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Heute in Griechenland (7): Bürgermeister auf einer Insel.

Dies ist Antonis Zervos, und er ist seit 2014 Bürgermeister von Agios Nikolaos, einem 13.000 Einwohner zählenden Ort auf Kreta. Zervos ist nicht zum ersten Mal an der Spitze der Kommunalverwaltung, er war hier schon einmal Bürgermeister, früher, als er noch in der sozialistischen PASOK war, von 1999 bis 2002. 2014 ist Antonis Zervos wieder ins Amt gelangt, diesmal als Parteifreier. Der gelernte Ingenieur ist Vater einer Tochter, sie studiert in Athen und übersetzt unser Gespräch.

MARE PIU: Herr Zervos, irgendwie scheint Agios Nikolaos besser mit der Krise fertig zu werden als manch andere Insel oder Athen oder Thessaloniki. Ich habe kaum Schlangen vor Geldautomaten gesehen, die Versorgung klappt einwandfrei, die Stimmung ist gut. Macht es Agios Nikolaos einfach besser?

ANTONIS ZERVOS: Da muss ich korrigieren: Schlangen vor Geldautomaten, die hatten wir hier auch. Aber davon war der Tourismus nicht betroffen. Dass es hier anders läuft, liegt daran, dass Kreta in Griechenland Tourismus-Markführer ist. Wir haben hier sehr früh mit dem Tourismus begonnen. Der nur eine Autostunde Griechenlands entfernte Flughafen Heraklion ist – gemessen am Charter-Flugverkehr – der größte in Griechenland, weit vor allen anderen, selbst vor Athen oder Chania. Wir haben einen eigenen Hafen hier in Agios Nikolaos für Kreuzfahrtschiffe, eine Menge Schiffe kommen hierher. Das alles sorgt dafür, dass die Tourismus-Saison im Gesamtvergleich länger als anderswo dauert: Tourismus beginnt bei uns im April und er endet im Oktober. Das ist lang, auch im internationalen Vergleich.

MARE PIU: Aber nicht jeder Ort, der auf Tourismus setzte, ist damit auch glücklich. Von anderen Inseln hört man, dass aufgrund der Krise Besucher fernbleiben, Hotels klagen über Rückgänge.

ANTONIS ZERVOS: Wir haben derzeit keine Rückgänge bei den Besucherzahlen. Das liegt daran, dass Agios Nikolaos bereits in den 60ern begann, 5-Sterne-Hotellerie anzubieten. Vor allem in und um Elounda  konnten wir diesen anspruchsvollen Tourismus halten, wir haben noch heute dort eine ganze Menge 5-Sterne-Hotels. Daneben erweist sich der von den Reiseveranstaltern angebotene Tourismus jetzt in diesen schwierigen Wochen als stabiler als der Individualtourismus, auf den viele kleinere Inseln in den letzten Jahren setzten. Die Gäste, die individuell reisen, stornieren schneller und bleiben schneller weg.

MARE PIU: Wenn Sie ans Restjahr denken: womit rechnen Sie?

ANTONIS ZERVOS: Der August wird schwierig werden. Sehr schwierig. Ich fürchte, da werden auch wir die Folgen der internationalen Berichterstattung der letzten Woche zu spüren bekommen.

MARE PIU: Als Bürgermeister ist das ja im richtigen Leben wie in manchem Computergame: Sie haben die Aufgabe, mit möglichst wenig Mittel nicht nur das Vorhandene zu erhalten, sondern auch etwas Neues aufzubauen. Was macht Ihnen Sorgen?

ANTONIS ZERVOS: Sorgen macht mir vor allem unsere Infrastruktur. Zunächst mal unsere Straßen: Die sind in keinem guten Zustand, und wir schaffen es gerade so, das zu erhalten. Die Sauberkeit des Ortes – das geht gerade eben so. Ich habe hier in Kommune nur 200 Leute, das ist viel zu wenig.

MARE PIU: Moment mal: 200 Leute für 13.000 Einwohner: Ist das nicht viel zu viel?

ANTONIS ZERVOS: Der Ort Agios Nikolaos hat 13.000 Einwohner, das ist richtig. Die Großgemeinde umfasst mehr als das Doppelte, nämlich 28.000 Einwohner, die in einem Radius von 35 Kilometern rund um Agios Nikolaos in größeren Gemeinden wie Elounda und kleineren Weilern auf dem Land leben. Es ist ein riesiges Gebiet, das wir versorgen und instand halten müssen.

MARE PIU: Spielen wir weiter SIM CITY: Wenn Sie Geld hätten: wie würden Sie investieren?

ANTONIS ZERVOS: 10% unseres Tourismus kommt über die Kreuzfahrt nach Agios Nikolaos. Unser Hafen liegt mitten in der Stadt – das ist einmalig, einfach nicht auf einen Bus angewiesen zu sein. Die Leute kommen mitten in der Stadt an, gehen vom Schiff herunter und sind dann mitten im Ort. Viele der Gäste, die auf einem Kreuzfahrtschiff zum ersten Mal hier sind, sind begeistert und kommen beim nächsten Mal per Flugzeug wieder, als Gast eines kleinen oder großen Hotels. Wenn ich Geld hätte: dann würde ich den Hafen ausbauen, der ist im Moment sehr „basic“ ausgestattet. Ein zweites Problem unseres Hafens entsteht eben aus  dem einzigartigen Vorteil der Lage in der Stadtmitte: Um Besichtigungen in der Umgebung anbieten zu können, zum Beispiel Knossos, benötigt ein Kreuzfahrtschiff mindestens 10, besser 15, 20 Busse. Die sich dann mühevoll durch die Stadt nach draußen und wieder herein wälzen. Ich habe mir für kommenden Mittwoch Verkehrsexperten eingeladen, um dafür mal eine Lösung zu finden. Eine Stadt am Meer: das ist sehr schwierig, weil eben die Küsten-Seite der Stadt für jede Verkehrsplanung tabu ist. Ich würde zu gerne investieren – aber mit Investitionen haben wir es nicht leicht, hier in Griechenland. Wenn ich könnte: würde ich noch mehr in Hotels investieren. In kleinere, nicht in größere.

                                          Die Kreuzfahrt-Pier im Hafen von Agios Nikolaos.

MARE PIU: Was lässt Sie nicht ruhig schlafen derzeit?

ANTONIS ZERVOS: Was jeden Griechen schlecht schlafen läßt: das ist einerseits die Finanzkrise. Aber andererseits seit vielen Jahren das „Everyday Life“.

MARE PIU: Was meinen Se damit?

ANTONIS ZERVOS: Sie sind mit Ihrem Segelboot LEVJE hier in der Marina. Wenn Sie ihren Wassertank füllen wollen, füllen Sie ihn einfach, an der Pier sind überall Zapfsäulen. Wenn Sie Diesel tanken wollen, sagen Sie einfach an der Rezeption Bescheid. Die kümmern sich, und Diesel kommt.
Wenn ich hier für die Kommune Diesel brauche: Muss ich einen Antrag ausfüllen. Der geht dann eine höhere Stelle. Die bearbeitet ihn und leitet ihn an eine andere Behörde weiter. Die setzt den Stempel drunter, schickt ihn mir zurück. Und ich leite ihn an eine dritte Stelle zur Genehmigung weiter. Irgendwann bekomme ich ihn wieder. So geht das mit vielen Dingen, und nicht nur hier in der Kommune, sondern auch für Unternehmer und Privatleute.

MARE PIU: Woran liegt das?

ANTONIS ZERVOS: Unsere Bürokratie ist in weiten Teilen nicht aufgebaut nach Effizienz oder Leistungsfähigkeit, sondern oftmals als Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme. Für viele meiner Landsleute war es erklärtes Lebensziel, in den Staatsdienst zu kommen. Dann hatte man ausgesorgt. Viele Regelungen aus der EU, die umgesetzt werden müssen, tragen ein Übriges zum Wirrwarr bei. Das macht einerseits unseren Alltag richtig frustrierend. Aber andererseits ist es wahnsinnig schwierig, zu investieren. Es gibt so vieles, was strangulierend ist. Und vieles, was die Wirtschaft ankurbeln soll: geht ins Gegenteil, läuft ins Leere. Daraus resultiert auch die Enttäuschung meiner Landsleute.

MARE PIU: Was hoffen Sie?

ANTONIS ZERVOS: Die Procedere für Investitionen in Griechenland sind sehr, sehr, sehr schwierig. (Antonis Zervor blickt auf seine Tochter). Es wird mehr als eine Generation dauern, um dies grundlegend zu ändern. Ich hoffe trotzdem, dass meine Generation das schafft – die neuen Leute an der Spitze: die wollen das ändern.
Meine Kommune möchte ganz klar in der Europäischen Union bleiben. Wenn wir zurückfallen in den Status eines auf sich gestellten Staates sind wir ohne Zukunft. 
Ich hoffe sehr, dass man in Brüssel zu einer Einigung kommt. Denn eines steht fest: Für den Fall eines GREXIT habe ich keinen Plan für Agios Nikolaos. Ich fürchte, dass es dann ganz schnell ganz schlimm wird. In den Hotels wird binnen weniger Tage die Versorgung zusammenbrechen. Sie werden geschlossen, weil sie ihre Gäste nicht mehr versorgen können.

Das Interview von MARE PIU mit ANTONIS ZERVOS fand auch das Interesse der örtlichen Tageszeitung ANATOLI, „Der Osten“. Als ich etwas verschlafen am nächsten Morgen im Marina-Büro bei Despina aufschlage, finde ich ein Foto unseres Gesprächs links oben auf der Titelseite. 

Und neben dem Bericht über die Verhandlungen zwischen Herrn Tsipras und Frau Merkel auf der linken Seite: einen zweiseitigen Bericht rechts darüber: dass ein deutscher Blogger in der Ägäis von Insel zu Insel segelt und beim Bürgermeister, der Sozialarbeiterin und dem Marina-Betreiber einfach nachfragt: „Warum?“

Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine kleinen Posts und Interviews auf MARE PIU aus diesem Land in der gegenwärtigen Lage, wie mein Freund Andal sagt, nicht mehr bewegen „als der Schlag eines Schmetterlingsflügels“. Aber wenn die Tageszeitung dem einfachen Fragesteller aus „Schäuble-Land“ gleich zwei Seiten wohlwollend widmet: können ein paar Fragezeichen mehr in der Welt so verkehrt nicht sein.

Deshalb am kommenden Freitag ein Interview aus der Arztpraxis in Agios Nikolaos.

                                                 Weiterlesen bei: Warum Despina kein Geld von mir annimt. Hier.
                                                 Weiterlesen bei: Warum ein Unternehmer sagt: „Everybody in Greece 
                                                                            pays like Hell.“

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Heute in Griechenland (6): Emmanouela, 32, Sozialarbeiterin in AgiosNikolaos.

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei aufgebrochen und über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am vergangenen Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.
 

 

Das ist Emmanouela Giannikaki. Sie ist geboren 1983 in Rethymno auf Kreta. „Eigentlich wusste ich schon mit 18, was ich machen will: Ich wusste: ich will anderen Menschen helfen“. Und deshalb belegte sie an der Universität das Studienfach „Sozialarbeit“, das sie auch mit Diplom abschloss. Danach ging sie zurück in ihre Heimat, nach Kreta und begann 2008 hier zu arbeiten.

MARE PIU: Wie war das denn 2008? Sie waren 25 Jahre alt, kamen frisch von der Uni – war das leicht, einen Job zu finden?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Naja. 2008 war das nicht ganz so leicht. Ich musste mich schon etwas anstrengen. Aber ab 2010 ging das dann ganz leicht.

MARE PIU: Was war denn in 2010 anders?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Bis 2010 ging in Griechenland eigentlich alles gut. Aber 2010 unter Papandreu: da war sie plötzlich da, die Krise. Und jeder, aber auch wirklich jeder wollte plötzlich einen Sozialarbeiter. Sozialarbeiter waren plötzlich gesucht.

