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Die vergessenen Inseln: Milos. Oder: Wenn Tonscherben erzählen.

Die Bucht Agiou Dimitriou im Norden des Vulkankraters, der die Insel Milos heute bildet. Genau gegenüber, auf der anderen Seite der Bucht, ein Hang voller Tonscherben. Um ihn geht es in diesem Beitrag.

Es gehört zu den Besonderheiten einer Reise durch die griechische und türkische Ägäis: Wo immer man den Fuß an Land setzt, tritt man in antike Tonscherben. Für einen Historiker ist allein das schon jeden Tag ein Fest: Scherben von Tonkrügen. Von Weinbechern, mit denen gefeiert und gelacht wurde. Reste von Amphoren, in denen Brotgetreide, Haselnüsse, Fischsauce transportiert wurde. Tonkrüge, in den Kräuter, Weihrauch, Parfüm, Gewürze gehandelt wurden. Zeugnisse des Lebens vor 2.000, 3.000 Jahren, wohin man auch schaut, wohin man auch tritt. Siedlungen, Händlerorte, Festungen, Hafenstädte, Werften zur Reparatur von Kriegsschiffen oder dickbauchigen Handelskähnen. Belebt in den 1.000 Jahren vor Christi Geburt. Untergegangen, aufgegeben, verlassen meist 500 Jahre nach dessen Ende.

Und weil das Entdecken dieser untergegangenen Welt so fesselnd ist, habe ich schon vor längerer Zeit ein Abendritual entwickelt. Wo immer ich gerade bin, rudere ich mit dem Schlauchboot an Land. Und streife bis Sonnenuntergang in der Landschaft umher. Den Kopf gebeugt, immer auf der Suche nach der einen Tonscherbe, die plötzlich zu reden beginnt. Es ist wie eine Detektivarbeit.

Für die meisten Menschen sind Tonscherben – wie alles aus der Antike – „tote Steine“. Auch für Andreas, der mich bei meinen Wanderungen auf Milos begleitet. Aber auch er wird leise, als ich ihm die Geschichte erzähle, die eine Handvoll Tonscherben vom Leben in dieser Bucht vor über 2.600 Jahren erzählen, die wir oberhalb der Bucht von Agiou Dimitrou, unserem Ankerplatz, finden. 

Tonscherben sind so eine Art „Plastiktüten-Reste der Antike“: Behälter für Transport und Aufbewahrung. Von Nahrung und anderem. Und genauso wie Plastiktüten sind Tonscherben individuell gestaltet: Mal sind sie dickwandig, aus grobem Material, von grobschlächtiger Hand geformt. Mal ganz fein und zerbrechlich und zeugen von teurem Geschmack. Mal sind sie geriffelt, mal bemalt. Mal dünnwandig, mal dick. Mal Bruchstücke eines großen Gefäßes, einer Amphore, mal von einem kleinen Weinbecher, einem Krater.  

Das besondere an antiken Tongefässen ist zweierlei: Meistens wurden sie nicht an dem Ort hergestellt, an dem man sie findet. In verschiedenen Phasen der Antike gab es jeweils andere Produktionsstandorte, die den Markt beherrschten: Die Minoer auf Kreta um 1.500 vor Christi Geburt. Danach die Mykenier, die das Handelsnetz der Minoer übernahmen, bis 1.200 v. Chr. Danach die dunklen Jahrhunderte. Dann die Korinther ab 800. Dann die Athener um 500. Zuletzt die Römer. Und jede dieser Keramik-Produktionsstätten hatte eine ganz eigene Art, Tongefässe zu gestalten. So dass sich aus Verarbeitung und Gestaltung Hinweise ergeben, welchem großen Exporteur und welcher Epoche die Tonscherben zuzurechnen sind.

Und je nachdem, was man so findet, kann man sich ein bisschen von dem zusammenreimen, wer hier wann, warum und wie gelebt hat. Das geht auch als Laie. Zwar nicht annähernd mit der Treffsicherheit der Archäologen. Aber die liegen oft auch Jahrhunderte daneben.

Und das ist, was wir an diesem Abend auf Milos entdeckt haben:

Und diese Scherben erzählen folgende Geschichte über die Besiedlung der Bucht (im Uhrzeigersinn, beginnend ganz oben):

Die ersten Menschen kamen übers Meer, und sie siedelten hier vermutlich bereits zwischen 5.000 und 3.000 vor Christi Geburt. Damals lagen die Meeresspiegel noch mehr als 100 Meter tiefer, es war erheblich kälter, die letzte Eiszeit lag gerade mal 5.000 Jahr zurück. Wegen des niedrigeren Meeresspiegels waren die Inseln alle etwas näher als heute. Trotzdem müssen die Siedler, die das kleine Steinzeitmesser, das Microlith (ganz oben im Bild auf 12 Uhr) benutzten, schon eine weite Strecke über das Meer gefahren sein – und das vermutlich in kleinen, aus Schilf geflochtenen Kanus. Es war eine Gemeinschaft von Jägern, die an dieser Stelle lebte. Und: weil sie ganz oben auf dem Grat lebten, nach damaliger Rechnung 200 Höhenmeter über dem Meer, muss es in einer Zeit gewesen sein, in der kriegerische Auseinandersetzung zwischen einzelnen Clans auf der Tagesordnung waren. Auch dies: Krieg, die Waffen gegen die eigene Art erheben, ist eine Erfindung des neueren Menschen.

In den Jahrhunderten zwischen 1.700 und 1.300 vor Christus schufen die Kreter zum ersten Mal ein Handelsnetz im östlichen Mittelmeer: Die Bronzezeit war angebrochen, der Hunger nach dem neuen Werkstoff für Werkzeug und Waffen unersättlich. Die Kreter schafften Kupferbarren von der Kupferinsel, von Zypern, heran. Und die für die Legierung erforderlichen 10% Zinn aus dem Schwarzen Meer. Und von dort überall hin im östlichen Mittelmeer, bis hinunter nach Tameri, nach Ägypten. Und später Getreide, Wein, Textilien, Weihrauch, Bauholz, wer weiß was noch alles, in alle Richtungen. Es war eine Welt in der Blüte. Und die kleine Bucht von Milos war Teil dieser Welt: hier existierte vermutlich eine kretische, wahrscheinlicher: eine mykenische Handelssiedlung – die kleine Tonscherbe rechts neben dem Microlith gehört aufgrund des geometrischen Musters vermutlich in die Zeit um 1.000 vor Christus. Händlersiedlung: das bedeutet Händler. Und Handwerker, die Waren schufen, die ihrerseits für den Export geeignet waren. Wer weiß, worauf sich die Handwerker von Milos spezialisiert hatten. Und Bauern, die für die Versorgung der Bevölkerung zuständig waren.

Um 1.200, zeitgleich mit dem Untergang Troyas, brach diese Händlerwelt im östlichen Mittelmeer komplett zusammen. Die Seevölker, aus Völkerwanderungsprozessen hervorgegangene Gemeinschaften von Plünderern verheerten, zerstörten, plünderten binnen Stunden, was Jahrhunderte lang ein funktionierende Wirtschafträume waren. Vom Peloponnes über die türkische und libanesische Küste bis hinunter nach Ägypten zog sich sich die Verwüstung über 200 Jahre. Erst die Phönizier, die Purpurhändler um 1.000 vor Christus aus Tyros im heutigen Libanon, begannen, wieder ein Handelsnetz aufzubauen. Doch diesmal noch weiter: Erst bis Sizilien, dann Sardinien, dann Nordafrika, wo sie Karthago gründeten. Bis über Gibraltar hinaus nach Protugal zog sich ihr Handelsnetz. 

Um 800 vor Christus trat Korinth als führender Händler neben den Phöniziern mit auf den Plan, wurde um 500 vor Christus durch Athen abgelöst. Korinthische und athenische Töpferwaren fanden reissenden Absatz, man findet ihre Überreste fast im gesamten Mittelmeer-Raum – auch in unserer Bucht auf Milos: Die braun bemalten Tonscherben rechts oben im Bild stammen aus dieser Zeit und zeigen, dass Milos wieder eine Händlersiedlung hatte. Und eine, die funktionierte: Denn auch der Großteil der übrigen Tonscherben gehört vermutlich in diese Zeit, in der die Siedlung wahrscheinlich am größten war. Hier müssen viele Menschen gelebt haben, der Hang ist voll von Amphorenhenkeln, Krugscherben, Becherresten.

Ganz oben auf dem Grat finde ich Teile eines fein gearbeiteten, dünnwandigen Weingefässes aus dieser Zeit. Vielleicht war es – wie so oft – so: Am Hang, um den heute verlandeten Hafen, lebten Händler, Handwerker, Sklaven. Produzierten, fabrizierten, trieben Handel, kochten. Stritten, liebten, lebten. Oben auf dem Grat war die Garnison, die den Händlerort schützte. Vielleicht auch ein Tempel. Und vielleicht war mein kleiner Tonrest Teil eines Weihegeschenks, bevor der Ort vermutlich am Ende der Römerzeit aufgegeben, verlassen und nie wieder richtig besiedelt war. So wie in der Antike.

Alle im Bild gezeigten Tonscherben verblieben an ihrem Fundort: dem Nordhand über der Bucht Agiou Dimitrou auf der Insel Milos.
Special Thanks to Andreas Meyer for Fotography.

Nach 3.000 SM – Der schönste Hafen der Ostsee

Ein Terminus den ich schon ein paar mal benutzt habe. Aber dieses Mal bin ich mir sicher. Mehr geht nun wirklich nicht mehr. Ich habe den schönsten Hafen der Ostsee gefunden.

Stellt euch mal folgendes vor:
Ein Tag beginnt morgens mit einer Motorstunde durch die wunderschönen Sunde bei Orust. Es geht durch eng gewundene Fahrwasser, vorbei an der Museumswerft von Bassholmen. Kurz danach warten dann auch schon offene Gewässer. Die Sonne scheint, die Segel gehen hoch und so geht es an der Küste entlang gen Norden. Meine Wünsche werden erhört und der Wind raumt ein wenig, so dass es auf perfektestem 100° Kurs vorangeht. Keine Wolke am Himmel, knapp über 20 Grad, das Schiff macht für seine Verhältnisse flotte 5,5kn. Alle Fahrwasser hinter mir gelassen geht es außen vor den Schären nach Norden. Nichts liegt im Weg. Könnte es besser vorangehen?

