Meine Entscheidung hatte ich ja nun zugunsten des Göta Kanals getroffen. Ich verliess die Eisbeere also frühmorgens und machte mich zu einem herrlichen letzten Segeltag an der Ostküste auf. Die Sonne brannte, der Wind kam mal aus der besten Richtung, und so ging es Richtung Mem, der Einfahrt zum Kanal. Der Weg führt relativ weit in einen Fjord hinein. Und einsam war es. Je weiter man sich von Stockholm entfernt, desto mehr nehmen die Boote ab. Hier war ich zum Schluss mal wieder ganz allein. Es ist Anfang August, und so hoffe ich, dass der Kanal nicht zu überfüllt ist. Die schwedischen Sommerferien gehen ja in wenigen Tagen zuende… Mittlerweile freue ich mich auch ein wenig auf den Kanal. Die Erfahrung in diesen leeren Fjord hineinzufahren, der mich mal sehr an die Fahrt nach Töre, dann wieder an die Schlei , erinnert, tut ihr übrigens. Aber das Wetter zieht sich zu. Dunkle Wolken trüben die Stimmung etwas, doch dann taucht die erste Kanalschleuse am Ende des Fjordes auf, und meine Laune wird schlagartig wieder besser. Schon komisch. Stellt euch vor, am Ende der Schlei bei Schleswig gäbe es eine Schleuse und es geht plötzlich weiter.
Als Einziger mache ich am Kai vor der Schleuse fest. Der Wind und die Bewölkung nehmen immer weiter zu. Oft wird die Stimmung beim Segeln dann etwas dröge, nicht aber hier. Die Oberchefschleusenwärterin in meinem Alter stürmt auf mich zu, begrüßt mich mit schwedischer Heiterkeit und fragt wo meine Crew ist. Die zu erwartende Antwort lässt sie etwas verdutzt drein schauen, aber wenigstens haben wir gleich ein Gesprächsthema. Mir gefällt es hier irgendwie von Anfang an, noch kann ich aber gar nicht festmachen wieso eigentlich. Noch schnell die Formalitäten erledigt und dann geht es schon los in das Abenteuer Göta Schleuse. Beim ersten Mal wirken diese riesigen Höhlen recht bedrohlich. Es gibt keine Leitern, Poller, Halterungen. Nur 3m glitschige Mauer. Oben steht aber schon Moa, die Schleusenwärterin, nimmt meine Leinen an, und erklärt mir wie ich alles am besten mache. Als ich alle Leinen schon nach Vorgabe bereit habe ist sie schon wieder etwas verdutzt. “I´m alone” entgegne ich ihr. Da muss die Vorbereitung halt doppelt sitzen. ;-) Alles läuft wie am Schnürchen. Eigentlich ist die ganze Angelegenheit echt einfach. Als ich im ersten Stock angekommen bin, hole ich in der ersten Schleuse auch gleich noch das erste Lob ab. “There are crews with 5 people that don´t do so well as you do alone”. Das geht runter wie Öl. Und aus dem Mund einer hauptberuflichen schwedischen Studentin natürlich wie allerfeinstes von rechtsdrehenden Jungfrauen bei Vollmond gepresstes Nussöl.
Die Schleuse öffnet sich, und ich schaue auf: Äcker. Mem liegt idyllisch zwischen einigen Häusern, Äckern und Wäldern. Irgendwo hinten verschwindet der Kanal. Ich überlege kurz hier auch gleich die erste Nacht zu verbringen, entscheide mich aber dann doch dafür nach Söderköping zu fahren. Am Freitag Abend ist dort sicher etwas mehr los als hier. Die ersten Meilen auf dem Kanal sind traumhaft. Bis Söderköping bin ich komplett allein. Es geht durch Wälder und Äcker. Direkt am Kanal stehen ein paar Kühe. Und es riecht nach Kuh. Ein witziges Erlebnis, bin ich doch immer noch auf meiner treuen “Nonsuch” unterwegs. In den letzten Monaten habe ich manchmal über 2 Tage kein Land gesehen, und nun fahre ich direkt zwischen den Kühen durch. Selbst der leichte Regen kann meiner Laune nichts anhaben. Der Kanal hat mich sofort gepackt.
