Kategorie: Blogs

“Just a happy accident”

“We dont do mistakes, we just have happy accidents”

So erging es mir auf dem nächsten Schlag nach Norden. Nach 2 Hafentagen zur Regeneration wollte ich Vaasa mit Kurs Pietersaari verlassen. Ein Sturmtief mit kräftigem Nordwind war mal wieder im Anmarsch, und ich dachte mir das könnte ich ja gut in der Heimat von Swan und Baltic Yachts abwettern. So ging es durch das Vaasaer Kvarken Archipel gen Norden. Vorbei an furchterregenden Untiefen namens “Jackassgrund” und aus Hamburg geklauten Brückendesigns. Wieder einmal hab ich mich gewundert wie wenig hier überhaupt los ist. Selbst bei schönsten Wetter nicht weit entfernt von einer finnischen Großstadt, sieht man den ganzen Tag über kaum mehr als 10 Boote.

P1000422

Irgendwann verliess ich dann die Schären und hätte direkten Kurs Pietersaari anlegen könnten, Hätte. Wenn nicht die Ausläufer des Sturmtiefs mir schon mal einen netten Nordost 6 entgegen geschickt hätten. Kurz überschlagen, 4 Uhr nachmittag, 30sm Luftlinie, Kurs NO nach Pietersaari. Nö, danke, nicht schon wieder. Ich wollte mir also ein nettes Plätzchen in den Schären suchen. Nur ist das hier nicht so einfach wie sonst, da die Buchten hier sehr flach und steinig sind. Aber letztendlich habe ich dann doch etwas gefunden. Kummelskäret. Eine kleine Insel mit einem Steg in perfektem Windlee für das Sturmtief, und ausserdem ganz am Rand des Schärengartens, also eine perfekte Absprungposition nach Norden. Eigentlich grummelte es in mir, hatte ich doch mal wieder das angepeilte Ziel nicht erreicht, doch Kummelskäret entpuppte sich tatsächlich als “happy accident”. Ausser einer verlassenen Küstenwachstation, in der sich im Sommer jetzt ein kleines Cafe befindet, gibt es nix auf der Insel. Vll. Platz für 3 Schiffe am Steg, kein Strom, kein fließend Wasser, nur ein kleiner Pfad durch die Natur. Ich freue mich trotzdem, denn eigentlich tut das auch mal ganz gut, dafür fährt man schließlich in den äußersten Norden.

P1000437

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist das Theater bereits im vollen Gange: Es regnet Bindfäden, pustet aus Nord, und selbst um die Insel Kummelskäret kommen einzelne Wellen drumrum. Draußen tobt der Bär. Aber mir macht das heute nichts aus, denn es gibt keinen gemütlicheren Platz bei Schlechtwetter als die eigene Koje im Hafen, und so vergeht der gesamte Tag mit Lesen und Faulenzen. Ich muss nicht raus, ich muss einfach mal gar nix machen. Eigentlich sogar besser als Pietersaari, denn auf Werftbesichtigung bei dem Wetter hätte ich eh keine Lust gehabt. Happy accident eben.

P1000487

So verging der Tag. Zum Glück war auch absehbar, dass der Wind am nächsten Tag wieder einschlafen sollte, vorher aber noch kurz auf West drehte! So stand fest, dass ich am nächsten Tag wieder zu einem langen Schlag ausbrechen wollte. Die letzte Tat des Tages bestand dann auch darin einen großen Topf Curry für die Fahrt vorzukochen. Wenigstens noch etwas Produktives an diesem Hafentag vollbracht ;-)

 

Jackassgrund. Diese Untiefe sollte man wohl wirklich ernst nehmen...
P1000422
P1000425
P1000427
P1000431
P1000437
P1000443
P1000445
P1000446
P1000478
P1000480
P1000481
P1000447
P1000486
P1000487
...Und vor der Insel auch. Abwarten ist angesagt.

Befreiungsschlag – Jetzt erst Recht!

Gegenüber meteorologischen Tiefs haben Stimmungstiefs einen deutlichen Vorteil: Wenn sie denn irgendwann vorüber sind, ist nicht gleich automatisch das nächste im Anmarsch. Und der nächste Schlag zum Norden wurde zum Befreiungsschlag.

Nach meinem letzten Artikel habe ich viel Zuspruch bekommen, das hat mir auf jeden Fall echt geholfen, vielen Dank. ;-) Überall in diesen Breiten drehen die ersten um, kommen gar nicht erst mehr hoch, oder stecken ähnlich deprimiert fest. Aber vielleicht ändert sich das auch bald… Kurz nach meinem letzten Eintrag tat sich dann auch endlich eine Lücke im Wettergeschehen auf. Der Wind würde wohl für kurze Zeit abnehmen, später sogar kurz drehen und abflauen, um dann wieder aufzudrehen. Es gab also mal wieder die Chance auf ein kleines Wetterfenster zum vorankommen. Das wollte genutzt werden, koste es was es wolle. So ging es dann am Donnerstag nach Norden. Erstmal die Nasenspitze hinter den Inseln vorstecken. Es sollte nach Kylmäpihlaja gehen. Eine winzig kleine Leuchturminsel vor Rauma. Da sie relativ weit draußen liegt übrigens auch ein guter Absprunghafen. Man muss mit stationären Wetterberichten hier oft relativ vorsichtig sein. Die Küstenstädte liegen oft 5-10sm von der eigentlichen Küste entfernt. Stationen an der Küste herauszusuchen ist wegen der finnischen Zungenbrechernamen oft schwierig. ;-) Das hat mich dann vor Uusikaupunki auch beim ersten Versuch zum Aus(f)bruch verleitet…

P1000185

Wie auch immer, ich komme also nachmittags in Kylmäpihlaja an. Die Insel ist ein winzig kleines Paradies, man hat sie noch schneller umrundet als Christiansø auf den Erbseninseln. Als ich in dem winzig kleinen Hafenbecken ankomme habe ich das Gefühl, dass meine einzige Bedingung heute Abend hier zu bleiben wohl eher illusorisch ist: Ich würde gerne einen Platz oder Internetzugang finden an dem ich das Deutschland-USA Spiel verfolgen kann. Ich würde lieber auf der kleinen Insel bleiben, als dafür ins 10sm entfernte Rauma fahren zu müssen – Das sieht aus der Ferne nämlich wenig einladend aus. Trotzdem mache ich mich mal auf die Suche und habe Glück: In den Räumen des Leuchtturms und der verlassenen Lotsenstation wird mittlerweile ein kleines Hotel mit Restaurant betrieben. Die dort arbeitenden Mädels lassen sich schnell überreden, mich das Spiel in einem nicht genutzten Zimmer schauen zu lassen. Als Dank kehre ich dann auch gleich dort zum Abendessen ein, was wiederum durch eine Inselführung mit Leuchturmbesteigung vergolten wird. Der Anblick über den bottnischen Meerbusen und die Schären der Umgebung  bei endlich mal wolkenfreiem Himmel entschädigt mich fast für die letzten Tage. Der Trip von Uusikaupunki auf diese Insel – wahrscheinlich kleiner als das Deck eines Flugzeugträgers – hat mich nur 20sm Luftlinie nach Norden gebracht. Und trotzdem war das nach dem letzten Tagen ein riesiger Schritt. Das Gefühl dem Wetter ein Stück weit entflohen zu sein und ein klitzekleines Stück voran gekommen zu sein, hebt meine Laune schlagartig und stachelt mich zu Höherem an. Ich verbringe noch einen erholsamen Abend im Hafen und studiere alle Wetterdienste am nächsten Morgen mal komplett durch: Der Dreher und die Flaute gegen Abend sollen noch anhalten. Also nichts wie los. So lange und so weit nach Norden wie es eben geht. Das kleine Erfolgserlebnis des Ausbruchs des letzten Tages und der Frust der davor liegenden Tage entladen sich in einem Gewaltschlag nach Norden.

P1000191

Gut ausgeschlafen geht es los, entlang der Küste. Ich nehme die ersten Stunden noch den letzten einschlafenden Wind mit. Der Tag vergeht ohne besondere Ereignisse. Ich lese, lausche Hörbüchern, geniesse es einfach nach der kurzen Zwangspause wieder draußen zu sein. Auch ist dies der erste Schlag seit dem Erreichen von Helsinki auf offenem Wasser. Gegen Abend lege ich einen Tankstopp in Reposaari ein. Welch glücklicher Zufall, dass die Tanke dort auch Pizza verkauft. Jeder Student weiss um die Vorzüge kalter Pizza, und auch die vor mir liegende Nacht wird durch die Reststücke des Abendessens echt aufgeheitert. Wobei, von Nacht kann man eigentlich nicht wirklich sprechen. Abgesehen von den Positionslampen für einige Stunden bleiben alle anderen Leuchtmittel ausgeschaltet. Sogar gelesen werden kann ohne zusätzliches Licht. Meine kleine Petroleumlampe dient dann auch nur ein wenig der Wärme, denn bis zu 5 Grad kalt, wird es trotz des ewigen Lichts immer noch. Die Nacht bleibt aber friedlich, ich bekomme kaum ein Schiff zu sehen, selbst in der gesamten Reichweite des AIS Empfangs tummeln sich nur 3 Frachter, und so komme ich in den bekannten 20 min Häppchen zu einigem Schlaf.