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Irgendwann muss man sich ja aber mal Gedanken um das Abendprogramm machen. Ich bin morgens planlos losgefahren. Es gibt an jedem Punkt der schwedischen Westküste ohnehin so viele Ziele, dass man sich einfach abends ein nahegelegenes aussuchen kann. Jetzt in der Nachsaison muss man sich auch keine Sorgen machen einen Liegeplatz zu bekommen. Auch draussen ist es recht leer. Der kleine Sommerort Fjällbacka, eines der Zentren der Westküste liegt in der Nähe. Soll laut Führer auch wirklich schön sein. Aber jetzt erst mal wieder in die Schären reinfahren? Platt vorm Laken? Hm… Da kommt irgendwie keine Begeisterung auf. Ich studiere die Karten und entdecke eine Inselgruppe, weit draussen im Skagerrak, die mir bei jeder Planung bisher entgangen ist.  Väderöarna – Die Wetter Inseln. Doch irgendwie erinnere ich mich, dass Jøran mir von diesem Platz vorgeschwärmt hat. Laut den Hafenführern ist das ganze eine alte Lotsenstation weit draußen, mit entsprechend eingeschränkter Versorgung und einem Cafe im Sommer. Naja, das wird wohl schon zu haben, aber eigentlich klingt das doch ganz spannend. Hatte eh mit dem Gedanken einer weiteren Nacht vor Anker gespielt, da macht mir die eingeschränkte Verfügbarkeit von Strom und Duschen jetzt auch nichts aus. Also Kurs auf die Väderöarna!

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Schon von Weitem sieht man die Felsenmasse am Horizont, die sich erst beim Näherkommen in zahllose kleine Inseln zerfleddert. Einige aufragende Masten zeigen die grobe Position des Hafens an. Laut Hafenhandbuch ist die Ansteuerung “schwierig”. Das steht dort aber meistens schon wenn eine einzelne Milchkanne im Weg liegt.  Heute ist aber wirklich mehr als einmaliges Überprüfen der Position notwendig. Der leichte Strom, einige Felsen direkt vor der Einfahrt und mehrere gut versteckte Leitmarken machen das ganze tatsächlich etwas tricky. Ein netter Schwede am Kai weist mich wie ein Marshal am Flughafen ein. So gelingt alles reibungslos. Später erfahre ich von ihm, dass in der Saison pro Tag sicher 5 Schiffe hier auflaufen, da sie die Leitlinien übersehen. Gut also, dass alles geklappt hat.

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Ich bin überrascht. Ich bekomme den letzten Platz am Kai, der Hafen wirkt voll. Allerdings heisst das in diesem Fall, dass nur 7 Schiffe längsseits hintereinander liegen. Es heisst aber auch, dass die Väderöarna kein Geheimtip sind. Deswegen schreibe ich hier auch so freimütig darüber. ;-) Das Hafenbecken ist winzig. Selbst Birkholm in der dänischen Südsee erscheint geräumig dagegen. Das liegt aber auch daran, dass es kein richtiges Hafenbecken, sondern einfach nur ein natürlicher Einschnitt der Felseninsel ist. So können die Boote hier auch nur hintereinander am gewundenen Kai liegen. Wenden ist im Hafen selbst mir nur an einer Stelle möglich. Das Platzangebot erinnert mich sehr an das verlassene Fischerdorf Marviksgrunnar an der Höga Kusten… Das macht den Hafen aber auch so urig. Das schwedische System, dass man tagsüber kostenlos in Häfen liegen kann wird deswegen hier auch nicht praktiziert: Nur Nachtgäste sind erlaubt! Und mein schwedischer Kollege erzählt, dass im Sommer hier bis zu 30 Schiffe reinpassen. Um 10 Uhr wird da per Befehl kollektiv ausgelaufen. Wer bleiben will muss ebenfalls raus, und darf dann als erster wieder rein. Es wird von hinten nach vorne Päckchen gestapelt. Helgolandfeeling extrem. Jetzt in der Nachsaison ist eh kein Hafenmeister da. Da geht das alles entspannter zu.

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Ich bin angekommen. Persenning drauf, Festmacherbier auf, Strom an. Moment mal. Strom an? Ja! Offenbar gibt es doch Strom… Klasse! Und jetzt erstmal das Logbuch fertig schreiben. 3.004 NM. Ich habe heute also auch den dritten Tausender vollgemacht. Das muss natürlich gefeiert werden. Erstmal mache ich mich aber auf zur Inselerkundung. Wider Erwarten gibt es Hafen ein gerade neu gebautes Servicehaus mit allen Annehmlichkeiten und sogar Aufenthaltsraum mit Meerblick. Besser kann der Tag doch nun wirklich nicht werden oder?

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Mein erster Gang führt dann zum Lotsenausguck. Der wurde restauriert und kann heute bestiegen werden. Der Himmel ist immer noch wolkenlos, und so genieße ich einen herrlichen Blick über die Inselgruppe, die Schifffahrt im Skagerrak und den Horizont, der hier noch weiter als in Kobba Klintar auf den Ålands entfernt scheint. Denn selbst Skagen liegt schon deutlich südlicher. Das nächste Ziel ist hier ja also nicht Dänemark, sondern erst Schottland, oder Island, oder so…
Auf den Rückweg zum Hafen komme ich dann an dem “Cafe” vorbei. Auch das scheint mittlerweile um-/ausgebaut worden zu sein. Väderöarna Värdshus ist ganzjährig geöffnet und bietet ein Restaurant sowie sogar Übernachtungsmöglichkeiten an. Das ganze wirkt aber überhaupt nicht unpassend oder künstlich in dieser traumhaften Umgebung, sondern ist in den alten Wohnhäusern der Lotsen untergebracht. Nur WiFi gibt es auch hier nicht. ;-) Dafür heute abend aber schwedisches Meeresfrüchtebuffet. Perfekt um die 3.000NM zu feiern. Ich bin also auf einer abgelegenen Schäreninsel inklusive traumhafter Natur, mit einem urigen und dennoch perfekt ausgestatteten Hafen. Und ein erstklassiges Restaurant gibt es auch noch. “Könnte es noch besser gehen?” geht mit beim Essen so durch den Kopf. Da fragt mich die blonde Studentenkellnerin ob ich nach dem Essen noch die Sauna benutzen möchte. SAUNA? Hier??? Klar möchte ich, das habe ich seit den Ålands nicht mehr genießen dürfen! Aber ausgerechnet hier? Zufrieden über diese Aussicht mümmel ich zu Ende. Und dann sehe ich es: Die Sauna ist nicht irgendein Holzkasten, sondern eine holzbefeuerte Steinsauna mit bodenhohen Fenstern zum Meer, dem Horizont, und den vorgelagerten Inseln raus. Und weil das alles noch nicht genug ist gibt es auch noch holzbefeuerte Whirlpools, ebenfalls mit Meerblick, auf der Terasse dazu. Bis weit nach Sonnenuntergang nutze ich beides ausgiebig, komme zur Ruhe, und zum Nachdenken: Wo bin ich hier nur gelandet…? Als ich die paar Meter zurück zum Boot gehe, hat der Horizont in der “blauen Stunde” nach Sonnenuntergang eine absolut einmalige Farbgebung bekommen. Mehr geht nun wirklich nicht mehr…

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Der Hafentag hier ist also Ehrensache. Und erst beim Frühstück in der Plicht fällt mir auf, wie unglaublich klar das Wasser hier ist. So etwas habe ich die ganzen letzten 5 Monate nicht gesehen. Selbst die Insel Anholt, in der Ostsee berühmt für ihr klares Wasser, oder der Vänernsee sind nichts dagegen. Das Wasser ist so klar wie im Swimmingpool, und schimmert je nach Untergrund mal türkis, mal tiefblau wie auf dem Ozean. Absolut herrlich. Und irgendwas schwirrt dauernd über das Wasser. Erst bei näherem Hinsehen entpuppt sich dieses etwas aber nicht als Mückenschwarm, sondern als hunderte kleine Fische! Selbst die hüpfen hier durch den Hafen, als gäbs kein Morgen. Die Väderöarna erscheinen mir immer traumhafter.  Es gibt unheimlich viel zu entdecken, doch verbringe ich bei bestem Sommerwetter erstmal 2 Stunden damit auf dem höchsten Gipfel der Insel auf den warmen Felsen zu sitzen und einfach nur den Blick schweifen zu lassen, denn der Blick auf die umliegenden Inseln und das Skagerrak fesselt. Und wieder kann ich von den Inseln nur in Superlativen sprechen. Abends an Bord, nach mehreren Stunden Expedition (wofür ich normalerweise viel zu faul bin), lasse ich alles sacken und überschlage mal nüchtern. Ich bin auf einer abgelegenen Schäreninsel. In traumhafter Natur. Der Hafen hat alle Serviceeinrichtungen, dazu noch brandneu. Das Wasser ist so klar wie in der Karibik. Es gibt ein Wirtshaus mit allem denkbaren Komfort und traumhafter Sauna, welches sich perfekt in die Schärenromantik und Abgeschiedenheit einfügt. Die Inseln haben diese gewisse Prise Romantik, die besondere Törnziele ausmacht. Einen schöneren Hafen kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt bestimmt viele andere schöne. Schneller zu erreichendere. Welche mit mehr Remmidemmi und Citylife drumherum. Häfen die qua Lage  etwas besonderes sind, wie z.B. Töre. Aber einen schöneren Hafen, der mehr von allem hat was ein Segler sich im Urlaub wünscht; das gibt es nicht. Ich bin zufrieden. Zufrieden, nach 3.000NM den wahrhaft schönsten Hafen der Ostsee gefunden und lieben gelernt zu haben.

Und das alles ist nicht ausgedacht, sondern genau so vor einigen Tagen auf den Väderöarna in Westschweden passiert.

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Menschen am Meer: Giorgos. Oder: Muränen sterben langsam.

Der da nach unserem Anleger auf Milos an LEVJE vorbeischwimmt, ist Giorgos. Er ist Lehrer und lebt eigentlich in Athen. Aber wie so viele Griechen, die ich unterwegs kennenlerne, kehrt auch Giorgos einmal im Jahr zurück, dorthin, wo er aufgewachsen ist: Nach Milos. Und dort verbringt er eine gute Zeit. Meistens mit Freunden, und auf einem kleinen Motorboot, Auf dem kleinen Motorboot sind zwei Familien versammelt: Giorgos‘ Freund mit Frau und Kind. Eine Freundin. Mit Kind. Und Giorgos. Sie liegen da. Schaukeln in den Wellen. Machen Musik. Ein friedliches Völkchen.

Und weil ja Abends etwas auf den Teller muss: zieht Giorgos mit seiner Harpune los. Im Bild oben ist er schon auf dem Rückweg. In der Felswand hat er eine mittelgroße Dorade harpuniert. Und eine braune Muräne. Man sieht sie, oben, im Foto, an der Spitze der Harpune.

Giorgos ist stolz über sein Jagdglück. Muräne gegrillt sei köstlich. Und das weiß auch ich, seit ich in diesem Winter in LEVJE’s Heimathafen Izola in Slowenien gegrillten Meeraal vorgesetzt bekam. Im RIBICA, das von Fischern betrieben wird. Es war einer der besten Fischteller, die ich je vor mir hatte.

Aber leider ist die Muräne noch nicht verendet. Sie kämpft. Und krampft. Und windet sich zu einem Knäuel. Und versucht, sich irgendwie von der Harpune zu befreien, das scheußliche Ding loszuwerden.

Eh ich michs versehe, hat mir Giorgos die Harpune in die Hand gedrückt, samt der sich windenden Muräne. Er schnorchelt zum Grund, und als er wieder auftaucht, hat er eine Steckmuschel in der Hand. Gegrillt ein Gedicht, meint Giorgos. Und er will sie mir schenken.

