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Logbuch – Mittwoch, den 14. Januar 2015

Standort: Hamburg-Schnelsen, 4.ter Stock, Regen und Sturmböen

Der letzte Abschnitt des Logbuches meiner Ostseereise 2014 fehlte noch. Ich bin nach meiner Ankunft in Kiel und den Vorbereitungen auf meinen Vortrag bzw. der USA Reise einfach nicht mehr dazu gekommen. Daher nun der letzte Teil der Reise zur Vervollständigung für den interessierten Leser.

Von Svendborg ging es nach Abflauen des Sturms hart am Wind nach Avernakø. Im Hafenführer wurde eine neue Hafenmole mit Anlegemöglichkeit erwähnt, hier wurde es aber so flach, das ich (zum Glück gegen den Wind) sanft auf Grund kam. Kurz danach, und vom Wind wieder freigeblasen, legte ich dann einsam zwischen den Pfählen an und meldete mich beim Automaten für die Hafengebühr.

Avernakø am Rande der dänischen Südsee sollte mein letzter Absprunghafen in Richtung Festland werden. Doch auch hier wurde ich wieder eingeweht und der erste Versuch der Überfahrt scheiterte (siehe   ). Es gab auf der Insel um diese Jahreszeit nichts mehr zu unternehmen. Strandspaziergänge und die kostenlose warme Dusche waren meine Attraktionen. Später fuhr ich dann mit der Fähre ins halloweengeschmückte Faaborg, um dort für einige Stunden Abwechslung zu suchen. 

 Endlich passte das Wetter und ein wunderbarer Segeltag (täusche ich mich, oder wird in allen Berichten der letzte Segeltag immer als der Schönste dargestellt?) brachte mich in die Schlei, und weil es gerade so gut passte, bis in den Stadthafen von Kappeln. Auf etwas Action vorbereitet, war ich um so überraschter das keinerlei Querstrom herrschte. So, nun hatte ich wieder deutschen Boden unter den Füßen. Ein merkwürdiges Gefühl nach all den Tagen in Schweden und Dänemark. Interessant auch wie sich die Wahrnehmung von Entfernungen verändert, wenn man so lange unterwegs ist. Ich genoss den Abend und wäre gerne noch etwas länger in der Schlei geblieben, aber der Wetterbericht mahnte schon wieder zum Aufbruch in Richtung Kiel am nächsten Tage.

Kurz vor Maasholm traf ich dann meinem Kumpel Mike von klassisch-am-wind bei einem Skippertraining auf dem Folkeboot. Der Lehrling schaute recht ehrfürchtig drein, wie mein Boot so mit Autopilot und mir vorne am Mast dahinglitt. Wieder einmal die Saat für einen Traum gelegt.

Der Weg nach Kiel zog sich unspektakulär in die Länge und ich fuhr nur bis Laboe; hatte ich meine offizielle Rückkehr in Kiel-Düsternbrook doch erst für den übernächsten Tag vorhergesagt. Das Wetter wurde dann auch noch einmal wirklich mies, und ich war froh schon rechtzeitig „vor Ort“ zu sein. Aus Langeweile bin ich dann noch die kurze Meile bis Schilksee gefahren, nur um dort in der Hafeneinfahrt mit üblem Schwell zu kämpfen. Das ging alles grade mal so gut….ich sag es ja immer wieder, kurz vor der Ankunft muss man ganz besonders aufpassen.

Der letzte Tag meiner Reise brachte Sonne und Flaute, so das ich unter Diesel fahren musste. Nicht wie in meinen Träumen, aber auch OK. Wurde ich doch im Hafen von Frau, Familie und Freunden herzlichst empfangen und gefeiert. Nun musste nur noch das Boot aus dem Wasser. Dazu fuhr ich in den Nord-Ostsee-Kanal bis zur Rader Insel und verbrachte noch eine letzte Nacht an Bord. Morgens dann Mastlegen, Diesel einwintern und auskranen; das jährliche Gerödel. Und ehe ich mich versah war das Boot leergeräumt und ich stand mit meinen Klamotten vor der Tür, aus der ich 6 Monate vorher alles herausgeschleppt hatte. Schluss, Ende, Aus…unwiderbringlich, bis zum nächsten Mal!

 

VIDEO: Tage 18-20 – American Trilogy

Unsere 3-wöchige Rundreise geht zu Ende. Hier nun das letzte Roadmovie unseres Besuches bei Jack Daniels in Lynchburg.

So ganz kaufe ich denen hier ihr Marketingkonzeptnicht ab, welches besagt, das jeder Tropfen genau hier langsam und in Ruhe hergestellt wird. Ich vermisse die vielen LKWs, Abfüllanlagen, Flaschen, Karton, Container etc. für eine weltweit sicher riesige Produktionsmenge. Aber darum geht es letztendlich ja nicht. Die Romantik und das Flair von Destille und kleiner Stadt passen perfekt. Und es geht hier wirklich einmal entspannt zu. Die Rundtour ist interessant, alleine vom Geruch der großen Anlagen wird man schon beschwipst. 

Marketingtechnisch interessant auch die Single Barrel Society. Man kann für 8.000-12.000 Dollar ein ganzes speziell gelagertes Fass erwerben. Dieses wird dann in rund 250 Flaschen abgefüllt und ausgeliefert. Dazu bekommt man eine goldene Plakette an der Wand der Firma. Army, Obama, Sinatra und Motley Crüe hängen unter den vielen Namen an der Wand


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Nach diesem schönen Tag geht es über Chattanooga und Atlanta zurück in Richtung Rückflug. Wir besorgen noch ein paar Mitbringsel, besuchen eine befreundete Familie in Atlanta und treten dann den langen, langen Rückflug an. 3 Wochen und gute 5.000 Kilometer voller Erinnerungen bleiben hinter uns zurück. Ich bin der Geschichte der amerikanischen Musik ein Riesenstück nähergekommen und auch einige typisch amerikanische Verhaltensweisen sind vor Ort viel leichter nachzuvollziehen.

Kurzum: Es hätte besser nicht sein können!! Die Rückgewöhung nach Deutschland wird uns jedenfalls sehr, sehr schwer fallen. Aber es gibt ja zum Glück den Superbowl…

Der Cash-Song ist gesungen von Peter Caulton mit Band und mir am Bass.

Der Reiz des Einhandsegelns

War dir denn nie langweilig? Das wäre mir zu einsam! Die nach der Reise üblichen Fragen und Kommentare. Merkwürdig, aber während meines Törns habe ich darüber eigentlich nie viel nachgedacht. Gut, der Rückweg zog sich und als ich mehrere Tage in kaltem und nassem Wetter festlag, wurde mir schon manchmal einsam ums Herz. Aber sonst? Ständig neue Ziele und Eindrücke, täglich neue Pläne und immer alle Hände voll zu tun. Da hat man andere Dinge im Kopf als Langeweile und Einsamkeit. 

Im Gegenteil, jetzt mit einigen Wochen Abstand werden mir die Reize des Einhandsegelns erst richtig bewusst.

1) Tagesablauf nach Lust und Laune. Früh aufstehen, früh ins Bett oder andersherum. Wie es mir gerade passt. Keiner wartet auf mich oder mault wenn der Segeltag zu lang wird.
2) Zwölf Stunden auf dem Wasser oder einfach faul im Hafen bleiben. Spontane Entscheidung ohne Abstimmung mit der Crew.
3) Man ist nicht verantwortlich für das Wohlbefinden der sich einem als Skipper anvertrauenden Crew.
4) Einkaufen und Kochen ohne Diskussionen.
5) Wenn etwas kaputtgeht ist man selber Schuld und verfolgt nicht ständig andere mit Augen und Ohren.
6) Seekrankheit ist (bei mir zum Glück) kein Thema.

Durch diese Punkte gerät man in einen fast meditativen Zustand. Jeder Gedanke wird zu Ende gedacht, jeder Tagtraum ausgeträumt, wenn nicht gerade Wind und Welle die volle Aufmerksamkeit erfordern. Es ist als würde ein Teil des Gehirns ausgeschaltet bleiben. Es müssen keine Antworten formuliert werden auf  Fragen wie: Dauert es noch lange? Wo wollen wir denn heute noch hin?

Ja, Kommunikation kann durchaus auch sehr anstrengend sein.