P1000393

Am Nächsten Vormittag stehe ich dann schon vor dem Eingang des Kvarken Archipels, dem Schärengarten vor Vaasa am Flaschenhals des bottnischen Meerbusens. Ab jetzt wird wieder nach Tonnen navigiert, für ca. 40sm. Alleine, nach knapp 24 Stunden unterwegs ist das trotz ner Mütze Schlaf in der Nacht relativ anstrengend. Zudem hat nun auch der Nordwind wieder zu alter Stärke gefunden und bläst zwischen den Inseln hindurch. Es wird also fürs erste wohl bei Vaasa als Ziel bleiben. Reicht ja auch… Selbst hier in den Schären ist es sehr leer. Ich sehe über den ganzen Tag bis 8 Uhr Abends nicht mehr so als 10 Boote. Die Schären hier oben lassen auch die Lieblichkeit des Turku-Archipels und seiner Ausläufer vermissen. Die flachen Buchten – über und über mit Steinen und Felsbrocken übersät – erinnern mich eher an die Buchten Estlands, wo die nötige extra sorgfältige Navigation auch nicht mit endlosen idyllischen Ankerplätzen abgegolten wurde. ;-)

P1000403

Die Anfahrt nach Vaasa gerät dann noch mal extra spannend. Es gibt hier Fahrwasser deren Tonnen maximal 70cm hoch ragende Besenstiele sind, und an denen man die an beiden Seiten vorbeiziehenden Felsen fast anfassen kann. Das sorgt dann auch noch für den nötigen Kick am Tag. Gegen Abend mache ich dann nach einem nicht mehr ganz so kurzen Besuch an der Tankstelle im WSF Hafen in Vaasa fest. Mehr als 24 Std. nach dem letzten Stop in Reposaari, und nach knapp 36 Stunden unterwegs. An Schlafen ist aber nicht zu denken: Die Palve, eine HR 42 – also ein wesentlich größeres Schiff – und ein weiterer aus Kaskinen kommender Deutscher, sind keine 24h vor mir eingetroffen. Die Palve ist einen Abend vor mir aus Uusikaupunki ausgebrochen. Beide sind überrascht und happy, dass ich ihnen bei den Bedingungen hierher folgen konnte, und so folgt dem langen Schlag noch ein langes Gelage…

P1000414

Wenn man so lange vom Wetter festgehalten wird, fängt man sich oft an zu fragen ob man sich vielleicht einfach nur anstellt. Vor allem wenn größere Boote noch fröhlich winkend auslaufen. Nun ja, sie sind zwar größer, aber trotzdem… Die Statements der großen anderen deutschen Boote haben mich aber darin bestärkt, dass ich mich nicht angestellt habe, dass die Bedingungen wirklich zum Kotzen waren. Und darüber, dass man mit großem Willen auch den Nachteil des kleineren Schiffes ausgleichen kann. Der ewige Nordwind ist wohl sauer darüber, dass ich ihm in seiner Kaffeepause abhauen wollte. Er hat wieder voll aufgedreht und ist auf Nordost gedreht. Da der Bottnische Meerbusen hier oben einen leichten Knick dahin macht, ist das aber leider genau so doof. Dazu regnet es wieder pausenlos. Aber mir ist das egal. Ich hab mir selbst gezeigt, dass sich mein Einsatz trotz widriger Bedingungen immer noch nicht hat kleinkriegen lassen. Und das lässt mich die Zeit bis es weiter geht hier in Vaasa zufrieden abwettern. In diesem November sind die Tage übrigens auch viel länger als normal… ;-)

Jetzt erst recht!

 

Die Fahrwasser in Finnland sind meistens gut betonnt.
Alter Leuchtturm auf dem Weg...
....nach Kylmäpihlaja...
....Denn Rauma sah aus der Entfernung nicht wirklich einladend aus.
Kylmäpihlaja Majakka.
Der kleine Hafen in Kylmäpihlaja. Hat mich sehr an Drejö gamle havn erinnert.
Kylmöpihlaja.
Der Leuchtturm.
Der freie Blick auf den Bottnischen Meerbusen.
Und auf die Schären....
...Und auf die kleine Nonsuch!
Blick vom Leuchtturm.
Inselidylle.
Im Hafen.
Es gab ein kleines Infohäuschen mit ausgestelltem Strandgut untergeganger Schiffe.
Klaren Blick voraus.
Die kleinen Frachter ziehen an der Lotseninsel vorbei...
Kylmäpihlaja.
Catwalk.
Sonnenuntergang.
Oder doch nicht?
...traumhafte Kulisse.
Der Sonnenuntergang dauert hier etwas länger...
Pizza to go von der Bootstanke. Luxus pur!
"Nacht"-fahrt.
Der Beginn des Kvarken Archipels.
Die Buchten sind hier deutlich weniger einladend als in Südfinnland.
Gourmet Mittagessen. Schmeckt tatsächlich besser als jede Dose!
Sportliches Fahrwasser zur Abendunterhaltung!
Angekommen in Vaasa.
Legebatterie.

 

 

 

 

Kreuzunglücklich

Auf einer Reise wie dieser erlebt man viele Höhepunkte. Doch über Rückschläge und Missmut zu berichten gehört ebenfalls dazu. Und leider gibt es im Moment genügend Anlass dazu. Irgendwie kommt gerade alles auf einen Schlag.

Als sich das Westwindfenster nach Mittsommer nicht öffnete, war klar was folgen sollte: Der starke Nordwind, der mich schon seit Turku nervte, würde bleiben. Zu dem Zeitpunkt störte mich das noch nicht so sehr, denn ich musste ja eh durch den Schärengarten, und da ist Segeln an manchen Stellen eh nicht sicher möglich. Doch jetzt? – Jetzt habe ich mir, wo ich schon so weit gekommen bin, in den Kopf gesetzt weiter nach Norden zu fahren. Und da ist dauerhafter Nordwind von stärkerem Kaliber nun einmal ungünstig.

P1020177

Nachdem ich also Samstag nicht gen Nord starten konnte, fuhr ich erstmal in das nahegelegene Uusikaupunki um wenigstens das Deutschland Spiel verfolgen zu können. Einmal hab ich Glück gehabt, trotz Mittsommer hatte eine Kneipe geöffnet. Sonntag war dann hier Weltuntergang angesagt, es goß aus allen Rohren. Dazu pfiff es mal wieder mit 5-6 aus Nord. Leider hat der ständige Nordwind noch einen anderen gehörigen Nachteil: Er bringt massenhaft arktische Luft in die Gegend. Schade, hatte ich mich doch schon so an den Sommer gewöhnt. Tagestemperaturen um die 7-8 Grad, machen das Ganze nicht angenehmer und führen dazu, dass mich auch noch eine Erkältungs-/Grippekombination besucht. Der Tag wird also, wie auf der folgende Montag bei gleichem Wetter, im Hafen verbracht.

IMG_1575

Gestern reichte es mir dann.Die Stadt ist zwar ganz nett aber nicht wirklich spannend. Die Wetterberichte ließen die Hoffnung aufkeimen, dass der Wind zumindest leicht nachlassen würde. Mir doch egal wenn Nordwind ist, nach einer bestimmten Zahl von Hafentagen lässt sich jeder Skipper zum Aufbrechen verleiten. Zunächst versuchte ich dann vor den Schären aufzukreuzen. Das habe ich dann doch lieber bleiben gelassen. ´Ne ganz anständige Welle, und doch wieder die gewohnte Nord-6, ließen das ganze eher sinnlos auf lange Sicht erscheinen. Nächster Versuch: Innerhalb der Schären zu kreuzen. Das funktionierte am Anfang auch, doch irgendwann nahm auch hier der Wind weiter zu. Innerhalb von 2 Stunden hatte ich schon 14 Wenden gefahren. Und 4,5 NM nach Norden gut gemacht. Und ewig würde der Schwellschutz durch die Schären auch nicht anhalten. Keine wirkliche Perspektive auf lange Sicht. Also ging es mit eingekniffenem Schwanz zurück nach Uusikaupunki. Ich hätte wirklich Kotzen können, so langsam geht mir das hier richtig auf die Nerven. Zum frühen Abend wurde der Nordwind dann noch von Hagelschauern und Gewittern begleitet. Abgesehen von WetterWelt, hatte die natürlich keiner – aber auch wirklich keiner – auf der Palette.

