHIN ein Riß klaffen und der FLYING DOLPHIN auseinanderbrechen wird wie die TITANIC. Wieder nimmt der Pilot die Fahrt aus dem Gefährt, die Passagiere bangen nun mit dem Mechaniker im verschmierten Overall, ein Bulle von Mann, er wirds schon richten. Nach fünf Minuten nimmt der FLYING DOLPHIN wieder zaghaft Fahrt auf, mehr, dann noch mehr. Vibrieren weg. Jetzt schießt die Blechzigarre wieder mit Vollgas über die Wellen, die sich jetzt aufbauen, das Vibrieren ist wieder auf Normalmaß reduziert. Bugs, die man noch mit großem Schraubenschlüssel in der Hand eines Bullen reparieren kann: Wo gibts denn das heute noch?

Und so schießt der FLYING DOLPHIN jetzt wieder dahin. Seegang hat sich aufgebaut. Es ist, als wäre man auf einen Preßlufthammer geschnallt, der sich sanft von links nach rechts und rechts nach links wiegt, während er in seiner engen Röhre auf und ab hämmert. An Schlaf ist nicht zu denken. An schreiben dreimal nicht, die Tastatur vor mir würde hüpfen. Es macht aber alles nichts, denn zu schön, zu urtümlich ist die Reise in der engen Blechröhre. Und ich bedauere nur eins: Dass es mir nie möglich war, einmal an Bord einer CONCORDE mitzufliegen. Aber für alle, denen es ja so geht wie mir: gibt es zwischen den vergessenen Inseln ja den FLYING DOLPHIN, den kleinen Bruder der wunderschönen großen Hübschen. Um mal zu sehen, wie das war, damals in den Sechzigern, mit moderner Technik.

Warum ich so gerne einhand segle – Südseetage 4&5

Gestern abend stolperte ich in Faaborg auf meinem Laptop über die „Einhandbibel“ von Andrew Evans. Neben unzähligen Tipps (unter anderem zur Wahl des richtigen Einhandbootes; ich habe da alles instinktiv richtig gemacht) sinniert er aber auch seitenlang über das Einhandsegeln. Und schreibt sinngemäß: „Wenn man ein Segelboot nicht alleine fortbewegen könnte, würde ich mir wohl ein anderes Hobby suchen“. Das trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Klar macht es Spaß mit anderen unterwegs zu sein, aber das Gefühl geht nie so tief und intensiv wie beim Alleinesegeln. Andrew hat dafür viele Erklärungen, aber am Ende stehen zwei Gründe über allen anderen. Zum einen ist man ist niemals emotional so offen, wenn jemand dabei ist. Zum anderen geht es um das Gefühl die Verantwortung für alle Entscheidungen vollkommen alleine zu tragen. Mit allen Konsequenzen und Folgen, die diese dann nach sich ziehen. Man kann sich nicht abstimmen, oder jemand um Rat oder Hilfe bitten. Draußen auf See muss man da alleine durch. 

Wenn alles glatt läuft, ist das natürlich unspektakulär, wenn es aber stürmt und Welle läuft, geht es ins Eingemachte. Dann muss man sich zur Ruhe zwingen und auf seine Fähigkeiten vertrauen. Da nützt kein Jammern und Wegducken. Und man findet dabei heraus, ob man der Typ Mensch ist, der man gerne sein möchte. Und nimmt sehr viel von diesem Selbstvertrauen mit ins „reale“ Leben. Und wenn man dann nach so einem Tag die Leinen festmacht, fühlt man sich 4 Köpfe größer und innerlich im Gleichgewicht. Ich liebe dieses Gefühl. Auch wenn einem bei der Ankunft niemand die überstandenen Strapazen ansieht, sie bleiben für immer im Herzen. Und gerade vorhin hatte ich wieder so ein Erlebnis. Doch der Reihe nach:

