Die Kykladen sind im August als Starkwindrevier bekannt. Prompt kündigen Windguru (oben) und Windfinder für Montag/Dienstag 18./19. August Starkwind bis 7 bft. an. In der Isobarenkarte sieht das Ereignis so aus:
Griechenland ganz rechts außen, neben dem grünen Balken. Zwischen einem Hoch über Sizilien und einem Tief über der Osttürkei „stauchen“ sich die Isobaren ein klein wenig. Nichts Ungewöhnliches. Aber eben bis 7 bft.
Ich beschließe, mich in die Nordecke von Paros, in die Bucht von Naousa zu verholen und dort vor Anker sechs Online-Dienste zu testen:
Wie zutreffend sind die Vorhersagen?
Wie präzise?
Reichen denn die kostenlosen Online-Dienste aus? Braucht man wirklich einen Kostenpflichtigen?
Wie sieht die optimale Törn-Vorbereitung aus?
Und: gibts tatsächlich „The-One-and-Only“: den einen Online-Dienst, der besser ist als alle anderen? Und alle anderen überflüssig macht?
Hier die Ergebnisse:
Die getesteten Wetterdienste
1.1 Die „Tabellarischen“
Sie geben in übersichtlicher Tabellenform die Ergebnisse wieder.
Windfinder
Ist seit Jahren im Standardrepertoire der meisten Fahrtensegler: vor allem auf Kiter, Paraglider, Surfer, Segler spezialisiert. Aber ist er „der Beste“?
Windguru
Weniger bekannt, von mir seit Jahren bevorzugt ob seiner vielfältigen Programmier- und Einstellungsmöglichkeiten: www.windguru.cz. Genauso wie Windfinder auf weltweit auf Kiter, Paraglider, Surfer, Segler spezialisiert. Aber finde ich ihn nach dem Test immer noch gut?
HNMS
Der Online-Wetterdienst des HELLENIC NATIONAL METEOROLOGIC SERVICE. Was Offizielles. Ich benutze hier besonders die Seite mit den WARNINGS. Schmucklos, spartanisch, lakonisch, wertvoll. Reicht das?
1.2 Die grafischen Windkarten
Poseidon
Allen Griechenland- und Türkei-Fahrtenseglern bestens bekannt. Windkarten im Drei-Stunden-Takt. „Blau“ für Entwarnung, „Gelb“ ist dann schon 5 bft., „orange“ entsprechend darüber bei 6,7, 8 bft.
Passageweather
Weniger bekannt. Ebenfalls einfache Windkarten im 3-Stundentakt.
1.3 Kostenpflichtige App
Meteo Consult
Für mich der Neuling im Sextett, eine Empfehlung eines MARE PIU-Lesers. Wartet mit einer verblüffenden Informationsdichte auf: Lokales Wetter, frei wählbares, einstellbares Streckenwetter, Isobarenkarte, die das „große“ Wettergeschehen erklärt. Aber liegt METEO CONSULT auch richtig?
PocketGRIB
PocketGRIB kann man sich im Appstore herunterladen für wenige Euro und liefert dafür regionale Windkarten für animierte, eine Woche weit reichende Wetterfilme inklusive Regenvorhersage. Großer Vorteil: Klitzekleine Download-Mengen von wenigen kb (!!) machen PocketGRIB auch für den Download in Gebieten mit ganz schlechtem Empfang attraktiv. Aber macht das allein schon PocketGRIB zu einem guten Instrument?
Was sich tatsächlich am 18./19. August in Naousa/Nord-Paros abspielte
Pünktlich und gemäß allen Vorhersagen stieg der Wind in der Nacht von Sonntag auf Montag deutlich an. Höchste gemessene Knotenzahl dann am Montag Abend mit 36 Knoten. Höchster Durchschnittswert knapp 19 Knoten. Dienstag Vormittag Wetterberuhigung, Nachmittag erneut auffrischender Meltemi.
Und an Bord vor Anker fühlte sich das so an wie im Video:
Zum Video hier klicken.
Die Testergebnis in sieben Punkten:
1. Der Beste
Gleich vorweg: Den gibt es nicht! Bei diesem „eindeutigen“ Windereignis lagen alle getesten Wetterdienste mehr oder minder richtig. Unterschiede gibt es, wie genau die Wetterdienste an die gemessenen Knoten-Spitzenwerte herankamen. Und da war am zuverlässigsten der lakonisch-wortkarge Grieche HNMS. Der sagt aber einfach nur „NW 6 or 7“. In der Knotenzahl stimmt das annähernd. Aber im zeitlichen Verlauf ist es zu wenig aussagefähig.
