Eine typische Charter-Crew im Herbst in der Ägäis. Mit Begeisterung auf dem Meer, auch wenn es überwiegend Nicht-Segler sind.
Hier 7 Tipps, wie man als Skipper seiner Crew ein sicheres Gefühl gibt.
Über das Segeln mit „Nicht-Seglern“ gibt es ein schönes Experiment: 1988 verloste der STERN, damals noch in Saft & Kraft, zwei Segelreisen mit Weltumsegler Wilfried Erdmann. Über den Atlantik. Bedingung an die Teilnehmer: noch nie gesegelt zu sein. Jeweils acht Teilnehmer durften mit auf das von Wilfried Erdmann ausgewählte und ausgerüstete Schiff, die GATSBY. Und über diese Reise, einmal Amerika hin, einmal zurück, hat Erdmann ein immer noch lesenswertes Buch geschrieben: EIN UNMÖGLICHER TÖRN.
So in die Extreme geht meine Woche als Skipper in der Ägäis natürlich nicht. Meine Crew besteht aus Freunden. Sie sind zwischen 60 und 72 Jahre alt, schon mehrfach mitgesegelt. Sie kennen das Bordleben. Sie mögen das Draussensein. Sie lieben das Meer. Seekrank (so gut kann sich jeder einschätzen) wird keiner.
Trotzdem: den Palstek kann keiner. Wie die Technik auf einer Yacht wie der SUNNY, unserer 50-Fuß OCEANIS funktioniert, weiß keiner. Navigation? Anlegen? Nein. Alles zwar keine Segel-Novizen. Aber eben „Nicht-Segler“. Und da ich immer gerne Segeln ging mit Leuten, die zum ersten Mal segeln, hier meine 7 Tipps zum Segeln mit Nicht-Seglern:
1. Wie stellt man eine gute Crew zusammen?
Wie schätzt man ein, ob jemand überhaupt als Mitsegler in Frage kommt?
Natürlich kann man als Skipper Leute einfach mitnehmen. Nach dem Motto: „Wird schon wissen, worauf sie sich einläßt.“ Ich habe es mir zur Regel gemacht, mit Mitseglern einfach kurz zwanglos zu telefonieren oder zu mailen. „Hallo, ich bin der Thomas. Wollt‘ mich mal melden…“ Wichtig daran ist das Abklären zweier banaler Grundfragen:
„Hast Du schon mal im Zelt geschlafen?“
„Bist Du schon mal auf einem Campingplatz gewesen?“
Wenn Segelinteressierte bei diesen Fragen zucken: sollten Sie genauer nachhaken. Denn von der Lebensform her ist Segeln nichts anderes als „Camping auf dem Wasser.“ Viel Draussen sein. „Stinkeinfache“ sanitäre Verhältnisse. Sowohl auf dem Boot. Als auch im Hafen. Schräglage. Knarrendes Tauwerk. Überlaute Hafen-Discos. Dinge, die man nicht ändern kann. Mit denen man sich arrangieren muss. Wenn man das nicht kann: wird’s für alle zur Qual.
Hier hat sich Weltumsegler Haluk Karamanoglu ein Paradies geschaffen: Der GLOBAL SAILING CLUB in der Bucht von Karaca Koyu, wo Haluk junge Segelbegeisterte auf LASER und OPTIMIST ausbildet. Und seinen Enten ein friedliches Leben beschert…
2. Kann man vorher einschätzen, ob jemand seekrank wird?
Nicht 100%ig. Aber zu 70% geht das. Denn so gut kennt jeder sich selber: Es gibt Menschen, denen wird schon beim Anblick eines Ruderbootes schlecht. Dann rate ich von einem Segeltörn ab. Christian wollte unbedingt segeln. Hatte sich aber vorher mein Video von der Überquerung der Straße von Otranto angesehen. Und meinte dann: da würde ihm schon leicht schlecht. Ich habe die Entscheidung ihm überlassen, aber letztlich hat er abgesagt.
Einfach mit Interessierten locker über das Thema reden. Denn auch dies kann auf einem Törn für alle belastend werden.
3. Klare Regeln
Dazu gehört das Thema Alkohol. Ich bin da ziemlich eisern, und als ich meiner Crew meine Regel zum ersten Mal verkaufte, mussten die schon schwer schlucken. Aber mittlerweile schätzen sie es. Meine Regel:
„Sind wir im Hafen oder vor Anker, könnt Ihr machen, was Ihr wollt.
