Schön, aber nicht unbedingt jedermanns Traum: Die BOOT wartet mit allerhand Superlativen auf. Im Folgenden ein Artikel über einige dort sichtbaren Superlative.
„Das erste baut man für seinen Feind.
Das zweite baut man für seinen Freund.
Das dritte baut man für sich selber.“
Jeder, der einmal ein Haus gebaut oder eine Wohnung selber renoviert hat, kennt diese kluge Weisheit. Oft denke ich: Vielleicht gilt für das eigene Boot das gleiche? Denn auch wenn ich LEVJE, mein derzeitiges Schiff, sehr liebe, heißt „ein eigenes Boot besitzen“ immer: Im Kopf schon am nächsten Boot arbeiten. Ob man glücklich ist mit seinem Boot oder nicht: Es gibt immer ein „Danach.“ Ein „Das-wird-dann-aber…“, das noch perfekter ist. Größer, natürlich. Und schneller. Nicht so schuckelig durch die Hacksee geht. Und… und … und.
Das Behältnis der Wünsche, die wir mit dem nächsten Boot verbinden, es ist unendlich groß. Was mich umtreibt, ist: ein Boot, um drauf zu leben. Sechs, sieben Monate im Jahr. Im Sommer, um behaglich draußen zu sein. Mit langen Cockpit-Bänken, um die Zeit gemütlich in Buchten zu verbringen, einfach arbeiten, gemütlich lesen, schreiben zu können. Und auf langen Segelschlägen komfortabel zu reisen. Im Winter gemütlich zum Drauf-Sein und trotzdem Erleben, was Draußen vor sich geht. Auch während dreier Tage türkischen Küstenregens mit 40mm Niederschlag pro 3h, wie die vergangene Woche. Oder in der Adria an Weihnachtstagen, an denen man sich bis Punkt vier im T-Shirt in der Sonne räkelt. Und sich dann, wenn die Sonne sinkt, ebenso schlagartig ins Innere seines Gehäuses zurückzieht, auf einen Tee oder was immer. Ein Boot, das zuverlässig und sicher draußen auf dem Meer ist. Und im Winter komfortabel.
Der Zaubertrank heißt: Vom nächsten Boot träumen. Das tut der Segler im Winter. Wenn er abends durch den Hafen schlendert. Und andere Boote ankuckt. Durchs Winterlager streift und schätzend Kielformen, Faltpropeller, Skeg-Konstruktionen betrachtet. Über Bootsmessen schlendert und zumindest einmal, einmal: auf jedem Wunschkandidaten drauf steht. Drin steht. Einmal drinnen durch geht, von vorn nach hinten. Und sich einmal den Kopf anhaut.
Der Traum vom nächsten Boot. Das ist auch der Stoff, aus dem man erfolgreiche Messen schneidert.
Also: mache auch ich mich auf den Weg zur BOOT nach Düsseldorf. Und die empfängt mich mit allerhand Superlativen. „Die weltgröße…“. „Die meisten…“. „Die weltweit größte…“, klären Moderator und Moderateuse erst einmal minutenlang beim erhofften Vortrag über „Navigation per Tablett“ auf, um dann nach Minuten die erste Frage zum Thema abzufeuern: „Segeln Sie denn mit Ipad oder Android?“ Hmpf.
Tatsächlich bietet die BOOT eine Menge Superlative: In den Hallen stehen unglaublich viele Boote herum. An Superlativen findet man:
Die schönsten Kurven.