P1000176

Das deprimierendste an der Situation: Dieses Wetter hält sich schon seit über einer Woche und wirkliche Besserung ist auch nicht in Sicht. Auch die Großwetterlage lässt – zumindest seglerisch – nichts gutes verheißen, denn wenn das Tief, welches hier in den letzten Tagen vorbeigezogen ist, endlich mal seinen Einfluss verliert dreht sich das ganze Spielchen um. Dann übernimmt ein großes Hoch NW-lich von Norwegen, und das heisst Schwachwind. Also wohl wieder dümpeln und motoren. Es ist echt zum junge Hunde kriegen… Ich sitze jetzt erstmal im Hafen, lecke die Wunden von gestern, mache ein paar kleinere Reparaturen, versuch den Ärger ein wenig zu verdrängen, und hoffe, dass bald mal ein wettertechnischer Lichtblick am Horizont erscheint.

P1000175

Man bekommt in solchen Situationen oft so Ratschläge wie “Sei doch froh, dass du überhaupt auf dem Wasser sein kannst”. Das ist zweifelsohne richtig, das will ich auch gar nicht in Abrede stellen. Aber stellet euch mal vor, ihr steht auf der Fahrt in den Urlaub tagelang bei Kälte im Stau. Nur die optimistischsten Frohnaturen oder der größere Einsatz psychotischer Substanzen würde da wohl zu dem Gedanken kommen: “Wenigstens fahre ich überhaupt in den Urlaub”, sondern eher den Bulldozer herausholen oder HB-Männchen spielen. Gerade wenn man lange unterwegs ist geraten solche Situationen zur psychologischen Belastungsprobe. Das Gefühl fest zu hängen, nicht vorwärts zu kommen, und selbst mit viel Einsatz nichts daran ändern zu können, macht auf Dauer unglücklich. Da man sich ja nicht im kurzen Urlaub befindet, fehlt da schnell die Einstellung “Das Beste draus zu machen”. Und da selbst verzweifeltes Kreuzen bei dem starken Wind im Moment nicht weiterhilft  wird man unglücklich – kreuzunglücklich. Vielleicht spielt auch die Tatsache, dass ich bald schon 3 Monate unterwegs bin, die Hälfte dieses Segelsommers also schon um ist, und ich gerade in diesem Moment hier festhänge, eine Rolle. Und das ist ja irgendwie auch etwas positives. Solche Gedanken heissen ja auch, dass der bisher erlebte Zeit alles andere wert war… Und heute lässt sich neben dem auch konstant 6 Bft aufgefrischten Wind wenigstens mal die Sonne zwischen den Wolken wieder blicken.

Hoffentlich gehts bald Bergauf! (Nur nicht der Wind bitte… ;-) )

P1000173

 

Jetzt weiss ich endlich um den Sinn von Doppelruderanlagen: Eheliche Stressvermeidung wie auf dem Sofa um die Fernbedienung!
Uusikaupunki Guest Harbour
Nonsuch in Uusikaupunki.
Uusikaupunki.
Düstere Aussichten.
Licht am Horizont oder kommt da schon der nächste Schauer?
Oh wie schön ist Finnland...
Draussen machts auch nicht wirklich lange Spaß..
...Und im Hafen erst Recht nicht.
Weltuntergangszeit.
Auch am nächsten Tag - Im Norden nix neues.

 

Midsommar – Keskikesä

Es gibt doch noch Retter! Ein Mechaniker im Hafen erkannte meine Not und bat sich an, sich um mein Pumpenproblem zu kümmern, obwohl er eigentlich selbst noch zu tun hatte. Er nahm die Wasserpumpe mit auf die Arbeit und hat die abgebrochene Schraube ausgebohrt. Ohne Standbohrmaschine und die entsprechende Erfahrung wäre das seiner Meinung nach aber nicht zerstörungsfrei abgegangen. Gut also, dass ich nicht alleine daran herumgeschustert habe. Am Ende hat er mich dann noch den einen oder anderen Geheimtip in der Gegend beim Bier offenbart…

P1000070

Obwohl die Vorhersagen nicht wirklich erbaulich waren, brach ich also am Freitag Morgen in Turku auf, denn Freitag wird Mittsommer gefeiert, und das begeht man in Finnland traditionell auf dem Land oder auf den Inseln. Gut, dass Tom der Mechaniker noch einen guten Tip gegeben hat. Katanpää, eine Schäre ganz am Rand des Finnischen Archipälagos, bis zur Jahrtausendwende militärisches Sperrgebiet, und jetzt ein kleiner Hafen inmitten der Natur. Klingt doch super. Bei 6Bft von vorne musste allerdings leider wieder der Jockel ran. In den engen Fahrwassern des Turku Archipels ist an Kreuzen abseits der Hauptfahrwasser oft nicht zu denken. Überhaupt wäre so mancher erstaunt, wieviel in den Schären motort werden muss… Aber was solls, der Gedanke Mittsommer an einem bestätigt schönen Platz zu verbringen verdrängt den Unmut darüber schnell.

P1000076

Nach einer rumpeligen Überfahrt kam ich dann nachmittags in Katanpää an. Nicht zu spät, den dieser Geheimtip ist unter Finnen wohl gar nicht so geheim. Ich bekomme einen der letzten Plätze und bin der einzige Ausländer im Hafen. Dementsprechend werde ich natürlich besonders neugierig beäugt, und Mikko und (noch ein) Tom von Motorboot nebenan nehmen mich unter ihre Fittiche, um mir erstmal einen mittsommertauglichen Pegel zu verpassen, und mir danach alle Traditionen zu erklären. Zunächst entschuldigen sie sich sogar, denn nach ihrer Ansicht wird hier nur sehr “sanft” gefeiert. Wie das dann wohl erst an den richtigen Hotspots aussieht?

P1000087

Nach gemeinsamem Grillen und Trinken geht es dann zur Außenküste der Insel zum Mittsommerfeuer. Ein wirklich tolles Erlebnis, auch wenn der immer noch herrschende Starkwind das lange Schauen ins Feuer wegen der umherfliegenden Asche schwierig macht. Trotzdem, das Feuer, mit dem Meer des bottnischen Meerbusens und der niedrig stehenden Sonne im Hintergrund, hat hier ganz besonderes Flair. Nach den Feuer wird weitergetrunken. Um dann kurz vor Mitternacht noch in die Sauna zu gehen. Es ist immer noch taghell….

P1000128

Der nächste Tag beginnt dann langsam. Was nicht nur dem letzten Abend geschuldet ist, sondern vor allem der Tatsache, dass ich ein kurzes Westwindfenster am Nachmittag für 24h nutzen will, um weiter nach Norden zu kommen. Auf absehbare Zeit die einzige Lücke in dem ansonsten strammen Nordwind. Doch leider, will der Wind nicht so recht, und schläft lieber ein, anstatt sauber auf Westen zu drehen: Ein kleines Tiefdruckgebiet, welches direkt über uns liegt, hat seine Zugbahn wohl doch noch verändert, und macht hier jede Bewegung unter Segeln erstmal unmöglich. Und die Aussichten für die nächsten Tage sind auch nicht viel besser. Was nu?

 

Lässt hier etwa die Fußball-WM grüßen?
Der Übeltäter aus dem letzten Artikel. Hier aber in Ausfahrtsrichtung.
durch wunderschöne...
...aber teuflisch enge Fahrwasser geht es Richtung Norden. Hier zwischen den Bojen ca. 5m.
Das Boot dient hier nicht nur als Freizeitspaß
Mittsommer in Katanpää.
Mittsommer in Katanpää.
Fröhliche Stimmung...
Mittsommerfeuer "klein".
Spielende Kinder.
Nonsuch an Mittsommer.
Katanpää.
Den bottnischen Meerbusen fest im Blick.
Man versammelt sich zum Feuer.
Feuer machen ist Teamwork.
Mittsommerfeuer.
Was die Herren aus Neustadt wohl zu diesem großzügigen Arrangement sagen würden?
P1000134
P1000139
P1000142
P1000147
P1000150
P1000156
P1000158
P1000159

Musik an Bord: Kampengrooves

Die Musik an Bord Kategorie war ja bisher vor allem von zahlreichen Lounge- und Ambientklängen bestimmt. Und so geht es auch weiter. Eine entspannte Lounge Musik passt an Bord einfach fast immer: Vor Anker in einer ruhigen Bucht, beim Sommerbarbecue am Steg, beim entspannten Longdrink im Cockpit, oder auch beim entspannten Cruisen an einem schwachwindigen warmen Tag. Und selbst bei so manchem nordeuropäisch-ungemütlichem Hafentag verhelfen die richtigen Klänge doch noch zum Summerfeeling.