Nach 2 weiteren Schleusen komme ich in Söderköping an. Hier liegt man direkt längsseits an der Promenade und es ist sogar noch ein wenig Leben. Ich bin richtig froh hier zu sein. Ich erkunde den kleinen Ort, mache das Boot kanalfein, erklimme den höchsten Felsen auf der anderen Uferseite, und gönne mir ein Abendessen im Restaurant. Dazu lerne ich dann noch Paul aus England mit seiner Sirius kennen. Wir kommen sofort ins Gespräch, tauschen viele praktische Siriustipps aus, und da Paul den Kanal von der anderen Seite befahren hat, hole ich mir auch gleich noch ein paar wertvolle Tips ab. Als dann Abends noch die Juno, das älteste Passagierschiff der Welt, Söderköping passiert, ist die Kanalromantik perfekt. Eigentlich habe ich den Kanal bisher nur als Verkehrsweg gesehen, doch es braucht keine 6 Stunden, um mich davon zu überzeugen, dass er viel mehr als das ist.
Tags drauf schlafe ich endlich mal wieder aus. Ich schlendere noch mal durch den Ort und versacke im bekanntesten Eiscafe Schwedens. Dem Smultonstrället. In Deutschland nehme ich gerne mal so 3 Kugeln. Das hätte ich hier mal lieber bleiben gelassen, denn Essen ist für die nächsten 12 Stunden danach eher nicht drin. Darauf erst mal ne Pause. “Stay another day” meint Paul, doch ich möchte die Zeit bis der Kanal in den Herbstbetrieb übergeht nicht gleich am Anfang ma selben Ort verbringen, und mache mich Mittags noch auf die Socken. Nicht ohne noch eine extra Teepause bei Paul einzulegen, da der Brückenwärter hinter dem Hafen erst mal Mittagspause macht. Wie war das noch mal? Der Kanal entschleunigt? Ich wundere mich selbst, den hier bringt mich irgendwie nix aus der Ruhe.
Danach geht es durch unzählige Schleusen den Kanal entlang. Selbst alleine ist das Schleusen total easy. Man reicht den Schleusenwärtern die Leinen hoch. Die Vorleine wird senkrecht am Heck festgesetzt, die Vorleine geht weit nach vorne und wird dann per Winsch während der Schleusung dichtgeholt. Mit jeder Schleuse kommt mehr Routine in die Sache rein, aber langweilig wird es irgendwie trotzdem nie. Und dann kommt eines dieser Erlebnisse, die den Göta Kanal so besonders machen: Neben einer Schleuse steht ein Apfelbaum. Als der Schleusenwärter mich auf sein Niveau hochregelt hat und ich von Bord gehen kann, frage ich ihn wem der den wohl gehört. Keine Ahnung. Klasse, ich nehme mir also ein paar selsbtgepflückte Kanaläpfel mit. Die schmecken geich 3mal so gut. Der selbe Typ ist dann auch noch für die nächste Schleuse zuständig. Da hinter mir ein kleines Motorboot erwartet wird, muss ich dort auf ihn warten. Als er dann ankommt, hat er eine Tüte dabei: Er hat mir noch ein paar mehr Äpfel mitgebracht. Total genial. Dieser Bewässerungsgraben wird mir immer sympathischer.
Nachmittags komme ich dann im kleinen Norsholm an.Bekannt ist der Ort für das Restaurant eines Ex-Kapitäns aus Österreich der sich hier niedergelassen hat. Da der Empfang dort aber nicht so wirklich herzlich ist, gehe ich lieber in das Bistro nebenan. Nära Kött. Das gehört zu einer lokalen Fleischerei, und tatsächlich habe ich seit langem nicht mehr so tolles Fleisch gegessen. Mitten in der schwedischen Pampa wird mir das beste denkbare Fleisch serviert. Ich sitze auf der Terrasse, geniesse das Essen, die Wärme, und den Blick auf den Kanal. Schöner kann der schwedische Sommer nicht mehr werden.