MARE PIU: Sie bekamen dann in 2010 eine Festanstellung hier bei OKYDAN?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Der Grund für den plötzlichen Bedarf an Sozialarbeitern war, dass die Regierung in der Krise ein Gesetz verabschiedet hatte, dass jede Kommune in Griechenland soziale Arbeit zu leisten habe und das auch selbst organisieren müsse. Also haben sich hier auf kommunaler Ebene ein paar Verantwortliche zusammengetan und haben OKYDAN als gemeinnützige Orgnaisation  gegründet. Dessen Vorstand wird gewählt, in unserem Fall hier in Agios Nikolaos ist das der Klinikchef Dr. Mouthazakis. In jeder größeren griechischen Kommune gibt es diese Organisationen, sie heißen aber überall anders.

MARE PIU: Haben Sie denn Kontakt zu anderen Organisationen? Zum Beispiel nach Athen oder Thessaloniki?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Haben wir leider nicht. Das ist alles sehr dezentral und spielt auf kommunaler Ebene. Das System ist aber überall dasselbe.

MARE PIU: Es war bestimmt nicht einfach, das aufzubauen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Im Gegenteil. Agios Nikolaos war 2010 schon relativ weit, es gab hier schon sehr viel: 2009 hatte mir ein Einwohner erzählt, dass er Altkleider gesammelt habe und nicht wisse: wohin damit. Wir haben dann einen Shop aufgebaut unter dem Namen MAGAZI und dort begonnen, Kleidungsstücke für Bedürftige für 1 EURO abzugeben. Von den Einnahmen kauften wir Lebensmittel, die wir an Notleidende kostenlos verteilten. Das funktioniert bis heute. Wir verfügen hier einen Vorrat an Kleidung und Lebensmitteln, aus dem OKYDAN regelmäßig verteilt.

MARE PIU: Gibt es Menschen, die hungern oder betteln gehen müssen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Das muss man differenziert sehen. Wirklich arme Menschen, die betteln gehen müssten, die haben wir in Agios Nikolaos nicht. Es ist ja auch so, dass jeder hier etwas anbaut: Tomaten, Gurken, Bohnen, irgendetwas. Die Grundversorgung ist dadurch schon mal sichergestellt, über den Sommer. Im Winter müssen wir dann schon öfter einspringen. Wer nichts anbaut, wer nichts hat: dem helfen oft Nachbarn oder Angehörige. Es war ja in 2010, als wir begannen, so: dass eigentlich nur Ältere Menschen mit gesundheitlichen Problemen von uns Nahrungsmittel bezogen. Jetzt ist die Situation eine ganz andere: Sehr viele Familien benötigen plötzlich Lebensmittel von uns.

MARE PIU: Wir sitzen hier im 4. Stock bei OKYDAN. Darf ich neugierig sein: Was ist in den Ordnern im Bücherregal hinter Ihnen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Jeder Ordner ist eine Familie, eine Person aus Agios Nikolaos und Umgebung, die mich aktuell wegen irgendwelcher Probleme angesprochen hat. Als wir mit OKYDAN 2010 anfingen, waren es 30 Familien im Monat. Die Griechen sind ein sehr stolzes Volk: „Pah, Probleme habe ich keine, heißt es nach außen.“ Sie kommen zuerst zu mir wegen irgendwelcher Probleme in der Familie. Und dann packen Sie langsam aus, dass dies, das jenes nicht stimmt. Dass sie in Not sind. Hilfe brauchen.
Aktuell sind es 200 Familien im Monat, die ich hier in diesem Büro betreue, die mich hier aufsuchen. Das sind die Ordner hinter mir. Von denen sind aber nur 4 über 60. Die betreue ich als Langzeitarbeitslose.
Da drüben die Ordner: das sind weitere 300 Bedürftige in unserem Programm HELP AT HOME: Menschen im Alter zwischen 70 und 100 Jahren, zu denen wir hinausgehen, Essen, Medikamente bringen und uns um die Hygiene kümmern.

MARE PIU: Das ist ein gewaltiges Pensum: Von 30 auf 500 Fälle monatlich…

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Da liegt auch das Problem. Seit Ausbruch der Krise 2010 gibt es so viel zu tun. Ich bin die einzige Sozialarbeiterin in Agios Nikolaos, die Finanzierung weiterer Langfrist-Stellen für OKYDAN durch die Kommune ist derzeit nicht möglich. Wir kriegen nicht mehr Geld. Und für mich allein ist das einfach zu viel. Wir könnten sechs Sozialarbeiter beschäftigen.

MARE PIU: Wie kommen denn die Menschen mit der täglichen Limitierung der Geldmengen zurecht: 60 Euro täglich für Besitzer einer Bankkarte und 120 Euro wöchentlich für Menschen, die keine Karte haben. Was tun die, die nicht auf die Bank gehen können? Oder der Rentner auf dem Foto, der weinend vor einer Bank zusammenbrach, weil er kein Geld bekam?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Das mit den Cash-Machines ist nicht das Problem: 60 € pro Tag sind 1.800€ im Monat. Das ist mehr, als einem Griechen normal zur Verfügung stehen. Und für die, die keine Karte haben, gibt es 120 € pro Woche. Von den Menschen, die wir betreuen, hatten wir keine Anrufe von älteren Menschen und auch keinen Klagen, dass sie nicht mehr an Geld kämen. Nicht einen. Wir gehen ja auch raus und kümmern uns um die Familien und die Menschen, bringen Lebensmittel und Medizin, kümmern uns ums Reinigen der Wohnung.
Menschen, die vor Geldautomaten weinen, das kann ich nicht glauben. Diese Bilder aus dem Fernsehen und der Presse glaube ich nicht. Es kann schon sein, dass jemand vom Warten in der Hitze erschöpft ist. Aber hier und Heraklion hat die Bank den Wartenden Wasser und Orangensaft rausbringen lassen. Das kam gut an.

MARE PIU: Was denken Sie denn, wie sich die Zahl der Leute, die Not leiden, in Agios Nikolaos weiter entwickeln wird?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Ich denke, das dürfte jetzt stabil bleiben wird.

MARE PIU: Sind Sie da nicht zu optimistisch?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: —

MARE PIU: Sie erleben hier ja täglich viele Schicksale. Was hat die Krise in Griechenland aus ihrer Sicht verursacht?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Die Probleme wurzeln meiner Meinung nach in den Jahren 2000 bis 2006. Damals riefen die griechischen Banken jeden zuhause an: „Möchtest Du gerne mal in Urlaub fahren? Hättest Du gerne ein neues Auto? Du kannst eine Kreditkarte haben. Würdest Du nicht gerne ein Haus bauen? Kein Problem. Wir finanzieren das!“ Also nahmen viele Menschen das Geld und erfüllten sich ihre Wünsche. Manche bauten ein Haus. Andere eins mit Pool. Weder andere bauten gleich vier Häuser. Erfolgreich sein hieß in diesen Jahren: möglichst viel Geld von der Bank aufgenommen zu haben. Und als das Geld nicht mehr reichte: nahm man halt einfach noch mehr Geld auf. Und irgendwann nahm man Geld auf, um die Schulden zurückzuzahlen. Dann kam die Krise 2010. Jeder dachte nur noch an sich und versuchte sich zu retten.

MARE PIU: Und wie kam es am vergangenen Sonntag beim Referendum aus ihrer Sicht zum „Nein“?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Auch ich habe mit „Nein“ gestimmt – und das aus vielerlei Gründen. Da ist einmal eine große Enttäuschung. Vor fünf Jahren sagte man uns: „Ihr müsst vorsichtiger mit Geld umgehen. Ihr dürft nicht so viel ausgeben. Ihr müsst sparen. Ihr müsst das so wie wir machen, dann wird alles besser.“ „Okay“ , sagten wir. „Dann macht ihr das bitte für uns.“ Aber nichts wurde besser. Alles wurde schlimmer. Ich bin einfach enttäuscht. Fünf Jahre und lauter Lügen. Ich glaube einfach nichts mehr.

Und dann kam Alexis Zipras. Er denkt, was wir denken, und er hat uns bisher nicht angelogen. Ich kann diese Lügen nicht mehr hören.

MARE PIU: Und was erwarten sie für die nächsten Monate?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Die Situation ist offen – Gott allein weiß, was kommt. Ich hoffe, dass sich der Premierminister sehr schnell mit der EU einigen kann. Ich wünsche mir, dass Reformen kommen, ich möchte, dass endlich die Probleme in unserem behoben werden. Dass die Reichen bei uns auch Steuern zahlen. Und sollte ein Schuldenschnitt kommen: Dann bin ich bereit, mein Teil zu leisten und zu bezahlen. Ich möchte einfach gerne ein anständiges Leben leben.

Ab kommenden Mittwoch auf MARE PIU: Wie es tsi, in schwierigen Zeiten, Bürgermeister einer Gemeinde am Meer zu sein. Ein Interview mit Antonis Zervos, Bürermeister von Agios Nikolaos.

Heute in Griechenland (6): Emmanouela, 32, Sozialarbeiterin in AgiosNikolaos.

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei aufgebrochen und über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am vergangenen Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.

                                                                             Weiterlesen bei: Heute in Griechenland, Teil 1. Hier.

Das ist Emmanouela Giannikaki. Sie ist geboren 1983 in Rethymno auf Kreta. „Eigentlich wusste ich schon mit 18, was ich machen will: Ich wusste: ich will anderen Menschen helfen“. Und deshalb belegte sie an der Universität das Studienfach „Sozialarbeit“, das sie auch mit Diplom abschloss. Danach ging sie zurück in ihre Heimat, nach Kreta und begann 2008 hier zu arbeiten.

MARE PIU: Wie war das denn 2008? Sie waren 25 Jahre alt, kamen frisch von der Uni – war das leicht, einen Job zu finden?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Naja. 2008 war das nicht ganz so leicht. Ich musste mich schon etwas anstrengen. Aber ab 2010 ging das dann ganz leicht.

MARE PIU: Was war denn in 2010 anders?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Bis 2010 ging in Griechenland eigentlich alles gut. Aber 2010 unter Papandreu: da war sie plötzlich da, die Krise. Und jeder, aber auch wirklich jeder wollte plötzlich einen Sozialarbeiter. Sozialarbeiter waren plötzlich gesucht.

MARE PIU: Sie bekamen dann in 2010 eine Festanstellung hier bei OKYDAN?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Der Grund für den plötzlichen Bedarf an Sozialarbeitern war, dass die Regierung in der Krise ein Gesetz verabschiedet hatte, dass jede Kommune in Griechenland soziale Arbeit zu leisten habe und das auch selbst organisieren müsse. Also haben sich hier auf kommunaler Ebene ein paar Verantwortliche zusammengetan und haben OKYDAN als gemeinnützige Orgnaisation  gegründet. Dessen Vorstand wird gewählt, in unserem Fall hier in Agios Nikolaos ist das der Klinikchef Dr. Mouthazakis. In jeder größeren griechischen Kommune gibt es diese Organisationen, sie heißen aber überall anders.

MARE PIU: Haben Sie denn Kontakt zu anderen Organisationen? Zum Beispiel nach Athen oder Thessaloniki?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Haben wir leider nicht. Das ist alles sehr dezentral und spielt auf kommunaler Ebene. Das System ist aber überall dasselbe.

MARE PIU: Es war bestimmt nicht einfach, das aufzubauen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Im Gegenteil. Agios Nikolaos war 2010 schon relativ weit, es gab hier schon sehr viel: 2009 hatte mir ein Einwohner erzählt, dass er Altkleider gesammelt habe und nicht wisse: wohin damit. Wir haben dann einen Shop aufgebaut unter dem Namen MAGAZI und dort begonnen, Kleidungsstücke für Bedürftige für 1 EURO abzugeben. Von den Einnahmen kauften wir Lebensmittel, die wir an Notleidende kostenlos verteilten. Das funktioniert bis heute. Wir verfügen hier einen Vorrat an Kleidung und Lebensmitteln, aus dem OKYDAN regelmäßig verteilt.

MARE PIU: Gibt es Menschen, die hungern oder betteln gehen müssen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Das muss man differenziert sehen. Wirklich arme Menschen, die betteln gehen müssten, die haben wir in Agios Nikolaos nicht. Es ist ja auch so, dass jeder hier etwas anbaut: Tomaten, Gurken, Bohnen, irgendetwas. Die Grundversorgung ist dadurch schon mal sichergestellt, über den Sommer. Im Winter müssen wir dann schon öfter einspringen. Wer nichts anbaut, wer nichts hat: dem helfen oft Nachbarn oder Angehörige. Es war ja in 2010, als wir begannen, so: dass eigentlich nur Ältere Menschen mit gesundheitlichen Problemen von uns Nahrungsmittel bezogen. Jetzt ist die Situation eine ganz andere: Sehr viele Familien benötigen plötzlich Lebensmittel von uns.