Fazit: Einer allein reicht nicht. Es hilft nicht: zwei bis drei Wetterdienste sollten nach wie vor herangezogen werden.
2. Die Spitzenwerte: zu niedrig vorhergesagt
Der Montag brachte in Naousa auf Nordparos fast durchweg Spitzenwerte in den Dreissigern. Das ist in diesem Starkwindrevier immer mal „drin“. Nur: endeten die Vorhersagen fast aller Wetterdienste bei 26 und 27 Knoten.
Fazit: Zukünftig immer 10 Knoten zum Spitzenwert dazurechnen. Dann liegt man – was die Ägäis angeht – nicht verkehrt.
3. Die Durchschnittswerte: zu hoch vorhergesagt
22-27 Knoten – wie die meisten prognostizierten – war selten. Der höchste drei-Stunden-Durchschnittswert am Montag Nachmittag lag bei 18,9 Knoten, also weit geringer.
Fazit: In den Spitzen wirds deutlich mehr als vorhergesagt. Das Mittel liegt drunter.
4. Was ist besser: kostenlos oder „paid“?
Die kostenlosen Wetterdienste reichen für mich als Fahrtensegler vollkommen aus. und lassen wenig Wünsche offen. Lokale Gegebenheiten wie Kap- oder Düsen-Effekte, Winddreher zwischen Inseln halte ich für schlicht nicht voraussagbar, zumal in der Ägäis. Da gibts immer nur Näherungswerte.
Ebenso ist eine Vorhersage von mehr als einer Woche kritisch zu betrachten – so gerne man es auch hätte.
Eine Einschränkung: Da nur eine kostenpflichtige App im Test war und PocketGRIB für mich eher „mittelmässig“ abschnitt, ist der Anteil der getesteten „Kostenpflichtigen“ nur mit Einschränkung repräsentativ.
5. Was ist besser: Tabellarisch oder Grafisch?
Auch hier ergibt sich kein „besser“, kein „schlechter“. Der Mix aus beidem macht es: Eine „tabellarische“ Wettervorhersage wie die von WINDFINDER oder WINDGURU erlaubt eine halbwegs verlässliche Vorausschau auf eine Woche. Mit einem Blick.
Eine gute Windkarte wie die von POSEIDON erlaubt einen Überblick über über das großräumige Wettergeschehen. Auf einen Blick.
Aus beidem kann man gut Schlüsse ziehen, was die eigene Taktik angeht: Gehe ich die nächsten drei Tage in den Kykladen südlicher? Oder hat’s da ein Beaufort mehr Wind? Bleib ich, wo ich bin? Oder sieht’s im Norden von Paros besser aus?
6. … ja aber: was ist denn jetzt wirklich der Beste?
Klarer Punktsieger: METEO CONSULT.
– lag (in diesem Fall!) ziemlich richtig.
– bietet mit Tabellarischer und grafischer und Isobarenkarte informativ am meisten.
– bietet auch „Streckenwetter“
Sollte man sich auf alle Fälle ansehen. Allerdings habe ich später in der Türkei die Erfahrung gemacht, dass METEO CONSULT gerne mal „Starkwind“ vorhersagt, wo alles ruhig bleibt.
Zweiter Sieger: Windguru, fast gleichauf Windfinder
– lag ziemlich richtig; zuverlässig
– für jeden Ort ist das Wetter programmierbar
Dritter Sieger: HNMS, fast gleichauf Poseidon
– nationale Wetterdienste, die man einfach immer auch heranziehen sollte.
7. … und wie ermittle ich jetzt das Wetter auf meinen nächsten Törn?
Nicht anders wie bisher:
– Täglich in drei Wetterdienste der unter 6. genannten Testsieger schauen:
In einen „Lokalen“.
In einen „Tabellarischen“.
In einen „Grafischen“.
– deren Vorhersagen für die nächsten drei Tage in mein Logbauch aufnehmen;
– nach der besten Vorhersage fahren. Aber einen „Plan B“ in der Tasche haben, wenn die schlechteste Vorhersage eintritt.