Aber so weit geht meine Experimentierlust heute nicht. Während ich noch mit der Muräne in der Hand dastehe, fällt mir dazu schon nichts Vernünftiges ein, wie ich dem Leiden der sich windenden Kreatur auf der Harpune ein schnelles und für mich nicht akzeptables Ende setzen könnte. Keines, über das ich hier gerne schriebe. Nein. Heute keine Steckmuschel auf dem Grill.

Die Muräne erinnert mich daran, wie wir überall mit Tieren umgehen, auch bei uns in Deutschland. Das Schwein, das meine Großmutter zu ihrer Goldenen Hochzeit schlachten ließ, bei sich im Hof. Der Metzger, der Fischer-Seppl, ging zielstrebig zu Werke, er wußte, wie er es machen mußte. Aber trotzdem ließ die ganze Prozedur samt fröhlichem Kesselfleisch-Essen der Gäste den Achtjährigen verstört zurück. Ich habe nie Kesselfleisch gegessen. 
Da ist sie dann wieder, die moralische Frage: 
Auf der Stelle Vegetarier werden? Ändert nichts an der Tatsache, dass genau in diesem Augenblick, wo immer wir uns gerade befinden, in geringster Entfernung Tiere geschlachtet werden. Und uns in guter deutscher Manier raushalten? Ich fürchte, die Zukunft wird uns Anderes abverlangen. 
Augenblicklich eine Initiative gegen das Harpunieren gründen? Aufkleber verteilen? 
Oder einfach den freundlichen Giorgos schelten? Und was, wenn er mir das Wort WIESENHOF und WIETZE um die Ohren haut? 432.000 geschlachtete Hühner. Pro Tag. Und das ist nur EINER von vielen Hühner-Schlachthöfen in Deutschland. Die Fischfarmen, die mich auf meiner ganzen Reise von Triest bis hierher begleiteten?
Nein, ich fürchte, dies ist, was man „Leben“ nennt, in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Wir können den Kreaturen, die für uns ihr Leben lassen, mit Respekt begegnen. Für artgerechte Aufzucht und ein erträgliches Ende ohne Qual sorgen. Das ja. Aber das „Stirb und Werde“ und unsere Rolle dabei: daran werden wir wenig ändern. 

Musik an Bord: Coldplay

Oft habe ich in dieser Kategorie bisher weniger bekannte Bands vorgestellt. Aber auch die ganz großen Stars passen oft perfekt zum Segeln. Coldplay ist so ein Besipiel. Fast jeder kennt die britische Band um Leadsänger Chris Martin, doch wie viele von euch haben die Musik schon für sich beim Segeln entdeckt? Das Beste daran: Die Musik paar an Bord eigentlich in jeder Lage. Und wie ich ja mittlerweile vielleicht schon deutlich gemacht habe, können das wirklich nicht viele. Seit den ersten Studioalben vor über 10 Jahren sind die Jungs ihrem Stil durchweg treu geblieben. Da fällt es echt schwer sich ein paar Kostproben für euch raus zu suchen, da selbst die alten Nummern immer noch perfekt passen.

Die Mischung aus Po/Rock/Electropop passt einfach perfekt. Aber ich will gar nicht zu viel quatschen, hört einfach mal (wieder) rein, und nehmt ´ne Platte der Jungs mit auf den nächsten Törn. Ihr werdet nicht enttäuscht sein!

P.S. Ein kurzer Kommentar, ob mir die GEMA im deutschen Raum bei den Videos wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat wäre nett! ;-)

Coldplay auf Soundcloud

 

Segeln mit Nicht-Seglern: 7 Tipps für einen gelungenen Törn mit Leuten,die zum ersten Mal auf dem Meer sind.

    Eine typische Charter-Crew im Herbst in der Ägäis. Mit Begeisterung auf dem Meer, auch wenn es überwiegend Nicht-Segler sind. 

       Hier 7 Tipps, wie man als Skipper seiner Crew ein sicheres Gefühl gibt. 

Über das Segeln mit „Nicht-Seglern“ gibt es ein schönes Experiment: 1988 verloste der STERN, damals noch in Saft & Kraft, zwei Segelreisen mit Weltumsegler Wilfried Erdmann. Über den Atlantik. Bedingung an die Teilnehmer: noch nie gesegelt zu sein. Jeweils acht Teilnehmer durften mit auf das von Wilfried Erdmann ausgewählte und ausgerüstete Schiff, die GATSBY. Und über diese Reise, einmal Amerika hin, einmal zurück, hat Erdmann ein immer noch lesenswertes Buch geschrieben: EIN UNMÖGLICHER TÖRN.

So in die Extreme geht meine Woche als Skipper in der Ägäis natürlich nicht. Meine Crew besteht aus Freunden. Sie sind zwischen 60 und 72 Jahre alt, schon mehrfach mitgesegelt. Sie kennen das Bordleben. Sie mögen das Draussensein. Sie lieben das Meer. Seekrank (so gut kann sich jeder einschätzen) wird keiner. 
Trotzdem: den Palstek kann keiner. Wie die Technik auf einer Yacht wie der SUNNY, unserer 50-Fuß OCEANIS funktioniert, weiß keiner. Navigation? Anlegen? Nein. Alles zwar keine Segel-Novizen. Aber eben „Nicht-Segler“. Und da ich immer gerne Segeln ging mit Leuten, die zum ersten Mal segeln, hier meine 7 Tipps zum Segeln mit Nicht-Seglern:

1. Wie stellt man eine gute Crew zusammen? 
Wie schätzt man ein, ob jemand überhaupt als Mitsegler in Frage kommt?
Natürlich kann man als Skipper Leute einfach mitnehmen. Nach dem Motto: „Wird schon wissen, worauf sie sich einläßt.“ Ich habe es mir zur Regel gemacht, mit Mitseglern einfach kurz zwanglos zu telefonieren oder zu mailen. „Hallo, ich bin der Thomas. Wollt‘ mich mal melden…“ Wichtig daran ist das Abklären zweier banaler Grundfragen:

„Hast Du schon mal im Zelt geschlafen?“ 
„Bist Du schon mal auf einem Campingplatz gewesen?“ 
Wenn Segelinteressierte bei diesen Fragen zucken: sollten Sie genauer nachhaken. Denn von der Lebensform her ist Segeln nichts anderes als „Camping auf dem Wasser.“ Viel Draussen sein. „Stinkeinfache“ sanitäre Verhältnisse. Sowohl auf dem Boot. Als auch im Hafen. Schräglage. Knarrendes Tauwerk. Überlaute Hafen-Discos. Dinge, die man nicht ändern kann. Mit denen man sich arrangieren muss. Wenn man das nicht kann: wird’s für alle zur Qual.

    Hier hat sich Weltumsegler Haluk Karamanoglu ein Paradies geschaffen: Der GLOBAL SAILING CLUB in der Bucht von Karaca Koyu, wo Haluk junge Segelbegeisterte auf LASER und OPTIMIST ausbildet. Und seinen Enten ein friedliches Leben beschert…

2. Kann man vorher einschätzen, ob jemand seekrank wird?
Nicht 100%ig. Aber zu 70% geht das. Denn so gut kennt jeder sich selber: Es gibt Menschen, denen wird schon beim Anblick eines Ruderbootes schlecht. Dann rate ich von einem Segeltörn ab. Christian wollte unbedingt segeln. Hatte sich aber vorher mein Video von der Überquerung der Straße von Otranto angesehen. Und meinte dann: da würde ihm schon leicht schlecht. Ich habe die Entscheidung ihm überlassen, aber letztlich hat er abgesagt. 
Einfach mit Interessierten locker über das Thema reden. Denn auch dies kann auf einem Törn für alle belastend werden.

3. Klare Regeln
Dazu gehört das Thema Alkohol. Ich bin da ziemlich eisern, und als ich meiner Crew meine Regel zum ersten Mal verkaufte, mussten die schon schwer schlucken. Aber mittlerweile schätzen sie es. Meine Regel: 
„Sind wir im Hafen oder vor Anker, könnt Ihr machen, was Ihr wollt. 
Sind wir draussen: Kein Alkohol. Ausnahme: ein „Stützbier“. In der Mittagshitze.“ 
Mittlerweile fragt mich meine Crew, alles gestandene Firmenlenker, ganz schüchtern mittags, ob ich ein Stützbier genehmigen würde. Süß. Und nebenbei gesagt: Richtigen „Saufing-Törns“ wirkt man mit dieser Regel auch entgegen.

Regel ist auch für alle Mitsegler: Frag den Skipper.
Wenn Dir irgendetwas komisch vorkommt. Frag den Skipper. Wen Nachts etwas nicht koscher ist: Frag den Skipper. Wenn Du irgendetwas am Schiff siehst, was komisch aussieht: Frag den Skipper. Wenn jemand knapp vor unserem Bug ankert: Frag den Skipper. Wenn Du nicht weißt, ob Du den Skipper fragen sollst: frag den Skipper.

    Die Einfahrt in die Bucht von Bozburun auf der Halbinsel Datca.

4. Klare Ansagen
Eine Crew von fünf, sechs Leuten ist – was das morgendliche Ablegen angeht – manchmal wie ein Sack Flöhe. Die Backschaft geht noch mal eben ein Brot holen, was den anderen animiert „Ich könnt ja noch mal schnell duschen“. Und wupps: steh ich allein da, die Stromschot in der einen, den Festmacher in der anderen Hand und will ablegen.
Meine Regel: Ist die meines alten Segellehrers: Ich vereinbare „7, 8, 9“. Heißt: „Sieben Uhr aufstehen. Acht Uhr Frühstück. Neun Uhr Ablegen.“ Das funktioniert natürlich auch als „6, 7, 8“. Oder „9, 10, 11.“ Aber man muss es klar ansagen. Und wenn man das mit seiner Crew am Vorabend bespricht, dann klappt das auch. Spätestens am dritten Tag. ;-)

Die klare Einteilung der Crew vorab: 
Wer macht die Bordkasse? 
Wie wird die Backschaft erledigt und eingeteilt?
Falls erforderlich: Wer nicht Backschaft hat, kümmert sich morgens um eine saubere Plicht.
Ist das dann aber erfolgt: hält man sich als Skipper bei diesen Themen raus. Es ist begeisternd für jedes Crewmitglied, eine Aufgabe zu haben. Das ging auf diesem Törn so weit, dass Lutz nervös wurde, wenn ich mir in der Küche zu schaffen machte. Das war SEIN Revier. 
Und eigentlich würde ich auf solchen Törns jemanden ernennen, der sich auch für die Landgänge und Restaurantwahl zuständig erklärt. Um das Schiff kümmere ich mich gerne. Es nervt mich, wenn ich als Skipper plötzlich zum „Gesamt-Reiseleiter“ mutiere. 

    Ankern in der Antike: Das Amphittheater von Knidos, darunter die aus der Antike stammenden, zusammengefallenen  Reste der gewaltigen Kaimauern.