MARE PIU: Wir sitzen hier im 4. Stock bei OKYDAN. Darf ich neugierig sein: Was ist in den Ordnern im Bücherregal hinter Ihnen?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Jeder Ordner ist eine Familie, eine Person aus Agios Nikolaos und Umgebung, die mich aktuell wegen irgendwelcher Probleme angesprochen hat. Als wir mit OKYDAN 2010 anfingen, waren es 30 Familien im Monat. Die Griechen sind ein sehr stolzes Volk: „Pah, Probleme habe ich keine, heißt es nach außen.“ Sie kommen zuerst zu mir wegen irgendwelcher Probleme in der Familie. Und dann packen Sie langsam aus, dass dies, das jenes nicht stimmt. Dass sie in Not sind. Hilfe brauchen.
Aktuell sind es 200 Familien im Monat, die ich hier in diesem Büro betreue, die mich hier aufsuchen. Das sind die Ordner hinter mir. Von denen sind aber nur 4 über 60. Die betreue ich als Langzeitarbeitslose.
Da drüben die Ordner: das sind weitere 300 Bedürftige in unserem Programm HELP AT HOME: Menschen im Alter zwischen 70 und 100 Jahren, zu denen wir hinausgehen, Essen, Medikamente bringen und uns um die Hygiene kümmern.

MARE PIU: Das ist ein gewaltiges Pensum: Von 30 auf 500 Fälle monatlich…

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Da liegt auch das Problem. Seit Ausbruch der Krise 2010 gibt es so viel zu tun. Ich bin die einzige Sozialarbeiterin in Agios Nikolaos, die Finanzierung weiterer Langfrist-Stellen für OKYDAN durch die Kommune ist derzeit nicht möglich. Wir kriegen nicht mehr Geld. Und für mich allein ist das einfach zu viel. Wir könnten sechs Sozialarbeiter beschäftigen.

MARE PIU: Wie kommen denn die Menschen mit der täglichen Limitierung der Geldmengen zurecht: 60 Euro täglich für Besitzer einer Bankkarte und 120 Euro wöchentlich für Menschen, die keine Karte haben. Was tun die, die nicht auf die Bank gehen können? Oder der Rentner auf dem Foto, der weinend vor einer Bank zusammenbrach, weil er kein Geld bekam?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Das mit den Cash-Machines ist nicht das Problem: 60 € pro Tag sind 1.800€ im Monat. Das ist mehr, als einem Griechen normal zur Verfügung stehen. Und für die, die keine Karte haben, gibt es 120 € pro Woche. Von den Menschen, die wir betreuen, hatten wir keine Anrufe von älteren Menschen und auch keinen Klagen, dass sie nicht mehr an Geld kämen. Nicht einen. Wir gehen ja auch raus und kümmern uns um die Familien und die Menschen, bringen Lebensmittel und Medizin, kümmern uns ums Reinigen der Wohnung.
Menschen, die vor Geldautomaten weinen, das kann ich nicht glauben. Diese Bilder aus dem Fernsehen und der Presse glaube ich nicht. Es kann schon sein, dass jemand vom Warten in der Hitze erschöpft ist. Aber hier und Heraklion hat die Bank den Wartenden Wasser und Orangensaft rausbringen lassen. Das kam gut an.

MARE PIU: Was denken Sie denn, wie sich die Zahl der Leute, die Not leiden, in Agios Nikolaos weiter entwickeln wird?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Ich denke, das dürfte jetzt stabil bleiben wird.

MARE PIU: Sind Sie da nicht zu optimistisch?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: —

MARE PIU: Sie erleben hier ja täglich viele Schicksale. Was hat die Krise in Griechenland aus ihrer Sicht verursacht?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Die Probleme wurzeln meiner Meinung nach in den Jahren 2000 bis 2006. Damals riefen die griechischen Banken jeden zuhause an: „Möchtest Du gerne mal in Urlaub fahren? Hättest Du gerne ein neues Auto? Du kannst eine Kreditkarte haben. Würdest Du nicht gerne ein Haus bauen? Kein Problem. Wir finanzieren das!“ Also nahmen viele Menschen das Geld und erfüllten sich ihre Wünsche. Manche bauten ein Haus. Andere eins mit Pool. Weder andere bauten gleich vier Häuser. Erfolgreich sein hieß in diesen Jahren: möglichst viel Geld von der Bank aufgenommen zu haben. Und als das Geld nicht mehr reichte: nahm man halt einfach noch mehr Geld auf. Und irgendwann nahm man Geld auf, um die Schulden zurückzuzahlen. Dann kam die Krise 2010. Jeder dachte nur noch an sich und versuchte sich zu retten.

MARE PIU: Und wie kam es am vergangenen Sonntag beim Referendum aus ihrer Sicht zum „Nein“?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Auch ich habe mit „Nein“ gestimmt – und das aus vielerlei Gründen. Da ist einmal eine große Enttäuschung. Vor fünf Jahren sagte man uns: „Ihr müsst vorsichtiger mit Geld umgehen. Ihr dürft nicht so viel ausgeben. Ihr müsst sparen. Ihr müsst das so wie wir machen, dann wird alles besser.“ „Okay“ , sagten wir. „Dann macht ihr das bitte für uns.“ Aber nichts wurde besser. Alles wurde schlimmer. Ich bin einfach enttäuscht. Fünf Jahre und lauter Lügen. Ich glaube einfach nichts mehr.

Und dann kam Alexis Tsipras. Er denkt, was wir denken, und er hat uns bisher nicht angelogen. Ich kann diese Lügen nicht mehr hören.

MARE PIU: Und was erwarten sie für die nächsten Monate?

EMMANOUELA GIANNIKAKI: Die Situation ist offen – Gott allein weiß, was kommt. Ich hoffe, dass sich der Premierminister sehr schnell mit der EU einigen kann. Ich wünsche mir, dass Reformen kommen, ich möchte, dass endlich die Probleme in unserem behoben werden. Dass die Reichen bei uns auch Steuern zahlen. Und sollte ein Schuldenschnitt kommen: Dann bin ich bereit, mein Teil zu leisten und zu bezahlen. Ich möchte einfach gerne ein anständiges Leben leben.

Ab kommenden Mittwoch auf MARE PIU: Wie es ist, in schwierigen Zeiten, Bürgermeister einer Gemeinde am Meer zu sein. Ein Interview mit Antonis Zervos, Bürermeister von Agios Nikolaos.

                                                 Weiterlesen bei: Warum Despina kein Geld von mir annimt. Hier.
                                                 Weiterlesen bei: Warum ein Unternehmer sagt: „Everybody in Greece 
                                                                            pays like Hell.“

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Heute in Griechenland (5): Komme ich im Urlaub an Geld, Diesel, Lebensmittel heran?

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei aufgebrochen und über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.
 

Der Urlaubsort Agios Nikolaos im Osten Kretas am gestrigen Abend. Im Vordergrund der Voulismeni-See, mitten im Ort ein mit Süßwasser gefüllter Vulkankrater, der erst seit ein paar Jahrzehnten eine künstliche Verbindung zum Meer hat. Alle Bilder dieses Posts wurden in den letzten 24 Stunden hier in Agios Nikolaos aufgenommen.

Freitag, 10.7.2015: Mit dem pünktlichen Eintreffen eines neuen Reformplanes aus Athen heute Nacht in Brüssel hat sich auch die Stimmung in den deutschen Medien etwas gelegt. Das Wort von der „humanitären Katastrophe“, das SPIEGEL und andere Medien Anfang der Woche noch über die Situation in Griechenland verbreitet hatten, es ist verschwunden so schnell, wie es aufgetaucht ist. Aber damit ist die drohende Pleite der griechischen Banken und des griechischen Staates überhaupt nicht vom Tisch. Und die Dinge und Mißstände, die der Marina-Betreiber Mikhalis Farsaris so klar und präzise im gemeinsamen Umgang zwischen Europäern und Griechen aufgelistet hat, auch nicht.
Wie ist die Situation tatsächlich in Agios Nikolaos, einem Urlaubsort mit knapp 12.000 Einwohnern hier im Osten Kretas? Bekomme ich tatsächlich alles, was ich brauche?

Für heute habe ich mir einen Selbsttest verordnet – eine Art „Stress-Test“ für Agios Nikolaos, sozusagen:
Ich gehe zuerst los, um für LEVJE Diesel zu besorgen.
Dann: werde ich Geld abheben.
Und dann Lebensmittel einkaufen.
Ganz normale Dinge also. Beginnen wir also unseren Rundkurs:

1. Diesel im Hafen bekommen.

LEVJE, meine DEHLER 31, hat keinen großen Tank: 40 Liter gehen hinein, dazu führe ich 20 Liter in zwei Kanistern mit. Etwa 25 Liter bräuchte ich. Also gehe ich hier in der Marina zur kleinen Rezeption. Meine gute Despina ruft sofort Iannis, den Marinero auf der Pier an. Zwei Minuten später treffe ich ihn – das passt gut, meint Iannis, eine andere Segelyacht bräuchte 250 Liter Diesel, dann würde er den Tanklaster gleich bestellen, ich solle doch mit zwei Kanistern in zehn Minuten da sein. Und so wackle ich also zurück zu LEVJE, hole meine beiden Kanister und wackle wieder zurück zur großen Pier. Dort wartet Manolos neben seinem Tanklaster schon, er hat die holländische Yacht mit 250 Litern schon versorgt und schaut auf die Uhr. Er sieht aus, als wäre er von Früh bis spät auf den Beinen.

Das Abfüllen meiner beiden Kanister zieht sich etwas, weil er den richtigen Stutzen nicht dabei hat. Am Ende zahle ich 26 Euro für 20 Liter. Und wackle wieder zurück zu LEVJE. Wo Iannis, weil ihm grad fad war, meine beiden Kanister per Roller hingebracht und vor LEVJE abgestellt hat. Passt.

Volle Punktzahl: Alle vier von vier erreichbaren Punkten.

2. Geld am Automaten abheben.

Es wurde viel geschrieben über die langen Schlangen vor den griechischen Geldautomaten. Und wie schrecklich es sei, pro Tag nur 60€ abheben zu dürfen.

Dass das mit den 60 € täglich eigentlich eine ganz entspannte Sache ist, die die Griechen jedenfalls hier und im benachbarten Herklion, immerhin viertgrößte Stadt Griechenlands, auch ganz entspannt annehmen: darauf hat mich ebenfalls Mikhalis Farsaris gebracht.

Tatsächlich habe ich hier in dieser Woche nicht eine jener Menschentrauben vor Geldautomaten gesehen. Aber wie sieht’s denn aus: Komme ich als Urlauber an Bargeld? Unbegrenzt? Auch wenn jede Bank seit einer Woche geschlossen ist?

Weil ich ja gerne gegen den Stachel löcke, suche ich mir einen Geldautomaten mitten in der Innenstadt aus, genau unter dem großen OXI-Plakat von SYRIZA. Niemand vor mir am Apparat, also gleich ran.


Bedienung wie auch in Deutschland, ich könnte alle Beträge wählen, auch oberhalb 600 Euro. Das mache ich aber nicht – ich will nicht, dass dem nächsten nach mir ein leerer Geldautomat OXI sagt, wenn er 60 Euro abheben will. Also belasse ich es zu Testzwecken bei 200 Euro. Und die sind sofort da. Alle schön nagelneu und druckfrisch.

Erneut vier von vier Punkten. Damit stehen wir bei acht von acht erreichbaren Punkten.

3. Lebensmittel. Und: Haben eigentlich alle zu essen?

In einem Post vor wenigen Tagen schrieb ich darüber, wie ich mich als Segler für einen einwöchigen Törn hier im örtlichen CARREFOUR-Supermarkt anstandslos versorgte.

Daran hat sich bis heute überhaupt nichts geändert. Um meinen „Stresstest“ mit gebotener deutscher Gründlichkeit durchzuführen, kaufe ich in drei verschiedenen Supermärkten mitten im Ort ein: Frisches Brot. Frisches Obst. Wasser. Weißwein. Tomaten. Käse. Alles da.
Erneut vier von vier Punkten. 