Nach einem Frühstück samt Meerblick im Handelshafen von Aerosköping machten wir unsere beiden Boote seeklar und liefen Kurs Faaborg. Vorher stimmten wir noch die Routen und die Wegpunkte ab, da es mehrere Möglichkeiten gibt dort in den Hafen zu gelangen. Umso mehr überraschte mich der Funkruf, das Alois auf einer Sandbank bei der Auffahrt sitzt. Sein Pinnenpilot hatte sich beim Setzen der Segel abgeschaltet und dann ging es sehr schnell. Nach einem 180° Grad Törn überlegte ich bereits, wie ich ihm helfen sollte, da sah ich aber schon den Tender einer Megayacht zur Hilfe kommen. Als ich dann bei ihm war war er bereits freigeschleppt und wieder in tiefem Wasser. Es ging an Avernakös Ostküste vorbei und dem dort vorgelagerten Riff aus Steinen. Mein Blick zurück zeigt ihn wieder ausserhalb des Tonnenstriches mit direktem Kurs auf das Riff. Hier würde es bei dem Speed nicht beim Aufsetzen bleiben. Mein Warnruf über Funk wird erhört und er korrigiert den Kurs um dann hoch am Wind zu verhungern und weiter auf das Riff zu treiben. „Fahr eine Wende….jetzt sofort!!!!!!!“. Rufe ich ins Mikrofon. Er hört mich und kommt endlich auf Abstand zu den Steinen. Mann, Mann, Mann. Keine Wunder das ich gerne alleine segel. Faaborg ist mit achterlichen Winden schnell erreicht und wir gehen auch hier in den Handelshafen. Diese ziehe ich JEDER Marina vor. Alles etwas gammelig und fischig, da fühle ich mich gleich zuhause nach 4 Tagen auf See :-) 


 Faaborg kommt näher

Ich kann nicht an mich halten und halte Alois eine Standpauke über Seemannschaft, Theorie und Sorgfalt. Er reagiert überrascht. Aber ich will ja nicht besserwisserisch sein, mache mir nur so meine Sorgen um ihn und sein Boot. Scheuerleiste kaputt, Ruderwelle krumm…wenn das so weitergeht wir das Winterlager teurer als das Boot. Die Stimmung ist danach etwas getrübt und auf dem Weg zum Hafenautomaten denke ich über meine Anfänge nach. Aufgelaufen in Holland und in der Schlei, Fastkollision mit einer Hafenfähre auf der Elbe, sich öfnennde Wantenspanner, ungereffte Starkwindfahrten und noch vieles mehr kommt mir in den Sinn. Aber das ist wohl auch ein Teil des Einhandsegelns. Es schaut einem keiner über die Schulter und gibt Ratschläge. Man muss alle Fehler selber machen und Erfahrungen auch aus Fehlschlägen sammeln. Und am Ende: Wird man so ein besserer Segler, als durch viele Ausbildungstörns in einer Gruppe? Keine Ahnung, auf jeden Fall ein selbstständigerer Segler. Der sich mit allen Aspekten des Fahrtensegelns auskennen muss, da er sich eben nicht auf Experten verlassen kann. Oder sich nur an seinen Stärken orientiert und dann immer dabei bleibt. Faaborg ist eine tolle Stadt, wir laufen kreuz und quer, aber der Sinn einer Segelreise liegt irgendwie auf dem Wasser und nicht an Land.  


 „Wahrzeichen Faaborgs“


 Mann mit Kuh….häh?


 Rauchringe aus Diesel


Handelshafenatmo

Und damit geht es von Faaborg über den Kleinen Belt zurück auf das Festland. Und schon wieder heisst es Entscheidungen zu treffen, denn es gibt eine Sturmwarnung. Wann fahre ich los, wohin, welche Route welche Besegelung. All das wird mich unterwegs einholen. Gegen Mittag soll es erst richtig auffrischen, also heißt es sehr früh loszufahren. Um 0600h treffe ich Alois im Sanitärgebäude, der eigentlich ausschlafen wollte. Heute trennen sich unsere Wege. Er will nach Schleimünde, ich in die Dyvik.Aber er empfängt mich so früh mit Fragen nach der besten Route und den Tonnen und so weiter. Scheint ja doch geholfen zu haben :-) Ich binde das zweite Reff ins Groß. Vor dem Wind laufe ich mit meiner großen Rollgenua sowieso Rumpfgeschwindigkeit, und falls es sehr windig wird oder ich einen anderen Kurs fahren muss, kann ich mir das Reffen auf See sparen.