IMG_3622

Dazu passend möchte ich heute die Lounge Compilations “Kampengrooves” vorstellen. Die bereits seit einigen Jahren existierende Reihe wird von den Klängen auf der Insel Sylt sowie Hamburgs inspiriert. Die Musik ist also geradezu dazu gemacht, auf einer Insel, am Meer, oder gleich ganz auf dem Wasser genossen zu werden. Für mich passt die Musik immer hervorragend dazu, und verleiht einem entspannten Beisammensein an Bord immer noch den letzten Schliff. Mittlerweile gibt es bereits 12 Episoden mit unterschiedlichen Ausrichtungen zu erwerben Der Label-eigene Onlineshop hält auch so einiges anderes, auf der Yacht gebräuchliches, bereit. Hört einfach mal rein!

Hörproben und Bezugsquelle

Bildschirmfoto 2014-06-19 um 12.33.28

 

Bildrechte am Cover liegen bei der kampengrooves GbR.

Åbo-Falle

Nach meiner Rückkehr aus St. Petersburg habe ich Tammisaari dann verlassen. War auch Zeit, nicht dass Nonsuch hier noch festwächst. Der Wind kam natürlich wieder aus meiner Lieblingsrichtung – von vorn. Und so blieb mir nichts anderes übrig als es den Einheimischen nachzumachen und die engen Schärenfahrwasser entlangzumotoren. Eigentlich war für den ersten Tag nur Hanko geplant, doch da der Hafen nicht wirklich einladend wirkte, habe ich nur einen Boxen-Tank-stop in Formel 1 Geschwindigkeit eingelegt. Mit dem kleinen Unterschied, dass die F1-Flitzer irgendwie nie noch zum Bezahlen in die Garage rennen müssen. Schon mal jemandem aufgefallen?

P1000014

Der Tag endete dann im kleinen Hafen von Kesnäs, 20NM weiter. Als nächstes hatte ich Turku geplant, denn ein kleiner Sturm mit Böen bis zu 42kn war im Anmarsch. Meine Überlegung war, dass eine Stadt 1-2 Tage wohl spannender ist als irgendeine kleine Bucht. Der Weg gestaltete sich spannend, denn der Starkwind kam natürlich schon einen halben Tag vorher als angesagt. Aber egal, sobald die Fahrwasser gen Turku nach Westen abknickten wurde die Genua ein Stück weit ausgerollt und ich knatterte mit 6,2 kn der Stadt durch die engen Fahrwasser entgegen. Bis… Ja bis es plötzlich einen gelben Blitz vor meinen Augen gab. Mein erster Gedanke war: Ernsthaft jetzt???”. Der Blick nach rechts auf die kleine Anzeigetafel bestätigte meinen ersten, fast nicht für möglichen gehaltenen Verdacht: Die haben mich hier jetzt ernsthaft mit 12km/h geblitzt. Erlaubt waren in diesem engen Fahrwasser 9. Habe das ganze erst für einen Scherz gehalten. Bin mal gespannt ob ein Knöllchen nach Hause kommt, habe ja keine Registriernummer (wie für finische Boote vorgeschrieben) am Schiff. :-D Auf jeden Fall war das fast irgendwie wie eine Auszeichnung, sonst ist Nonsuch ja eher immer die langsamste….

P1000030

Das Lachen sollte mir jedoch sehr bald vergehen. Den ersten Sturmhafentag in Turku (schwedisch: åbo) verbrachte ich damit dem Motor endlich neues Öl und einen neuen Impeller zu spendieren. Beim Schlißen des Impellergehäuses brach dann nur leider eine Schraube im Gewinde ab. Kein geschlossenes Impellergehäuse heisst kein Kühlwasser. Kein Kühlwasser heisst kein Motor. Und kein Motor heisst in diesen Revier, mit diesem Schiff, ich stecke hier erstmal fest. Und in 2 Tagen ist Mittsommer, da ist hier Finnland öffentlicher Stillstand. Würde ich hier jetzt also festsitzen? Meine Laune sinkt auf den Tiefpunkt.

P1000048

Der zweite Hafentag war dann durch einen Stadtrundgang durch die relativ unspektakuläre Stadt Turku und die Suche nach einem Mechaniker mit großem Herz und/oder leerem Terminkalender verbracht. Die Stadt selbst hält wenig Highlights bereit. Ausser vielleicht der Martkhalle, die im Gegensatz zu denen im Baltikum nicht nur hübsch sondern auch übersichtlich ist. So komme ich wenigstens erstmal dazu meine Vorräte wieder aufzufüllen. Achja, in Turku gibt es übrigens die erste Filiale des McDonalds Konkurrenten Hesburger. Hier in Finnland ist die Kette sogar wesentlich verbreiteter als der Marktführer. Ein Besuch lindert somit nicht nur den ersten großen Frust, sondern gehört quasi auch zum Kulturprogramm. Trotzdem lässt mich die Motormisere nicht los. Ob ich wohl vor Mittsommer noch loskomme?

Finnische Schärenidylle.
Finnische Schärenidylle.
Der Wind kam natürlich von vorn. Und zwar kräftig.
Hanko.
Kurzer Boxenstopp.
Wenn ein Boot vor der Haustür zu langweilig wird....
Also das würde ich persönlich jetzt reklamieren...
Turku Stadthafen.
Einsam hängt die deutsche Gastlandflagge...
Turku.
Riesenspinne?!?
Turku Innenstadt.
Markthalle Turku.
Hä? Nach China ist es doch noch ein Stück....
Die erste Hesburger Filiale. Der finnische Mcdonalds Konkurrent ist hier deutlich präsenter als der Marktführer. Ein Besuch beim Burgerbrater gehört in Turku also zum Kulturprogramm.
Markthalle Turku.
Motor ohne Kühlwasserpumpe ist doof.
Das Corpus delicti.

St. Petersburg – Östlichster Punkt der Ostsee – N 59° 57,58´ E 030° 14,25

Morgens kamen wir nun also in Kronshtadt an. Hierhin wurde zu Beginn des Jahres die Zollstelle verlegt. Wir mussten unseren Weg also selbst finden, denn keiner der einschlägigen Törnführer hatte das auf dem Zettel. Dank des wild mit den Armen fuchtelnden Offiziers am Ufer gelang das auch ganz gut. Kurt und ich waren im Vorfelde beide aufgeregt wegen der russischen Abfertigung. Ich fragte mich, ob es hier wohl genau so freundlich, ja fast schon herzlich, wie in Kaliningrad ablaufen würde. Kurt hingegen war bereits 2012 in St. Petersburg und hatte sich seinerzeit von einer lokalen Agentin beim Einklarieren helfen lassen. Das hielt die Zöllner dabei nicht davon ab wirklich die letzte Schublade zu inspizieren, einige Kratzer zu hinterlassen, etc. pp. Dieses Mal waren wir ohne Agent unterwegs. Es lief alles absolut problemlos und freundlich. Wir waren uns im Anschluss einig, dass es vielleicht sogar besser ist ohne Agent einzureisen, denn die Offiziellen freuen sich sogar über Besuch aus dem Westen, und ohne anwesende dritte Partei müssen sie auch die offizielle Miene nicht wahren. Nötig ist es jedenfalls nicht.

P1030427

Nach der Einklarierung machten wir uns auf den Weg der letzten 20NM nach St. Petersburg. Die Fahrt vorbei an den Kronshtädter Festungsanlagen, eine der letzten Zufluchtsorte der zaristischen Truppen in den Wirren des Oktobers 1917, russischen Frachtern und den berühmten Tragflügelbooten, den Raketas, war echt spannend. Wir alle freuten uns auf die Stadt. Ich durfte mich nebenbei noch mal in der Küche austoben.