Also insgesamt: „La Grèce: Douze Points!“ 
 
Doch bleiben wir realistisch: 
 
Zum einen: Griechenland besitzt etwa 6.000 Inseln, von denen gerade mal 113 bewohnt sind. Griechenland ist damit der Staat mit den meisten Inseln im Mittelmeer. 

Was für Kreta und Agios Nikolaos stimmt, kann anderswo anders sein. Was ich aber nicht glaube: noch vorige Woche waren auf Lefkas, dem großen griechischen Charterzentrum, die Dinge nicht anders als hier in Agios Nikolaos.
Vor allem in und um die Großstädte Athen und Thessaloniki kann es anders aussehen. Und im Krisenfall auch anders „zur Sache gehen“.
 
Zum anderen: Die griechische Krise ist definitiv vorhanden – und noch nicht vom Tisch. Die Dinge können morgen anders aussehen.
 
Und Morgen?
 


 
Das ist Emanuela Gianikaki, Diplom-Sozialarbeiterin. Sie ist aufgewachsen am Meer hier auf Kreta in Rethymno. Sie ist offizell von der Gemeinde Agios Nikolaos bestellt und seit 2010 für die Sozialarbeit verantwortlich. 
Ich habe sie heute in ihrem Büro besucht, weil ich wissen wollte:
• Wie geht es Menschen, die über keine Rücklagen verfügen?
• Wie geht es den Griechen, die jetzt gerade nicht an ihr Sparkonto kommen?
• Was tun Menschen in Not in einem Land, das fast pleite ist?
 
Das Interview mit Emanuela Gianikaki können Sie lesen ab morgen, Samstag Abend auf Mare Più.

 

                           Jeden Post aus der Serie HEUTE IN GRIECHENLAND lesen: Nach unten scrollen.
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Herausgegeben vom Autor von MARE PIU:

 

Vierzig Segler erzählen ihre Geschichte, wie es ihnen im Gewitter auf See erging.
„Ich bin hellauf begeistert… es sind ja die persönlichen Geschichten, die Geschichten aus der Praxis, die Dramen, die den Unterschied zu einem Lehrbuch machen.“
Ein Leser in seinem Post.
Mehr erfahren: Hier klicken.

 

 
 

Heute in Griechenland (5): Komme ich im Urlaub an Geld,Diesel,Lebensmittel heran?

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei aufgebrochen und über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.

                                                                             Weiterlesen bei: Heute in Griechenland, Teil 1. Hier.

Der Urlaubsort Agios Nikolaos im Osten Kretas am gestrigen Abend. Im Vordergrund der Voulismeni-See, mitten im Ort ein mit Süßwasser gefüllter Vulkankrater, der erst seit ein paar Jahrzehnten eine künstliche Verbindung zum Meer hat. Alle Bilder dieses Posts wurden in den letzten 24 Stunden hier in Agios Nikolaos aufgenommen.  

Freitag, 10.7.2015: Mit dem pünktlichen Eintreffen eines neuen Reformplanes aus Athen heute Nacht in Brüssel hat sich auch die Stimmung in den deutschen Medien etwas gelegt. Das Wort von der „humanitären Katastrophe“, das SPIEGEL und andere Medien Anfang der Woche noch über die Situation in Griechenland verbreitet hatten, es ist verschwunden so schnell, wie es aufgetaucht ist. Aber damit ist die drohende Pleite der griechischen Banken und des griechischen Staates überhaupt nicht vom Tisch. Und die Dinge und Mißstände, die der Marina-Betreiber Mikhalis Farsaris so klar und präzise im gemeinsamen Umgang zwischen Europäern und Griechen aufgelistet hat, auch nicht.
Wie ist die Situation tatsächlich in Agios Nikolaos, einem Urlaubsort mit knapp 12.000 Einwohnern hier im Osten Kretas? Bekomme ich tatsächlich alles, was ich brauche?

Für heute habe ich mir einen Selbsttest verordnet – eine Art „Stress-Test“ für Agios Nikolaos, sozusagen:
Ich gehe zuerst los, um für LEVJE Diesel zu besorgen. 
Dann: werde ich Geld abheben. 
Und dann Lebensmittel einkaufen. 

Ganz normale Dinge also. Beginnen wir also unseren Rundkurs:

1. Diesel im Hafen bekommen.

LEVJE, meine DEHLER 31, hat keinen großen Tank: 40 Liter gehen hinein, dazu führe ich 20 Liter in zwei Kanistern mit. Etwa 25 Liter bräuchte ich. Also gehe ich hier in der Marina zur kleinen Rezeption. Meine gute Despina ruft sofort Iannis, den Marinero auf der Pier an. Zwei Minuten später treffe ich ihn – das passt gut, meint Iannis, eine andere Segelyacht bräuchte 250 Liter Diesel, dann würde er den Tanklaster gleich bestellen, ich solle doch mit zwei Kanistern in zehn Minuten da sein. Und so wackle ich also zurück zu LEVJE, hole meine beiden Kanister und wackle wieder zurück zur großen Pier. Dort wartet Manolos neben seinem Tanklaster schon, er hat die holländische Yacht mit 250 Litern schon versorgt und schaut auf die Uhr. Er sieht aus, als wäre er von Früh bis spät auf den Beinen. 

Das Abfüllen meiner beiden Kanister zieht sich etwas, weil er den richtigen Stutzen nicht dabei hat. Am Ende zahle ich 26 Euro für 20 Liter. Und wackle wieder zurück zu LEVJE. Wo Iannis, weil ihm grad fad war, meine beiden Kanister per Roller hingebracht und vor LEVJE abgestellt hat. Passt. 

Volle Punktzahl: Alle vier von vier erreichbaren Punkten.

2. Geld am Automaten abheben.

Es wurde viel geschrieben über die langen Schlangen vor den griechischen Geldautomaten. Und wie schrecklich es sei, pro Tag nur 60€ abheben zu dürfen.

Dass das mit den 60 € täglich eigentlich eine ganz entspannte Sache ist, die die Griechen jedenfalls hier und im benachbarten Herklion, immerhin viertgrößte Stadt Griechenlands, auch ganz entspannt annehmen: darauf hat mich ebenfalls Mikhalis Farsaris gebracht.

                                          Weiterlesen bei: Warum Mikhalis Farsaris sagt: „They pay like hell“. Hier.

Tatsächlich habe ich hier in dieser Woche nicht eine jener Menschentrauben vor Geldautomaten gesehen. Aber wie sieht’s denn aus: Komme ich als Urlauber an Bargeld? Unbegrenzt? Auch wenn jede Bank seit einer Woche geschlossen ist?

Weil ich ja gerne gegen den Stachel löcke, suche ich mir einen Geldautomaten mitten in der Innenstadt aus, genau unter dem großen OXI-Plakat von SYRIZA. Niemand vor mir am Apparat, also gleich ran.

Bedienung wie auch in Deutschland, ich könnte alle Beträge wählen, auch oberhalb 600 Euro. Das mache ich aber nicht – ich will nicht, dass dem nächsten nach mir ein leerer Geldautomat OXI sagt, wenn er 60 Euro abheben will. Also belasse ich es zu Testzwecken bei 200 Euro. Und die sind sofort da. Alle schön nagelneu und druckfrisch.

Erneut vier von vier Punkten. Damit stehen wir bei acht von acht erreichbaren Punkten.

3. Lebensmittel. Und: Haben eigentlich alle zu essen?

In einem Post vor wenigen Tagen schrieb ich darüber, wie ich mich als Segler für einen einwöchigen Törn hier im örtlichen CARREFOUR-Supermarkt anstandslos versorgte. 

                                                     Weiterlesen bei: Warum Despina kein Geld von mir annimmt. Hier.

Daran hat sich bis heute überhaupt nichts geändert. Um meinen „Stresstest“ mit gebotener deutscher Gründlichkeit durchzuführen, kaufe ich in drei verschiedenen Supermärkten mitten im Ort ein: Frisches Brot. Frisches Obst. Wasser. Weißwein. Tomaten. Käse. Alles da.
Erneut vier von vier Punkten. 

Also insgesamt: „La Grèce: Douze Points!“ 

Doch bleiben wir realistisch: 

Zum einen: Griechenland besitzt etwa 6.000 Inseln, von denen gerade mal 113 bewohnt sind. Griechenland ist damit der Staat mit den meisten Inseln im Mittelmeer. 

                                                 Weiterlesen bei: Wieviele Inseln gibt es im Mittelmeer? Hier.

Was für Kreta und Agios Nikolaos stimmt, kann anderswo anders sein. Was ich aber nicht glaube: noch vorige Woche waren auf Lefkas, dem großen griechischen Charterzentrum, die Dinge nicht anders als hier in Agios Nikolaos.
Vor allem in und um die Großstädte Athen und Thessaloniki kann es anders aussehen. Und im Krisenfall auch anders „zur Sache gehen“.

Zum anderen: Die griechische Krise ist definitiv vorhanden – und noch nicht vom Tisch. Die Dinge können morgen anders aussehen.

Und Morgen?



Das ist Emanuela Gianikaki, Diplom-Sozialarbeiterin. Sie ist aufgewachsen am Meer hier auf Kreta in Rethymno. Sie ist offizell von der Gemeinde Agios Nikolaos bestellt und seit 2010 für die Sozialarbeit verantwortlich. 
Ich habe sie heute in ihrem Büro besucht, weil ich wissen wollte:
• Wie geht es Menschen, die über keine Rücklagen verfügen?
• Wie geht es den Griechen, die jetzt gerade nicht an ihr Sparkonto kommen?
• Was tun Menschen in Not in einem Land, das fast pleite ist?

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Vierzig Segler erzählen ihre Geschichte, wie es ihnen im Gewitter auf See erging.
„Ich bin hellauf begeistert… es sind ja die persönlichen Geschichten, die Geschichten aus der Praxis, die Dramen, die den Unterschied zu einem Lehrbuch machen.“
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Heute in Griechenland (3): Warum Despina kein Geld von mir annimmt.

„Medikamente, Lebensmittel, Gas und Öl – vielen Griechen fehlt es schon jetzt am Nötigsten. Über eine humanitäre Katastrophe will kaum ein Spitzenpolitiker reden, doch intern und bei Hilfsorganisationen werden schon Szenarien durchgespielt“, schreibt SPIEGEL ONLINE heute abend auf seiner Titelseite. Zeilen wie diese legen den Schluß nahe, dass ein Land am Abgrund steht. Ich bin hier, um nachzusehen.

Heraklion, mit fast 175.000 Einwohnern immerhin viertgrößte Stadt Griechenlands: Lange Schlangen finde ich – aber nicht vor Banken und Geldautomaten, an denen ich vorbeischlendere. Sondern vor der Kasse des archäologischen Freigeländes von Knossos, wo Mittags alle Parkplätze belegt sind. Die Schlange ist mehr als 50 Meter lang. Ich höre: Ungarisch, Italienisch, Griechisch, Französisch, Englisch, Portugiesisch, Tschechisch, Russisch. In der Warteschlange vor Minotaurus‘ Palast scheint Europa wunderbar zu funktionieren.

Nachmittags im CARREFOUR-Supermarkt: Es ist nicht viel los – ist ja auch Nachmittag. Fehlen – siehe oben – tut in den Regalen eigentlich nichts. Niemand verdächtigt mich der Hamsterei, als ich – ganz Segler beim Aufbruch – einen Berg Mineralwasser zur Kasse schiebe, getoppt von einem Hügel Tomatenkonserven und Sardinendosen. Nein, in Hamsterstimmung aus Furcht vor dem Zusammenbruch ist hier auf Kreta auch kaum jemand. Ein griechisches Pärchen am prall gefüllten Käseregal, das sich irgendwie fürs Abendessen nicht entscheiden kann. 

Keine Krise? Alles nur Medien-Fake? Es fällt mir jedenfalls schwer, hier auf Kreta Krisenstimmung zu entdecken. Die zwei Wirte, mit denen ich sprach, sind zufrieden mit dem Geschäft in diesem Sommer bisher. Der Autoverleiher von SIXT auch. Der grinst, als ich ihn auf die westlichen Medien anspreche. Ja, das würde er auch lesen. Und sich wundern. 
Kann es sein, dass ein Land, das nur Tage vor dem großen Kollaps steht, so entspannt ist? Griechen, die in Kaffees ihren Frappé schlürfen? Ältere Dämchen, die gemächlichen Schrittes ihr Hündchen Gassi führen? Es passt alles nicht ins Bild des Landes, dessen Banken nur noch einen Hauch von der Insolvenz entfernt sind.