Dazu einmal diese beiden Punkte: 
– Kommunikation findet immer in der inneren Erwartungshaltung statt, dass all das, was das Gesprächsgegenüber spricht, mit dem übereinstimmt, was wir nonverbal, also über den sprachlichen Inhalt hinaus, wahrnehmen. Soll heissen: Wenn der Segelpartner zitternd sagt: „Mir ist nicht kalt, segel gerne noch 3 Stunden weiter“ werden wir misstrauisch :-)
– Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch das: http://www.vier-ohren-modell.de/
Hier wird sehr schön deutlich wie die Frage: „Wie lange segeln wir heute noch?“ zu mehreren Interpretationen  führen kann (Habe ich selbst so erlebt).

Aber es gibt da eine Sache am Einhandsegeln, die mir wohl am Wertvollsten war. Und zwar die langen Abende nach einem Segeltag. Man hat gegessen, sich etwas ausgeruht. Es ist gegen sechs oder sieben Uhr. Hier im Norden dehnen sich die Tage,denn es wird kaum und sehr spät dunkel. Lesen, Schwimmen, Paddeln, Musikhören, durch die Natur laufen oder einfach nur träumend herumsitzen. Nie habe ich meine viele Zeit so deutlich gespürt, wie in diesen Augenblicken. Endlos dehnten sich die Stunden, und ich genoss jede Sekunde davon; ohne eine Spur von Langeweile! Zeit, Zeit, Zeit! Wie habe ich diese vor der Reise  vermisst…irgendwann krabbelt man dann, eher träge als müde, in die Koje um sofort wegzudämmern. In Vorfreude auf den nächsten Tag. 

Ich denke diese Momente kann man wohl nur alleine so intensiv erleben.

Der Segler im Winter. Und die vergessene Insel. Oder: Mallorca anders.

Der nordöstlichste Punkt Mallorcas: der Leuchtturm von Kap Formentor. Ein Leuchtturm an unwirtlichem Ort, oben auf den letzten Klippen und jetzt, ungewohnt im Winter, im milden Licht der untergehenden Sonne.

Egal, ob man jemals auf dieser Insel war oder nicht, ob wir sie zu kennen meinen oder nicht: Kaum eine Insel weckt in uns so viele Bilder, Assoziationen, Gedanken, Urteile wie Mallorca. Umso verblüffender ist der Winter auf der Insel. Leere Strände. Verlassene Buchten. Küstenorte und Häfen, einsam und still. Geschäfte und Läden geschlossen, Hotels am Strand verwaist. Es ist ein stilles Flanieren die breiten Küstenalleen in Port de Pollença. Am Strand ist niemand. Im Hafen arbeiten ein paar Fischer an ihren Booten, bringen Antifouling auf und Opfer-Anoden – jetzt schon? – ungewohnt im frühen Januar für den Segler, der ihnen bei der Arbeit zuschaut. Ob in der großen Marina von Alcùdia oder im kleinen Port de Soller: verlassen liegen die Boote, leergefegt und dunkel wie die Läden der Shipchandler und Yachtbroker und Teilehändler. Draußen in der großen Bucht schaukeln ein paar Ankerlieger auf Reede. Draußen unter Segeln ist keiner.

Das Wetter ist herrlich in diesen Tagen, bis auf ein paar Wolken über dem Hafen. Nicht der Regen, der hier im Winter am Meer so ganz anders ist als alles, was wir am Land kennen. Vor dem die Menschen selbst in den Landstädten ihre Hauseingänge mit Brettern verschalken, so fett und schwer fallen die Tropfen, dass im Nu die Hauseingänge überwunden werden von den Fluten und die schmalen Häuser voll Wasser stehen. Nein, es ist schönstes Wetter, „ein kleiner Sommer“, fast windstill, nur ein paar Slicks auf dem Wasser, wenn die Sonne ihre Bahn aufs Wasser zeichnet und der lange, lange Sonnenuntergang ins Weinglas einen Regenbogen zaubert.

Der Segler im Winter: Der kann hier träumen. An einsamen Stränden liegen. Durch leere Häfen streifen. Spanischen Lauten lauschen. Boote kucken. Pläne schmieden, was im Frühjahr noch zu tun ist, auf dem eigenen Boot. Denn lange wird es nicht mehr dauern: dann stehen wir unter dem Boot, schauen uns das fertige Antifouling an und schrauben, kurz bevor der Travellift kommt und das Boot wieder ins Wasser geht, Opfer-Anoden auf Welle und Kiel.

Mallorca im Winter ist anders. Eine vergessene Insel. Proper zwar, gepflegt. Auch im Winterschlaf. Aber wie so oft lohnt das, was wir zu kennen meinen und nicht der Rede wert, die Mühe des genau Hinschauens. Und eine Reise in ganz ungewohnter Jahreszeit.

VIDEO: Tage 15-17 – Nashville, Tennessee

Roadmovie Nashville

Von Memphis aus führte uns die Reise durch die amerikanische Musikgeschichte weiter nach Nashville, dem Zentrum der Countrymusik. War in Memphis noch der Geist der alten Zeit zu spüren, ist davon in Nashville sehr wenig übriggeblieben. Viele Neubauten und eine komplett durchorganisierte Musikindustrie prägen die Stadt. In Nashville leben um die 5.000 Songwriter und 4.000 Musiker, die hier ihr Glück versuchen. Doch wenige große Firmen haben hier alles fest in der Hand, und bestimmen was gerade aktuell und angesagt ist. Dadurch entsteht leider viel Einheitsbrei und wenig Innovatives, doch auch immer wieder große Verkaufserfolge. 

Interessant war das bereits am Neujahrsmorgen ab 10h in jeder Kneipe und Restaurants schon Bands spielten. Das wäre selbst auf dem Kiez in Hamburg undenkbar. Mit hat Nashville nicht so viel gegeben, mir ist doch zu sehr kommerzialisiert. Es gibt einfach wenig Unbekanntes zu entdecken und ein Souvenirladen reiht sich an den nächsten. Es mag aber auch daran gelegen haben, das wir zu Sylvester hier waren und die halbe Stadt für ein Riesenparty mit 100.000 Leuten abgesperrt wurde. So blieb uns nur wenig Zeit und keine Gelegenheit sich abseits der Touristenrouten umzusehen. 

Andererseits gefiel es uns dann doch jeden Morgen mit Livemusik frühstücken zu können. Es war auf jeden Fall gut einmal hier gewesen zu sein. Im Video hört ihr den Titel „Truck Driving Man“ aufgenommen 2005 mit der Band „Heartbreak Train“. Mit Kai, dem Gitarristen und Stephan, dem Drummer werde ich leider erst wieder im Rock’n’Roll Heaven spielen können…


Ich glaube nicht…

Zum Geburtstag wünsche ich mir…eine friedliche und besonnene Menschheit!

„Die vielen Jahre erfolgreichen Navigierens durch so manch stürmische See lassen einem zu einem erfahrenen Kapitän werden, den kaum ein Sturm mehr schrecken kann. Der mit Begeisterung und Optimismus die Wellen nimmt, um dann wieder ruhig und gelassen an die Küste zurückzukehren.“ So schreibt mir heute meine Bank zum Geburtstag. Entweder hat dort jemand eine poetische Ader, oder aber, wie ich vermute, es gibt dort einen Glückwunschschreibenbaukasten. Auf jeden Fall schön und treffend formuliert. Auf dem Rückflug aus den USA gab es ein Special über die von mir 2014 besuchten Aland-Inseln, welches jede Menge Erinnerungen an diesen für mich so einmaligen und friedlichen Segelsommer zurückbrachte. Daher, vor dem im Norden am Wochenende aufziehenden Sturm, noch einmal diese Bilder zum Träumen.

Angesichts der gestrigen Ereignisse in Frankreich wünsche ich mir, das sich die Menschheit ebenfalls nicht von einzelnen Stürmen schrecken lässt und die Ruhe und Besonnenheit bewahrt um zu friedlichen Ufern zurückzukehren. Es ist doch immer wieder besorgniserregend, wie es nur ein winziger Bruchteil der Menschheit schafft Unfrieden und Hass zu säen und  damit auch immer wieder durchkommt. Denn genau darum geht es ja immer und immer wieder.
 Einzeln zu schwach wird mit den immer gleichen Mitteln der Propaganda, ob nun politischer oder religiöser Art, probiert, die ja eigentlich friedliebende Menschheit in verschiedene Lager  zu spalten. Die sich dann möglichst auch noch kriegerisch bekämpfen. Ohne diese Spaltung und die mitmarschierenden Massen wären die großen Kriege und Konflikte nicht möglich. Wir müssen daher endlich lernen uns nicht von den wenigen machtsüchtigen Hasspredigern dieser Welt herumschubsen und beeinflussen zu lassen. Krisen kommen und gehen, wie Stürme, um danach wieder ruhiges Wasser zu hinterlassen.