Notrollen:
Auch wenn es da immer betretenes Schweigen gibt, spiele ich Notsituationen durch. Bevor wir erstmals Ablegen: 
1. Jeder legt mal seine Schwimmweste an. Und passt sie sich auch an. Das machen wir solange, bis jeder das Anlegen seiner Schwimmweste beherrscht. Und jeder „seine“ Schwimmweste samt Lifebelt mit in seine Kabine nimmt.
2. Ich spiele bei diesem Gespräch die Notsituationen „Feuer“, „Wasser-Einbruch“ durch. Und erzähle, was wir machen werden, wenn. Und teile schon mal die Leute ein. Einfach laut mal durchspielen, wie wir das machen, wenn’s auf dem Herd brennt.
3. „Man over Board“: Das Wichtigste für mich hier, wenn man nicht wochenlang auf dem Meer ist: „Laut Lärm machen, wenn jemand über Bord geht.“ Sowohl der, der der fällt. Als auch die, die es sehen. Durch lautes Rufen alarmieren.

5. Die Ängste der Mitsegler
Betreffen meist nicht die Dinge, die auf See zur wirklichen Bedrohung werden. 
Ein Beispiel: Thema Nummer eins ist „Und wenn das Boot umkippt?“ 
Auf einem September-Törn in der Ägäis und nicht in den „Roaring Forties“ keine wirkliche Gefahr. Ich erkläre zunächst mal unseren Eisenkiel mit 40% Anteil am Gesamtgewicht. Und dann lasse ich, wenn der Wind zum ersten Mal etwas bläst, die Welle aber noch klein ist, zuviel Segel stehen und reffe nicht. Einfach, um mal das Schiff kennenzulernen. Dann weiß jeder, wie sich das Schiff bei Lage anfühlt. Dann fahren wir die erste Wende. Und meist stellt sich dann bei den meisten Vertrauen ein.

„Werde ich seekrank?“
Das kann man meist schon nach dem ersten Seetag beruhigend verneinen. Aber „Zwiebelschneiden unter Deck“ wird während der Fahrt dann doch für manchen zur Überraschung.

Echte Gefahren hingegen können nicht eingeschätzt werden: Zum Beispiel die „Paraglider-Schleppboote“. Vor Kos, vor Turgutreis, vor Marmaris. Die kleinen, langsam fahrenden Motorboote weichen nämlich selbst einem Segler nicht aus. Und schwupps: sind die mit ihrem Drahtseil bis auf 10 Meter an den Mast heran.

6. Manöver allgemein
Das Wichtigste: Alle „lesen im Buch auf derselben Seite.“ Will sagen:

– Für jedes Manöver eine klare Einteilung ansagen: WER macht WAS? Und zwar kurz vor dem Manöver.
– Jedes Manöver mit drei, vier Sätzen vorher beschreiben: „Wir gehen jetzt in den Hafen durch die Einfahrt da vorne. Ich stoppe auf. Wir ziehen dann rückwärts rein in die Box, die wahrscheinlich dann links von uns liegt.“ 
Falls die Box dann doch rechts liegt: ist die Sache mit einem Zuruf geklärt. Denn jeder weiß ja, was er zu tun hat.

7. Anlegen und Ablegen
Auch hier machen klare Ansagen das Leben einfach:

Ablegen:
1. Zunächst spiele ich das Manöver im Kopf durch. Mit allen möglichen Gefahren: Seitenwind? Sich verklemmende Fender? Die Moorings der Nachbarlieger? 
Haben wir alles an Bord: Stromschot, Passerelle abgebaut? Alle Schuhe an Bord?
Das mache ich für mich. In Ruhe. Einfach drei, vier Minuten die Klappe halten.
2. DANN starte ich den Motor. Und kontrolliere in Ruhe, ob Kühlwasser kommt.
Das Starten des Motors ist aber auch für die Crew das Signal, sich zu sammeln. Und bevor nicht alle an Deck sind: sitze ich einfach nur da. Und warte.
3. Klare Einteilung der Crew: „Volker, Du machst die Mooring. Andreas, Lutz: Ihr kümmert Euch um die Achterleinen. Josef, Du hältst uns ab.“
4. Frage an alle: „Alle Klar?“
5. Erst dann, wenn wirklich alle „Klar!“ meldeten, geht es los mit: „Achterleinen los!“ usw. usw.

Anlegen:
Ich mache das genau so, als würde ich einhand Segeln:

1. Vor der Einfahrt in den Hafen: Alle Fender raus. Vorleinen, Achterleinen sind klar zum Werfen.
2. Ich gehe nicht in den Hafen, bevor nicht alles bereit ist.
3. Erklären mit drei, vier Sätzen: Was wird jetzt passieren. Ist wichtig. Denn das „Ungeahnte“, „Überraschende“, was jetzt passieren wird, ist erstmal weg. SO LÄUFT DAS JETZT. 
4. Klare Einteilung der Crew. „Wer macht die Vorleine?“ „Wie wirft man sich richtig?“ „Wer springt rüber?“ „Wer hält ab?“
5. Frage an alle: „Alle klar?“
6. Und erst wenn alle „Klar!“ meldeten, dann erst: gehts los.

Und wenn jetzt irgendetwas Überraschendes kommt – und das gibts fast immer – dann ist die Crew zu 90% informiert. Und nur zu 10% überrascht über Dinge wie: 
Die Mooring-Trosse ist armdick und läßt sich nicht belegen. Oder sie ist zu kurz.
Der Hafenkapitän will den Anleger anders (Das ist oft in der Türkei so: Sind die Achterleinen ausgebracht, noch mal vier, fünf Meter vor. Die Mooring richtig fest „anknallen“. Dann mit Gas rückwärts ran. Achterleinen ebenfalls fest „anknallen“.)
Der Seitenwind vertreibt uns. Also alles noch mal von vorn.
und 
und 
und. 

Aber das Überraschende ist dann reduziert.

Bekannte Gewässer und neue Pläne

Angekommen in Göteborg. Und irgendwas ist anders als sonst. Denn das erste Mal seit Bornholm habe ich wieder bekannte Gewässer unter mir. An der westschwedischen Küste war ich bereits 2012 einmal. Und nach 5 Monaten durch komplett neues Terrain ist das wirklich komisch. Fast so, als ob die Reise bereits vorbei wäre. Auch der Rundgang durch die Stadt ist anders. Alles ist noch irgendwo vertraut, und selbst meine Fotoleidenschaft ist auf einmal dahin. “Kenn ich ja schon”. Trotzdem verbringe ich einige nette Tage in Göteborg. Habs ja extra so getimt, dass ich am Wochenende hier bin, und so darf Göteborg seinem Namen als Partyhauptstadt Schwedens alle Ehre machen. Und doch, der Gedanke nach Verlassen der Göteborger Schären links abzubiegen und es nur noch 60NM bis nach Anholt, Dänemark zu haben, ist irgendwie verschreckend. Ich verbringe also den  Sonntagnachmittag damit, neue Pläne zu schmieden. Auch hier ist es bereits leer geworden. Im Stadthafen Lilla Bommen muss man zur Hochsaison normalerweise regelrecht um die Plätze kämpfen. Jetzt geht es eher gemäßigt zu (Siehe Bilder). Als ich nach einigen Tagen ablegte, sollen nur noch 3 Schiffe im Hafen sein…

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Mittlerweile ist Jøran auch eingetroffen, und so halte ich die Seekarten unter die Nase, die seit 2 Jahren ungenutzt bei mir an Bord rumflattern. Der Oslofjord. Damals habe ich es nämlich zeitlich nicht bis dort geschafft. Eine perfekte Gelegenheit also, um das nachzuholen. Denn mittlerweile ist auch der Sommer wieder zurück. Nur mit kurzer Hose und Shirt sitzen wir bei ihm im Cockpit und ich hole mir ein paar Insidertips ab.

Und so geht es dann frühmorgens los. Allerdings biege ich eben rechts ab. Auf zu neuen Ufern. Vorher geht es aber noch ein wenig durch die Bereiche der Westschären die ich schon kenne. Aber mit neuen Plänen im Gepäck sind diese komischen Endzeitgefühle gleich weg. Ich freue mich, denn es gefällt mir wirklich sehr hier. Und wenn ich selbst an legendären Orten wie Marstrand mit einem lockeren “Kenn ich schon” vorbeifahren kann, dann weiss ich, dass es mir an tollen Erfahrungen hier wirklich nicht mangelt. Ein zweiter Besuch wäre sicherlich auch nett gewesen, aber in einem Revier in dem man ein ganzes Leben verbringen kann ohne alles zu sehen, will ich mir lieber was neues anschauen.

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Der Sommer ist vollends zurück. Es ist Anfang September, es weht eine leichte Raumschotsbrise, der Himmel ist fast wolkenfrei und es hat 21 Grad. Was kann man eigentlich mehr wollen? Auch fällt mir auf, dass hier wieder ein kleines bisschen Betrieb ist. Keineswegs wie in der Hochsaison, aber die Zahl der Schiffe die ich den Tag über sehe ist seit langem mal wieder deutlich zweistellig. Ich genieße es unheimlich wieder auf dem Meer zu sein. Ich habe es während der zurückliegenden Wochen gar nicht bemerkt, aber der Geruch von salziger Meerluft und das Schreien der Möwen haben mir irgendwie gefehlt. Und auch im brackigen Wasser des bottnischen Meerbusens war es damit nicht weit her. Gibt es Möwen eigentlich auch am Süßwasser? Blöde Frage vielleicht, aber ich habe das Gefühl als hätte ich monatelang keine mehr gehört. Vielleicht hat das Binnensegeln mir auch einfach den Verstand vernebelt. ;-)

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Die Stereoanlage schreit, ich freue mich, wieder segeln zu können und komme wieder mal (nach meinem Geschmack) viel zu früh in Käringön an. Während der Hochsaison ein absoluter Hotspot in Westschweden. Mit Gentleman-Benehmen ist hier kaum ein Liegeplatz zu bekommen. Heute liegen gerade mal schon 3 andere Schiffe hier. Es ist Längsseitssaison, die Heckbojen braucht niemand mehr, denn es ist ja auch so genug Platz. Vor mir liegen Iren! Das erste mal sehe ich welche diese Saison! Man muss dazu sagen, dass denen meine Sympathien seit einem Auslandsaufenthalt dort ganz besonders gelten. Die beiden springen auch sofort zum Leinen annehmen auf. Offenbar habe ich meinen Akzent noch nicht komplett verloren, denn nach einem schrägen Blick und der Frage “U´r oirish?” (Nur echt in dieser Betonung) haben wir gleich unendlich viele Gesprächsthemen. Und die irische Bierkultur, die immer noch in ihrer Bilge schlummert, ist natürlich auch nicht zu verachten…

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Käringön ist ein alter Fischerort. Auch heute lebt hier die Fischertradition noch fort. Die Tourismusbetriebe haben eh schon geschlossen.  Auch ein Hafenmeister lässt sich die ganze Zeit über nicht blicken. Nur einige Einheimische sind noch unterwegs. Und die Möwen. Ich verbringe den Abend nach meinem Ortskontrollrundgang eigentlich nur damit am Fischerbecken zu sitzen und ihnen zuzuhören. Es ist einfach zu schön wieder hier zu sein.