Ganz nebenbei bildet St. Petersburg auch den nächsten Wendepunkt meiner eigenen Reise. Es stellt den östlichsten Punkt der Ostsee dar. Einen Moment denke ich über den Weg von Cuxhaven, meinem westlichsten Punkt der Reise, und hier nach… Angekommen in St. Petersburg machten wir uns alsbald auf die Stadt zu erkunden. Dass bei Kurt und Kerstin noch die ein oder andere Erinnerung an den ersten Besuch vorhanden war, machte die Sache natürlich einfacher. Der Hafen selbst ist auch ganz witzig. Die Einrichten selbst sind zwar eher etwas heruntergekommen, allerdings ist er  perfekt geeignet für Hafenkino: Die Schiffe hier deuten schon den Prunk an der uns in St. Petersburg erwarten wird. Und da mit dem Auto zum Hafen kommen immer so viele Probleme mit dem Parken mit sich bringt, kommt der ein oder andere hier lieber gleich mit dem Helikopter. Nach dem wir dann mit unserem Liegeplatznachbarn auf die deutsch-russische Freundschaft getrunken haben, entgegnet er auf Kurts etwas indiskrete Nachfrage nach seinem Job auch nur: “Business”. Auf die Nachfrage was für ein Business, gab es dann, zusammen mit einem ruhigstellendem Kopfnicken, nur die tatsächlich das Ganze etwas konkretisierende Neuaussage: “Business!”.P1030606

 

St. Petersburg ist eine Stadt der Superlativen. Auch heute weiss ich nicht so recht, wie ich die Stadt eigentlich beschreiben soll. Den ersten Blick über die Neva Brücken auf die Uferpromenade werde ich wohl nie vergessen. Es ist einfach alles so unglaublich riesig, nie endend wollend, und prunkvoll. man kennt die Postkartenansichten der Eremitage mit dem prunkvollen Winterlast als Herzstück, doch in der Wirklichkeit geht diese Promenade genau so prunkvoll über Kilometer weiter. Palais reiht sich an Palais. In den Straßen der Innenstadt dann dasselbe Bild. Egal in welche Richtung, in fußläufiger Entfernung vom Palastplatz, dem heutigen Mittelpunkt der Stadt, ist fast nichts anderes als Prunkbauten und klassizistischer Altbau zu finden. Natürlich sieht man manchmal, wie so oft in Russland, auch etwas abblätternde Farbe, doch im Allgemeinen überragt die Stadt alles mir Bekannte in Sachen historische Bausubstanz. Selbst Paris, Wien, oder London wirken im Vergleich mit Piter, wie die Einwohner ihre Stadt nennen, oft nur wie große Dörfer.

P1030581
Zunächst marschieren wir den gesamten Nevskij Prospekt von der Admiralität bis zum Moskauer Bahnhof ab. Eine Prachtstraße, an der sich Boutique an Boutique reicht. Alle namhaften Labels sind hier vertreten, Das bekannte Grand Hotel Europa, die berühmte Nationalbibliothek, und Menschen. Menschen ohne Ende. Am heutigen sonnigen Tagen mischen sich einheimische und Einwanderer, sowie Touristen aus aller Herren Länder untereinander. Man kann förmlich spüren, wie St. Petersburg vor nur etwa 300 Jahren als zentraler Handels- und Begegnungsplatz gegründet wurde. Ich schlendere durch die prunkvollen Kaufhäuser, in denen Kaviar zu Monatslohnpreisen, Champagner, natürlich Vodka, und alles andere denkbare angeboten werden.

P1030587

Ein gewisses Kulturprogramm muss auch sein, und so mache ich mich am nächsten Morgen auf zum Kreuzer Aurora der an der Neva vertäut liegt. Berühmtheit erlangte die Aurora, als sie den ersten Schuss der Oktoberrevolution abgab. Hieran, sowie an das Handwerk auf Kriegsschiffen um 1900 wird auf diesem Museumsschiff erinnert. Danach gehts gleich in die Nachbarschaft des Schiffes in die Peter und Pauls Festung. Diese stellt die historische Keimzelle der Stadt dar. Hier findet sich die Kathedrale mit dem weithin erkennbaren vergoldeten Turm und den Grabstätten aller Zaren seit anno dunnemals. Ich bin völlig überwältigt vom Prunk der einen hier erwartet…

P1030774

So langsam gerate ich völlig in den Strudel der Stadt, und es gefällt mir. Einziges Problem an der Lage des Hafens: Während der Nacht öffnen sich die Brücken der Neva für die Frachtschiffe in den Ladoga-See. Obwohl es sich bei St. Petersburg um eine waschechte Metropole handelt, gibt es aber keinen Tunnel zwischen der Innenstadt und den vprgelagerten Wassilievskij-, Krestovskij-, und eben auch Petrovskij Insel, welche den Hafen beherbergt. Diese sind für etwa 5 Stunden komplett vom Rest der Stadt abgeschnitten. Das schränkt die Auswahl der Clubs und Kneipen leider etwas ein. ;-)

Am nächsten Tag wird das Sightseeing dann noch mal fortgesetzt. Mit den Tragfächenbooten, die ich schon während der Einfahrt gesehen habe, geht es zum Sommerschloss Peterhof, kurz vor der Stadt. Und jedes mal wenn man denkt “Och nöö, nicht noch ein Schloss, ist doch eh alles gleich”, wird man in St. Petersburg nur von noch mehr Prunk erschlagen. Das Schloss stellt alle anderen bekannten wie Versailles, Sanssouci, oder Schönbrunn in den Schatten. Alles blitzt und blinkt vor lauter Gold, Marmor und poliertem Granit. Wir marschieren einige Stunden durch die weitläufigen Parkanlagen. Das Museum schenke ich mir anlässlich Schlange und Wetter.  Zurück in der Stadt mache ich mich dann noch alleine ein wenig auf den Weg. Ich besteige die Isaakskathedrale, die schon wieder so einen unfassbar monströsen Bau darstellt, und lasse den Blick über die Stadt schweifen. Etwas ist anders als bei den Plattformen die ich bisher erlebt habe: Diese Stadt endet nicht. Egal in welche Richtung man schaut, man sieht nur Gebäude, keinen leeren Horizont. Eigentlich bin ich nach diesem Besuch echt geschafft, aber die Eremitage, das größte Museum der Welt kann man ja nicht auslassen. Und wieder ergeht es mir wie beim Peterhof: Wenn du denkst mehr geht nicht….Kommt in St. Petersburg noch mehr Prunk. Die Sammlungen interessieren hier eigentlich gar nicht so wirklich. Man müsste sowieso erstmal eine Woche vor Besuch die Führer studieren um einen Überblick zu bekommen. Im einen Moment stehe ich zwischen ägyptischen Statuen, im nächsten zwischen holländischen Meistern. Nein, die Eremitage selber ist das eigentliche Erlebnis. Saal reiht sich an Saal, einer prunkvoller als der andere. Man könnte bestimmt Tage hier herumlaufen, und hätte noch nicht jeden Raum gesehen. Trotz der Navigationspraxis zur See, veliere ich mehrmals völlig die Orientierung, nicht einmal der Blick aus den Fenstern gibt noch Preis in welche Richtung ich mich überhaupt bewege. Am Ende finde ich aber doch wieder hinaus. Der Besuch in der Eremitage ist somit ein echtes Erlebnis. Achja, neben Studenten und Rentnern haben übrigens auch Träger des Leninordens, Helden der Sowjetunion, Helden der sozialistischen Arbeit und Verteidiger Leningrads freien Eintritt. ;-)

...Fontänen...

…Fontänen…

 

Abschließend genießen wir einen netten und langen Abend an Bord, bei dem es mal wieder nicht richtig dunkel wird. Das hat übrigens den Effekt, dass das Feuerwerk der Hochzeit nebenan um 2300 eher wie Flakfeuer anstatt glamourös aussieht. Anyway, wir haben unseren Spass in dieser weissen Nacht. Auch die Hafenbars nebenan werden noch frequentiert.

Am nächsten Tag geht es dann für mich zurück. Kurt und die Goedeke Michels bereiten sich auf den Trip durch den Ladoga-see nach Murmansk vor. Echt eine tolle Reise… Das letzte Mal “Typisch Russland” erlebe ich übrigens im Flugzeug: Es gibt dort keine Schwimmwesten. Man möge doch bitte die Sitzkissen als Auftriebshilfe verwenden. Echt pragmatisch. ;-)

Only in Russia...