Und nur wenn wir uns alle vor Angst kleinmachen, mitmarschieren und aufeinander einprügeln entsteht großer Schaden. Denn die aktuellen Terroraktionen sollen doch genau diese Schaden anrichten. Sie sollen uns verängstigen, aufspalten und gegeneinander kämpfen lassen. Jede dieser Aktionen hat den Zweck noch mehr Hass zu schüren, noch mehr Aufmerksamkeit und Presse zu generieren. Jede Reaktion, jede Berichterstattung führt dabei zu weiterer Eskalation. Bis sich gewaltbereite Gruppen bilden, die glauben sie müssten gegen andere Gruppen kämpfen. 
Ich denke, unsere Verantwortung liegt darin, dieses zu erkennen und da einfach nicht mehr mitzumachen. Uns nicht von wenigen Verblendeten zu den Werkzeugen ihres Hasses machen zu lassen. Lasst doch die Minderheiten einfach Minderheiten bleiben und ihren Hass unter sich ausmachen. Und je weniger Menschen dabei mitmachen, um so eher ist es vorbei. Lasst den Wind keinen Sturm werden, indem ihr mitmarschiert. 

Auf ein friedlicheres 2015 und in Gedenken an die friedliebenden Opfer, die es nicht verdient haben als Instrument des Hasses und Auslöser von Kriegen in unserer Erinnerung zu bleiben.

Die vergessenen Schiffe: Das Wrack der Olympia. Oder: The Big Blue.

Das Wrack der OLYMPIA an der Wesstspitze der Kykladeninsel Amorgos.

Da liegt sie, eingebettet ins tiefe, tiefe, tiefe Blau. Rostfarben. Immer noch gut erkennbar. Ein ungenutztes Rettungsboot hinten auf dem Oberdeck. Fenster, Türen längst von Wind und Wellen herausgeschlagen. Kein Kapitän mehr, der neben dem Steuerhaus steht. Und einen Anleger fährt.

Was genau genau vor 35 Jahren, am 13. Februar 1980 auf dem Frachter OLYMPIA, vormals INLAND, IMO-Nummer 51 61 653 vor der Westspitze der griechischen Insel Amorgos vor sich ging, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Ob sie einen Maschinenschaden hatte. Ob sie im auffrischenden Meltemi Anker warf und der nicht hielt. Ob sie eigentlich ein Schmugglerschiff war oder nicht. All das ist unklar. Klar ist, dass dieser Tag ihr letzter als seetüchtiges Schiff war. Sie lief auf Grund, schlug Leck. Selbst ein herbeigerufener Schlepper, die MATSAS STAR, war nicht mehr in der Lage, sie von den Felsen zu ziehen.
Man gab sie auf. Ließ sie liegen. Dort, wo sie gestrandet war. Das Schlimmste für den, der ein Schiff – ob groß, ob klein – führt. Ein braves Schiff. Und dessen schlimmes Ende.

Ein gestrandetes Schiff ist ein schrecklicher Anblick. Es ist das Sinnbild des Scheiterns. Nicht nur: „Es hat nicht geklappt.“ Sondern: Es ist nicht wieder gut zu machen. Irreversibel. Nicht zu ändern. Aus. Vorbei.

Und doch begann am 13. Februar 1980 das zweite Leben des Frachters OLYMPIA. Ein viel berühmteres, als der Frachter, den man 1950 im ostenglischen Goole auf der legendären gleichnamigen Werft gebaut hatte, zu Lebzeiten jemals hatte. Denn acht Jahre später entdeckte ein ehemaliger Tauchlehrer das Wrack auf Amorgos. Er war Kind zweier Tauchlehrer. Hatte seine Kindheit in Italien, Griechenland, dem damaligen Yugoslawien an der Küste verbracht. Wollte eigentlich Meeresbiologie werden. Aber das hatte eine Tauchunfall verhindert. Unwiderruflich.

Aber manchmal ist nicht vorüber, was vorüber zu sein scheint. Der Mann hatte mit 15, 16 als Schüler seine ersten Romane angefangen: Einen über eine Frau, die allein die Welt rettet, das fünfte Element. Einen über den Wettkampf zweier Taucher. Wer von ihnen beiden ohne Hilfsmittel tiefer tauchen könne: der liebenswert laut lärmende Enzo. Oder der still lächelnde Jacques, der mit den Delphinen schwamm.


Der Mann, der das Wrack der Olympia entdeckte, hieß Luc Besson und war Regisseur. Und der Film heißt The Big Blue. Und die Szene, die das Wrack der Olympia unsterblich machte, beginnt mit dem schönen, in der an wunderschönen Worten schwerreichen italienischen Sprache, dem laut laut über die Klippen hinaus gerufenen italienischen Hilferuf „AAiiiuuuuuuutooooooo.“

„Aiuto!“

Der Film ist längst Kult geworden bei denen, die das Meer lieben. Ein Film, den man wieder und wieder sehen mag ob der Schönheit seiner Bilder vom Meer. Ob der faszinierenden Geschichte zweier, die dem Meer, dem tiefen, tiefen Blau auf – ja genau: unergründliche Weise verfallen sind.

Die nicht wissen, warum das so ist. Und doch jeden, jeden Tag in Gedanken dort sind.
Auf dem Meer.


Die Ankerbucht an der Westspitze von Amorgos. Mitten drin mein Schiff LEVJE. Und wenige 100 Meter entfernt das Wrack der OLYMPIA.

Von Menschen und von Schiffen: Die vernachlässigten Schiffe.

Sie gehören zum Bild eines jeden Hafens: vernachlässigte Schiffe. Hier an einem Ort, den pro Jahr unzählige Yachten passieren: An der Einfahrt in den Kanal von Levkas, die man im Hintergrund sieht, und vor der Festung Santa Maura.

Es ist Teil des Traums. Und es gehört zum Segeln dazu, vom ersten Moment an, seit ich zum ersten Mal als frischgebackenes Mitglied einer Eignergemeinschaft mit dem Bandschleifer in der Hand auf der Werft von Andrea und seinem Babbo am Containerhafen von Livorno stand. Dort wo unser ganzer Stolz lag: Unsere JUANITA, eine FEELING 36, Baujahr 1983. Es gehörte von da ab zum Jahreslauf, einmal im Jahr zu Dritt, das Auto voll gepackt mit Werkzeug, Ausrüstung, Töpfen voll Abbeizmittel, Antifouling, Blauem Peter in ranzigen Arbeitsklamotten für eine Woche nebeneinander auf dem Boot zu stehen. Schadhaftes auszubessern. Neues anzubringen. Dem Motor, diesem dauernden Sorgenkind, mal wieder die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, damit er uns nur ja gewogen blieb, die Segelsaison über.

Zum Anblick von Andrea’s Werft gehörte neben den dort kreuz und quer eng nebeneinander aufgepallten Booten auch solche, auf denen im Frühjahr niemand stand. Solche, zwischen denen von Jahr zu Jahr das Unkraut höher schoss. Die sich von Jahr zu Jahr auf ihren Pallhölzern zur Seite neigten, müde von der Last der Jahre, tatsächlich aber, weil niemand mehr erschien, Schadhaftes auszubessern oder gar Neues anzubringen. Ich erinnere mich an eine gewaltige Segelyacht aus Stahlbeton, auch damit wurden schon Boote gebaut in den 70ern, 80ern, ein riesiger grauer Klotz in der Dunkelheit mitten aus dem Unkraut aufragend, wir konnten nicht anders, neugierig und aus maschinenbaulicher Neugier, als uns das Trumm in der Nacht aus der Nähe und von Innen anzusehen, Ein Gefährt zum Angsthaben ob seiner schieren Wucht, ein uralter Riese, grau, vernachlässigt, an manchen Stellen, an denen der Beton abgeplatzt war, kam sichtbar rostendes Stahlgeflecht zum Vorschein. „End of Life“, sagen Betriebswirtschaftler und Marketingleute über ein Produkt.

Es gehört aber nicht nur zum Anblick einer Werft. In jedem Hafen kann man in irgendeinem Winkel ein vernachlässigtes Schiff sehen, das einen dauert. Im pittoresken Piran ebenso wie im lauten Marmaris. Natürlich steckt hinter jedem dieser Schiffe eine Geschichte, und wenn ich könnte: dann würde ich sie aufschreiben, nicht nur die eine Geschichte meines Bootes, so wie Lefteris, dem ich in Korfu begegnete und der sich unrettbar in eine ABEKING & RASMUSSEN-Werft aus den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts verliebte. Oder die Geschichten, die der Seemann mit den traurigen Augen erzählt, der in Ancona Holzboote repariert. Sondern alle Geschichten, jede einzelne, die diese Boote erzählen. Geschichten erzählen, das können diese Boote, ja.