 Abendrot trotz Schlechtwettervorhersage


 Faaborg bleibt zurück und es geht durch die Ausläufer der dänischen Südsee

Mit viel Rückenwind rausche ich über den Belt, dann entwickelt sich aber eine miese, steile Kreuzsee. Ich muss vor dem Wind kreuzen, um nicht versehentlich durchzuhalsen und freue mich nun über mein Reff. Und dann kommt so ein Moment der das Einhandsegeln so schön macht. Kommt der Regen vor dem Wind….naja, Wind ist relativ. Es bläst ja eh schon die ganze Zeit stark. Eine Hammerböe folgt ca. 5 Minuten nach einem heftigen Regenschauer und drückt mich brutal auf das Wasser. Was mich früher vor Schreck gelähmt hätte, wird nun kurz analysiert. Groß auf, und zuviel Fock. Ich habe mir angewöhnt in diesen Situationen alles ganz bewusst sehr langsam und bedächtig zu machen. Hektik führt nämlich nur dazu Leinen aus der Hand gleiten zu lassen, sich zu verheddern oder zu anderen Pannen. Und das was man eigentlich schnell machen wollte, wird doppelt gemacht und dauert so viel länger. Inzwischen schaffe ich es die Krängung, das Knattern der Segel und das Getöse des Windes komplett auszublenden und meine Prioritätenliste im Kopf ruhig Schritt um Schritt abzuarbeiten. Es sieht bestimmt von außen immer noch eilig aus, aber ich mache jede Bewegung bewusst so langsam, das ich sie nur einmal machen muss. Großschot los. Boot etwas weiter vor den Wind um den Druck aus der Fock zu bekommen. Rollreffleine los und in die rechte Hand. Fockschot los und in die linke Hand. Die Krängung geht aus dem Boot, aber die Fock knattert und knallt. Lose in die Schot und einrollen. Fockschot wieder belegen und holen. Das Segel beruhigt sich. Die Böe verliert an Kraft. Man kann kaum ein paar Meter weit sehen im Regen, der eimerweise angeweht kommt. Ich war darauf vorbereitet und habe Steckschotten bereit und bringe das Tablet in Sicherheit. Schon fühlt sich das Boot wieder stabil an. Autopilot an und auf dem Vordeck die Fockschoten entwirren, die sich wild vertüdelt haben. Alles im Griff und ohne Panik und Angst. Yessss…


 Es wird langsam ungemütlich


Opfer des Windes – mein Hamburgwimpel

Auf den Booten in Sichtweite gehen überall die Segel runter und der Diesel an. Nichts da, ich ziehe das jetzt durch und nach einer langen Kreuz in die Dyvik sitze ich nun voller Stolz hier und schreibe diese Zeilen. Schon mit einer Person an Bord wäre das ganz anders gelaufen. Ich fühle mich dann verantwortlich und muss Kommandos geben, was mich am klaren Denken hindert. Und so fühle ich mich wieder ein Stück gewachsen als Seemann. Auch wenn ich mir sicher bin, das da draussen schon die Gefahr lauert, der ich nicht gewachsen bin. Die mich kleinkriegen wird. Aber das wird mich nicht daran hindern, doch immer wieder aufs Neue ganz alleine auszulaufen. Und hoffentlich stolz zurückzukehren.  


 Die immer ruhige Dyvig

Warum ich so gerne einhand segle – Südseetage 4&5

Gestern abend stolperte ich in Faaborg auf meinem Laptop über die „Einhandbibel“ von Andrew Evans. Neben unzähligen Tipps (unter anderem zur Wahl des richtigen Einhandbootes; ich habe da alles instinktiv richtig gemacht) sinniert er aber auch seitenlang über das Einhandsegeln. Und schreibt sinngemäß: „Wenn man ein Segelboot nicht alleine fortbewegen könnte, würde ich mir wohl ein anderes Hobby suchen“. Das trifft für mich den Nagel auf den Kopf. Klar macht es Spaß mit anderen unterwegs zu sein, aber das Gefühl geht nie so tief und intensiv wie beim Alleinesegeln. Andrew hat dafür viele Erklärungen, aber am Ende stehen zwei Gründe über allen anderen. Zum einen ist man ist niemals emotional so offen, wenn jemand dabei ist. Zum anderen geht es um das Gefühl die Verantwortung für alle Entscheidungen vollkommen alleine zu tragen. Mit allen Konsequenzen und Folgen, die diese dann nach sich ziehen. Man kann sich nicht abstimmen, oder jemand um Rat oder Hilfe bitten. Draußen auf See muss man da alleine durch. 