Only in Russia…

Jetzt fällt mir nicht mehr viel ein was es noch zu erzählen gibt, es waren einfach viel zu viele Stories, Erlebnisse und Kurioses. Ich lasse einfach die Bilder noch ein wenig für sich sprechen. St. Petersburg hat mir auf jeden Fall extrem gut gefallen.Ich habe noch nicht einmal 3 Tage später alle Eindrücke verarbeitet. 3 Tage reichen auch lediglich aus um an der Oberfläche zu kratzen, und so ist der nächste Besuch schon fest eingeplant. Vielleicht mit der Fähre im Winter durch das Eis des finnischen Meerbusens?! :-)

 

Fort Konstantin. Ist hier etwa die Zollstelle?...
...Ne, auf der anderen Seite! Neben ner alten Hamburger Hafenfähre, die jetzt als Restaurant dient.
Kronshtadt.
Die historische Kronshtädter Festung.
Viel Verkehr.
Marinehafen Kronshtadt.
Sankt Petersburg.
Die "Raketas"
Tragflächenschnellboote für Touristen.
Von See aus sieht St. Petersburg eher langweilig aus...
"Parkplatz" am Hafen.
Innenstadt.
Wassilievskij-Insel
Das rote Banner weht über der Peter und Pauls Festung.
Die eindrucksvolle Peter und Paul Kathedrale.
Ein erster Blick auf den Winterpalast.
Sowjetische Hinterlassenschaft.
Der Palastplatz mit dem längsten Gebäude der Welt.
Quadriga.
Nevskij Prospekt. DIE Hauptstraße der Stadt.
Braucht noch jemand ein Handy für 5000€?
Nevskij Prospekt.
Kazan Kathedrale.
Die KIrche der Auferstehung.
Kollisionsverhütung auf russisch.
Blinis zum Mittag.
Nevskij Prospekt.
Kaviar im Kaufhaus...
...Passende Yachten im Hafen.
Eingang zur Admiralität.
St. Petersburg.
St. Petersburg.
Kreuzer Aurora.
Auf Hochglanz gebracht.
Kreuzer Aurora.
Kreuzer Aurora.
Kreuzer Aurora.
Blick auf die Skyline von St. Petersburg.
Der östlichste Punkt der Ostsee ist erreicht!
Mit dieser Kanone...
...wurde der erste Schuss der Oktoberrevolution abgegeben.
Unter Deck schauts genau so aus wie auf einem Linienschiff des 18. Jhd.
Marinemuseum.
Kreuzer Aurora.
Alles im Blick.
Kreuzer Aurora.
Russische Touristenfalle.
Peter und Pauls Festung.
Kathedrale.
Die einzige Ordensfabrik in Russland.
Peter und Pauls Kathedrale.
Grabstätte aller Zaren.
Grabstätte von Nikolai II, dem letzten Zaren.
Peter und Pauls Kathedrale.
Die Romanovs.
Die Gefängniszelle von..
...Leo Trotzki.
Peter und Pauls Festung.
Peter und Pauls Festung.
Promenade.
Promenade.
Der Engel auf der Kirchturmspitze bewach angeblich St. Petersburg.
Der Beweis: Geschmack kann man eben nicht kaufen.
Isaakskathedrale.
Reines Vernunftauto.
Im Central Yacht Club werden selbst dir sonst größten ganz klein.
Solide!
Raketas.
Schloss Peterhof.
Überall Gold...
...Fontänen...
...Marmor...
...Und Granit.
Peterhof.
"Welcome to Sample". Vorsicht beim Verwenden von Voralgen.
Peterhof.
Peterhof.
Löwenkaskade.
Löwenkaskade.
Schloss Peterhof.
Neptun.
Gesunde Prostata würde ich sagen...
Sowjetischer Realismus oder Gelsenkirchener Barock?
Fahrt mit der Raketa.
Isaakskathedrale.
Über den Dächern von St. Petersburg.
Über den Dächern von St. Petersburg.
Russischer Feierabendverkehr.
Eremitage. Den Lack hätte ich auch gerne...
Eremitage.
Eremitage.
Garten in der Eremitage.
Bling Bling wohin man auch schaut...
Eremitage.
Eremitage.
Only in Russia...

Kochen an Bord: Lachssashimi an Bord

Sashimi auf einem Segelboot? Ist der jetzt völlig abgedreht? Mag sich so Mancher jetzt vielleicht denken. Aber dieses Gericht hat durchaus seine Berechtigung, und außerdem sollten genießen und Segeln ja sowieso zusammenpassen. Lachssashimi hat 2 riesige Vorteile: zum Einen gibt es gerade in Skandinavien an jeder hinterletzten Milchkanne guten, frischen, Fisch, und zum anderen braucht der rohe Fisch eben keine Zubereitung. Auch ist die Zubereitung wirklich kinderliecht, eigentlich ist es schon fast übertrieben von Kochen zu sprechen. Dieses Rezept habe ich von meinem St. Petersburg Abstecher mit der Goedeke Michels mitgebracht. Dort hat Kurts Frau mit diesem Mittagessen für das gewisse Kreuzfahrtfeeling gesorgt.

Zubereitung: Ca. 20 min. an Bord, inklusive alles

 

Zutaten, für 2 Personen:

Ca. 300g Lachsfilet
125g Reis
Etwas Dill
Eine Limone
Sojasauce
Optional zusätzlich etwas eingelegter Ingwer (In der Asiaabteilung jedes Supermarktes erhältlich)

Zubereitung

1. Zunächst wird der Dill gezupft und der Reis aufgesetzt (Siehe letzte Rezepte)

2. Der rohe Lachs wird enthäutet und in dünne Scheiben oder kleine Würfel geschnitten. Wer in Sachen Keimfreiheit auf Nummer Sicher gehen will kann den Fisch einmal vorher kurz einfrieren.

3. Die kleinen Fischstücke auf den Tellern mit Dill und einem Stück Limone zur Säuerung anrichten.

4. Den fertigen Reis, Sojasauce, und eventuell etwas eingelegten Ingwer dazugeben. Das war es dann auch schön.

 

Alles in Allem ein ganz einfaches und schnelles Gericht. So schnell kann die Gourmetküche an Bord einziehen! ;-) Probierts aus!

 

Nicht viele Zutaten werden benötigt.
Dill und Reis werden vorbereitet.
Zunächst wird der Fisch enthäutet und in kleine Würfel oder Scheiben geschnitten.
P1030271
P1030272
Der Fisch wird eigentlich nur auf den Tellern angerichet...
...Etwas Limone und Dill dazu...
Plus Reis und eingelegter Ingwer. Fertig!

 

Musik an Bord: The Glitch Mob

Wie bereits erwähnt trug die richtige Musik letztens extrem viel zu dem Prädikat “perfekter Segeltag” bei. Bei von hintem einfallendem Starkwind gibt es für mich 2 verschiedene Arten von passender Musik, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Heute möchte ich euch die erste davon vorstellen.

Zeit fürs Bremspedal...

So ein Segeln wie im letzten Artikel beschrieben ist für mich  immer mit nur einem Wort zu beschreiben: Action. Die Musik sollte dann wenn möglich dazu passen, also kraftvoll und laut sein, sowie einen in eine ähnlich energiereiche Stimmung versetzen. Sanfte Loungeklänge oder Balladen wären da echt fehl am Platz.  Meistens passt dann Rock ebenso gut wie schnelle Dance/Electro Nummern. Und wer sich nicht entscheiden kann? – Für den gibt es die Musik des kalifornischen Trios “The Glitch Mob”.Deren  Deren Stil ist irgendwo im Grenzbereich zwischen Rock und Electro mit einer Spur Dubstep einzuordnen.Vielleicht  nicht jedermanns Sache, passt aber perfekt zu diesem Actionsegeln. Selbst wenn sie euch nicht am heimischen Computer gleich gefällt, probierts mal bei den richtigen Bedingungen. Für mich gibt es jedenfalls nichts besseres als die Trägheit, welche manchmal beim gemütlichen Segeln entsteht, abzuschütteln und auf Actionsegeln umzustellen.

Hope you like it!

 

 

Ein Segeltag wie Einer von Hundert

Irgendwann muss selbst so traumhafte Stadt wie Tallinn verlassen werden. Gut, dass mir das Wetter den Abschied heute leicht macht. Es geht Richtung Finnland. Nachdem St. Petersburg ja erstmal gestorben ist, macht die Vorhersage nun auch ein weiteren Aufenthalt an der exponierten Nordküste Estlands zunichte. Schade, hätte mir hier gerne noch das ein oder andere Kleinod angeschaut, aber vielleicht ein andernmal!