Es ist Teil des Traums. Ob arm, ob reich: In bester Absicht, voll Zuversicht und Vertrauen in sich und seine Kraft erwirbt man ein Boot. Lebt seinen Traum, ob groß, ob klein, ob dauernd oder nur wochenweise auf dem Wasser. Aber manchmal passiert dann etwas Unvorhergesehenes. Neigungen und Vorlieben ändern sich: Und das Boot, einst geliebt und gehätschelt, gerät aus den Augen, aus dem Sinn. Wird vernachlässigt. Mit Booten ist es wie mit Menschen.

Oder Schlimmeres geschieht, wir können uns nicht mehr kümmern.

Vernachlässigte Boote: das sind Spiegel unseres Selbst, unseres Daseins, unseres Umgangs mit Zeit und Älterwerden. Und Älterwerden, auch das ist Teil unseres Daseins. Es kommt nur nicht vor. Weder in unseren Träumen. Noch in den Hochglanzprospekt vom neuen Boot, den wir uns gerade ansehen.

Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass vernachlässigte Boote ihre Würde verloren haben. Ihr Zustand ist bemitleidenswert. Nichts, was wir uns für uns selbst noch jemand anderen wünschen würden.

Also: kümmern wir uns! Um unsere Boote. Aber vielleicht morgen auch mal um jemanden, der vernachlässigt ist. Der uns irgendwie einfach gerade begegnet. Denn das Leben: es ist voll von Begegnungen und Chancen. Jeden Tag. Für jeden. Auf dem Meer. Im Hafen. An Land.

7 Tipps, wie Sie es 2015 schaffen, 7 Wochen Segeln zu gehen.

Blick aus Monemvasia auf den östlichen Peloponnes. Ein Ort und eine Landschaft, die es wert sind, ein paar Mühen auf sich zu nehmen. Und aus dem Alltag auszubrechen. Siehe dazu auch das letzte Foto dieses Beitrages.

Gute Vorsätze. Ich konnte nie ohne. Ich kann nicht ohne. Und heute ist es Zeit, ein paar davon zu fassen. Neujahr ist auch Neustart. Ein bisschen jedenfalls immer. Die Chance, einfach mal neu anzufangen. 
Und deshalb: 7 Tipps, wie Sie es in 2015 schaffen, 7 Wochen Segeln zu gehen.

Familie. Und Beziehung. 
Will einer Segeln gehen, gehören meistens zwei dazu. Oder mehrere. Einer der segelt. Und einer, der „mitmacht“, die Entscheidung mitträgt, damit einverstanden ist. Egal, wie viele es sind: Hier hilft nur reden. Reden Sie frühzeitig über Ihrem Traum, einfach mal länger Segeln zu gehen. Setzen Sie Ihren Traum in die Welt, indem Sie ihn aussprechen. Beobachten Sie sich selber dabei, wie Sie Ihren Traum formulieren, und was Ihnen an diesem Traum wichtig ist.

Egal, ob man allein segeln geht oder zu zweit: Der Partner, die Partnerin müssen bei dieser Entscheidung „im Boot sein“, die Entscheidung mittragen. Hier hilft nur: reden. Wie beim nächsten Punkt auch.

Der liebe Job.

Sie sind angestellt. Sie sind sehr gut in Ihrem Job. Die Firma kann nicht auf Sie verzichten. Das ist ausgezeichnet! (Vorausgesetzt, Sie sind nicht so dumm und halten sich für nicht ersetzbar. Glauben Sie mir: das ist JEDER.)
Keine Firma kann es sich leisten, einen wichtigen Mitarbeiter zu frustrieren. Gehen Sie in mehreren Schritten vor:

1. Zeigen Sie Ihrem Chef über einen längeren Zeitraum, dass die Dinge dann gut laufen, wenn Sie im Urlaub sind. Aufträge kommen rein, obwohl sie nicht da sind. Die Abteilung läuft, wenn sie weg sind. Die Kunden machen keinen Radau, obwohl sie nicht im Haus sind.

2. Nähren Sie in Ihrer Firma das Gerücht: „Es läuft, wenn ich nicht da bin.“

3. Müssen Kollegen mit ins Boot, sprechen Sie frühzeitig mit ihnen. Erarbeiten Sie fertige Lösungen für Ihre Firma, wie das in Ihrer Abwesenheit klappen könnte. Unter guten Kollegen ist „dieses Jahr Du, nächstes Jahr ich“ immer möglich. Wichtig ist nur: dass Sie Ihrem Chef ein fertiges Konzept präsentieren. Eine Lösung, zu der er nicht nein sagen kann. Chefs sind Menschen, die froh sind um jedes Problem, das sie nicht zu lösen haben.

Erst, wenn Sie für jeden Punkt eine fertige Lösung haben, zünden Sie Stufe Drei:
Verhandeln Sie mit Ihrem Chef eine Auszeit von acht bis zehn Wochen. Platzen Sie damit nicht einfach in sein Büro. Sondern vereinbaren Sie mit ihm einen Gesprächstermin über die grundsätzliche Beurteilung Ihrer Arbeit. So etwas macht man nicht im Vorbeigehen. 
Die zehn Wochen wird er Ihnen nicht geben. Die acht Wochen vielleicht. Sechs mit Hartnäckigkeit immer. 

Fazit: Man muss drüber reden. Aber nicht „Holter-die-Polter“, sondern nach Plan. Und gründlicher Vorbereitung.


Das übliche türkische Transportmittel: ein Dolmus (gesprochen: Dolmusch). Klein, günstig, einfach. Und dank hervorragenden türkischen Handynetzes überall an den Küsten mit bester und schneller Internet-Verbindung.

Noch etwas:
Internet machts möglich: Niemals vorher in der Geschichte der Arbeit war der Zeitpunkt so günstig fürs „ortsungebundene Arbeiten“. In den fünf Monaten meines Törns fand ich als Segelnder, der kreuz und quer Küsten und Länder Slowenien, Italien, Griechenland und Türkei bereiste, dort beste Internet-Abdeckung vor. 5 oder 10 Gigabyte schnelles Netz für weit weniger, als ein vergleichbarer deutscher Handyvertrag kostet.
Jedes dieser Länder verfügt über bessere Handy-Netze und Internet-Anbindung als Deutschland. Auf dem Meer. An Land. Auf dem Meer, weil Handy-Netze überall die alte Seekommunikation ersetzen.
Es ist leider so: Wer mit dem türkischen Kleinbuch, dem Dolmus, von Marmaris zweieinhalb Stunden durchs türkische Hinterland an den Golfen entlang nach Bodrum fährt, hat durchgehend schnelle Internet-Verbindung. Und kann vom rumpelnden Bus aus ohne weiteres seine Kommunikation erledigen. 
Wer mit dem ICE von München nach Hannover fährt, fliegt wenige Kilometer nach München aus dem Netz. Oder zahlt für „Bord WLAN“ extra.

Weiterlesen: Über Segeln und Internet in Italien. Hier.
Weiterlesen: Über Segeln und Internet in Griechenland. Hier.
Weiterlesen: Über Segeln und Internet in der Türkei. Hier.

Das liebe Geld.

Denken Sie am Anfang daran: jeder Törn hat ein Ende. Und wie geht es danach weiter? Falls Sie nicht sofort in ein/in Ihr berufliches Verhältnis zurückkehren können, schaden ein paar Gedanken nicht: 

Wie lang werde ich brauchen, wieder etwas zu verdienen? 
Was brauche ich an monatlichen Rücklagen, bis wieder etwas reinkommt? 

Für einen Törn selber ist die Kostenrechnung nicht schwer. Denn SIE haben es selbst in der Hand, wie teuer Ihr Törn wird.
Mit der Wahl Ihres Schiffes. 
Mit der Wahl des Segelreviers.