Und die vor allem in der Klasse zwischen 22 und 30 Fuß. Hübsch anzusehen sind sie ja, fast alle. Das Segment der Binnensegler hat wahrhaft aufgerüstet: Optisch. Leistungsmäßig. Und auch verbal: „Daysailer“ heißen sie heute: Wunderschöne Teile, die hier herumstehen. 35-Fuß lange Unvernunft in ihrer bezauberndsten Form, um den Tag auf dem See abzuhängen. In diesem Segment hat sich schon wahrhaft viel getan, denkt man an die einstigen „Kartoffelsuppen-Kreuzer“ und „Brotzeit-Schifferl“ der Siebziger Jahre. Damals, als nicht nur Autos, sondern auch Boote noch „die Familie“ als Zielgruppe anvisierten, als Autos und Boote noch für Familien konzipiert und gebaut wurden und nicht als „Dienstwagen“ fürs morgendliche „Dienstwagen-Race“ auf dem Büro-Zubringer. „Daysailer“: ein schmuckes Segment. Aber wer kauft das? Oder ist „Daysailer“ die Antwort auf einen von schönen Gebrauchtbooten blockierten Markt? In dem nur mit ästhetischen Stimuli, mit „Ferrari-Effekten“ neue Käufer zu finden sind?
Der zäheste vom „Eigenen-Boot-Träumer“.
Mit einem Superlativ ganz anderer Art in der Klasse 22-30 Fuß wartet Digger mit seinem BENTE-Projekt auf: Ihn trieb die Suche nach dem, was „danach“ kommt beim Thema „Mein-ideales-Schiff-zum-drauf-Leben-ist-ein-kleines-Schiff“, sein Boot selbst zu konstruieren. Was auf der HANSEBOOT an Digger’s Messestand noch in Sperrholz im Entwurfstadium herumstand, hat jetzt Form angenommen. Der Wunsch, das ideale Boot zu finden, steht jetzt in GFK vor uns. Sieht verdammt schnell aus. Chapeau, Digger, für den Superlativ „der Zäheste“, was Durchhalte-Vermögen beim Traum vom eigenen Boot angeht.
Die allerneuesten Lärmendsten.
Superlative ganz anderer Art sind auch in Düsseldorf versammelt: die allerneuesten und lärmendsten Gizmos sind zu besichtigen, bevor sie uns im kommenden Sommer in den Buchten erfreuen werden. Ich habe mich im Sommer immer gefragt, welche Erdspalte sie wohl ausspuckt, all die Parasailer-Gizmo’s und lärmenden „Banana-Boats“. Jetzt weiß ichs. Die Erdspalte ist in Düsseldorf. An neuen lärmenden Superlativ-Gizmo’s hätten wir anzubieten:
Ein „Alien-Dings“, mit dem man – nebst Partnerin – fünf Meter am Gartenschlauch überm Meer schweben kann. Eine Art auf-den-Rücken-geschnallter Laubbläser, der den Nutzer der Schwerkraft entbindet. Man kann damit wie ein Ungeheuer von unter Wasser auftauchen. Und sich wie ein Käfer an langem Schlauch in die Luft erheben. Schaurig. Laut.
„Le dernier cri“ auf dem Banana-Boat-Sektor ist dieses „Dingsda“, das aussieht wie der stählerne Wurfstern eines Samurai. Ab nächstem Sommer zieht es gelangweilt Kreischende durch die Bucht. Er wird schön, der nächste Sommer.
Und mein Traum?
Und wie sieht es mit dem aus, was mich hierher trieb, auf die Messe? Ein Boot zum Drauf-Leben zwischen 31 und 37 Fuß? Mit meinen einfach 4 Regeln, die ich in einem früheren Beitrag zur HANSEBOOT formulierte? Stehhöhe? Lange Salonbänke? Lange Cockpitbänke? In den Wellen stabil? Im Hafen gemütlich wie eine Wohnung?
Zwischen 31 und 37 Fuß ist nicht soooo viel zu sehen in Düsseldorf. Die Hersteller frönen hier der Superlative, einem „The bigger the better.“ 58 Fuß-Yachten sind zu sehen, von Serien-Herstellern. Und die zeigen auch gleich 64-Fuß-Yachten und 82-Fuß-Yachten. Ist denn der Markt dafür so groß? Am Stand eines italienischen Segelyacht-Herstellers, den wir alle kennen und lieben für seine schönen und schnellen Schiffe in der über 40-Fuß-Klasse, und der tatsächlich mit Superlativ-guten Ideen beim Innendesign seiner Yachten aufwartet, komme ich der Wahrheit näher: „We had a very good show here in Dusseldorf“, sagt der Verkäufer, „we had so many interested sailors from Spain and Israel here, but unfortunately not from Germany.“
Aha.