Andrew lädt mich zum Frühstück ein, und fragt ob wir nicht zusammen eine Ankerbucht ansteuern wollen, die er bereits in früheren Jahren entdeckt hat. Nun, auch wenn ich eigentlich ja weiter nach Oslo wollte, schlage ich natürlich ein, denn in Irland ist eine solche Ansage mehr Befehl als Einladung. ;-) Also folgt ein kurzer Tag mit nur wenigen Meilen. Aber wenigstens komplett unter Segeln. Wir haben es ja nicht eilig. Und wenn ich komplett sage, dann meine ich das auch. Vom Ablegen bis zum längsseits Festmachen bei Andrew vor Anker. So wurde der sportliche Ehrgeiz an diesem sonst faulen Tag doch noch gestillt. Überhaupt merke ich erst jetzt, wie schön die westschwedische Küste eigentlich ist. Die kargen, rund geschliffenen Schären strahlen eine ganz andere Faszination aus als das Gebiet der Kernostsee. Vor 2 Jahren habe ich das irgendwie gar nicht so wahrgenommen. Vielleicht liegt es aber auch an den Vergleichsmöglichkeiten die ich in den letzten Meilen einfach pausenlos hatte. Schon komisch, liegen die westschwedischen Schären meinem Sommerrevier Kieler Bucht doch von allen bisher besuchten Gegenden am nächsten… Vielleicht muss man einfach reisen, um das Nahe wertschätzen zu können. Mal sehen wie mir Schlei und Elbemündung nach Ankunft so vorkommen. ;-) Über das Thema Ankunft will ich jetzt aber gar nicht lange weiter nachdenken. ;-) Es geht weiter Richtung Oslo!

 

Angekommen!
Göteborg.
Stadtleben.
Göteborg.
Meine Fotoleidenschaft hält sich wegen meines Besuches hier vor 2 Jahren in Grenzen.
Auch wenn es immer noch vieles Neues zu entdecken gibt.
Die Bark "Viking".
Göteborg.
Interessante Artikel verkaufen die hier...
Kaisermahlzeit an Bord.
Als ich ablege, hat sich der Hafen hier schon merklich geleert.
Göteborg.
Smaland. mal anders. Männerparadies?
Ein letztes Zusammentreffen. Auch die Götakanal Schiffe Diana und Juno machen in Göteborg Winterschlaf...
Parkhaus auf schwedisch.
Hier gibts auch mal wieder richtige Schiffe. So einen Brummer habe ich das letzte Mal vor Danzig gesehen.
Und endlich wieder unter Segeln!!
Die Carlsten Festung von Marstrand.
Die Landschaft ist traumhaft.
Der markante Leuchtturm Måseskär im Abendlicht.
Käringgön. Längsseitssaison.
Es ist leer geworden.
Nonsuch.
Sportliche Ansage: Der Hafen ist geöffnet bis es Eis gibt.
Der Ort ist wie ausgestorben.
Das erste Mal seit Kappeln wieder Münzduschen! ;-)
Segeleigenschaften...? ;)
Tolle Atmosphäre.
Und gute Aussicht beim Essen.
Käringön Kyrka.
Auch Eis und Minigolf ist nicht mehr zu haben. Untrügliches Zeichen dafür, dass die Saison für die Schweden vorbei ist.
Nur die Stimmung bleibt.
Endlich wieder Möwen.
Die Fischersfrau schiebt auch im Winter Wache.
Schönes Käringön.
Nonsuch.
Und ein traumhafter Sonnenuntergang ist inklusive.
Blaue Stunde.
Bei schwachen Winden geht es weiter.
Bei meinem ersten Besuch habe ich gar nicht gemerkt, wie traumhaft die Landschaft hier ist.
Und auch die kleinen Sommerdörfer haben unendlich Charme.
Iren in Schweden. Welcome!
Gemeinsam vor Anker.
Heisst das jetzt gutes oder schlechtes Wetter? ;)

Trollhätte Kanal

Nun geht es also in den nächsten Kanal. Der Trollhätte Kanal. Im Gegensatz zum Göta Kanal wird dieser auch heute noch aktiv von der Frachtschifffahrt genutzt, ist also auch entsprechend ausgebaut. Und angeblich ist er auch dementsprechend unspannend, wenn nicht sogar hässlich. Also wollen wir mal sehen…

Größer ist er vom ersten Moment an tatsächlich. Und bei der ersten Brücke habe ich Glück, denn sie wird grad für einen von der Gegenseite kommenden Frachter geöffnet. Also Vollgas abgelegt und durchgehuscht. Die ersten Meilen sind naturgemäß die spannendsten. Und schon nach einer halben Stunde erwartet mich die erste Schleuse. Im Gegensatz zu den Göta Schleusen geht es hier 6-8m pro Schleuse rauf und runter. Aber da das Wasser nicht frontal durch die Tore gekippt wird, läuft es trotzdem entspannter ab. Ich bin komplett allein. Trotzdem öffnet die Schleuse entgegen der Info aus dem Flyer sofort. Das Schleusen selbst ist hier dann noch mal ne Nummer einfacher. Man hält sich einfach nur mit dem Bootshaken an einer der Leitern fest. Das ganze geht dann so sanft von statten, dass man sich am Ende eher “Wie, schon fertig??”, als “Puh!” denkt.  Nur umdrehen sollte man sich nicht, denn dann sieht man beim Bergabschleusen erst die Ausmaße des riesigen Bootsaufzugs. “Da oben war ich eben noch????”.

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Die erste Schleuse entlässt einen dann in den Fluß Göta Alv. Der Name Trollhätte Kanal ist nämlich eigentlich irreführend. Nur ca. 10 von 90km der Strecke bis Göteborg sind Kanal.  Der Rest folgt dem natürlich Verlauf des Flusses. Das hat beim Fahren in Richtung offenes Meer den Vorteil, dass man bis zu 2,5kn Strom mit sich hat. Und so geht es dann im Affenzahn zur nächsten Station. Andererseits möchte ich den Strom nur ungern für 90km gegen mich haben. Wer also eine Passage der schwedischen Kanäle von West nach Ost plant, sollte das bedenken….

Die nächste Station ist dann Trollhättan. Viel schneller als erwartet stehe ich dort vor der Eisenbahnbrücke. Und die ist echt beeindruckend. Anstatt wie üblich einfach nach oben oder zur Seite wegzuklappen, werden die Schienen und der Radweg einfach komplett 30m in die Höhe gehoben. Und weil ich ja warten muss, habe ich wieder Zeit für unnützes Nachdenken: Warum baut man sowas? Wenn jede Brücke immer anders aussieht, muss jedes Mal wieder ein neuer Architekt ran. Könnte doch viel billiger mit EInheitsmodellen gehen. ;-) Bevor ich meine Gedanken zur Fließbandproduktion von Brücken aber vollenden kann, komme ich auf die Idee mal die Kanalzentrale anzufunken. Nur antwortet da keiner. Also noch mal. Und noch mal. Es bleibt still….  Bis ein Schwede von der anderen Seite kommt, und mal auf schwedisch nachfragt. Und siehe da, sofort wird ihm geantwortet…Das war doch auch schon bei der allerersten Brücke in Vänersborg so. Ich frage mich, ob Henriks Geschichten, dass ausländische Yachten auch mal ein Stündchen länger warten müssen, doch wahr sind…

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Aber egal, es geht ja weiter. Trollhättan ist so etwas wie die Hauptstadt des (gleichnamigen – Oh Wunder!) Kanals. Die Schwierigkeit beim Bau eines Kanals vom Vänern zur Ostsee waren nämlich schon seit dem Mittelalter die hier gelegenen Wasserfälle. Erst 1800, mit dem Bau der ersten Kanalschleusen, gelang die Trockenlegung derselbigen. Später wurden dann mehrere riesige Wasserkraftwerke gebaut. Und die machen Trollhättan und den Kanal auch zur eigentlichen  Geburtsstätte eines auch in Deutschland operierenden Unternehmens: Vattenfall – Wasserfall. Damals noch unter dem Namen “Königliche Wasserfall Behörde”. Das war mir auch neu. Man mag über die Energieversorger ja denken was man will, aber bestimmt nicht alle sind so mit maritimer Geschichte verknüpft. ;-)

In Trollhättan geht es deswegen auch ganze 32m hinab. In 4 Schleusen, davon 3 direkt hintereinander. Und wieder bin ich komplett alleine in den Schleusen. Und die sind dieses mal noch eindrucksvoller. Denn immer wenn mindestens 2 Schleusenkammern direkt hintereinander stehen, müssen die Tore in der Mitte logischerweise doppelt so hoch sein. Wenn man also gerade 2 Kammern erniedriegt wurde, blickt man zurück auf diese 30m hohen gigantischen Stahltore. Das erinnert ein wenig an biblische Palasttore oder so etwas. Nur halt eben spannend für Nautiker und nicht Theologen. ;-) In der Mitte wird auch noch bezahlt. Ich frage den Schleusenchefmeistergeneralsekretär dann auch mal vorsichtig, warum auf englische Anrufe nicht reagiert wird: Der Empfang sei schlecht gewesen…. Naja, erinnert irgendwie eher an die Ausrede in einem telefonischen Ehestreit, aber nach meiner Frage wird im Gegensatz dazu zumindest auf einmal geantwortet. :-D

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Die Schleusen von Trollhättan sind aber nicht nur eine einzige Schleusentreppe. 2 alte, nicht mehr genutzte, Generationen von Schleusen von 1800 und 1844 sind direkt daneben angesiedelt und heute in eine Art Park umgewandelt. Und dort soll man sehr schön liegen können. Und tatsächlich, man macht dort quasi im Vorhafen der alten Schleusen fest. Das Wasser plätschert durch die maroden Reste der Tore, man liegt direkt neben einem Springbrunnen, den Begriff “Schleusenpark” kann man hier wohl wirklich wörtlich nehmen. Ich habe quasi mitten im Parkteich festgemacht. Schöner geht es nicht. Ein viertes Mal innerhalb von einer Woche bin ich der Meinung, nun aber wirklich den besten Platz erwischt zu haben. Das bestärkt mich nur noch mal darin, dass ich hier wohl noch mal her kommen muss….

Ich verbringe den Nachmittag dann damit durch das Schleusengelände zu stöbern. Schaue mir mal kurz das Museum an, esse den Schleusen angemessen ein vierstöckiges Eis und beobachte die Schleusenpassage eines großen Tankers. Und das ist definitiv sehenswert. Ein wirklich interessanter Tag. Wer in Trollhättan nicht angehalten hat, hat den Kanal nicht wirklich gesehen.