Fast schon denke ich, im falschen Land zu sein, so wie der Mann, der nach Brasilien wollte und dafür extra Spanisch paukte, nur um festzustellen: dass man das überall in Südamerika, nur in Brasilien nicht gebrauchen kann. Irrtum, denke ich also. Bis ich ins Museum von Heraklion gehe. 
An der Kasse des Museums will ich meinen Rucksack abgeben, aber man weist mich ein paar Schritte weiter, um das Museum herum, am Caffee vorbei. Und dort sitzt: Despina, Mitte 40, im Freien vor einem Blechregal mit zwei Koffern. Freundlich nimmt sie meinen Rucksack, ich frage, ob der bei ihr auch sicher sei, schließlich sei mein Computer drin, „ohne“ sei ich wertlos. Despina, offensichtlich halbseitig gelähmt, lächelt und sagt in gebrochenem Englisch, ich solle mir keine Sorgen machen, der Rucksack sei sicher bei ihr. Mühevoll malt sie eine „Sechs“ auf einen kleinen gelben Zettel, den solle ich nur ja wieder mitbringen. Und weil mir Despina das sagt, drum gebe ich den gelben Zettel mit der Sechs die Stunden, die ich im Museum verbringe, nicht mehr aus der Hand. 
Als ich zu Despina zurückkehre, sitzt sie immer noch im Freien vor dem Blechregal, in dem einsam mein schwarzer Rucksack liegt. Artig zeige ich meine „Sechs“, Despina händigt mir meinen Rucksack aus, ohne etwas dafür zu verlangen. Also greife ich in meine Tasche, will ihre Mühe vergelten. Aber Despina lehnt energisch ab. Nein nein, das ginge nicht. Nein, wirklich nicht.
Fast schon will ich gehen, da greife ich zu einer kleinen List, damit sie, die es sicher brauchen kann, doch noch etwas von mir annimmt: Ich gehe zurück und bitte sie, doch das Wenige anzunehmen und einem Menschen zu geben, den sie kenne und der gerade in Not sei. Wieder schüttelt Despina ihr Haupt: Das ginge nicht. Das dürfe sie nicht. Und lehnt entschlossen ab.

Belassen wir es bei dieser Geschichte von der aufrechten Despina. 

PS:
Ins Museum ging ich eigentlich nur wegen des Stier-Reliefs auf dem Foto oben. Es erschien vergangenes Wochenende in der SÜDDEUTSCHEN mit dem Hinweis, der Tourismus auf Kreta sei stark zurückgegangen seit Ausbruch der Krise. 
Das Stier-Relief fand ich im Museum. Als ich hinkam, war es umlagert von etwa 30 Chinesen. Die nächste Reisegruppe dahinter wartete bereits…

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Vom Autor von MARE PIU: 


Ein Mann verliert seinen Job.
Aber statt zu resignieren, begibt er sich einfach auf sein kleines Segelboot.
Und reist in fünf Monaten: Von München nach Antalya.
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Das Buch "Gewittersegeln" – eine Rezension

Zugegeben: Ich habe dem Buch Gewittersegeln eine Geschichte beigesteuert, bin aber doch jetzt erst dazu gekommen es einmal ganz durchzulesen. Und bin hellauf begeistert. Warum? 

Es sind die persönlichen Erlebnisse, die Geschichten aus der Praxis, die unerwarteten Dramen die den Unterschied zum Lehrbuch machen. Der Grund warum man Kurse belegt oder Vorlesungen besucht, obwohl man seine auch selbsterworbenen Kenntnisse meist nur in einer Abschlussprüfung belegen müsste. Die Theorie prägt sich durch Geschichten aus der Praxis einfach besser ein und die Wahrheit ist ja oft viel komplexer als es ein Lehrbuch darstellt. An Bord meines Bootes habe ich den Klassiker „Seemannschaft“ und ein SSS Lehrbuch. In beiden Büchern wird auf nur wenigen Seiten auch über Gewitter geschrieben, aber es fehlen die Beispiele aus dem Leben. Denn die von den 40 Autoren beschriebenen Abenteuer bis Katastrophen aus den verschiedensten Regionen haben eines gemeinsam. Der Zustand Gewitter vermischt sich immer mit einer persönlichen Komponente. Und erst deren Kombination wird zur Gefahr. 

So wie im Auto eine Fahrt im Dunkeln durch Schnee oder Regen erst einmal unkritisch ist, ändert sich das durch Übermüdung des Fahrers, abgefahrene Reifen, fehlende Landkarten. Es ist immer die Kombination die zu Unfällen führt, und die in den Lehrbüchern nicht beschrieben wird. In der „Seemannschaft“ steht nichts von nachlassender Wachsamkeit auf langem Törn bei schönem Wetter – und schon liegt man platt auf dem Wasser. Nichts von der wegen übermässiger Vorsicht lästernden Ehefrau – und schon ist man zu tief in einer ungeeigneten Ankerbucht gefangen. Der unterdimensionierte Aussenborder, der fehlende Mann bei einer langen Yachtüberführung. Die Variationen sind so zahlreich wie die Autoren, und das ist gut so. Reviere, Kenntnisstand, Yachtgröße, Schreibstil…alles variiert, so das dieses Buch einfach nicht langweilig wird. 

Die meisten der Geschichten werden ergänzt durch Selbsteinsichten der Autoren, was sie hätten anders machen können und heute anders machen würden. Ich würde mir noch viel mehr dieser Praxisbücher zu weiteren Themen der Segelei wünschen, denn ähnlich wie die Praxisaufgaben in der Navigation, festigen sie erst den Kenntnisstand des Seefahrenden und bieten ihm im Ernstfall einen fremderlebten Wissensfundus, der hilft eben diese gefährliche Kombination aus Fehlern zu vermeiden. Die meisten der Geschichten enden dann auch nur mit einem Schrecken oder einer neuen Erfahrung, doch ein tödlicher Ausgang einer Überführung im Mittelmeer zeigt wie schnell auf See etwas Ernstes passieren kann. Und je intensiver man sich mit den vielfältigen Gefahren der Gewitter vorher auseinandergesetzt hat, umso ruhiger kann man im Ernstfalle damit umgehen. 

Und dafür plädiere ich in meiner Geschichte im Buch. Sicherheit durch gute Vorbereitung, damit man auf See der Gefahr begegnen kann und ihr die Stirn bietet. Und nicht verunsichert und verängstigt falsche Entscheidungen trifft. Und auf etwas Aberglauben und auch das bewusste Auskosten der Gefahren, die das Abenteuer Seefahrt nun mal seit Jahrhunderten in sich birgt. Und die man dann in den Seemannskneipen der Welt zu hören bekommt. Oder in diesem Buch zu lesen bekommt. Denn im Sessel vor dem Fernseher erlebt man so etwas nun einmal nicht. Mehr davon!   

Ein ruhiger Freitagabend im Hafen…

Geschichten die das Seglerleben so schreibt:

Ein warmer Freitagabend im Sommer am Hafen. Eigentlich wollte ich nur auf noch ein Bier mit einem Kumpel kurz an Bord gehen. Nur ist mir Nachmittags aber das erste mal seit 3 Jahren das Spinnakerfall ausgerauscht. Statt entspannt mit einer Dose kühlen Getränks stehen wir also nun kopfkratzend mit in die Hüften gestemmten Armen vor dem Mast.

Also sich fix bei Stephan gegenüber einen Bootsmannsstuhl ausgeliehen. “Komm, zu dritt gehts einfacher!” meinte er noch, und schon gehts für mich in die zweite Etage. So hab ich mir den Freitag Abend irgendwie nicht vorgestellt. Meine Höhenangst hält sich zwar in Grenzen, aber irgendwie ist diese Mastkletterei doch nicht die Lieblingsbeschäftigung eines Skippers. Die “Boah bist du schwer geworden” Rufe der Kollegen unten an der Kurbel machen das Ganze auch nicht angenehmer. Oben angekommen das Fall wieder runtergeholt und zurück in die 1. Etage – Herrenmode. Dachte ich mir so.

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Aber unten angekommen kratzt sich Stephan nun so verdächtig am Kopf. “Also da ist noch so eine Flaggleine bei mir unter der Saling…”. Also das Ganze noch mal von Vorne. Nur, dass der zweite Mast schon gute 15m hat. Wenigstens hat sich mit Sven noch der nächste Stegnachbar zur Hilfe angeboten. Wenigstens quengeln die Kurbelmatrosen da unten also nicht mehr so laut. Kann man oben eh nicht hören. ;-)

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Unten angekommen schaut Sven dann nur so verdächtig in seinen eigenen Masttopp. Was tut man nicht alles für Kameraden: Ich frage nur noch scherzhaft, was bei ihm denn so zu machen wäre. Also gleich das Ganze noch mal von vorn. Obwohl es schon 22:00 ist. Hat aber auch Vorteile, denn auf Svens 20m Kloppermast erlebe ich so noch einen zweiten Sonnenuntergang. Mittlerweile hab ich als Kletterhörnchen auch die Aufmerksamkeit des halben Hafens plus Touristen an der Promenade. Und ich bin wieder komplett im Training.

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Bevor jetzt noch weitere Clubkameraden mit diesem gefährlich verschämten Nackenkratzen und fragendem Blick ankommen, ziehen wir uns aber ins Cockpit zurück und genießen den Sundowner. 3 Masten in einer halben Stunde reichen fürs Erste. Ich wollte schließlich Segler und nicht Bergsteiger werden. Es bleibt die Erkenntnis, dass es einen “schnellen ruhigen Sundowner an Bord” irgendwie nicht gibt. Irgendwas an Bord ist immer. Und trotzdem machen diese kleinen Stories und die Kameradschaft das Seglerleben erst zu dem was es ist.

Heute in Griechenland (4): Warum ein Unternehmer sagt: "Everybody inGreece Pays like Hell."

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.

                                                                             Weiterlesen bei: Heute in Griechenland, Teil 1. Hier.

Das ist Mikhalis Farsaris. Er ist Vorstand von DAEAN und damit zweierlei: Herr über fast alle Strände von Agios Nikolaos sowie der zugehörigen MARINA AGIOS NIKOLAOS mit 260 Liegeplätzen. Zwar gehören Ufer und Marina dem griechischen Staat, aber in Agios Nikolaos wurden – wie in anderen Gemeinden an der Küste auch – die Nutzungsrechte an eine private Gesellschaft übertragen, in diesem Fall DAEAN. Mikhalis Farsaris ist lange im Geschäft. Nebenbei betreibt er auch ein kleines Hotel.

MARE PIU: Wie läuft es bei Ihnen, drei Tage nach dem „Nein“?

MIKHALIS FARSARIS: Eigentlich läuft dieses Jahr für uns ganz gut. Wir haben bislang keine Einbrüche bei den Besuchern an den Stränden hier in Agios Nikolaos. Da gibts zwar immer mal die eine oder andere Verschiebung von Strand zu Strand. Mal läufts am einen besser. Mal am anderen. Aber in Summe sind wir im Umsatz auf Vorjahres-Niveau. 
In der Liegeplatz-Vermietung hier in der Marina Agios Nikolaos sieht es ähnlich aus: Etwa 40% sind Einheimische, etwa 60% auswärtige Langfahrtsegler. Wir haben etwa 160 Liegeplatz für Schiffe über 10 Meter Länge. Die Festbuchungen der Langfahrtsegler, der „Live-Aboards“, die ihren Winter hier verbringen werden, sehen fürs Winterhalbjahr gut aus. Richtig vielversprechend sind die Reservierungen fürs Winter-Halbjahr, da haben wir mehr Anmeldungen als üblich.

MARE PIU: Wie geht das denn? Glaubt man der Presse in Deutschland, dann ist Griechenland in wenigen Tagen zahlungsunfähig, die Banken schließen und nichts geht mehr?