Mit letzterem entscheidet man, wie teuer das Ganze wird. Ein Beispiel: Italien ist wunderschön. Hat aber wenig Inseln und noch weniger Buchten. Also muss man fast jeden Abend in den Hafen. Das kostet Liegegebühren. Und schon die alten Fahrensleute wußten: „Hafen meiden! Die Kohle ist weg!“. Aber nicht nur die Liegegebühren hauen rein. Als Freund guten Essens und guter Weine bleibe ich in Italien nur selten Abends auf Levje. Die Stadt ruft: Demgemäß kostet ein vierwöchiger Italientörn mit einem 31 Fuß Boot für eine Person schnell mal 3.000 Euro aufwärts, Treibstoff und Liegegebühren eingerechnet. 
Anders Griechenland: Viele Buchten. Kaum Häfen. Und wenn: dann kosten sie wenig. Hier hat man bereits unter 1.000 Euro im Monat ein herrliches Leben. In Kroatien und der Türkei wirds – aufgrund teurer Häfen – etwas teurer. Aber man hat es als Segler ja selber in der Hand, ob man ankert oder jede Nacht im Hafen verbringt. Im Schnitt, so habe ich in einem früheren Beitrag einmal geschrieben und die Kosten zusammengetragen, kostet mich Segeln um die 1.600 € bis 1.800 € monatlich.
Frankreich sicherlich teurer, Spanien ebenfalls. Nord- und Ostsee: je nachdem. Karibik: Kann man so oder so machen: Anreise teuer. Kann aber meist gut buchteln. Essen gehen? Überwiegend verzichtbar.

Fazit: Man hat es selbst in der Hand, wie teuer die Reise wird.

Weiterlesen bei: Was kosten eigentlich fünf Monate Segeln gehen? Hier.
Weiterlesen bei: Ein Schiff, um fünf Monate damit Segeln zu gehen. Hier.

„Ein Schiff! Ein Schiff!“


   Auf Milos: Die Bucht Agiou Dimitri ein paar Seemeilen nordwestlich der Hauptstadt.

Man muss nicht immer gleich eins kaufen. Denn eine Segelyacht zu besitzen, ist unter rationalen Gesichtspunkten eigentlich kaum vertretbar: 
Es ist nicht billig in der Anschaffung. 
Es verschlingt viel Zeit, man muss sich darum kümmern. 
Es verschlingt viel Geld für Liegeplatz und Unterhalt. Es liegt die meiste Zeit ungenutzt rum.
Und wer an einem Neujahrstag in irgendeiner Marina offen Auges spazierengeht, kann schnell abzählen, wie oft der Traum vom großen Törn geträumt, wie selten er gelebt wird.

Trotzdem: für mich ist auf dem eigenen Schiff Reisen das Schönste. Und: der Gebrauchtboot-Markt für Segelyachten bietet große Möglichkeiten: so günstig wie jetzt kam man lange Zeit an kein Schiff.

Ein zweiter Weg ist die Eigner-Gemeinschaft. Ein Schiff zu mehreren: das spart Kosten. Mit technischen Problemen ist man nie allein, zu Dritt löst sich etwas immer leichter. Und schöne Strecken kann man auch zurücklegen, wenn man gut koordiniert und nacheinander im Sommer zum Beispiel von Istrien in die Ägäis oder von der Türkei auf die toskanischen Inseln überführt. Verhandeln Sie aber schon bei Ihrem Einstieg in die Eigner-Gemeinschaft das Recht, einmalig das Schiff für drei Monate zu nutzen. Denn Gerangel gibts in Eigner-Gemeinschaften mit schulpflichtigen Kindern naturgemäß beim Thema „Wer darf wie lang in welchen Ferien“.

Leo hingegen hat’s ganz anders gemacht: Er hat sich als Selbständiger seinen Traum von einem sechswöchigen Ägäis-Törn erfüllt, indem er mit dem Vercharterer redete, bei dem er immer buchte. Er bekam sein Schiff, das er von vorangegangenen Törns gut kannte, von seinem Vercharterer für sechs Wochen zu Sonderkonditionen.

Zum Schluß das Allerwichtigste: 
Was immer ihr Traum ist, ob ein Segeltörn oder was immer ist: 
Warten Sie nicht, bis Sie sechzig sind. Dann machen Sie’s garantiert nicht mehr. 
Leben ist JETZT.


    Felsen und Stadt von Monemvasia auf dem Ostpeloponnes.

                                                               Weiterlesen bei: Wieviel Dinghi braucht der Mensch? Hier.
                                                               Weiterlesen bei: Der Traum vom großen Schiff. Hier.
                                                                    Weiterlesen bei: Monemvasia. Hier.

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Was vom Sommer übrig bleibt. Oder: Was ist Segeln, Teil II.

Zu leicht. Viel zu leicht vergesse ich: was vom Sommer, vom Segeln in diesem Jahr übrig blieb. Das Leben hier. Freunde. Familie. Das Weihnachtsfest. Es ist schön. Draussen liegt Schnee. Drinnen ist es warm. Das Zusammensein ist schön. Trotzdem.

Was vom Sommer übrig bleibt.

Da sind zunächst einmal Bilder.
Bilder von Orten, die ich besuchte, Gegenden, die zum ersten Mal sah.
Was bleibt: sind Begegnungen mit anderen Menschen. Kurze Momente im Hafen. Kleine Gespräche auf der Pier unterm Abendhimmel der südlichen Türkei. Oder irgendwo in der Stadt. Gesichter, die sich eingebrannt haben.
Was bleibt ist: die Erinnerung an Spektakuläres, was ich in mehr als 5 Monaten erlebte.
Was bleibt ist: Bilder, wie es ist, auf dem Meer zu sein.
Was bleibt ist: die Erinnerung an das Einfache. An das „nicht-alles-haben-können, aber-wohlig-zufrieden-mit-dem-sein, was-da-ist.“

Was ist Segeln? Hier ein zweiter Versuch darüber. Und viele Vorschläge, wohin Ihre Segelreise in 2015 gehen könnte:

                                                                Weiterlesen bei: Was ist Segeln, Teil I. Hier.

1. Orte
Orte. Das sind bewohnte, besiedelte Orte. Dazu gehören legendäre Orte wie Venedig. Und fast ist es müßig, das zu sagen:

Oder der Dom von Trani in Süditalien, an den ich mich seit Jahren erinnere und den ich immer wieder aufsuchen werde ob seiner Schönheit, direkt am Meer.

Aber auch Landschaften und Gegenden, die unbewohnt sind, gehören dazu. Die Lagunen von Venedig.

Die Einsamkeit und Gottverlassenheit des südöstlichen Peloponnes.

Die Schönheit des Klosters von Chozoviotissa auf Amorgos, in dem noch drei Mönche leben. Der Abt mit den zwinkernden Augen. Darüber werde ich im Januar berichten werde.

Der Berg Tahtali Dag in der südlichen Türkei. Der Berg der Götter oberhalb der antiken Stadt Phaselis. Der fast direkt am Meer von 0 auf 2.365 Meter ansteigt. Auf den ich Nachschauen ging und nichts anderes entdeckte als schneeige, schneidende Einsamkeit. Und eine überwältigende Aussicht.

Auf dem Tahtali Dag: Oben Schnee, unten Strand. Nämlich der von Kemer, zwischen den Drahtseilen der Seilbahn.

                                    Weiterlesen bei: Alle Artikel über Venedig. Wie man nach Venedig segelt. Wo  
                                                                       man in Venedig anlegt. Wen man in Venedig trifft. Hier.
                                    Weiterlesen bei: Mit der Segelyacht durch die Lagunen von Venedig. Hier. 
                                                                                                                                                Und hier.
                                    Weiterlesen bei: Auf Amorgos: Kloster Chozoviotissa. Hier. Ende Januar 2015.
                                    Weiterlesen bei: Der Dom von Trani. Hier.                                     
                                    Weiterlesen bei: Ankern vor dem Tahtali Dag. Der Berg der Götter. Hier.
                                    Weiterlesen bei: Auf dem Tahtali Dag. Hier. Ab Ende Januar 2015 

2. Begegnungen
Segeln ist Reisen durch Landschaften. Aber auch durch Menschen. Und so sehr ich oft geneigt war, zu denken: „Eigentlich komme ich ganz gut ohne Menschen aus“, so richtig ist genau das Gegenteil: „Ich brauche die Menschen“. Gerade, wenn ich auf dem Meer unterwegs bin.

Es sind oft die älteren Menschen, die es mir mit ihren Geschichten angetan haben. Die, die fast hinter sich haben, was die meisten von uns vor sich haben. Die, die irgendwo am Meer ein kleines Geschäft betreiben, auch jetzt im Alter noch einer Tätigkeit nachgehen, obwohl sie eigentlich zu alt dafür sind. Die, die es im Alter geschafft haben, im Leben zu stehen, etwas zu wissen über die Menschen, weil sie immer mit Ihnen kommunizierten, im Laden, im Beruf, ein Leben lang.

