Nach ein paar schönen Tagen verlasse ich Stockholm wieder. Es geht weiter Richtung Heimat. 3 Tage lang ankere ich am Stück. Und habe eine knifflige Entscheidung zu treffen. Aber der Reihe nach…
05.08
Ich verlasse Stockholm durch die Hintertür. Ohne eigentlich genau zu wissen wie es nach Verlassen der Schären weitergehen soll. Ich habe mit dem Gedanken gespielt den Weg durch den Göta Kanal zu nehmen. Aber die Aussicht auf ewiges motoren und 58 Schleusen alleine ist irgendwie eher mäßig. Und nach dem ich die Schären hier gesehen habe wird es dort wohl auch recht voll sein. Die Alternative ist der Weg an Schwedens Ostküste entlang an Kalmar vorbei. Doch die vorherrschendenen Südwestwinde können diesen Weg recht beschwerlich machen. Und außerdem wollte ich ja eigentlich noch nicht nach hause sondern noch ein bisschen was erleben. Was also tun? Ich bin sehr unschlüssig. Die “jetzt aber wirklich definitive Entscheidung” ändert sich fast im Minutentakt.
Es gibt bei Stockholm einen kleinen Sund in Richtung Süden der einem ca. 25NM durch das Hauptschärengebiet spart. Bei der aktuellen Verkehrslage dort eine ganz reizvolle Aussicht. Nach den paar Tagen in Stockholm geniesse ich es erstmal wieder auf dem Wasser zu sein. Schon komisch, dass ich mich als Stadtmensch hier doch einfach wohler fühle. Die Fahrt durch den Skurusund ist auch ganz nett. Überall gibt es was zu sehen. Zum Beispiel Jollenfähren für diejenigen, denen die Fahrt mit der Autofähre einfach zu langweilig ist. Oder Private Bootskräne zum Abparken an Land. Am Ende des Sundes soll dann ein recht schmales Stück kommen. Die DK-Seekarte schweigt sich da weitestgehend aus. Dunkelblaue leere und der einsame Vermerk “betonnt”. Naja wird schon schiefgehen. Es folgt tatsächlich ein extrem schmaler Kanal. Sich hier mit mehr als einem kleinen Tuckerboot zu begegnen wäre eher ungünstig. Aber der Kanal fasziniert mich irgendwie auch. Auf beiden Seiten liegen verschlafene Sommerhäuser und Gärten. Sogar ein Friedhof liegt im Wasser mitten im Wald. Und überall sitzen die Schweden ganz entspannt am Ufer, spielen mit den Kindern, oder Grillen. Die ganze Atmosphäre ist total relaxt und fröhlich. Mir fällt auf, dass ich mir genau so den Göta Kanal immer vorgestellt habe. Und so fällt dann auch endlich eine Entscheidung für den weiteren Weg. Dieser kleine Sund südlich von Stockholm, die Göta-Miniatur, hat mich überzeugt. Ich werde den Weg durch den Göta Kanal nehmen. An der Küste entlang gefahren bin ich ja schon ein paar Meilen in den letzten Monaten. Warum nicht etwas neues ausprobieren? Glücklich über diesen definitiven Entschluss steuere ich eine Bucht in der Insel Agnö an. Ein Geheimtip von freundlichen Schweden im Wasahamn. Nur leider sind die Schweden im Weitererzählen von “Geheim”tips noch besser als die meisten deutschen Boote in der dänischen Südsee. Mindestens 20 Schiffe liegen hier schon vor Heckanker oder frei in der Bucht. Naja egal, irgendwo werd ich wohl noch reinpassen. Auf weiterfahren habe ich keine Lust. Der Anker hält. Das erste mal auf über 10m Wassertiefe. Nachts ziehen schwere Gewitter über uns weg, aber alles kein Problem.
06.08
Der nächste Tag sollte mich eigentlich nach Nynäshamn führen. Aber irgendwie ist mir mehr nach nochmal ankern. Südlich der Stadt soll es tolle Buchten geben. Und ein kleines Highlight. Den Dragetskanal. Der wurde von den Schweden irgendwann im 19. Jhd in den Fels gesprengt. Kaum 4m breit und ein paar Hundert lang. Fast nehme ich mit dem Vorstag noch einen dicken Ast mit. Eine etwas surreale Erfahrung. Danach geht es in eine nette Bucht – Rassa Vikar. Leider für die meisten Segelboote durch eine Barre von 1,5m unerreichbar. Wie nett es hier ist merke ich erst als ich drin bin. Es ist keine klassische felsige Schärenbucht, sondern eher flach. Dichte Laubwälder umfassen alles und viel Schilf steht am Wassersaum. Die Bucht wird zu einer der schönsten bisher. In einem kleinen Seitenarm bin ich für mich alleine. Gehe baden, koche mir eine Kleinigkeit, Genieße das Seglerleben. Mehr brauche ich gerade echt nicht.
07.08
Heute gabs mal wieder auf die Nase. Es hat schon einen Grund wenn die Schweden in den Innenfahrwassern bleiben. Ich möchte schnell zum GötaKanal kommen um dort noch so viel Zeit wie möglich zu verbringen bevor der Kanal auf Nebensaison und damit auf Konvoibetrieb umstellt. Die Abkürzung über die offene See war aber irgendwie eine Schnapsidee. Der Wind bläst wie üblich – 1. Entgegen allen Vorhersagen 2. von Vorn 3. Doppelt so stark. Ne Weile klappt das auch, aber der unebene Grund in diesem Seegebiet sorgt für ganz komische Wellen. Kreuz und quer, mal 1m, dann wieder bis zu 2m hoch. Alles wird durch Schiff geschleudert. Als sogar die Kühlbox sich von ihren Platz losreisst (Das hat sie trotz allem Mistwetter den gesamten Sommer noch nicht geschafft), habe ich genug und ziehe mich auch ins Innenfahrwasser zurück. Der Wind hat mittlerweile zeitweise auf bis zu Süd 7 zugelegt…. Es ärgert mich ein wenig, dass mir auch nach 4 Monaten auf See noch solche “leichtsinnigen” Entscheidungen unterlaufen. Aber egal. Abends habe ich mich noch ein letztes mal mit meinen Freunden von der Eisbeere verabredet. Wir treffen uns auf einer Insel direkt vor dem Hafen von Oxelösund. Ein toller Abend. Luke hat Labskaus gezaubert, der Wind hat sich mittlerweile komplett zur Ruhe gelegt, und ich freue mich auf den Göta Kanal. Nur die Verladegeräusche vom nur wenige 100m entfernten Hafen von Oxelösund – ein Ort der auf die Entfernung ungefähr so attraktiv wie ein sowjetisches Kohlekraftwerk oder so wirkt – stören etwas. Egal. Wir halten mit Helene Fischer und Phil Collins dagegen. Auf die dritte Nacht in Folge vor Anker. Ich könnte es ewig hier aushalten. Und morgen werd ich zur Kanalratte.