MIKHALIS FARSARIS: Die internationale Presse hat sicher auch einen großen Anteil an der chaotischen Situation, die hier herrscht. Vergangene Woche erschien in der FINANCIAL TIMES ein Bericht, nach dem griechische Spar-Guthaben ab einer Höhe von 8.000 Euro für außerordentliche Abgaben an den Staat herangezogen werden sollen – ein Alptraum. Selbst in Zypern wurden beim Crash vor einigen Jahren nur Konten ab einer Höhe von 100.000 Euro belastet. Die mussten einfach über Nacht die Hälfte ihrer Guthaben an den Staat abgeben.

MARE PIU: Das verstehe ich nicht. Die Stimmung hier in Agios Nikolaos ist doch gut. Augenscheinlich ist doch alles wie immer?

MIKHALIS FARSARIS: Ist es ja auch. Eigentlich leben wir seit fünf Jahren mit dem Gefühl, dass der Bankrott unserer Banken und unseres Staates jederzeit möglich ist. Bereits 2010 war der griechische Staat de facto Pleite. Alle wussten das. Aber vor allem die Verantwortlichen in der EU wollten dies nicht wahrhaben und ließen nicht zu, dass der damalige Präsident Papandreu damals den aus heutiger Sicht klügeren Weg eines griechischen Staatsbankrotts einschlug. Stattdessen: viele Hilfsgelder, für die wir dankbar waren. Und die Troika.

MARE PIU: Und wieso sind die Menschen in Agios Nikolaos angesichts dessen, was bevorsteht, dann so ruhig?

MIKHALIS FARSARIS: Im Wissen um das, was kommen kann, haben die meisten Zuhause Reserven an Bargeld aufgebaut. „Pocket Money“. In Euro. Soweit es ging, wurden Spar-Guthaben aus den Banken heraus „ins Kopfkissen“ verlagert. Deshalb wird auch im Fall einer Bankenpleite alles weitergehen. Solange jemand, der ein Brot kauft, bar bezahlen, wird es nicht so übel. Schlimm wird es für die, die keine Reserven aufgebaut und keine Angehörigen haben.

MARE PIU: Schlägt denn die Begrenzung der täglichen Abhebung auf maximal 60 Euro nicht heute schon richtig durch?

MIKHALIS FARSARIS: Eigentlich nicht. Man geht halt täglich an den Bankautomaten und holt sich 60 Euro. Das macht 1.800 Euro im Monat: Das ist in Griechenland eine ganze Menge Geld… und es reicht in jedem Fall zum Leben. Richtig Probleme bekommen Menschen, die keine Bankkarte haben: Pensionäre, Menschen ohne Absicherung. Diese Personen dürfen pro Woche einmal 120  Euro am Schalter persönlich abheben. Auch das ergibt 480 Euro monatlich. Problem ist aber, dass sich jeden Tag bei den Banken etwas ändert und die Situation dort auch nicht einfach ist.

MARE PIU: Die Banken haben aber doch offiziell geschlossen?

MIKHALIS FARSARIS: Das ist richtig. Offiziell sind die Mitarbeiter der Banken im Urlaub. Aber die arbeiten weiter, denn hinter den zugezogenen Vorhängen sind Millionen von Transaktionen und Überweisungen täglich durchzuführen. Es ist viel mehr als sonst.

MARE PIU: Mehr Überweisungen kurz vor dem wirtschaftlichem Kollaps?

MIKHALIS FARSARIS: Das ist das Problem – und jedes Unternehmen, jeder Grieche und jede Griechin hat es: Keiner will wegen des über uns schwebenden Cuts viele Euros auf dem Konto haben. Also zahlt jeder seine Rechnungen sofort. „Everybody pays like hell.“ Ich habe zum Beispiel heute Vormittag meine Unternehmens-Steuern für 2014 an den griechischen Staat in Höhe von 73.367 Euro in einem Rutsch überwiesen. Normalerweise können wir das in sieben Raten machen, aber ich habe es aus den genannten Gründen vorgezogen, das gleich und sofort zu tun. Nur nichts auf dem Konto liegen lassen. Und unsere Pacht für die Strände an den griechischen Staat habe ich ebenfalls gleich überwiesen. Jeder versucht, jeden sofort zu bezahlen, und was Überweisungen angeht, so schnell wie möglich anzuweisen. Der Staat profitiert davon, in diesen Tagen macht er nur eins: Geld einsammeln.

Das alles funktioniert aber nur innerhalb Griechenlands. Überweisungen auf Auslandskonten sind nicht möglich. Und das macht es für uns Unternehmen sehr, sehr schwer, denn Griechenland ist Import-, nicht Export-Nation wie Deutschland. Wir müssen importieren. Und was wir einführen, das müssen wir auch bezahlen. Aber das derzeitige Chaos bei den Banken mit täglich wechselnden Vorschriften macht es nicht leichter.

MARE PIU: Was denken Sie als Unternehmer, was wirklich insgesamt schief ging?

MIKHALIS FARSARIS: Niemals hätten wir die Schulden so anwachsen lassen dürfen, wie das jetzt passiert ist. Ich wiederhole mich: Die beste Lösung wäre gewesen, Griechenland 2010 in die Insolvenz gehen zu lassen, als Griechenland tatsächlich insolvent war. Damals wäre nur Griechenland betroffen gewesen. Aber durch die Aufkäufe der maroden griechischen Bonds durch die EZB hängt nun auch jeder Europäer mit drin. Damals wären nur die griechischen Banken pleite gegangen, heute hängt Europa mit drin. Letztlich hat die Politik, haben EZB und IWF aus dem griechischen Drama ein europäisches gemacht. Und unsere Schulden wuchsen ins Untragbare. Das andere: Die von außen verordneten Ausgaben-Kürzungen trafen viele Griechen hart, sehr hart. Griechenland musste eine Menge vom IWF verordneter Cuts auf sich nehmen. Das hat der Wirtschaft nicht gut getan. Was wir gebraucht hätten, sind Reformen, die Geld in die Wirtschaft bringen und nicht abziehen.

MARE PIU: Aber was ging denn generell schief? Der europäische Grundgedanke „Wir geben Geld gegen die Einführung verbindlicher Standards“: warum hat die Umsetzung hier in Griechenland nicht funktioniert? Warum konnte kein funktionierendes Steuersystem aufgebaut werden? Warum bleiben die Reichen unbesteuert bis heute?

MIKHALIS FARSARIS: So traurig das klingt: Letztlich war jeder Regierung der politische Preis dafür zu hoch – den wollte keine griechische Regierung bezahlen. Wir sind damit tatsächlich gescheitert, unser Land grundlegend zu reformieren. Das andere: Irgendwann erschöpften sich Troika und IWF im Einfordern von Maßnahmen statt echter Reformen. Die Angst in den Geberländern begann, zu überwiegen.

MARE PIU: Können Sie ein Beispiel geben?

MIKHALIS FARSARIS: Zuletzt verlangte der IWF die Besteuerung der Tourismus-Unternehmen hier auf Kreta mit einem Schlag von 6,5% auf 23% zu erhöhen. Dies ist keine Reform, dies ist eine harte Maßnahme, die die wirtschaftliche Initiative auf der Insel im Zweifel eher abwürgt statt forciert. Das kann nicht gut gehen. Maßnahmen wie diese machten die Menschen richtig wütend.

MARE PIU: Und was lief am vergangenen Sonntag beim Referendum verkehrt? Wie kam es dazu, dass hier in Agios Nikolaos und in Heraklion tatsächlich mehr Menschen als im nationalen Durchschnitt mit „Nein“ stimmten?

MIKHALIS FARSARIS: Auch dies ist vielschichtig. Da war einerseits die berechtigte Wut der Menschen hier über die Ausgabenkürzungen, deren Folgen jeder zu spüren bekam. Das Zweite: Unsere Regierung ließ uns unfairer Weise nicht über die GRIECHISCHEN Reformvorschläge abstimmen; sondern über die der Geberländer, die zudem vom Tisch waren. 
Das Dritte: Unsere Regierung erklärte uns: „Yes“: das wäre nichts anderes als „to live as Europe’s slave“. Ein „Nein“ wäre gleichbedeutend mit „Wir verhandeln in Würde. Und kommen innerhalb 48 Stunden mit Europa zu einer Einigung.“ Das haben die Leute geglaubt. 
Den letzten, fatalen Ausschlag gaben dann aber die Stimmen europäischer Politiker, die den Griechen im Falle eines „Nein“ mit einem Ausscheiden aus Euro und Europa drohten. Das löste bei den meisten genau den gegenteiligen Effekt aus: Trotz. Und Ablehnung. Eben ein griechisches „Nein“. Die letzte Woche: das war hier in Griechenland wie nach 1945, es war Bürgerkrieg. Wer „Ja“ sagte, war fast Verräter.

MARE PIU: Und was wird jetzt passieren? Wie wird es weitergehen?

MIKHALIS FARSARIS: Da habe ich zwei Optionen im Kopf. Die erste ist schlimm. Die zweite ist bestenfalls ungewiss. 
Die erste: Es gibt langfristig keine Einigung. Wir fliegen aus dem Euro. Griechenland wird Venezuela: trotz vieler Assets (Griechenland ist ja nicht arm) bleiben die Regale der Supermärkte leer. Wir bekommen einen „Commandante“ als Regierungschef.
Die zweite: Wir bekommen parallele Währungen. Es ist unklar, wie das mit den Transaktionen auf internationaler Ebene dann laufen soll. Und es weiß keiner, wohin das führen wird. Aber letztlich, ob so oder so: Wir werden überleben, ob mit, ob ohne Euro. Es wird weitergehen.

                           Wer mehr über die MARINA AGIOS NIKOLAOS auf Kreta erfahren möchte, wo ich                        mit LEVJE derzeit liege: Hier klicken.
       
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Heute in Griechenland (4): Warum ein Unternehmer sagt: "Everybody inGreece Pays like Hell."

Vor Wochen bin ich auf LEVJE von der Türkei über Marmaris, Rhodos nach Kreta gesegelt. Überrascht von den Ereignissen in Griechenland am Sonntag bin ich aus Deutschland gestern zurückgekehrt zu meinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos, um von hier zu berichten.

 

Das ist Mikhalis Farsaris. Er ist Vorstand von DAEAN und damit zweierlei: Herr über fast alle Strände von Agios Nikolaos sowie der zugehörigen MARINA AGIOS NIKOLAOS mit 260 Liegeplätzen. Zwar gehören Ufer und Marina dem griechischen Staat, aber in Agios Nikolaos wurden – wie in anderen Gemeinden an der Küste auch – die Nutzungsrechte an eine private Gesellschaft übertragen, in diesem Fall DAEAN. Mikhalis Farsaris ist lange im Geschäft. Nebenbei betreibt er auch ein kleines Hotel.

MARE PIU: Wie läuft es bei Ihnen, drei Tage nach dem „Nein“?

MIKHALIS FARSARIS: Eigentlich läuft dieses Jahr für uns ganz gut. Wir haben bislang keine Einbrüche bei den Besuchern an den Stränden hier in Agios Nikolaos. Da gibts zwar immer mal die eine oder andere Verschiebung von Strand zu Strand. Mal läufts am einen besser. Mal am anderen. Aber in Summe sind wir im Umsatz auf Vorjahres-Niveau.
In der Liegeplatz-Vermietung hier in der Marina Agios Nikolaos sieht es ähnlich aus: Etwa 40% sind Einheimische, etwa 60% auswärtige Langfahrtsegler. Wir haben etwa 160 Liegeplatz für Schiffe über 10 Meter Länge. Die Festbuchungen der Langfahrtsegler, der „Live-Aboards“, die ihren Winter hier verbringen werden, sehen fürs Winterhalbjahr gut aus. Richtig vielversprechend sind die Reservierungen fürs Winter-Halbjahr, da haben wir mehr Anmeldungen als üblich.

MARE PIU: Wie geht das denn? Glaubt man der Presse in Deutschland, dann ist Griechenland in wenigen Tagen zahlungsunfähig, die Banken schließen und nichts geht mehr?

MIKHALIS FARSARIS: Die internationale Presse hat sicher auch einen großen Anteil an der chaotischen Situation, die hier herrscht. Vergangene Woche erschien in der FINANCIAL TIMES ein Bericht, nach dem griechische Spar-Guthaben ab einer Höhe von 8.000 Euro für außerordentliche Abgaben an den Staat herangezogen werden sollen – ein Alptraum. Selbst in Zypern wurden beim Crash vor einigen Jahren nur Konten ab einer Höhe von 100.000 Euro belastet. Die mussten einfach über Nacht die Hälfte ihrer Guthaben an den Staat abgeben.