Sind wir draussen: Kein Alkohol. Ausnahme: ein „Stützbier“. In der Mittagshitze.“
Mittlerweile fragt mich meine Crew, alles gestandene Firmenlenker, ganz schüchtern mittags, ob ich ein Stützbier genehmigen würde. Süß. Und nebenbei gesagt: Richtigen „Saufing-Törns“ wirkt man mit dieser Regel auch entgegen.
Regel ist auch für alle Mitsegler: Frag den Skipper.
Wenn Dir irgendetwas komisch vorkommt. Frag den Skipper. Wen Nachts etwas nicht koscher ist: Frag den Skipper. Wenn Du irgendetwas am Schiff siehst, was komisch aussieht: Frag den Skipper. Wenn jemand knapp vor unserem Bug ankert: Frag den Skipper. Wenn Du nicht weißt, ob Du den Skipper fragen sollst: frag den Skipper.
Die Einfahrt in die Bucht von Bozburun auf der Halbinsel Datca.
4. Klare Ansagen
Eine Crew von fünf, sechs Leuten ist – was das morgendliche Ablegen angeht – manchmal wie ein Sack Flöhe. Die Backschaft geht noch mal eben ein Brot holen, was den anderen animiert „Ich könnt ja noch mal schnell duschen“. Und wupps: steh ich allein da, die Stromschot in der einen, den Festmacher in der anderen Hand und will ablegen.
Meine Regel: Ist die meines alten Segellehrers: Ich vereinbare „7, 8, 9“. Heißt: „Sieben Uhr aufstehen. Acht Uhr Frühstück. Neun Uhr Ablegen.“ Das funktioniert natürlich auch als „6, 7, 8“. Oder „9, 10, 11.“ Aber man muss es klar ansagen. Und wenn man das mit seiner Crew am Vorabend bespricht, dann klappt das auch. Spätestens am dritten Tag. ;-)
Die klare Einteilung der Crew vorab:
Wer macht die Bordkasse?
Wie wird die Backschaft erledigt und eingeteilt?
Falls erforderlich: Wer nicht Backschaft hat, kümmert sich morgens um eine saubere Plicht.
Ist das dann aber erfolgt: hält man sich als Skipper bei diesen Themen raus. Es ist begeisternd für jedes Crewmitglied, eine Aufgabe zu haben. Das ging auf diesem Törn so weit, dass Lutz nervös wurde, wenn ich mir in der Küche zu schaffen machte. Das war SEIN Revier.
Und eigentlich würde ich auf solchen Törns jemanden ernennen, der sich auch für die Landgänge und Restaurantwahl zuständig erklärt. Um das Schiff kümmere ich mich gerne. Es nervt mich, wenn ich als Skipper plötzlich zum „Gesamt-Reiseleiter“ mutiere.
Ankern in der Antike: Das Amphittheater von Knidos, darunter die aus der Antike stammenden, zusammengefallenen Reste der gewaltigen Kaimauern.
Notrollen:
Auch wenn es da immer betretenes Schweigen gibt, spiele ich Notsituationen durch. Bevor wir erstmals Ablegen:
1. Jeder legt mal seine Schwimmweste an. Und passt sie sich auch an. Das machen wir solange, bis jeder das Anlegen seiner Schwimmweste beherrscht. Und jeder „seine“ Schwimmweste samt Lifebelt mit in seine Kabine nimmt.
2. Ich spiele bei diesem Gespräch die Notsituationen „Feuer“, „Wasser-Einbruch“ durch. Und erzähle, was wir machen werden, wenn. Und teile schon mal die Leute ein. Einfach laut mal durchspielen, wie wir das machen, wenn’s auf dem Herd brennt.
3. „Man over Board“: Das Wichtigste für mich hier, wenn man nicht wochenlang auf dem Meer ist: „Laut Lärm machen, wenn jemand über Bord geht.“ Sowohl der, der der fällt. Als auch die, die es sehen. Durch lautes Rufen alarmieren.
5. Die Ängste der Mitsegler
Betreffen meist nicht die Dinge, die auf See zur wirklichen Bedrohung werden.