P1020859

Die Vorhersage für heute verspricht aber noch einmal bestes Wetter: Sonne, 15 Grad, West- bis Südwestwind, zunehmend bis auf 6. Perfektes Wetter für den Schlag über den finnischen Meerbusen bis nach Helsinki. An Anfang war ich noch eher skeptisch: Der Wind kam anfangs noch sehr unstet in Richtung und Stärke. Ich hoffte inständig, dass das nicht so weitergehen würde, und meine Bitten wurden erhört. Langsam steigerte sich der Wind auf bis zu 22kn. Raumschotkurs – den Wind also von schräg hinten einfallend, besser gehts nicht – nach Helsinki. Ich segelte mich wie in einem Rausch. Es ist schwer diese Empfindungen niederzuschreiben, ich versuche es dennoch mal. Die Windzunahme bemerkte ich aufgrund der Windrichtung nur sehr langsam, eher schon wie der Druck am Ruder und die Geschwindigkeit zunahmen. Überhaupt habe ich an diesem Tag alle Geschwindigkeitsrekorde der Nonsuch gebrochen: Bis hoch zu 7,6kn, konstant über 6kn, das schafft man nicht zu oft mit der dicken alten Dame. Mein Grinsen wurde mit jeder Minute breiter und ich habe das Schiff mal so richtig geprügelt. Gute Musik voll aufgedreht (Dazu später mehr), einen Schrick in die Schot, ein  Grinsen so breit wie eine Kreissäge, Wasser an Lee vorbeirauschend, und das Vibrieren des Ruders. Besser geht es nicht. Alles fliegt kreuz und quer durch die Kajüte, doch heute stört mich das nicht mal. Wer bremst verliert – Das Segeln ist anstrengend aber nach den letzten motorlastigen Tagen extrem befriedigend. Meine Laune stieg in ungeahnte Höhen. Ich habe das Schiff so richtig bis nach Finnland geprügelt. Erst beim Auftauchen der ersten Schärenfelsen dieser Reise nahm ich den Fuß vom Gas, nahm das Vorsegel weg, und tauchte langsam in den Vorgarten von Helsinki ein. So etwas kann man nur unter sehr ausgewählten Bedingungen alleine machen. Und heute war so ein Tag. Erst als ich dabei langsamer wurde, merkte ich, dass der Wind mittlerweile schon auf 25kn im Mittel zugenommen hatte… Bin ich unvorsichtig geworden? Ich hoffe nicht, war doch heute so ein Tag mit ausgewählten Bedingungen, und eine andere Yacht war (obwohl 4m länger ;-) – immer in Sichtweite.

P1020875

Unterwegs war auch richtig was los. Insbesondere die Schnellfähren zwischen Helsinki und Tallinn sind eindrucksvoll: Trotz ihres normalen Aussehens sind sie doppelt so schnell wie ihre normalen Artgenossen unterwegs, was für surreale Bilder sorgt. Ich bin ja seglerisch an der Elbe aufgewachsen. Dort ist man den Umgang mit Berufsschifffahrt ja gewohnt, und so habe ich mich oft gewundert was für ein Aufriss um die “Schnellfähren” in diesem Sektor gemacht wird. Man kann die Kurse der Berufsschifffahrt doch eigentlich immer ganz gut kalkulieren. Doch die Dinger hier haben es ob ihrer Geschwindigkeit echt in sich… Wohl ein Dutzend Mal sind die Kollegen auf dem Weg an mir hin und her vorbeigeprescht. Die muss ich ganz schön genervt haben, aber dank AIS halten sich alle Berufsschiffe an ihre Ausweichpflicht und ich kann ungestört nach Finnland knattern.

P1020863

5sm vor Helsinki erreicht mich eine SMS von Timo: Er schlägt vor, dass wir uns auf der Festungsinsel Suomenlinna, unmittelbar vor Helsinki treffen. Ein bisschen Ruhe vor der nächsten Großstadt macht natürlich Sinn, und so folge ich ihm dorthin. Wir erleben einen entspannten Abend mit frischgekochtem Essen bei sich langsam verschlechterndem Wetter. St. Petersburg fallenzulassen war wohl leider richtig… Aber egal, ein perfekter Segeltag neigt sich dem Ende zu. Bitte mehr davon!

P1020899

Am nächsten Morgen legen wir dann sodann auch nicht gleich ab, sondern erkunden erstmal die alte Festungsinsel. Es erinnert mich ein wenig an Christiansø, nur größer und weniger abgeschieden. Besonders beeindruckend sind aber nicht die alten Festungsanlagen, sondern wie dicht die Fähren und Frachter zwischen den Helsinki vorgelagerten Schäreninseln hindurchpreschen. Da muss ich glaub ich nicht zwischen her kreuzen…

Irgendwann lässt der Wind dann aber kurzzeitig nach und wir verlassen Suomenlinna für den kurzen Weg nach Helsinki. Praktisch: Laut Timo habe ich das absolute must-see des hiesigen Sightseeingprogramms schon abgearbeitet. ;-)

 

Abschied von Tallinn...
Der Wind nahm langsam....
...immer weiter zu.
Herrliches Segeln...
Eine Schnellfähre kreuzt meinen Weg. Und Schnell sind die Dinger wirklich...
Die ersten Finnischen Landbrocken erscheinen...
Zeit fürs Bremspedal...
Das "Traumschiff" verlässt gerade Helsinki.
Die Lotsenstation von Helsinki.
Fest im Innenhafen der Festungsinsel Suomenlinna.
Suomenlinna.
Es könnte einem schlechter gehen!
Suomenlinna.
Ein altes Trockendock, immer noch in Betrieb, auf der Insel.
Schärenfahrwasser für die Großschifffahrt.
Am Horizont wartet schon Helsinki.
Suomenlinna.
Suomenlinna.
Heute kann man hier auch friedlich wohnen..
Suomenlinna.
Die "Vesikko", Prototyp der deutsche Typ II U Boote ist hier ausgestellt.
Das muss ich mir natürlich gleich ganz genau anschauen...
...Aber auch weitere friedliche Ecken...
...Gibt es hier häufig...

The city that never sleeps

Nein, ich bin nicht in New York. Und nein, ich bin auch immer noch in der Ostsee unterwegs. Genauer gesagt in Tallinn. Und wenn es tatsächlich eine Stadt gibt die niemals schläft, dann ist es wohl Tallinn im Sommer. Die Stadt hat mich absolut fasziniert.

P1020805

Nachdem ich beschloss St. Petersburg auf eigenem Kiel wahrscheinlich aufzugeben und dafür Tallinn ganz in Ruhe zu genießen verholte ich mich am Samstag zunächst einmal in die Old City Marina von Tallinn, also quasi der Innenstadthafen. Äußerlich geht es hier sehr formal zu: Einlaufen nur bei grünem Licht und nach Funkanmeldung, Bootsdokumente beim Check-in vorzeigen, dafür aber auch erstklassige Einrichtungen. Auf den Stegen hingegen herrscht das Leben. Es geht zu wie auf dem Aldiparkplatz einen Tag vor Heiligabend. Ich muss erstmal 1 Stunde herumkreisen um, nachdem eine finnische Herrencrew wie sie im Buche steht abgelegt hat, einen Platz zu ergattern. Im Sommer ist dieser Hafen wohl fest in finnischer Hand, und die Finnen haben dieses tropisch heiße Wochenende wohl zu zahlreichen Testausflügen genutzt. In allen Cockpits herrscht bierselig-sommerliche Fröhlichkeit und auf den Stegen stapeln sich die Einkaufswagen. Noch eine Paralelle zum Aldiparkplatz. Moment mal, Einkaufswagen? Ja! Die bereits beschriebenen Hamsterkäufe sind hier noch wesentlich zahlreicher. Der Hafen liegt in unmittelbarer Nähe zu den Fährterminals (welche aber nicht wirklich stören) und den dazugehörigen Duty-Free-shops. Nicht nur Bier und Wein, sondern auch gleich das Hochprozentige wird hier gleich in Kisten verkauft. Massenweise verschwinden Wagen- und Schulterladungen in allen Schiffen. Jedes zweite alkoholische in Finnnland verhaftete Getränkt stammt angeblich aus Estland. Nachdem ich St. Petersburg nun aufgegeben habe mische ich mich auch diesbezüglich unters Volk und stocke meine – bisher dem Zoll zuliebe kleingehaltene – Getränkevorräte auf. Danach geht es dann auf zum Kulturprogramm.

P1020762_DxO

Es ist bereits 18:00 als ich mich auf in die Stadt mache, und doch tobt dort immer noch das Leben. Ich lasse mich durch die Altstadt treiben und lasse mich aud einer der zahlreichen Restaurantterassen nieder um das Treiben erst mal zu beobachten und mich für den Ausflug ins Tallinner Nachtleben zu stärken. Irgendwann mache ich mich auf zu einer kleinen Kneipentour und bemerke erst mit der Zeit was mich hier so fasziniert: Es ist mittlerweile fast halb 12 Mitternacht, und doch sind die Straßen voll von Menschen. Und nicht nur das um diese Tageszeit normalerweise anzutreffende Feiervolk, sondern ein ganz bunter Mix: Touristen, Einheimische, friedlich feiernde Jugendliche, Alte, Junge, von allem ist was dabei. Es herrscht ein Betrieb wie anderorts um 4 Uhr Nachmittags. Ich erinnere mich, wie mir jemand mal vom Lebensgefühl der Südeuropäer im Sommer vorschwärmte, wo das richtige Leben abends erst beginnt. Doch das ist hier noch besser, denn in Tallinn kommt noch das Dämmerlicht der weißen Sommernacht dazu. Es ist noch immer nicht richtig dunkel. All das sorgt für eine ganz besondere Stimmung und sorgt dafür, dass die Stadt im Sommer wohl wirklich nie schläft. Irgendwo ist immer etwas los. Die Tallinnerinnen gehören ja allen Erzählungen nach zu den hübschesten in Europa. Das kann man wohl bestätigen. Aber auch ansonsten ist die Bevölkerung unheimlich jung, freundlich und aufgeschlossen.