So wie Slobo, der mir gezeigt hat, dass Sprache überwertet ist.

Wie Cirillo Marocco in seiner Ferramenta in Grado.

Wie die beiden Fischer aus Trani, die beiden schlauen Burschen.

Wie der freundliche Herr Dimitris in Korfu, der mit mir wortlos seine Seeigel teilte.

Wie Medine, die Wäscherin aus Finike, über die ich Mitte Januar berichten werden.

                                                                       
                                         Weiterlesen bei: Slobo. Oder: Sprache ist überbewertet. Hier.
                                         Weiterlesen bei: Die Ferramenta des Cirrillo Marocco in Grado. Hier.
                                         Weiterlesen bei: Saverio Pastor, der Meister der Fòrcola aus Venedig. Hier.
                                         Weiterlesen bei: Dimitris. Oder: Wie schmecken eigentlich Seeigel? Hier.
                                         Weiterlesen bei: Wie wäscht man eigentlich auf Langfahrt? Oder: Medine          
                                                                    bügelt einen blauen Schlafanzug. Hier ab 15.1.2015
                                         Weiterlesen bei: Alle Artikel lesen über „Menschen am Meer.“ Hier.

3. Das Vergangene.
Was bleibt: ist auch die Erinnerung an Vergangenes. An die Menschen, die vor uns gelebt haben und auf deren Spuren ich fast überall auf meiner Route an den Küsten stoße. Es ist wie ein kostbares Buch, das sich manchmal vor mir öffnet und in dem ich nachlese: wie es früher, vor Jahrzehnten, vor Jahrhunderten, vor Jahrtausenden an diesem Ort war.

    Kopf eines römischen Händlers im Museum von Antalya.

Es ist: als würden uns die Menschen über Jahrtausende ansehen, uns direkt. Zu uns sprechen. Mahnend. Wissend. Unendlich geduldig. Gütig. Und streng zugleich.


    Spätrömische Mosaiken in den Ruinen von Nikopolis, der Stadt des Augustus bei Preveza.

Und oft ist das, was von Ihnen blieb, nicht mehr als ein leises Mahnen. So wie in Patara. Wo die Gegenwart auf drei Epochen trifft: Das lykische Grab aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Das römische Stadttor aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Und die Ruinen aus der frühen Epoche der Islamisierung im 8. Jahrhundert.

4. Das Spektakuläre
Gelegentlich schleicht sich auch die Erinnerung an Spektakuläres ins Bild.


Die Erinnerung an MICOPERA TRENTA, das Kranschiff, das half, die COSTA CONCORDIA vor Giglio wieder richtig rum zu drehen. Und der mich in Ortona jeden Morgen weckte, als er mit dem Geräusch eines überdimensionalen Druckluftschraubers angeworfen wurde.

An die Gewitter, die ich unterwegs erlebte, vor Korfu. Vor Vieste.

An das langsame Gewitter, den Blitz über mir in der Gemiler Reede.

An die Wolkentürme über dem Meer. Aber damit sind wir dann schon bei m wichtigsten Punkt. Bei:

                                                       Weiterlesen bei: Der Kran, der die COSTA CONCORDIA wieder        
                                                                                                                      richtig rum drehte.Hier
                                                       Weiterlesen bei: Von schnellen Gwittern. Und von langsamen. Hier

5. Auf dem Meer.
Und dies sind die stärksten Bilder. Wie es war. Wie es ist auf dem Meer.

Wie es war mit Levje in den Lagunen von Grado. Und mit LEVJE auf der Fahrt durch die Lagunen von Venedig.

Die Erfahrung, einhand im Starkwind durch die Straße von Otranto zu Segeln, hinauszuschauen zu den Wellenkämmen und keine Angst zu spüren, sondern Freude.

Die Einfahrt in die große Bucht von Milos.

Die goldene Straße, die der Mond in der Bucht von Milos übers Wasser zeichnet. Genau auf LEVJE zu.

Die Ansteuerung von Antalya in der Abenddämmerung, hindurch zwischen anderen Frachtern.

Es sind einfache, ziemlich einfache Freuden, die das Leben lebenswert machen.

                                             Weiterlesen bei: In den Lagunen von Grado. Hier.
                                             Weiterlesen und Video schauen bei: Einhand durch die Straße 
                                                                                                                           von Otranto. Hier.
                                           

6. Simple Things.
Überhaupt ist es das Einfache, was die Schönheit des Segelns ausmacht. Das Einfache, was einen intensiven Eindruck hinterlässt. Zwei Festmacher, die nach zwei, drei einfachen Windungen jeder Belastung durch Wind und Welle standhalten.

    … wie heißt doch der Knoten gleich wieder?

Die Einfachheit, mit der ich meine zwei, drei Dinge an Bord von LEVJE staue.

Die Einfachheit des äußeren Lebens. Zum Beispiel auf dem großen Markt jeden Samstag tagsüber in Finike.

                   
                                                     Weiterlesen bei: Was für einer ist das denn? Mit Knoten ist es wie
                                                                                                                                  mit Menschen. Hier.
                                                     Weiterlesen bei: Ein Schiff, um fünf Monate damit zu Segeln. Hier.
                                                     Weiterlesen bei: Was kosten fünf Monate Segeln im Mittelmeer. Hier.

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Was ist eigentlich Segeln?

Für die einen ist es das Nonplusultra. Das, wofür sie leben, auch wenn sie im täglichen Leben etwas ganz anderes machen. Und fest im Leben stehen. Vor vielen Jahren las ich die Geschichte eines Chirurgen, dessen Tochter sagte: „Eigentlich hat mein Vater nur fürs Segeln gelebt. Für die Stunden auf dem Wasser. Er hat seinen Beruf geliebt. Und seine Familie. Aber gelebt hat er nur für die Stunden auf dem Wasser.“

Wie leicht kann jeder die Bilder dieses Sommers in sich wachrufen, jetzt, wo die Dunkelheit der Nacht am längsten und der Tag nicht über ein kurzes Grau hinauskommt. Damit ich nicht vergesse. Die Bilder, die ich oft in quälend langen Meetings wachrief: Das Türkis des Meeres im Juli, das oft in ein Grün übergeht, bevor der Regen einsetzt. 
Damit ich nicht vergesse.
Segeln ist: Im Niedergang sitzen und dem Regen zuschauen. 
Segeln ist: Auf dem Vordeck in der Sonne liegen, Musik hören, während LEVJE im Wind schwoit. Segeln ist: das Sieben-Uhr-Abendläuten an einem Sommerabend ankernd in der Bucht von Cres. Der Frieden im Hafen von Antalya, ein Glas kalten Weiswein in der Hand, nach einem langen Segeltag. 
Segeln ist: Nachts in LEVJE’s Koje leicht in den Schlaf gewiegt werden. Ein schwereloses Schaukeln. Und Einschlafen im leisen Geplätscher an der Bordwand. 
Segeln ist: Neugierig hinter jede Huk schauen wollen, immer weiter. Fahren wollen, immer weiter. Segeln ist… 

Damit ich nicht vergesse:  

Segeln ist:
Herausfinden, was man wirklich braucht.
Was man nicht braucht. 

Als ich die ersten 10 Wochen auf dem Meer unterwegs war, schrieb ich einen Beitrag darüber, was ich brauche. Und was ich nicht brauche. Es waren überwiegend einfache Dinge, die im Gegenzug zu vorher plötzlich Bedeutung hatten. 
Meinen Hut. Als Schutz vor sengender Sonne. 
Die Flasche Wasser in der Juli-Hitze. 
Das Ipad, auf dem ich meine gesamte Navigation mache. Und weil es meine Verbindung zur Welt ist. Und noch einige Sachen fielen mir ein. Aber es waren alles sehr, sehr einfache Dinge. 

Das Leben wird auf verblüffende Weise einfach, man braucht kein Buch mehr zu lesen mit dem Titel „Simplify your Life“. Denn das Leben wird einfach, auch in den paar Wochen, die man als „Jahresurlaub“ auf dem Meer verbringt. Es ist, als würden Leinen von uns abfallen, die uns in diesem Augenblick hierhin zerren. Und im nächsten dorthin – aber selten in die Richtung, in die WIR ursprünglich eigentlich mal wollten. Das Gezerre: es hat ein Ende. Beim Segeln.

                                                                          Weiterlesen bei: Resümee nach 10 Wochen. Hier.
                                                                          Weiterlesen bei: Wär ich Gott, würd ich hier     
                                                                                                     wohnen: Im Dom von Trani. Hier

Segeln ist: 
Wir. Und die Elemente.