Wenn alles glatt läuft, ist das natürlich unspektakulär, wenn es aber stürmt und Welle läuft, geht es ins Eingemachte. Dann muss man sich zur Ruhe zwingen und auf seine Fähigkeiten vertrauen. Da nützt kein Jammern und Wegducken. Und man findet dabei heraus, ob man der Typ Mensch ist, der man gerne sein möchte. Und nimmt sehr viel von diesem Selbstvertrauen mit ins „reale“ Leben. Und wenn man dann nach so einem Tag die Leinen festmacht, fühlt man sich 4 Köpfe größer und innerlich im Gleichgewicht. Ich liebe dieses Gefühl. Auch wenn einem bei der Ankunft niemand die überstandenen Strapazen ansieht, sie bleiben für immer im Herzen. Und gerade vorhin hatte ich wieder so ein Erlebnis. Doch der Reihe nach:

Nach einem Frühstück samt Meerblick im Handelshafen von Aerosköping machten wir unsere beiden Boote seeklar und liefen Kurs Faaborg. Vorher stimmten wir noch die Routen und die Wegpunkte ab, da es mehrere Möglichkeiten gibt dort in den Hafen zu gelangen. Umso mehr überraschte mich der Funkruf, das Alois auf einer Sandbank bei der Auffahrt sitzt. Sein Pinnenpilot hatte sich beim Setzen der Segel abgeschaltet und dann ging es sehr schnell. Nach einem 180° Grad Törn überlegte ich bereits, wie ich ihm helfen sollte, da sah ich aber schon den Tender einer Megayacht zur Hilfe kommen. Als ich dann bei ihm war war er bereits freigeschleppt und wieder in tiefem Wasser. Es ging an Avernakös Ostküste vorbei und dem dort vorgelagerten Riff aus Steinen. Mein Blick zurück zeigt ihn wieder ausserhalb des Tonnenstriches mit direktem Kurs auf das Riff. Hier würde es bei dem Speed nicht beim Aufsetzen bleiben. Mein Warnruf über Funk wird erhört und er korrigiert den Kurs um dann hoch am Wind zu verhungern und weiter auf das Riff zu treiben. „Fahr eine Wende….jetzt sofort!!!!!!!“. Rufe ich ins Mikrofon. Er hört mich und kommt endlich auf Abstand zu den Steinen. Mann, Mann, Mann. Keine Wunder das ich gerne alleine segel. Faaborg ist mit achterlichen Winden schnell erreicht und wir gehen auch hier in den Handelshafen. Diese ziehe ich JEDER Marina vor. Alles etwas gammelig und fischig, da fühle ich mich gleich zuhause nach 4 Tagen auf See :-) 


 Faaborg kommt näher

Ich kann nicht an mich halten und halte Alois eine Standpauke über Seemannschaft, Theorie und Sorgfalt. Er reagiert überrascht. Aber ich will ja nicht besserwisserisch sein, mache mir nur so meine Sorgen um ihn und sein Boot. Scheuerleiste kaputt, Ruderwelle krumm…wenn das so weitergeht wir das Winterlager teurer als das Boot. Die Stimmung ist danach etwas getrübt und auf dem Weg zum Hafenautomaten denke ich über meine Anfänge nach. Aufgelaufen in Holland und in der Schlei, Fastkollision mit einer Hafenfähre auf der Elbe, sich öfnennde Wantenspanner, ungereffte Starkwindfahrten und noch vieles mehr kommt mir in den Sinn. Aber das ist wohl auch ein Teil des Einhandsegelns. Es schaut einem keiner über die Schulter und gibt Ratschläge. Man muss alle Fehler selber machen und Erfahrungen auch aus Fehlschlägen sammeln. Und am Ende: Wird man so ein besserer Segler, als durch viele Ausbildungstörns in einer Gruppe? Keine Ahnung, auf jeden Fall ein selbstständigerer Segler. Der sich mit allen Aspekten des Fahrtensegelns auskennen muss, da er sich eben nicht auf Experten verlassen kann. Oder sich nur an seinen Stärken orientiert und dann immer dabei bleibt. Faaborg ist eine tolle Stadt, wir laufen kreuz und quer, aber der Sinn einer Segelreise liegt irgendwie auf dem Wasser und nicht an Land.  


 „Wahrzeichen Faaborgs“


 Mann mit Kuh….häh?