„The Bigger, the better“ gilt also nur „for the happy Few“. Und die kommen derzeit nicht aus Germany.
Auf der Suche nach meinem Schiff zum „Drauf-Leben“, idealerweise zwischen 33 und 37 Fuß, gerate ich Düsseldorf auch an interessante Konzepte. An die eine oder andere Center-Cockpit-Yacht, auf der ich dann zum x-ten mal stehe. Auf einer HALLBERG-RASSY 40, zum Beispiel, der man aber unter Deck anmerkt, dass sie „von Außen nach Innen“ konstruiert ist – mit entsprechenden Schwachstellen im Innenraum.
Den konstruktiv genau anderen Weg – „von Innen nach Außen“ – ging SIRIUS, Werftbauer aus Plön. Leider auch nur mit größtmöglicher YACHT auf der Messe, einer 40er mit sechs Kojen und (!) eigenem (!!) Werkstatt-Raum (!!!). Das ist natürlich zu groß. Ich will allein drauf Leben. Und zu zweit. Gelegentlich zu Dritt. Aber als Konzept: Klasse.
Interessant natürlich auch das SENSE-Konzept von BENETEAU, das ich seit einigen Jahren verfolge. Aber in Düsseldorf liefert BENETEAU einen Superlativ der anderen Art ab, der mit der „Marketing-Zitrone der Messe“ für Kunden-größtmöglich-vor-den-Kopf-stoßendes Marketing prämiert werden sollte. Auf die BENETEAUs am Stand darf jeder, wie er will. Auf die ausgestellte SENSE darf nur, wen die Hostessen nach Vorlage seiner Visitenkarte & Registrierung & Gesichtsprüfung auch drauflassen. Lead-Generierung a-la Hau-drauf. Die SENSE, ein Boot zum „Drauf-Leben“? Verkauft mit KEMPINSKI- und HYATT-„For-the-happy-Few“-Effekt? Autsch.
Und so läßt mich denn die „Messe der Superlative“ etwas ratlos zurück, was meinen Traum angeht vom idealen Boot, um drauf zu leben. Aber vielleicht gehört ja auch das zum Spiel. Und macht die Schönheit des Lebens aus: Einen Traum zu haben ist das Wichtige. DAS ist das Elexier. Und vor allem: das MACHEN.
Die Beeindruckendsten.
Einen Superlativ aber liefert mir die Messe dann doch. Zum „Boot-Kucken“ komme ich ja nur in den Gesprächspausen. Denn die Messe ist angefüllt mit Gesprächen. Mit Vertriebspartnern. Mit Autoren unseres ersten Buchprojektes GEWITTERSEGELN, denen wir Konzept und Layout unseres Buches, das im März erscheinen wird, vorstellen. Und ein ums andere Mal, bin ich beeindruckt von den Leuten, die ich zum ersten Mal kennenlerne und die uns ihre Beiträge, ihre Geschichten für das Buch zur Verfügung stellen. Keiner von den „Happy-Few“. Aber alles SeglerInnen mit großer Leidenschaft für Boot und Segeln. Was mich an diesen Leuten beeindruckt, ist ihre Offenheit, der Schalk, der aus den Augen von Conny und Kim blitzt. Die Entschlossenheit von Marc, der nach überstandener schwerer Tumor-Erkrankung seine nächsten Jahre anderen an Krebs Erkrankten schenken und mit Ihnen segeln gehen wird. Die Abgeklärtheit von Reinhardt oder die Leidenschaft von Ursula. Der Humor von Dirk. Claus, der das Meer irgendwie als Musik betrachtet – und er eine Note darin. Oder Peter mit seiner Geschichte, dass er nie aufs Wasser durfte im „anderen“ Deutschland, aus politischen Gründen. Und Last but not least Christopher, der bei aller Racing-Euphorie so ruhig und zurückhaltend war.
Ihnen – nicht den Düsseldorfer Superlativen – sei dieser Post gewidmet.