MARE PIU: Das verstehe ich nicht. Die Stimmung hier in Agios Nikolaos ist doch gut. Augenscheinlich ist doch alles wie immer?

MIKHALIS FARSARIS: Ist es ja auch. Eigentlich leben wir seit fünf Jahren mit dem Gefühl, dass der Bankrott unserer Banken und unseres Staates jederzeit möglich ist. Bereits 2010 war der griechische Staat de facto Pleite. Alle wussten das. Aber vor allem die Verantwortlichen in der EU wollten dies nicht wahrhaben und ließen nicht zu, dass der damalige Präsident Papandreu damals den aus heutiger Sicht klügeren Weg eines griechischen Staatsbankrotts einschlug. Stattdessen: viele Hilfsgelder, für die wir dankbar waren. Und die Troika.

MARE PIU: Und wieso sind die Menschen in Agios Nikolaos angesichts dessen, was bevorsteht, dann so ruhig?

MIKHALIS FARSARIS: Im Wissen um das, was kommen kann, haben die meisten Zuhause Reserven an Bargeld aufgebaut. „Pocket Money“. In Euro. Soweit es ging, wurden Spar-Guthaben aus den Banken heraus „ins Kopfkissen“ verlagert. Deshalb wird auch im Fall einer Bankenpleite alles weitergehen. Solange jemand, der ein Brot kauft bar bezahlen, wird es nicht so übel. Schlimm wird es für die, die keine Reserven aufgebaut und keine Angehörigen haben.

 

MARE PIU: Schlägt denn die Begrenzung der täglichen Abhebung auf maximal 60 Euro nicht heute schon richtig durch?

MIKHALIS FARSARIS: Eigentlich nicht. Man geht halt täglich an den Bankautomaten und holt sich 60 Euro. Das macht 1.800 Euro im Monat: Das ist in Griechenland eine ganze Menge Geld… und es reicht in jedem Fall zum Leben. Richtig Probleme bekommen Menschen, die keine Bankkarte haben: Pensionäre, Menschen ohne Absicherung. Diese Personen dürfen pro Woche einmal 120  Euro am Schalter persönlich abheben. Auch das ergibt 480 Euro monatlich. Problem ist aber, dass sich jeden Tag bei den Banken etwas ändert und die Situation dort auch nicht einfach ist.

MARE PIU: Die Banken haben aber doch offiziell geschlossen?

MIKHALIS FARSARIS: Das ist richtig. Offiziell sind die Mitarbeiter der Banken im Urlaub. Aber die arbeiten weiter, denn hinter den zugezogenen Vorhängen sind Millionen von Transaktionen und Überweisungen täglich durchzuführen. Es ist viel mehr als sonst.

MARE PIU: Mehr Überweisungen kurz vor dem wirtschaftlichem Kollaps?

MIKHALIS FARSARIS: Das ist das Problem – und jedes Unternehmen, jeder Grieche und jede Griechin hat es: Keiner will wegen des über uns schwebenden Cuts viele Euros auf dem Konto haben. Also zahlt jeder seine Rechnungen sofort. „Everybody pays like hell.“ Ich habe zum Beispiel heute Vormittag meine Steuern für 2014 an den griechischen Staat in Höhe von 73.367 Euro in einem Rutsch überwiesen. Normalerweise können wir das in sieben Raten machen, aber ich habe es aus den genannten Gründen vorgezogen, das gleich und sofort zu tun. Nur nichts auf dem Konto liegen lassen. Und unsere Pacht für die Strände an den griechischen Staat habe ich ebenfalls gleich überwiesen. Jeder versucht, jeden sofort zu bezahlen, und was Überweisungen angeht, so schnell wie möglich anzuweisen. Der Staat profitiert davon, in diesen Tagen macht er nur eins: Geld einsammeln.

Das alles funktioniert aber nur innerhalb Griechenlands. Überweisungen auf Auslandskonten sind nicht möglich. Und das macht es für uns Unternehmen sehr, sehr schwer, denn Griechenland ist Import-, nicht Export-Nation wie Deutschland. Wir müssen importieren. Und was wir einführen, das müssen wir auch bezahlen. Aber das derzeitige Chaos bei den Banken mit täglich wechselnden Vorschriften macht es nicht leichter.

MARE PIU: Was denken Sie als Unternehmer, was wirklich insgesamt schief ging?

MIKHALIS FARSARIS: Niemals hätten wir die Schulden so anwachsen lassen dürfen, wie das jetzt passiert ist. Ich wiederhole mich: Die beste Lösung wäre gewesen, Griechenland 2010 in die Insolvenz gehen zu lassen, als Griechenland tatsächlich insolvent war. Damals wäre nur Griechenland betroffen gewesen. Aber durch die Aufkäufe der maroden griechischen Bonds durch die EZB hängt nun auch jeder Europäer mit drin. Damals wären nur die griechischen Banken pleite gegangen, heute hängt Europa mit drin. Letztlich hat die Politik, haben EZB und IWF aus dem griechischen Drama ein europäisches gemacht. Und unsere Schulden wuchsen ins Untragbare. Das andere: Die von außen verordneten Ausgaben-Kürzungen trafen viele Griechen hart, sehr hart. Griechenland musste eine Menge vom IWF verordneter Cuts auf sich nehmen. Das hat der Wirtschaft nicht gut getan. Was wir gebraucht hätten, sind Reformen, die Geld in die Wirtschaft bringen und nicht abziehen.

MARE PIU: Aber was ging denn generell schief? Der europäische Grundgedanke „Wir geben Geld gegen die Einführung verbindlicher Standards“: warum hat die Umsetzung hier in Griechenland nicht funktioniert? Warum konnte kein funktionierendes Steuersystem aufgebaut werden? Warum bleiben die Reichen unbesteuert bis heute?

MIKHALIS FARSARIS: So traurig das klingt: Letztlich war jeder Regierung der politische Preis dafür zu hoch – den wollte keine griechische Regierung bezahlen. Wir sind damit tatsächlich gescheitert, unser Land grundlegend zu reformieren. Das andere: Irgendwann erschöpften sich Troika und IWF im Einfordern von Maßnahmen statt echter Reformen. Die Angst in den Geberländern begann, zu überwiegen.

MARE PIU: Können Sie ein Beispiel geben?

MIKHALIS FARSARIS: Zuletzt verlangte der IWF die Besteuerung der Tourismus-Unternehmen hier auf Kreta mit einem Schlag von 6,5% auf 23% zu erhöhen. Dies ist keine Reform, dies ist eine harte Maßnahme, die die wirtschaftliche Initiative auf der Insel im Zweifel eher abwürgt statt forciert. Das kann nicht gut gehen. Maßnahmen wie diese machten die Menschen richtig wütend.

MARE PIU: Und was ging am vergangenen Sonntag beim Referendum schief? Wie kam es dazu, dass hier in Agios Nikolaos und in Heraklion tatsächlich mehr Menschen als im nationalen Durchschnitt mit „Nein“ stimmten?

MIKHALIS FARSARIS: Auch dies ist vielschichtig. Da war einerseits die berechtigte Wut der Menschen hier über die Ausgabenkürzungen, deren Folgen jeder zu spüren bekam. Das Zweite: Unsere Regierung ließ uns unfairer Weise nicht über die GRIECHISCHEN Reformvorschläge abstimmen; sondern über die der Geberländer, die zudem vom Tisch waren.
Das Dritte: Unsere Regierung erklärte uns: „Yes“: das wäre nichts anderes als „to kiss Europe’s arse“. Ein „Nein“ wäre gleichbedeutend mit „Wir verhandeln in Würde. Und kommen innerhalb 48 Stunden mit Europa zu einer Einigung.“ Das haben die Leute geglaubt.
Den letzten, fatalen Ausschlag gaben dann aber die Stimmen europäischer Politiker, die den Griechen im Falle eines „Nein“ mit einem Ausscheiden aus Euro und Europa drohten. Das löste bei den meisten genau den gegenteiligen Effekt aus: Trotz. Und Ablehnung. Eben ein griechisches „Nein“. Die letzte Woche: das war hier in Griechenland wie nach 1945, es war Bürgerkrieg. Wer „Ja“ sagte, war fast Verräter.

MARE PIU: Und was wird jetzt passieren? Wie wird es weitergehen?

MIKHALIS FARSARIS: Da habe ich zwei Optionen im Kopf. Die erste ist schlimm. Die zweite ist bestenfalls ungewiss.
Die erste: Es gibt langfristig keine Einigung. Wir fliegen aus dem Euro. Griechenland wird Venezuela: trotz vieler Assets (Griechenland ist ja nicht arm) bleiben die Regale der Supermärkte leer. Wir bekommen einen „Commandante“ als Regierungschef.
Die zweite: Wir bekommen parallele Währungen. Es ist unklar, wie das mit den Transaktionen auf internationaler Ebene dann laufen soll. Und es weiß keiner, wohin das führen wird. Aber letztlich, ob so oder so: Wir werden überleben, ob mit, ob ohne Euro. Es wird weitergehen.

Invasion der Kapuzenmännchen – Was braucht man wirklich an Bord?


Jedes Mal, wenn neben mir ein Schiff voll eingepackter Menschen mit Leuchtkapuzen anlegen will, ist höchste Alarmstufe angesagt. Es folgen meist Geschrei, Planlosigkeit und akute Gefahr für die Nachbarlieger. Bei einem Schiff mit einem Skipper im Pulli oder anderer „ziviler“ Kleidung besteht diese Sorge eher nie. Das Können der Crew scheint somit umgekehrt proportional zur Klassifikation der Kleidung zu stehen. Schwerwetter Offshore wird offenbar noch vor dem SBF angeschafft, ab einigen 1000 Seemeilen Erfahrung hat man dann wohl keine Lust mehr sich so dick zu verpacken und sucht nach etwas Gemütlicherem. Ohnehin war es mir stets ein Rätsel, warum in den Katalogen der meisten Ausrüster immer die Kleidung den Anfang macht. Und ganz hinten finden sich dann erst Farben, Lacke und Epoxy. Bei meinem alten Boot lese ich daher immer von hinten nach vorne und das Budget reicht dann grad mal für ein paar der hinteren Seiten und nie für die Vorderen. Was braucht man aber wirklich auf der Ostsee? Ich habe einfach mal die Sachen rausgesucht, die ich auch wirklich getragen habe und die irgendwie unter den Begriff Funktionskleidung fallen.


 
T-Shirts, Unterwäsche etc. lasse ich in der Auflistung weg. Gerade Anfängern möchte ich hiermit eine Übersicht über die wirklich wichtigen und praxiserprobten Kleidungstücke geben. Die alten Hasen haben eh schon ihre eigene Sammlung an Segelklamotten.

Kopfbedeckung: Ich hasse Kapuzen und deren beengendes Gefühl und Sichtfeld. Lieber habe ich eine nasse Mütze auf dem Kopf. Und so gibt es bei mir eine dicke Mütze und eine dünne Mütze (gut bei Wind, aber moderaten Temperaturen). Unter einer Baseballcap wird mir stets zu warm und sie neigt zum Wegfliegen. Bei Hitze und Sonne hat sich für mich übrigens ein Tuch bewährt (Bandana),  welches ich auf den Kopf knote und ständig mit Wasser tränke, um den Kopf zu kühlen.

Sonnenbrille: Ich benutze nur noch polarisierte, auch wenn sie dann teurer sind. Die Sonnenreflexionen auf dem Wasser gehen enorm auf die Augen, und ich möchte einfach nicht mehr ohne eine gute Sonnenbrille sein. Abends spürt man den Unterschied. Und möglichst rundum abschließen soll sie,  um Luftzug von den Augen abzuhalten. 

Schal: Als Glücksbringer und gegen einen steifen Nacken immer am Mann. 

Feste wasserdichte Jacke: Meine gab es sehr billig (€20.-) im Baumarkt. Sie ist warm, wasser- und winddicht und hat viele Taschen.  Irgendwann habe ich sie lieber angezogen als eine bei ebay erworbene spezielle Segeljacke (mit Kapuze).