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Nachdem sich der Nebel am nächsten Morgen verzogen hat, geht es dann weiter. Und auch hier ist der Kanal noch wirklich ansehnlich. gepflegte Ackerflächen wechseln sich mit Felsen, Wäldern, und den typisch schwedischen Ferienhäusern ab. Der Strom gleicht die Nachteile des kleinen “Rasenmähermotors” der Nonsuch mehr als aus, und so komme ich schnell zur letzten Schleuse. Lilla Edet. Hier stimmen die Gerüchte, denn der hiesige Yachthafen und das gesamte Umfeld ist wirklich alles andere als reizvoll. Aber egal, ich mach ja wieder nur schnell mit dem Bootshaken zur Durchreise fest. Auch hier ist das ganze Schaupiel Herabschleusen in 10 Min. erledigt. Herzlich Willkommen im Erdgeschoss – Herrenmode und Geschenkartikel. Denn dies war die allerletzte Schleuse. Nach 3 Wochen bin ich wieder auf Meeresniveau angekommen. Ein komisches Gefühl. Aber ich mag es, genau wie beim Erreichen von Töre o.Ä über solche Eckpunkte nachzudenken. Sie geben einer solchen Reise erst Kontur…

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Ab hier ist dann leider auch alle Binnenromantik vorbei. Der Fluss verliert seine bisherige Lieblichkeit. Immer öfter prägen Industrianlagen, verlassene Ruinen und die Autobahn E6 das Bild. Zum Glück gibts hier nichts mal Häfen die einen zum Anhalten verleiten können. Außer Kungälv. Fast schon in Görteborg. Der Hafen liegt zwar direkt im Schatten der Bohus Festung, die der gesamten Provinz hier seinen Namen, Bohuslän, gibt, aber irgendwie kommt keine rechte Begeisterung auf. Also gehts die letzten 2 Stunden nach Göteborg auch noch in einem weiter. Ein weiterer Vorteil für die Ost-West Passagerichtung, denn durch den Strom wäre man in entgegengesetzter Richtung gezwungen in einem der weniger schönen Häfen anzulegen…  Kurz später bin ich also in Göteborg angekommen. Da bleibt einem erst mal nichts anders übrig, als ein Bier aufzumachen und den Freitagabend zu genießen. Ich kann die Ostsee schon wieder riechen….

Insgesamt ist der Kanal wirklich nur Erfahrung. Unansehnlich ist nur der Unterlauf, insbesondere die Gegend um Trollhättan lädt aber durchaus dazu ein, hier nicht nur durchzurasen.

 

Das wars mit dem Vänern und mir fürs Erste!
Die erste Brücke. Geht gleich auf...
Hier muss man aufpassen, dass man sich nicht in den Fahrwassermarkierungen verfängt...
Wir müssen leider draußen bleiben.
Irgendwie fehlt da Wasser....
Erste Schleuse ist geschafft!
In allen Häfen dasselbe Bild: Es wird abgeriggt.
Heute auf dem Tisch: Lecker frische Seezeichen!
Die Eisenbahnbrücke von Trollhättan. 45 min. Wartezeit....
Wasserkraftwerk Trollhättan. Vattenfall mal wörtlich.
Schleusentreppe Trollhättan. Von oben sieht das unspektakulär aus.
Schleusen ist hier auch allein echt easy. Einfach das Boot an der Leiter festhalten.
Die Schleusentreppe von Trollhättan.
Da war ich eben noch oben????
Der Liegeplatz am Fuße der alten Schleusen. Geht es noch schöner??
Mitten im Park lege ich hier an.
Das Wasser plätschert die alten Schleusenkammern hinab.
Fast schon verwunschen mutet das alles an.
Auch die Passage der ganz dicken ist spannend anzusehen.
Platz da, ich komme.
Zentimeterarbeit at it´s best.
Und abwärts gehts!
Aber atmen is´okay, oder??
Auf Augenhöhe mit den Profis.
Uaaaaah. Ganz schön tief.
Maßgeschneiderter Liegeplatz.
Die ersten Schleusen von Trollhättan.
Wirklich beeindruckend und verwunschen zugleich.
Schleuseneis mit 4 Etagen.
Auch oben an den Schleusen gibt es einen ganz netten Anleger.
Schleusenpark. Der Vor"hafen" der zweitern Stufe.
Kann man schöner liegen?
Das finden auch andere.
Traumhaft.
Natur und Industrieromantik am selben Platz.
Trollhätte Kanal.
Die letzte Schleuse. Ostseeniveau.
Die Festung Bohus.
Der Anlegerist leider weniger schön als die Anfahrt vermuten lässt.
Was wohl passiert, wenn man diese Fahrwassertonne berührt.....
Kleines Abenteuer vor Göteborg. Die Brücke hat 13m Durchfahrtshöhe. Habe meinen Mast noch nie vermessen...
Kurz überschlagen: Müsste passen! - Und passt knapp!
Trollhätte Kanal.
Göteborg im Blick.
Zählt das mit der Fassade schon als fester Wohnsitz?
Unter der letzten Brücke passe ich durch.
Angekommen!

Unter Segeln: Durch die Nacht. Von Monemvasia nach Milos.

Unverkennbar, drohend und von den Gewalten der Explosion des Vulkans zeugend:
Der Felsen an der Einfahrt in den Vulkankrater der Insel Milos.

Wer auf der fünf-, sechstausend Jahre alten Händler-Seeroute vom Peloponnes nach Osten, in die Inselwelt der Ägäis will, für den ist die Insel Milos das nächste Ziel, knapp 70 Seemeilen entfernt. 70 Seemeilen: das bedeutet: 130 Kilometer übers offene Meer, etwa 14 Stunden. Und weil ich gerne Milos noch bei Tageslicht erreichen will, um zu sehen, wo wir unseren Anker fallen lassen, fassen Andreas und ich den Plan: Morgens gegen drei in Monemvasia aufzubrechen.

Gegen zwei Uhr werde ich wach. Nicht ganz freiwillig: Die griechische Band, die seit elf am Hafen endlos sich wiederholende Klagelieder singt, tut das ihre dazu. Ich halte die Uhr in der Dunkelheit vor die Augen, spiele einen Moment mit dem Gedanken, mich noch einmal umzudrehen, weiterzuschlafen. Nichts da. Ich stehe auf. Andreas ist wach. Wir kochen uns in der Dunkelheit Kaffee mit warmer Milch. Ein Biss ins Brot. Schwimmwesten an, Lifebelts. Navigationslichter an. Und das kleine Dämmerlicht über dem Kartentisch. Dann raus in die sternklare Nacht. Warmer, leichter Nordost. Ein Käuzchen ruft.

Unsere Festmacher haben wir am Abend vorher schon klariert, alles soll zwischen den anderen Hafenliegern so lautlos wie möglich vor sich gehen. Es ist halb drei. Der Motor springt bullernd an, ich werfe die Achterleinen los, Andreas holt im Dunkel vorne den Anker hoch, zieht uns langsam ins Hafenbecken. Ruhig gleiten wir aus dem Hafen, vorbei an den dunklen Molenköpfen, und hinaus, südlich am Felsen der byzantinischen Festung Monemvasia entlang. Und kaum haben wir den Hafen verlassen, wird aus dem leichten Nordost ein nette 10 Knoten-am-Wind Brise: genau Levje’s Wetter. Ein Aufschießer in der Dunkelheit, erst das Groß, dann die Genua setzen, und zurück auf unseren Kurs für die nächsten 14 Stunden: auf etwa 80 Grad zieht uns der warme Wind durch die mondlose Nacht, nach Osten.

Ich übernehme die erste Wache bis Sonnenaufgang. Wie immer freue ich mich über die Geschwindigkeit, die Levje aus dem wenigen Wind herausholt: stabil über fünf Knoten aus acht, neun Knoten vorlichem Wind. Reine Freude. Ich beobachte die Segel, zupfe hier, ziehe da, optimiere, versuche die Geschwindigkeit noch zu steigern. Aber alles arbeitet hervorragend. Das Schiff läuft, die Segel ziehen, der Autopilot macht surrend seine Arbeit. Ich kann nichts besser machen in der Dunkelheit, nur auf die gelegentlichen, kleinen Windänderungen reagieren und die Segelstellung gleich korrigieren. Ich laufe auf dem Schiff herum, schaue mir mit der Taschenlampe die Segel von allen Seiten an, beobachte das Rauschen des Wassers am Bug. Levje läuft.

Wir sind allein draussen. Fast. Denn hin und wieder zieht im Dunkel ein Frachter um die Südecke des Peloponnes und geht auf Nordkurs, Richtung Athen und Piräus, auch das ist eine uralte Händlerroute, der sie folgen. Und wie so oft, wenn ich in der Morgendämmerung mit Ostkurs unterwegs war, foppt mich der im Osten aufgehende Morgenstern, die Venus. Zuerst denke ich, es ist das Topplicht eines anderen Seglers, was da im Osten über der Kimm aufsteigt. Das Licht wird größer und heller. Ich nehme das Fernglas, um den vermeintlichen Entgegenkommer zu sehen. Das Licht steigt höher und höher, und irgendwann in der Morgendämmerung dämmert es auch in mir: es ist die Venus. Und nicht ein Segler auf Gegenkurs.

Bei Sonnenaufgang haben wir immer noch guten Wind. Monemvasia ist längst hinter uns im Dunst verschwunden, wir sind jetzt draußen. Und zum ersten Mal ist jetzt vor der aufgehenden Sonne die Silhouette einer Insel voraus zu erkennen, nur für eine Viertelstunde. Mit der höher steigenden Sonne verliert sich, was vorher wie ein Scherenschnitt war, wieder in der Weite. So müssen das die Alten auch gemacht haben: bei Sonnenaufgang unbekannte Inseln voraus entdecken.

Und während die Sonne schnell kräftiger wird, werde ich müde. Meine Wache ist vorbei, Andreas übernimmt, jetzt führt er das Schiff, und ich lege mich schlafen.

Weil der Wind anhält, erreichen wir die Insel Milos schneller als gedacht. Aber nichts ist vollkommen: Als wir gegen zwei Uhr Andimilos, den heißen Felsklotz vor Milos passieren, schläft der Wind plötzlich ein. Der Seegang aber nicht: Levje schaukelt im Kreuz und Quer der Wellen hilflos hin und her, ein bemitleidenswertes Geklapper in der Takelage, ich mag schon den ersten Klapperer nicht, wenn die Welle zum ersten Mal stärker als der Wind ist und mir untrüglich zu verstehen gibt, dass der Wind jetzt einschläft. Und nichts mehr geht. Also motoren wir eine Stunde, ein Geschaukel, was müssen erst die Doldrums sein, da geht das wochenlang so. Aber kurz vor der Einfahrt in den alten Vulkankrater, der der als Insel Milos nach einer gewaltigen Explosion – ähnlich wie Santorin – übrig blieb, ist der Wind wieder da. Böig zwar – aber er ist da. Und treibt uns um den gewaltigen Felsen, oben im ersten Bild, der die Einfahrt in den Krater und die große Hafenbucht von Milos markiert. Wir passieren den Felsen ganz nah, das Wasser ist hier tief, runden eine zweite Huck, und dann liegt da, unerwartet, mitten im vulkanischen Gestein, eine wunderbare Ankerbucht, Agiou Dimitrou. Unter Segeln einlaufend, beschließen wir, hier unseren Anker fallen zu lassen, im Vulkankegel, an den Abhängen des alten Kraters. 
Und außer der Kapelle des Heiligen Dimitrios und einem anderen Segler ist es nur die Stille, die uns empfängt.