Ein Beispiel: Thema Nummer eins ist „Und wenn das Boot umkippt?“
Auf einem September-Törn in der Ägäis und nicht in den „Roaring Forties“ keine wirkliche Gefahr. Ich erkläre zunächst mal unseren Eisenkiel mit 40% Anteil am Gesamtgewicht. Und dann lasse ich, wenn der Wind zum ersten Mal etwas bläst, die Welle aber noch klein ist, zuviel Segel stehen und reffe nicht. Einfach, um mal das Schiff kennenzulernen. Dann weiß jeder, wie sich das Schiff bei Lage anfühlt. Dann fahren wir die erste Wende. Und meist stellt sich dann bei den meisten Vertrauen ein.
„Werde ich seekrank?“
Das kann man meist schon nach dem ersten Seetag beruhigend verneinen. Aber „Zwiebelschneiden unter Deck“ wird während der Fahrt dann doch für manchen zur Überraschung.
Echte Gefahren hingegen können nicht eingeschätzt werden: Zum Beispiel die „Paraglider-Schleppboote“. Vor Kos, vor Turgutreis, vor Marmaris. Die kleinen, langsam fahrenden Motorboote weichen nämlich selbst einem Segler nicht aus. Und schwupps: sind die mit ihrem Drahtseil bis auf 10 Meter an den Mast heran.
6. Manöver allgemein
Das Wichtigste: Alle „lesen im Buch auf derselben Seite.“ Will sagen:
– Für jedes Manöver eine klare Einteilung ansagen: WER macht WAS? Und zwar kurz vor dem Manöver.
– Jedes Manöver mit drei, vier Sätzen vorher beschreiben: „Wir gehen jetzt in den Hafen durch die Einfahrt da vorne. Ich stoppe auf. Wir ziehen dann rückwärts rein in die Box, die wahrscheinlich dann links von uns liegt.“
Falls die Box dann doch rechts liegt: ist die Sache mit einem Zuruf geklärt. Denn jeder weiß ja, was er zu tun hat.
7. Anlegen und Ablegen
Auch hier machen klare Ansagen das Leben einfach:
Ablegen:
1. Zunächst spiele ich das Manöver im Kopf durch. Mit allen möglichen Gefahren: Seitenwind? Sich verklemmende Fender? Die Moorings der Nachbarlieger?
Haben wir alles an Bord: Stromschot, Passerelle abgebaut? Alle Schuhe an Bord?
Das mache ich für mich. In Ruhe. Einfach drei, vier Minuten die Klappe halten.
2. DANN starte ich den Motor. Und kontrolliere in Ruhe, ob Kühlwasser kommt.
Das Starten des Motors ist aber auch für die Crew das Signal, sich zu sammeln. Und bevor nicht alle an Deck sind: sitze ich einfach nur da. Und warte.
3. Klare Einteilung der Crew: „Volker, Du machst die Mooring. Andreas, Lutz: Ihr kümmert Euch um die Achterleinen. Josef, Du hältst uns ab.“
4. Frage an alle: „Alle Klar?“
5. Erst dann, wenn wirklich alle „Klar!“ meldeten, geht es los mit: „Achterleinen los!“ usw. usw.
Anlegen:
Ich mache das genau so, als würde ich einhand Segeln:
1. Vor der Einfahrt in den Hafen: Alle Fender raus. Vorleinen, Achterleinen sind klar zum Werfen.
2. Ich gehe nicht in den Hafen, bevor nicht alles bereit ist.
3. Erklären mit drei, vier Sätzen: Was wird jetzt passieren. Ist wichtig. Denn das „Ungeahnte“, „Überraschende“, was jetzt passieren wird, ist erstmal weg. SO LÄUFT DAS JETZT.
4. Klare Einteilung der Crew. „Wer macht die Vorleine?“ „Wie wirft man sich richtig?“ „Wer springt rüber?“ „Wer hält ab?“
5. Frage an alle: „Alle klar?“
6. Und erst wenn alle „Klar!“ meldeten, dann erst: gehts los.
Und wenn jetzt irgendetwas Überraschendes kommt – und das gibts fast immer – dann ist die Crew zu 90% informiert. Und nur zu 10% überrascht über Dinge wie:
Die Mooring-Trosse ist armdick und läßt sich nicht belegen. Oder sie ist zu kurz.
Der Hafenkapitän will den Anleger anders (Das ist oft in der Türkei so: Sind die Achterleinen ausgebracht, noch mal vier, fünf Meter vor. Die Mooring richtig fest „anknallen“. Dann mit Gas rückwärts ran. Achterleinen ebenfalls fest „anknallen“.)
Der Seitenwind vertreibt uns. Also alles noch mal von vorn.
und
und
und.
Aber das Überraschende ist dann reduziert.