Kapuzenpulli mit Futter: Allrounder auf See. Hält warm und den Wind ab. Mit der Kombination aus Pulli und erwähnter Jacke ist mir immer warm gewesen. Aber oft auch schnell zu warm.

Leichte wind- und regendichte Jacke: Mir fehlte bisher an Bord immer noch eine leichte, gemütliche Jacke. Die mal eben schnell übers T-Shirt gezogen, oder bei leichtem Regen über den Kapuzenpulli, warm und trocken hält. Ich warte dann gewöhnlich immer zulange und am Ende sind dann alle Klamotten nass. Umso mehr habe ich mich gefreut so eine Jacke  zum Testen von xyz zur Verfügung gestellt zu bekommen. Doch davon gleich mehr.

Handschuhe: Ein Paar mit Fingern gegen die Kälte, und eines ohne Finger zum Arbeiten. Beide sind ein Muss an Bord.

Segelhose: Mein Lieblingskleidungsstück. Die dicke Hose mit Trägern. Bei Wärme auch gerne nur mit T-Shirt. Wenn ich sie nicht anhabe, fühle ich mich wie ein Ritter ohne Rüstung. Verwundbar und unseemännisch. Sie ist warm, schützt die Nieren, ist an den Knien extra geschützt, wasserdicht und kann mit angezogenen Schuhen ausgezogen werden. Einziges Manko, keine Taschen für die Hände. Unter der Hose trage ich dann je nach Temperatur entweder nur Unterhose, lange Unterhose oder Jogginghose.

Schuhe: Schwierig!! Auch hier suche ich noch nach einer Kombination aus wasserdicht und leicht. Zurzeit habe ich entweder Turnschuhe oder Gummistiefel an, doch nichts für mittendrin.

Ende der Liste, das war‘s! Mehr brauchte ich von Mai bis Oktober auf der Ostsee  nicht. 

Und jetzt komme ich also nun wie versprochen zum Test der folgenden Jacke von Marinepool:


 
http://www.12seemeilen.de/marinepool-seaford-softshell-jacke-herren-schwarz.html
Ich erhielt sie zum Testen vom Ausrüster
http://www.12seemeilen.de/
wobei es der Firma sehr wichtig war einen möglichst objektiven Test zu erhalten, der sowohl positive als auch negative Punkte berücksichtigt. Das gefällt mir gut und so fange ich einmal mit meiner Anforderungsliste an diese leichte Jacke an.

Gemütlich, leicht und optisch ansprechend…sonst ziehe ich sie eh nicht an 
Winddicht, aber atmungsaktiv 
Abschließende Bündchen an den Ärmeln gegen den Wind
Anschmiegsamer Kragen
Wasserdicht bei leichtem (auch länger anhaltendem) Regen
Außentaschen für die Hände und eine Innentasche
Einsetzbar an warmen wie an kalten Tagen, also einen größeren Temperaturbereich abdeckend ohne Schwitzen oder Frieren

Jetzt wollen wir doch einmal sehen inwieweit die zu testende Jacke nun meinen Wünschen gerecht wird, und ob sie sogar eventuell einen Platz an Bord findet.

 Gut sieht sie aus. Farbwahl und Schnitt passen sehr gut. Die gesamte Verarbeitung wirkt extrem hochwertig; von den Nähten bis hin zu den Reißverschlüssen mit Zippverlängerungen. Dazu kommen viele Details wie der robuste Aufhänger, das Logo und der Marinepoolschriftzug. Mit der Jacke kann man sich in jedem Hafen sehen lassen, aber sie ist auch gut privat zu tragen, da sie nicht zu segelspezifisch aussieht. Innen ist sie mit einem sehr weichen Material gefüttert. Meine Anforderungen zu Punkt 1 sind damit zu 100% erfüllt. Das weckt mein Interesse auf mehr.

 Also raus in den Wind. Ich trage nur ein T-Shirt unter der Jacke und draußen weht es recht kräftig. Schnell noch die mit Klettband verstellbaren  Bündchen verschlossen, schon bin ich winddicht eingepackt. Von unten dringt noch etwas Luft  ein, aber auch hier (und oben am sehr angenehmen und individuell einstellbaren Kragen) finde ich die Möglichkeit mich mit praktischen Gummis  schnell komplett zu isolieren. Die interessanten Reißverschlüsse mit Gummierung lassen ebenfalls keinen Zug hindurch. Sehr gut! Auch beim weiteren Schreiben dieses Beitrages unter Deck komme ich, nach wie vor komplett isoliert, nicht ins Schwitzen. Punkte 2,3 und 4 sind damit ebenfalls sehr gut erfüllt. 


 
Für den weiteren Test habe ich jetzt erst einmal die passenden Bedingungen abgewartet. Diese bestanden im Laufe einer typischen norddeutschen Sommerwoche aus Regen, viel Wind, Sonne und Abkühlung bei einem Nachttörn. Einfaches Fazit: alle Bedingungen wurden perfekt gemeistert. Das Wasser perlt nur so von der Jacke ab; durch die gummierten Reißverschlüsse dringt auch bei längerem Regen nichts ein. Bei Kombination von Wind und Sonne bleibt man geschützt ohne ins Schwitzen zu kommen und auch nach dem Anlegemanöver schwitzt man nicht übermäßig. Und wenn dann ist es nicht Jacke geschuldet JSie hält auch nachts ausreichend warm, allerdings muss man dann je nach Bedarf noch etwas über dem T-Shirt anziehen. Ich habe es ja lieber etwas kühler, daher bin ich rundum zufrieden. Dazu habe ich zwei Außentaschen für meine Hände, ein für mich übrigens sehr wichtiger Punkt. 


 
Kurzum, selten habe ich mich in so kurzer Zeit an ein Kleidungsstück gewöhnt (mal abgesehen von meiner Segelhose) und die Jacke hat sofort ihren Platz an Bord gefunden. So fehlt mir dann in der Tat nur die geschützte Innentasche für Portemonnaie und/oder Handy. Andererseits bieten die Außentaschen dafür aber auch genug Platz. Die Jacke kommt mit einer Kapuze und diese ist sogar für mich OK, da sie mit insgesamt 3 Gummis extrem vielseitig verstellbar ist. Wer weiß, vielleicht gewöhne ich mich ja doch noch daran, diese meiner Mütze vorzuziehen?

So, nun bleibt als einzig echter Kritikpunkt für mich der doch recht hohe Preis von €199.-. Andererseits merkt man der Jacke den Preis auch in sämtlichen Details an. Optik, Material, Verarbeitung sind wirklich hochwertig und man kann sich auch mal in exklusiverer Umgebung sehen lassen. Und es fühlt sich auch gut an, mal etwas Hochwertiges zu tragen. Meiner Frau gefällt es sowieso. Der Punkt leichte Jacke ist somit endgültig von meiner Wunschliste abgehakt, jetzt bleibt nur noch die lästige Schuhfrage zu lösen…für alle Hinweise bin ich dankbar!

Heute in Griechenland (3): Warum Despina kein Geld von mir annimmt.

„Medikamente, Lebensmittel, Gas und Öl – vielen Griechen fehlt es schon jetzt am Nötigsten. Über eine humanitäre Katastrophe will kaum ein Spitzenpolitiker reden, doch intern und bei Hilfsorganisationen werden schon Szenarien durchgespielt“, schreibt SPIEGEL ONLINE heute abend auf seiner Titelseite. Zeilen wie diese legen den Schluß nahe, dass ein Land am Abgrund steht. Ich bin hier, um nachzusehen.

Heraklion, mit fast 175.000 Einwohnern immerhin viertgrößte Stadt Griechenlands: Lange Schlangen finde ich – aber nicht vor Banken und Geldautomaten, an denen ich vorbeischlendere. Sondern vor der Kasse des archäologischen Freigeländes von Knossos, wo Mittags alle Parkplätze belegt sind. Die Schlange ist mehr als 50 Meter lang. Ich höre: Ungarisch, Italienisch, Griechisch, Französisch, Englisch, Portugiesisch, Tschechisch, Russisch. In der Warteschlange vor Minotaurus‘ Palast scheint Europa wunderbar zu funktionieren.

Nachmittags im CARREFOUR-Supermarkt: Es ist nicht viel los – ist ja auch Nachmittag. Fehlen – siehe oben – tut in den Regalen eigentlich nichts. Niemand verdächtigt mich der Hamsterei, als ich – ganz Segler beim Aufbruch – einen Berg Mineralwasser zur Kasse schiebe, getoppt von einem Hügel Tomatenkonserven und Sardinendosen. Nein, in Hamsterstimmung aus Furcht vor dem Zusammenbruch ist hier auf Kreta auch kaum jemand. Ein griechisches Pärchen am prall gefüllten Käseregal, das sich irgendwie fürs Abendessen nicht entscheiden kann. 

Keine Krise? Alles nur Medien-Fake? Es fällt mir jedenfalls schwer, hier auf Kreta Krisenstimmung zu entdecken. Die zwei Wirte, mit denen ich sprach, sind zufrieden mit dem Geschäft in diesem Sommer bisher. Der Autoverleiher von SIXT auch. Der grinst, als ich ihn auf die westlichen Medien anspreche. Ja, das würde er auch lesen. Und sich wundern. 
Kann es sein, dass ein Land, das nur Tage vor dem großen Kollaps steht, so entspannt ist? Griechen, die in Kaffees ihren Frappé schlürfen? Ältere Dämchen, die gemächlichen Schrittes ihr Hündchen Gassi führen? Es passt alles nicht ins Bild des Landes, dessen Banken nur noch einen Hauch von der Insolvenz entfernt sind.


Fast schon denke ich, im falschen Land zu sein, so wie der Mann, der nach Brasilien wollte und dafür extra Spanisch paukte, nur um festzustellen: dass man das überall in Südamerika, nur in Brasilien nicht gebrauchen kann. Irrtum, denke ich also. Bis ich ins Museum von Heraklion gehe. 
An der Kasse des Museums will ich meinen Rucksack abgeben, aber man weist mich ein paar Schritte weiter, um das Museum herum, am Caffee vorbei. Und dort sitzt: Despina, Mitte 40, im Freien vor einem Blechregal mit zwei Koffern. Freundlich nimmt sie meinen Rucksack, ich frage, ob der bei ihr auch sicher sei, schließlich sei mein Computer drin, „ohne“ sei ich wertlos. Despina, offensichtlich halbseitig gelähmt, lächelt und sagt in gebrochenem Englisch, ich solle mir keine Sorgen machen, der Rucksack sei sicher bei ihr. Mühevoll malt sie eine „Sechs“ auf einen kleinen gelben Zettel, den solle ich nur ja wieder mitbringen. Und weil mir Despina das sagt, drum gebe ich den gelben Zettel mit der Sechs die Stunden, die ich im Museum verbringe, nicht mehr aus der Hand. 
Als ich zu Despina zurückkehre, sitzt sie immer noch im Freien vor dem Blechregal, in dem einsam mein schwarzer Rucksack liegt. Artig zeige ich meine „Sechs“, Despina händigt mir meinen Rucksack aus, ohne etwas dafür zu verlangen. Also greife ich in meine Tasche, will ihre Mühe vergelten. Aber Despina lehnt energisch ab. Nein nein, das ginge nicht. Nein, wirklich nicht.
Fast schon will ich gehen, da greife ich zu einer kleinen List, damit sie, die es sicher brauchen kann, doch noch etwas von mir annimmt: Ich gehe zurück und bitte sie, doch das Wenige anzunehmen und einem Menschen zu geben, den sie kenne und der gerade in Not sei. Wieder schüttelt Despina ihr Haupt: Das ginge nicht. Das dürfe sie nicht. Und lehnt entschlossen ab.

Belassen wir es bei dieser Geschichte von der aufrechten Despina. 

PS:
Ins Museum ging ich eigentlich nur wegen des Stier-Reliefs auf dem Foto oben. Es erschien vergangenes Wochenende in der SÜDDEUTSCHEN mit dem Hinweis, der Tourismus auf Kreta sei stark zurückgegangen seit Ausbruch der Krise. 
Das Stier-Relief fand ich im Museum. Als ich hinkam, war es umlagert von etwa 30 Chinesen. Die nächste Reisegruppe dahinter wartete bereits…

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