19. Dezember 2014. Ein Tag irgendwo in einem wohlhabenden Land mitten in Europa:
Es ist schwierig, die Kräfte und Mächte zu verstehen, die an diesem Tag in diesem Land auf mein Leben einwirken. Und vor allem: mein Leben sehr dominant bestimmen.
Die Elemente, die Jahrtausende unser Leben bestimmten, haben wir gezähmt. Scheinbar. Der Winter macht uns keine Angst mehr. Ein Gewitter nehmen wir in unserer zentralbeheizten, vollgedämmten Wohnung kaum noch wahr. Ein trockener Sommer, der früher Hunger verhieß, bringt uns nicht um. Was früher sichtbar Einfluß hatte auf unser Leben ist heute gebändigt. Es zeigt nur gelegentlich die Krallen: Tsunamis, Taifune, Orkankatastrophen, die kennen wir nur mehr aus dem Fernsehen. Was früher unser Leben bestimmte: es ist weg.

Aber vor allem: Es wurde ersetzt durch Kräfte und Mächte, die wir nicht mehr sinnlich erfahren. Und schlimmer noch: nicht mehr verstehen. Warum hat der Zug heute früh schon wieder eine halbe Stunde Verspätung? Und schmeißt meinen Tag um? Ein Aufsichtsrat nickt die Entscheidung seines Vorstands ab, diese oder jene neue Firma zu gründen. Oder dieses oder jenes Produkt massiv in den Markt zu drücken. Was ist das, „Aufsichtsrat“? Hat es ein Gesicht? Kann ich es beschimpfen, gar ohrfeigen, wenn ich wütend bin? Irgendeines Unternehmens Werbekampagne weckt den Wunsch in mir, dieses oder jenes sofort zu bestellen, zu kaufen, „haben“ zu wollen. Kenne ich dieses Unternehmen? Na klar, sagen wir: „ich kenne die Marke“. Aber kenne ich meine Beweggründe, warum ich dies, das, jenes jetzt haben will? Und: wenn ich anfange, in dem Brei, „Marke“ genannt, herumzukratzen, auf den Boden des Topfes schauen zu wollen: was bleibt dann? Am Boden des Topfes oft nicht mehr als die leere Begriffe. „Umsatz“, „Shareholder Value“, „Wachstum“, „Rendite“ haben kein Gesicht.
Nein, die Kräfte, die bestimmend auf unser Leben einwirken, sind nicht mehr zu verstehen. Anders als früher Gott, haben sie kein Gesicht. Sie sind zu vielfältig geworden. Es ist zu komplex geworden.

Für den, der segelnd auf dem Meer unterwegs ist, reduziert sich die Undurchschaubarkeit dessen, was unser Leben bestimmt, ganz erheblich: „Nordwest 4-5 mit Seegang 2.“ Dies ist die Kraft, die heute meinem Segeltag bestimmt. Segeln schärft den Blick, für das, was unser Leben bestimmt. Und was wirklich in diesem Leben wichtig ist.

Klar gibts auch da Unvorhergesehenes: LEVJE’s Kühlwasserpumpe, die plötzlich mitten in den Wellen den Motor warnend pfeiffen läßt, weil sie den Geist aufgibt. Der Meltemi, der halt nicht als „Nordwest 4-5“, sondern als „6-7“ daherkommt. Oder eine leichte Lebensmittelvergiftung, die mich flachlegt. Oder ein Hafenmeister, der vor LEVJE austickt.

Wir beherrschen die Kräfte, die unser Leben bestimmen, auf dem Meer ebensowenig wie die Kräfte an einem x-beliebigen Tag in dem wohlhabenden Land mitten in Europa. Der Unterschied ist: auf dem Meer verstehen wir die Kräfte, die auf unser Leben wirken. Wir sehen sie. Wir können sie sinnlich erfahren. Wir können uns auf sie einstellen. Wir verstehen sie. Fast zu 100%. Sie sind einfach. 
Und vielleicht ist es das, was uns auf dem Meer sagen läßt: „Das Leben ist hier draußen so wunderbar einfach.“

                                               
                                                 Weiterlesen bei: Reden wir mal über die Angst. Hier.
                                                 Weiterlesen bei: 5 Monate Segeln – was bringt das? Hier.
                                                 Weiterlesen über den grollenden Hafenmeister von Peschici und       
                                                                    das liebe Geld? Hier.

Segeln ist: 
„Da wird eine Taste gedrückt. 
Und ein Urprogramm beginnt unweigerlich in uns abzulaufen.“

Für die manchen ist Segeln auch ein bisschen Hassliebe. Eigentlich ist für sie ihr Leben, das sie am Land leben, vollkommen in Ordnung. Es passt alles. Alles ist gut. Und im Lot.

Aber wehe, wenn sie auf dem Meer unterwegs sind: Dann ist alles anders. Der Blick in die Weite. Der leichte Wind, der besänftigend durch die Alltagsklamotten streicht. Das sanfte Wiegen auf dem Wasser. Dann wird etwas aufgerufen. Etwas wachgeküsst. Etwas, was mir Richard, ein alter Segler auf einem meiner ersten Törns mit den Worten des Ingenieurs und Erfinders, der Richard im Leben nun mal war, so erklärt hat: „Es ist, als wären wir ein Kassettenrecorder: Am Meer wird in uns eine Taste gedrückt. Und ein Lied oder ein Software-Programm, dass seit Urzeiten in uns einprogrammiert ist, beginnt zu laufen.“

Segeln ist:
„Das dümmliche Grinsen.“

Gelegentlich kommen, wie auf meiner fünfmonatigen Reise von Triest nach Antalya, auch Menschen aufs Boot und begleiten mich ein Stück. Freunde, die schon mal mitgesegelt sind. Meistens nehme ich jemanden mit, Freunde, Kollegen, weil ich denke, dass wir uns etwas zu sagen haben. Ich stelle mir vor, dass ich gerne mit Ihnen einen Abend in der Bucht verbringe: Dass wir gemeinsam abends Gedanken übers Leben lustvoll & locker drehen und wenden, so wie eine Auberginenscheibe in Mehl und Ei, bevor sie in die Pfanne kommt. Manchmal sind es Menschen, die ich gut kenne. Und die das Segeln kennen. Manchmal sind es Menschen, die ich kaum kenne. Denn am liebsten nehme ich Menschen mit, die eigentlich noch nie gesegelt sind. So wie Andreas, der mich in diesem Sommer begleitet hat vom Peloponnes bis Milos. Es hat mich immer gereizt, Menschen mitzunehmen, die noch nie gesegelt sind. Darüber, wie man vorher rausfindet, ob Segeln etwas für jemanden ist, ob er seekrank wird oder nicht, schrieb ich bereits in meinem Beitrag über das Segeln mit Nichtseglern.

                                                                                         Weiterlesen bei: Segeln mit Nichtseglern.

Um herauszufinden, ob sich jemand beim Segeln auf dem Boot wohlfühlt, gibt es einen einfachen Dreh: Sind die Leinen los, sind wir vom Liegeplatz weg, sind wir draußen unter Segel, dann drücke ich demjenigen einfach LEVJE’s Pinne in die Hand: „Halt mal kurz.“ Ganz absichtslos.

Für den, der noch nie gesegelt ist, ist die Pinne ein totes Stück Holz. Ein Fremdkörper. Etwas, das so verkehrt in der Hand ist wie 15 Regenwürmer. Aber oft stellt sich auf dem Gesicht desjenigen etwas ein, was ich „das dümmliche Grinsen“ nenne. Konzentration. Entspannung. Freude. Darüber, wie sich das Schiff, LEVJE, anfühlt, wenn man sie durch die Wellen steuert. Wie sich LEVJE leicht auf die Seite neigt und beginnt, mit leicht wiegenden Bewegungen durch die Wellen zu gleiten, zu schnüren wie ein Fuchs, der im Schnee konzentriert einer Fährte folgt. Dreieinhalb Tonnen, die sich, schwer wie ein 31-Fuß-Stahlcontainer, doch leicht wie eine reinweiße Feder vom Wind fortwehen lassen.  Ein leichtes Grinsen im Gesicht. Ein Konzentriertsein auf das Schiff, auf LEVJE, und wie sie auf leichte Bewegung der Pinne reagiert. Es ist viel, was sich in so einem Moment auf dem Gesicht desjenigen abspielt. Aber das „dümmliche Grinsen“: es ist unübersehbar. Es kündet von Glück. Und davon, dass hier eine(r) angekommen und am richtigen Platz ist.