 Rauchringe aus Diesel


Handelshafenatmo

Und damit geht es von Faaborg über den Kleinen Belt zurück auf das Festland. Und schon wieder heisst es Entscheidungen zu treffen, denn es gibt eine Sturmwarnung. Wann fahre ich los, wohin, welche Route welche Besegelung. All das wird mich unterwegs einholen. Gegen Mittag soll es erst richtig auffrischen, also heißt es sehr früh loszufahren. Um 0600h treffe ich Alois im Sanitärgebäude, der eigentlich ausschlafen wollte. Heute trennen sich unsere Wege. Er will nach Schleimünde, ich in die Dyvik.Aber er empfängt mich so früh mit Fragen nach der besten Route und den Tonnen und so weiter. Scheint ja doch geholfen zu haben :-) Ich binde das zweite Reff ins Groß. Vor dem Wind laufe ich mit meiner großen Rollgenua sowieso Rumpfgeschwindigkeit, und falls es sehr windig wird oder ich einen anderen Kurs fahren muss, kann ich mir das Reffen auf See sparen.


 Abendrot trotz Schlechtwettervorhersage


 Faaborg bleibt zurück und es geht durch die Ausläufer der dänischen Südsee

Mit viel Rückenwind rausche ich über den Belt, dann entwickelt sich aber eine miese, steile Kreuzsee. Ich muss vor dem Wind kreuzen, um nicht versehentlich durchzuhalsen und freue mich nun über mein Reff. Und dann kommt so ein Moment der das Einhandsegeln so schön macht. Kommt der Regen vor dem Wind….naja, Wind ist relativ. Es bläst ja eh schon die ganze Zeit stark. Eine Hammerböe folgt ca. 5 Minuten nach einem heftigen Regenschauer und drückt mich brutal auf das Wasser. Was mich früher vor Schreck gelähmt hätte, wird nun kurz analysiert. Groß auf, und zuviel Fock. Ich habe mir angewöhnt in diesen Situationen alles ganz bewusst sehr langsam und bedächtig zu machen. Hektik führt nämlich nur dazu Leinen aus der Hand gleiten zu lassen, sich zu verheddern oder zu anderen Pannen. Und das was man eigentlich schnell machen wollte, wird doppelt gemacht und dauert so viel länger. Inzwischen schaffe ich es die Krängung, das Knattern der Segel und das Getöse des Windes komplett auszublenden und meine Prioritätenliste im Kopf ruhig Schritt um Schritt abzuarbeiten. Es sieht bestimmt von außen immer noch eilig aus, aber ich mache jede Bewegung bewusst so langsam, das ich sie nur einmal machen muss. Großschot los. Boot etwas weiter vor den Wind um den Druck aus der Fock zu bekommen. Rollreffleine los und in die rechte Hand. Fockschot los und in die linke Hand. Die Krängung geht aus dem Boot, aber die Fock knattert und knallt. Lose in die Schot und einrollen. Fockschot wieder belegen und holen. Das Segel beruhigt sich. Die Böe verliert an Kraft. Man kann kaum ein paar Meter weit sehen im Regen, der eimerweise angeweht kommt. Ich war darauf vorbereitet und habe Steckschotten bereit und bringe das Tablet in Sicherheit. Schon fühlt sich das Boot wieder stabil an. Autopilot an und auf dem Vordeck die Fockschoten entwirren, die sich wild vertüdelt haben. Alles im Griff und ohne Panik und Angst. Yessss…


 Es wird langsam ungemütlich


Opfer des Windes – mein Hamburgwimpel

Auf den Booten in Sichtweite gehen überall die Segel runter und der Diesel an. Nichts da, ich ziehe das jetzt durch und nach einer langen Kreuz in die Dyvik sitze ich nun voller Stolz hier und schreibe diese Zeilen. Schon mit einer Person an Bord wäre das ganz anders gelaufen. Ich fühle mich dann verantwortlich und muss Kommandos geben, was mich am klaren Denken hindert. Und so fühle ich mich wieder ein Stück gewachsen als Seemann. Auch wenn ich mir sicher bin, das da draussen schon die Gefahr lauert, der ich nicht gewachsen bin. Die mich kleinkriegen wird. Aber das wird mich nicht daran hindern, doch immer wieder aufs Neue ganz alleine auszulaufen. Und hoffentlich stolz zurückzukehren.  


 Die immer ruhige Dyvig