Wo liegt eigentlich Milos? Unsere Route.

Frisches Wasser, ein neuer Rekord, und kein WLAN

Und weiter gehts. Henriks und meine Wege trennen sich in Köpmannebro. Für ihn gehts schon weiter Richtung Süden, doch ich möchte mir noch ein wenig den Vänern geben. Also gehts bei strammem Wind von hinten nach Norden. Es bläst mir guten 20kn. Schnelles vorankommen ist also garantiert. Und auch der Vänern zeigt dabei mal Zähne. Es steht eine wirklich ekelhafte Welle, auch wenn ich mir gar nicht so wirklich erklären kann wieso. Das Wasser ist weitgehend tief und durch die gigantischen Ausmaße des Sees müsste das Ganze bei fast 40sm Windanlaufstrecke auch deutlich langwelliger aussehen. Aber sei´s drum, der ganze Kram kommt ja zum Glück nicht von vorn.

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Ich befinde mich mitten in Schweden. Es ist Ende August. Und es ist absolut keine Sau unterwegs. Den ganzen Tag treffe ich, von Henrik mal abgesehen, kein einzigen anderen Segler. Im Bottnischen Meerbusen habe ich damit ja noch gerechnet, aber hier? Naja, stört mich nicht, macht das Einhandsegeln etwas weniger anstrengend. Am Nachmittag komme ich dann in Åmal, einer schwedischen Kleinstadt, an. Auch hier ist nicht wirklich was los. Aber die Gebäude um den Hafen herum sind ganz nett. Von der Anordnung fühle ich mich ein wenig an so eine klassische Wildweststadt erinnert. Vielleicht auch eher vom Menschenaufkommen her… Später sehe ich dann doch noch ein Boot. Jøran, der Norweger den ich schon in Forsvik im Kanal getroffen habe, kommt mit seiner Frau an. Auch er hat sich ja an Rund Ostsee versucht, es gibt also genug Gesprächsstoff für einen zweiten Abend. Unter anderem lerne ich, dass Åmal in ganz Schweden als Sinnbild für eine verschlafene Kleinstadt gilt. Es gab da mal einen Film namens “F….ing Åmal”… Das erklärt so einiges… Da hier aber nix los ist, ist die Stadt auch perfekt für einen Hafentag zum Entspannen geeignet bevor es weiter geht…

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Heute ist der Wind dann mal wieder schwachbrüstig unterwegs. Irgendwann dann sogar ganz weg. Dafür hat er 22 Grad und den Sommer da gelassen. Ha! Hab doch gesagt, dass der Sommer auch in Schweden noch nicht vorbei ist. Kurze Hose raus, Motor an, und langsam gen Süden getuckert. Und weil motoren ja langweilig ist, kommt man dabei auf dumme Ideen. Der Vänern ist doch ein Süßwassersee und Trinkwasserreservoir. Warum also nicht einfach mal…. Volltreffer! Ich zapfe mir eine schöne Flasche kaltes Quellwasser…oder so ähnlich. Bevor mir noch mehr Flausen einfallen gehts aber in den nächsten Hafen. Mal wieder einer von der guten Sorte. Dalbergså liegt kurz hinter der Mündung eines kleinen Flusses in den Vänern. Man liegt an einem Steg neben einem Wald und einigen Häusern. Die Enten ziehen über das Wasser, die Sonne brennt, hier ist die Welt noch in Ordnung. Außerdem sind Jøran (+Anhang) und ich hier völlig allein. Ich schwinge mal den Kochlöffel für alle und wir genießen die Ruhe an diesem Platz. Ob es hier in der Hochsaison wohl genau so idyllisch ist? Egal, denn für uns zählt nur dieser Moment. Dalbergså ist landschaftlich völlig untypisch für Schweden.Vielleicht macht das diesen Ort nach Monaten voller Felsen und Nadelwäldern auch so außergewöhnlich. Mit der Flußmündung, dem Laubwald, den Hügeln am Horizont. Vielleicht fällt es deswegen auch so auf. Und damit stellt der Hafen einen neuen Rekord auf. Innerhalb von 5 Tagen bin ich jetzt zum 3 mal der Meinung, dass das nun aber wirklich der schönste Platz bisher sein muss. Der Gedanke so schnell wie möglich wieder hier her zu fahren verfestigt sich bei mir. Monate des Seesegelns und dann vergucke ich mich ausgerechnet in einen Binnensee! Also wirklich mal…

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So kann das nicht weitergehen. Also weiter Richtung Trollhättan-Kanal. Ich lande in Vänersborg, ganz in der Südwest Ecke des Vänern. Die Stadt scheint sehr industriell geprägt. Perfekt als Idylle Gegenprogramm geeignet. Vor dem Hafen wartet aber die ersten beiden Brücken des Kanals auf mich. Unter der ersten passe ich noch durch, aber bei der zweiten muss ich dann doch mal das Funkgerät bemühen. Nur antwortet leider keiner. Als dann ein Schwede auf der anderen Seite der Brücke ebenfalls warten muss und auf schwedisch fragt, bekommt er sofort eine Antwort. Der Teufel ist ein Eichhörnchen….

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Vänersborg ist nicht mal hässlich. Die Stadt macht einfach einen so unspektakulären Eindruck, dass ich mich gar nicht lange dort aufhalte, sondern lieber an Bord gammel. Und dann habe ich noch so ein Erlebnis der dritten Art. So dämlich, dass es schon fast wieder lustig ist. Der Hafen soll WLAN haben. Perfekt! Schließlich habe ich einen Blog zu führen. ;-) Also los und beim Hafenmeister der Code besorgt. “Kein Problem” sagt er, aber das kostet extra. Das ist nun für mich wiederum kein Problem, schließlich sind die WLANS in Schweden sehr rar und ich muss ja mal wieder ein Video hochladen. Also für den Code gelohnt und zurück aufs Schiff. Und, wie sollte es anders sein, das Netz funktioniert nicht. Also zurück zur Hafenbude gewackelt. Und da klärt mich der Kollege, der mir eben noch 50kr fürs Internet abgenommen hat, auf, “Ja, das Internet funktioniert schon seit mehreren Wochen nicht wirklich”. Ich bin so perplex, dass ich nicht mal daran denke mein Geld zurückzuverlangen. Als ich die Geschichte dann mit anderen Gastliegern teile, bekomme ich wenigstens ein Trostbier und wir alle aus dem Lachen nicht mehr raus. Das ganze hat mich irgendwie an folgende Szene aus dem “Little Britain” Spin-off “Come fly with me” erinnert: (englisch)

Und so geht der Vänern zuende. Ein ganz tolles Revier mit einzigartig schönen Häfen, frischem Wasser, keinem WLAN, und einem neuen Fan.

 

Auch der "kleine" Binnensee hat Zähne.
Aber heute kommt ausnahmsweise mal alles von hinten.
Und die Schauer bleiben vor mir.
Grafitti mal anders.
Nix los in Åmal.
Wildweststimmung.
Nur der vorbeirollende Strohballen fehlt.
Schön ist es trotzdem.
Einen Besuch in Åmal kann man empfehlen.
Morgenstimmung.
Trinkwasserprobe.
Und relaxen unterwegs.
Dalbergså ist schon wieder so ein Juwel.
Der kleine Flusshafen ist so friedlich
und landschaftlich untypisch für Schweden.
Dass er einen neuen Rekord bildet.
Lange genießen wir gemeinsam die Ruhe.
Dalbergså.
Die letzten Segelmeilen vor dem nächsten Kanal.
Die Brücken von Vänersborg.
Sand im Getriebe oder im Ohr?
Vänersborg ist eine Industriestadt....
...mit einer Hafenmeister-Knalltüte. Spaß haben trotzdem alle.
Das wars mit dem Vänern und mir fürs Erste!

Binnensegeln

Wenn ich aus dem Hafen von Sjötorp in den Horizont schaue sehe ich nichts als Wasser. Man vergisst hier leicht, dass man eigentlich auf einem See unterwegs ist. Der Vänern ist der größte See Skandinaviens, ein gigantischer Trinkwasserspeicher und ein hervorragendes Segelrevier. Von Anfang an hatte ich vor hier nicht nur durchzurasen, doch wie toll der See tatsächlich ist hätte ich nicht gedacht.

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Also los gehts. Ich verlasse Sjötorp. Der Kanal steht still und die Sonne schaut auch mal wieder vorbei. Heute ist auch nur ein kleiner Schlag vorgesehen. Muss mich ja erstmal wieder ans Segeln gewöhnen. ;-) Es geht nach Mariestad. Schon komisch. Ich hatte mich schon so dran gewöhnt, dass das Boot dauernd voller Fender, Leinen, Bootshaken und dem anderen ganzen Schleusenkram liegt. So mit Genauschoten und klarem Deck gefällt mir das Ganze gleich viel besser. Mariestad selbst ist irgendwie mehr so mäßig spannend, aber egal. Wenigstens das einheimische Bier schmeckt. Henrik, mein dänischer Kanalfreund, und ich versuchen allerdings leider vergeblich die Brauerei zur Besichtigung zu finden. Obwohl ich nur 2 Wochen im Götakanal war, ist es irgendwie komisch wieder “draußen” zu sein.

Leider hat der Sommereinbruch nur kurz angehalten. Schon am nächsten Tag regnet es eigentlich pausenlos durch. Also einen Tag Pause eingelegt, bevor es weiter auf den Vänern geht. Im Süden gibt es einen großen Schärengarten, dahin soll es heute gehen. Und weil der Wind von vorne kommt, wird die Strecke extra lang. Endlich wieder Segeln! Ich möchte die Kanalerfahrugen weißgott nicht missen, aber ich hatte schon fast vergessen wie schön es ist so lautlos dahinzugleiten. Wie soll das denn erst werden wenn ich wieder zuhause bin und nur die Wochenenden wieder ganz normal besegelt werden? Solche Gedanken bekomme ich in letzter Zeit öfter. Obwohl ich noch einen ganzen Monat Zeit habe, rückt das Ende immer näher.

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Irgendwann taucht dann ein riesiger weißer Fleck an der Küstenlinie auf. Das Schloss von Läcko. Es trohnt eindrucksvoll an der Einfahrt des Schärengartens. Schären gibt es viele, aber das Schloss hier nur einmal. Zwar stand im Revierführer was vom “eindrucksvollen Schloss”, aber das tut es sinngemäß auch oft bei jedem vorzeitlichen Reihenhaus. Aber das ist hier tatsächlich mal was besonderes. Selbst das Schloss von Vadstena stellt es in den Schatten, wenn man hier auch nicht direkt im Burggraben anlegen kann. Aber zumindest direkt davor… Auch wenn mein Kulturbedürfnis für diesen Sommer eigentlich schon mehr als gedeckt ist, schaue ich mir das Schloss auch noch an. Spätestens seit St. Petersburg mit den Massen an Gold und Kunst kann ich da eh nix mehr wirklich beeindrucken, doch die Ausstellung ist wirklich sehenswert. Das Innere wurde seit dem 17. Jhd. fast nicht verändert und es wird sich auf das Leben in einem solchen Schloss konzentriert. Und das ist wirklich mal ein Unterschied zu vielen anderen Gemäuern, wo man hauptsächlich mit Namen und Jahreszahlen aus der individuellen Geschichte bombardiert wird.