Segeln ist: 

„Meinen Ort finden.“

Sulu Adasi, die Insel Sulu: eine Tagesreise südsüdwestlich von Antalya gelegen.

Segeln: das ist für mich meinen Ort finden. Nein, keinen bestimmten geografischen Ort auf der Landkarte, den man einfach nur finden müßte, weil man dann dort, ja nur dort: glücklich sein, sein Glück finden könnte. Nein, darum geht es nicht. 
Der Ort, um den es geht, ist ein anderer: Der Ort ist: „Wer bin ich in der Welt?“ Denn so merkwürdig es ist: auf dem Meer weiß ich das. Denn die Wellen und vor allem eine vergessene Insel wie Sulu, sie liegt eine halbe Tagesreise südlich Antalya, die ordnen mich ein in die Welt. Sie betten mich ein in den Kosmos. Und ich verstehe plötzlich, wenn der Anblick von Sulu mir sagt: Du bist zwar ein unendlich kleines Teil im Getriebe der Welt. Unendlich mikroskopisch klein in den Jahrmillionen, die es brauchte, um dieses Inselchen so zu schaffen, wie es heute unbewohnt, vergessen, gleichgültig im Meer liegt. Und doch: Du bist. Ein Teil des Ganzen. 

Um dies zu verstehen, ist es notwendig, kurz in den westlichen Teil des Mittelmeeres zurückzukehren, nach Capraia nördlich von Elba. Es war in der Bar Massimo auf Capraia, wo ich vom Tod meiner Großmutter erfahren hatte. Sie war gestorben in ihrem 97. Jahr, genau einen Tag nach ihrem Geburtstag und wenige Tage, nachdem ich sie ein letztes Mal besucht hatte. Ein paar Monate, nachdem sie, wie mancher alte Mensch es tut, einfach beschlossen hatte, nichts mehr zu sich zu nehmen. Und wie ein alter Elefant ins Dickicht zu gehen, allein, um sich zum Sterben niederzulegen, irgendwo. Sie hatte mehrere Wochen nichts mehr zu sich genommen, war in ein Dämmer hinübergeglitten, irgendetwas zwischen Schlaf und Ohnmacht, aß nicht mehr, trank nicht mehr, sprach nicht mehr, reagierte nicht mehr. Nur noch ihre geliebte Tasse Bier, die ließ sie sich von mir ein paar Tage vorher zum Mund führen.

Als ich von ihrem Tod erfuhr, war ich traurig. Traurig, weil sie nicht mehr da war, traurig, weil wir das, was wir gemeinsam hatten, unsere Begegnungen nun wirklich und endgültig Vergangenheit und vorbei waren. In dieser Stimmung waren wir um Korsika herum unterwegs. Ich hörte abends im engen Hafen von Bastia den überwältigenden Klang der Kirchenglocken. Und dachte an meine Großmutter. Wir umsegelten die Südspitze von Capraia, da wo lange Steinreihen aus wer weiß welchem urgeschichtlichen Erdzeitalter sich die kargen Hänge hinaufziehen, eine Steinreihe neben der anderen, ein Stein nach dem anderen: als hätte hier ein uraltes Volk einen Kultort hinterlassen. Ein Denkmal, bei dem alle unsere Vorfahren, unsere Ahnen, zu Stein geworden, aufgereiht stehen. Einer nach dem Anderen. Vom ersten Bakterium, mit dem alles begann, über jeden, jeden einzelnen, der daraus entsprang und danach kam, bis hin zu mir. Eine lange, lange Reihe. Vor mir. Keiner auch nur denkbar ohne den davor. Ohne all jene davor, die notwendig waren, um diesen einen hervorzubringen. Und das Leben weiterzugeben.

In diesem Augenblick auf Capraia fühlte ich, wie stark diese Verbindung ist, ich stellte mir die Gesichter all derer vor, die meine Vorfahren waren: Sammler, Jäger, Bauern die meisten. Männer und Frauen. Bettler, Königinnen, Heilige, Mörder waren sicher darunter. Priester und Pestkranke. Mönche und Magnaten. Bauern und Betschwestern. Und Sänger und Säufer. Bei mir, bei jedem von uns. Wir sind die Summe, das Endergebnis einer unendlich langen Reihe von Lebewesen, von Menschen. Manchmal, wenn ich in dem wohlhabenden Land mitten in Europa gerade nicht weiß, wer ich bin: dann stelle ich sie mir vor: die lange Reihe der Lebewesen, die nötig waren, um mir das Leben zu geben. Mir die Fackel in die Hand zu drücken. Und jetzt bin ich der, der gerade die Fackel trägt. Und sie weitergeben wird.

Und dies ist, was mir oft das Reisen auf dem Meer vermittelt: Meinen Ort in der Welt. Winzig, winzig klein, und unbedeutend wie die karge unbewohnte, die vergessene Insel Sulu. Und doch ein Teil des großen Ganzen. Verbunden mit allem. Im weiten Meer.

                                             Weiterlesen bei: Die rätselhaften Vogelmenschen der Daunier. Hier.

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Mare Più macht ein Buch. Über Segeln im Gewitter. Mit Erfahrungen der Community für die Community.

                                                         Das Cover unseres ersten Buches, das ab März 2015 als eBook erhältlich ist.

Im Gewitter Segeln ist Extremerfahrung. Innerhalb Minuten auftretende Starkwinde, Böen mit über 60 Knoten, Platzregen, Hagel, Null Sicht. Für Minuten. Für Stunden.

                                                     Weiterlesen bei: Von schnellen Gewittern. Und von langsamen.

Gewitter trifft jeden auf dem Meer im Lauf eines Seglerlebens. Niemand ist davor gefeit. Es gibt kaum eine andere Situation, in der es derart auf seglerisches Können, eigene Instinkte und gute Seemannschaft ankommt. Und Glück. 

Wer kann, meidet Gewitter. Wer durchsegeln muss, ist auf sich selbst angewiesen. Denn: Jedes Gewitter ist anders. Es gibt wenig Regeln dafür. Es gibt kaum Informationen. Es gibt viele Halbwahrheiten.

Und: Es gibt kein Buch dazu, weder im Deutschen noch im Englischen.

Unser erstes Buch, das wir in unserem heute gegründeten Verlag millemari. herausbringen, will diese Lücke schließen. Es wird ein ungewöhnliches Buch sein, das im März 2015 erscheint, in vielerlei Hinsicht:
Es wird nicht aus der Feder des EINEN Experten stammen.
Es wird sehr viel Know-how beinhalten.
Es wird kein trockenes Fachbuch sein.
Hier berichten Segler für Segler von ihren Extremerlebnissen.
Ihr Wissen, ihre Erfahrungen helfen auch Dir durchs nächste Gewitter.

Wir sammeln die Geschichten von Seglern, die Gewitter auf See erlebt haben. Die Erfahrung mit den vielfältigen Folgen und Schrecken haben, die ein Gewitter auf See mit sich bringt. Wir suchen das, was Segler zu sagen haben über das Phänomen Gewitter. Wir suchen die Erfahrungen aller Segler. Um sie allen Seglern zur Verfügung zu stellen.

Wir beide, Susanne Guidera und ich, sind leidenschaftliche Segler. Und erfahrene Verlagsleute. Wir haben den Ehrgeiz, ein völlig neues Werk zu machen, das zunächst als eBook erscheinen wird. Ein Werk, das eine Community für sich selbst schreibt.

11 Segler haben bereits ihre Geschichten zugesagt. 6 davon haben ihre Beiträge bereits abgegeben. Das Cover ist fertig. Mindestens 14 weitere Autoren suchen wir noch. 
Hast Du da Draußen etwas Außergewöhnliches erlebt? 
Etwas, das Du jedem anderen Segler ans Herz legen würdest, wenn er in ein Gewitter hinein segelt?
Ein ungewöhnliches Erlebnis im Gewitter auf See?

Dann: Zeig’s uns! Schreib uns. Wir wollen nur Dein Allerbestes: Dein allerbestes Erlebnis im Gewitter auf dem Meer.

Schicke uns unter Nennung Deiner Mail- und Postanschrift ein Mail mit dem Stichwort „GewitterSegeln“. Wir antworten. Mit allem, was Du wissen musst, um einen gelungenen Beitrag für unser Buch GEWITTERSEGELN zu schreiben.

Du mußt kein Autor sein. Nur Deine Erfahrung zählt. Als Segler. Im Gewitter.

Das Team des heute gegründeten Verlags millemari.
                                                     Susanne Guidera
                                                    Thomas Käsbohrer