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Abends kommt dann die Ka´Li auch wieder dazu. Ansonsten ist nicht viel los. Überhaupt habe ich nur 1 anderes Segelboot heute auf dem Wasser gesehen. Ein Deutscher… Es scheint, als stellen die Schweden wirklich die Boote Punkt Mitte August in die Garage. Viel los ist auch im Hafen nicht und wir genießen einen herrlichen Abend im Cockpit am Fuße des Schlosses. Und ich bin mir sicher, dass das heute der schönste Hafen der Reise bisher ist.

Aber auch der schönste Hafen der Reise muss irgendwann verlassen werden. Heute geht es mal total raus in Blaue, denn sowohl meine als auch Henriks Karten sagen nicht wirklich viel über das Westufer des Vänern aus. Nur das kleine Bildchen im schwedischen Gästehafenverzeichnis zeigt, dass es dort einen Platz gibt, der ganz besonders nett aussieht. Bei leichtem Wind machen wir uns also auf den Weg. Irgendwas ist schon seit Sjötorp aber irgendwie anders beim Segeln. Heute, wo ich kaum auf 4kn Geschwindigkeit komme, merke ich auch was es ist: Ich hab keine Termine mehr. Wie schon mal erwähnt, war das Saisonende des Göta Kanals ja das letzte fixe Datum. Ab jetzt trödel ich nur noch vor mich rum.  Weit ist es ja auch nicht mehr bis in heimatliche Gewässer…. Als der Wind dann irgendwann mal zunimmt, hat er gleich ein kleines Gewitter im Gepäck. Super, den Hafen schon in SIchtweite, alle anderen schon trocken am Kai, und um mich herum krachts. Der begossene Pudel. Das gute an Gewitterschauern: Sie gehen vorüber.

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Vorsichtig taste ich mich in das Fahrwasser am Westufer hinein. Ein Schild verkündet, dass hier der Dalsland-Kanal beginnt. Da der gesuchte Hafen vor der Eingangsschleuse liegt, bin ich also schon mal richtig. Die letzte Meile wird vielleicht zur schönsten der gesamten Reise bisher. Die Abstände zum Ufer kann man nicht mehr in Metern, sondern nur noch in Dezimetern messen. Gleichzeitig wirkt alles wildromantisch verlottert. Ganz anders als der rausgeputzte Göta Kanal. Das letzte Hindernis auf dem Weg ist eine Eisenbahnbrücke. Die hatte uns eigentlich davon abgehalten hier hin zu fahren, aber der Fischer in Läcko hatte Recht, und sie kann sich auf Anfrage öffnen. Das geht mittels einer Gegensprechanlage. Die Dame am anderen Ende klingt zwar ganz sympathisch, plärrt aber so dermaßen laut aus dem schlecht eingestellten Lautsprecher, dass ich vor Schreck fast rückwärts über Bord falle. Dafür macht sie aber sofort auf. Keine 500m weiter, schaut es dann zunächst so aus, als ob es nicht weiter geht, aber dann sehe ich dort die Ka´Li und das heutige Ziel. Köpmannebro. Hier beginnt der Dalsland-Kanal. Der ist eigentlich kein richtiger Kanal, sondern nur einzelne Stücke die eine Seenplatte miteinander verbinden, und soll sehr schön sein. Auch mir gefällt es mir vom ersten Moment an so gut, dass ich kurz überlege einen Abstecher hier rein zu machen. Hier endet die Saison allerdings genau morgen früh. Den Plan muss ich also verschieben. So habe ich aber wenigstens einen Vorwand um noch mal hier her ins Binnenland zu kommen, denn mir gefällt es wirklich sehr. Der Hafen, eigentlich nur ein Holzsteg zum warten vor der Dalslandschleuse liegt ein einem tiefen Felseinschnitt, von 3 Seiten von hohen Bäumen umgeben.  Dadurch bekommt man von den Häusern drumherum eigentlich überhaupt nichts mit. Die Schleuse selbst macht einen ebenso verwirrterten Eindruck. Ein ganz eigenartiger und wildromantischer Platz. Es ist still, es ist einsam. Natur und Industriegeschichte direkt nebeneinander. Besser geht es nicht. Dazu eiskaltes Bier und selbstgegrillte Hamburger. Jetzt geht es aber wirklich nicht besser. Und schon wieder glaube ich, dass das nun aber der schönste Platz der Reise ist. Der Vänern gefällt mir mit jeder Minute immer besser.

 

Goodbye Göta Kanal!
Schon fast ungewohnt. Angeschlagene Genuaschoten und ein klares Deck.
Der Dom von Mariestad.
Ausgepackte Segel. Ein ungewohnter Anblick.
Mariestad. Der Sommer schaut noch mal kurz vorbei.
Mariestad.
Mariestad.
Mariestad.
Mariestad.
Mariestad.
Die Innenstadt ist wenig spannend...
Der Name ist Programm!
Dicke Schauer ziehen am nächsten Tag vorbei.
Der Kinnekulle Berg. EIne weithin sichtbare Landmarke am Vänern.
Fast schon mystisch anmutend taucht Schloss Läcko vor mir auf.
Liegeplatz in erster Reihe.
Ein traumhafter Platz.
Natur auf der anderen Seite.
In der kleinen Bucht liegt noch ein nachgebautes Wikingerschiff.
Der Schlosshof.
Läckö Slot.
Ausgestellt ist vor allem das Leben im Schloss.
Läckö Slot.
...Auch das der Bediensteten.
Das Schloss ist weitgehend im Originalzustand.
Läckö Slot.
Der Königssaal. Ebenfalls im Originalzustand.
Wirklich beeindruckend. Selbst vergleichen mit der Eremitage.
Ah, kennste!
Das Beste Exponat im Schloss.
Jagdwaffen der Rennaissance
The buffet is not included - Schade.
Das Wasser wird direkt au dem Vänern hochgeholt.
Der Schlossgarten.
Sehr nett gemacht.
Auch ein Spaziergang in die Umgebung dard nicht fehlen.
...bevor es weiter durch die Binnenschären geht.
Der Fischerort Spiken.
Klare Ansage!
Spannende Durchfahrt.
Sogar eine richtige Reperaturwerft gibt es hier im Binnenland noch!
Leuchtturm Närven.
Kennt ihr den?
Meine dänische Begleitung.
Nonsuch.
Nonsuch.
Nonsuch.
Das beste Gefühl der Welt. Mindestens.
Das hätte jetzt nicht sein müssen.
Und das soll die Einfahrt sein? Sah im Führer irgendwie netter aus...
...täuscht aber!
Der Kanal ist traumhaft verschlafen und klein.
Die Brückendame schreit mir herrlich schön ins Ohr.
Öffnet dafür aber auch sofort.
Noch ein kleines Stück...
...Durch dieses verwunschene Stück Schweden.
Dann mache ich direkt vor der Schleuse Köpmannebro fest.
Köpmannebro.
Köpmannebro.
Hier werde ich bestimmt wieder her kommen!

Musik an Bord: Bombay Bicycle Club

Auch als erklärter Freund elektronischer Tanzmusik passt an Bord meistens einfach am aller besten Rockmusik. Also möchte ich euch noch mal etwas davon vorstellen, was ich hier in Schweden aufgeschnappt habe. Es geht um die  Indie-Rockband “Bombay Bicycle Club”. Wer dahinter jetzt einen indischen Konditionssportverein oder orientalische Klänge vermutet wird allerdings eines Besseren belehrt.Die Jungs kommen aus London und machen herrlich leichten Rock, der zum In-den-Hotizont-starren und träumen einläd, ohne dabei aber einschläfernd zu wirken. Fein im Ohr und Abgang. Eine hervorragende Begleitung dazu ist ein 2014´er Becks sowie ein frischer Am-Wind Kurs. ;-)

Hört mal rein!

Bombay Bicycle Club auf Soundcloud

 

 

Pic of the Day: Die vergessenen Inseln: Cleopatra’s Island. Wo der Sand in der Türkei am schönsten ist.

Kleopatra sagen Historiker neuerdings nach: sooo schön wie die letzten 2000 Jahre behauptet, sei sie ja nun doch nicht gewesen. Neuere Lehrmeinungen gehen sogar davon aus, sie sei ausgesprochen hässlich gewesen. Das ist insofern bemerkenswert, weil sich der Berufsstand der Historiker bisher eher weniger mit Wortmeldungen zu DSDS-Kandidatinnen oder „Miss-Sachsen“-Wahlen hervorgetan hat.

Unstreitig ist von Kleopatra zweierlei: Dass sie erstens gleich ein Paar spektakuläre Liebschaften hingelegt hat, wie man weiß: Julius Caesar und später Marc Anton. Und dass sie zweitens genau dadurch „Haus und Hof“ verspielt hat, denn sie war die letzte Herrscherin aus dem Geschlecht der Ptolemiden. Und danach fiel das stinkreiche Ägypten an Rom, genauer gesagt: in den persönlichen Besitz des Octavian, des Cleverles, das die Welt wenige Jahre später Augustus nennen sollte.

Aber soweit sind wir mit unserer Geschichte noch nicht. Noch ist alles glücklich. Julius Caesar ist tot, der gemeinsame Sohn Caesarion lebt (noch), Marc Anton und die alleinerziehende Kleopatra haben sich gefunden. Und verbringen so eine Art „Honeymoon“ auf einer kleinen Insel im Gebiet der heutigen Türkei: auf Sehir Adasi im Golf von Gökova. Und weil der galante junge Mann seiner hübsch-hässlichen Geliebten die Welt zu Füssen legen wollte, ließ er den feinsten und weissesten Sand auf diese Insel schaffen. Wie es heißt: auf Kamelen. Und aus Nordafrika.

Und dieser Sand ist so weiß und so fein, dass er noch heute Unmengen an Sandfans anzieht, so dass sich das türkische Tourismus-Ministerium vor einigen Jahren gezwungen sah, einzuschreiten: es ließ untersagen, dass fürderhin Sand von der Insel als Souvenir mitgenommen und entfernt wird.

Wir wissen nicht, was an dieser Geschichte wahr ist. Vermutlich ist es eine Legende, aber keine richtig alte, wie die unten von Phokas, sondern eine, die man heute „moderne Großstadtlegende“ nennt. Sie wissen schon: ersonnen von irgendeiner schlauen Marketing-Abteilung. Aber: vielleicht steckt ja auch in dieser Legende – wie so oft – „ein Körnchen“ Wahrheit.

Will ich unbedingt hin! Nämlich hierher!