P1020843

Das Tallinner Nachtleben selbst überzeugt dann auch voll und ganz. Die Vielzahl der verschiedenen Möglichkeiten – hier ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei – , die laue Sommernacht, die freundlichen und aufgeschlossenen Esten, der bunte Mix aus Einheimischen Touristen, all das trägt zu einem wirklich netten Abend bei. Ich komme erst spät wieder zurück aufs Schiff. Auch hier fällt mir wieder auf, wie friedlich im Vergleich zu Deutschland gefeiert wird. Irgendwie hat in ganz Osteuropa meine Altersklasse – allen Vorurteilen zum Trotz – ihren Alkoholkonsum wesentlich besser im Griff. Es wird auch viel mehr gelacht und gelächelt als in heimischen Clubs und Kneipen.  Davon auszunehmen sind lediglich die zahlreichen britischen und finnischen Junggesell(innen)abschiede. Die gehören laut Aussage der Einheimischen hier zum Stadtbild ähnlich dazu wie der japanische Kameratourist in eine mittelalterliche Burg. ;-)

In den nächsten beiden Tagen setze ich dann meine Erkundung der Stadt fort. Ich bewege mich auch mal aus dem Altstadtbereich heraus und bin gleich positiv überrascht. Die Altstadt wird zu allen Seiten von zahlreichen modernen Neubauten flankiert, die Tallinn auch den äußerlichen Anstrich einer modernen Großstadt gibt. Man fühlt sich fast wie in der City of London, Frankfurt, oder ähnlichen Stahl- und Glasmetropolen. Die Bausünden des sozialistischen Wohnungsbaus hat man hier übrigens konsequent von Anfang an an den Stadtrand gedrängt. Tallinn ist die erste Stadt auf meiner Reise, welche im Stadtbild wirklich gar nicht mehr nach Sowjetunion ausschaut.

P1020819

Auch sonst gefällt mir das Stadtbild außerordentlich gut. Auf meinen Streifzügen durch die Altstadt fällt mir auch nach langem Nachdenken auf, was mich ein klein wenig an Danzig oder Riga gestört hat. Im Gegensatz zu Danzig ist Tallinn nicht so “überrenoviert”. Danzig ist zwar sehr sehr schön, manchmal aber fast ein wenig zu sehr restauriert. Es schaut fast ein wenig unwirklich aus. Tallinn im Gegensatz dazu ist in Würde gealtert und schaut wesentlich authentischer aus. Riga hingegen ist ähnlich schön im Stadtbild, ist aber schon zu einer richtigen EasyJet-Metropole geworden. Die Anzahl an Bernsteinschmuckständen, Wechselstuben, und geführten Touristengruppen ist in Tallinn (noch) deutlich kleiner. Auch das sorgt für mehr Authenzität.

Auch nach 3 Tagen Stadtrundgang habe ich noch nicht alles gesehen. Immer neue schöne Plätze fallen mir auf. Ich werde sogar zum illegalen Einwanderer. Ohne Reisepass in der Tasche stratze ich durch die Parkanlagen am Südende des Domberges. Diese gehören teilweise zum Gelände der japanischen Botschaft. Das hat die Tallinner Jugend in den 90ern für wilde Parties ausgenutzt, denn die estnische Polizei hatte ja hier keinen Zutritt. Für kurze Zeit befinde ich mich also auf japanischen Boden. Konichiwa! Aber wie läuft das jetzt eigentlich Gastlandflaggentechnisch?

P1020791

Tallinn zusammenzufassen ist wirklich schwer. Die Stadt ist voll von Geschichte und doch so modern wie keine andere die mir spontan in den Sinn kommt. Moderner Konsum und ein traditionelles Stadtbild sind hier perfekt vereint. Es gibt ein perfektes aber unaufdringliches Nachtleben und unglaublich freundliche Menschen. Tallinn ist mindestens genau so schön wie Paris oder Venedig, ohne aber die teils arrogante Einstellung dieser Städte zu vermitteln.  Es wäre wirklich ein Jammer gewesen, wenn mich der Wind hier gleich wieder rausgetrieben hätte… Ich hoffe, dass ich im Winter nochmal zurückkehren werde. Denn die deutschen Weihnachtsmärkte von denen mir berichtet wurde, bekommen in dieser beispiellos schönen Altstadt bestimmt ein ganz besonderes Flair.

 

Zur Old City Marine geht es - Oh Wunder! - direkt Richtung Altstadt.
Direkt durch den Manäversektor der zahlreichen Fähren. Da macht die sehr formelle Verehrslenkung doch Sinn...
Die Silja Europa. Das letzte Schiff welches Kontakt zur gesunkenen Estonia hatte...
Hoher Besuch in der Old City Marina. Die Swan 60 des Nord Stream Races sind da!
Nachdem Nonsuch den Schengenraum wohl erstmal nicht verlassen wird, bunkere auch ich gutes estnisches Dosenbier...
... und auch ein paar gesunde Sachen (man beachte das Grünzeug in der Tüte!)
Passt wie angegossen. Ob die Schmidt´s diese Maße wohl bei der Konstruierung schon im Sinn hatten?
Nonsuch in Tallinn.
Moderne Bürobauten...
...Lassen oft den Gedanken an NYC aufkommen....
...Die Stadt wirkt oft sehr modern.
Der Sommer ist da!
Shops.
Hinein in die Tallinner Altstadt.
Estnisches Nationaldenkmal.
Altstadt von Tallinn.
Willkommen in Japan!
Diese Grunanlage gehört zum Gelände der japanischen Botschaft.
Überall finden sich nette Cafes...
...Alte Gemäuer...
...und wichtige Schaltzentralen. Hier das estnische Parlament auf dem Domberg...
...Von hier wurde auch schon vor 600 Jahren die Stadt regiert.
Gleich daneben: Die deutsche Boschaft.
Die Alexander Nevski Kathedrale.
Auf dem Domberg.
Die Tallinner Jugend genießt das Wochenende.
Altstadt von Tallinn.
Altstadt von Tallinn.
Blick vom Domberg.
Altstadt von Tallinn.
Ein bisschen fühlt man sich wie in Aerosköbing.
Zahlreiche Restaurants locken die Touristen..
...nobody can take from us...
Die sowjetischen Wohnsilos hat man hier gekonnt an den Stadtrand verbannt.
Blick über die Stadt...
...Und die Tallinner Bucht.
Abstieg in die Unterstadt. Die eigentliche Hanse- und Kaufmannsstadt.
Tallinn steht Venedig oder Wien in Schönheit nicht nach..
Geschäftiges Treiben auf dem Rathausplatz.
Das gotische Rathaus von Tallinn.
Respektable Bierkarte.
Die Straßenbahn...
Abschied von Tallinn...

 

 

 

Tallinn – oder doch nicht?

Nach dem Erholungstag in Lohusalu ging es nun weiter nach Tallinn.  Endlich konnte über weite Strecken gesegelt werden. Die Fahrt in die Tallinner Bucht war echt spannend, auch echte Frachter waren hier wieder unterwegs, und ich bekam einen ersten Eindruck von den Helsinki-Tallinn Schnellfähren. Für die erste Nacht ging es auf Empfehlung von Timo in den Kalev Yachtclub im hinteren Teil des alten Olympiahafens. Der Hafenmeister hier, genannt “Tigerhead”, ist unter finnischen und estnischen Seglern eine ähnliche Legende wie Oskar in Kuressaare, ein Hafenmeister der nur für sein kleines Reich zu leben scheint.

P1020751

Die finnischen Segler scheinen in Tallinn überhaupt den Ton anzugeben. Was für die Nordsee- und Elbsegler Helgoland, und für die Ostseesegler der Grenzhandel von Flleegaard oder Prätorius ist, ist Tallinn für die Finnen . Nur noch wesentlich extremer. Der Alkohol kostet hier nur etwa 1/3 des finnischen Preises, und dan des Schengenraums kann praktisch ohne Limit aufgeladen werden. Bei manchen Schiffen habe ich mir ernsthafte Sorgen um die Stabilität gemacht. Hier wird mit dem Einkaufswagen gleich bis auf den Steg vorgefahren. Und dann noch einer. Und noch einer. Entlang jedes Yachthafens gibt es zahlreiche Getränkemärkte mit gigantischen Lagermengen. Laut Timos Aussage geht das in der Saison an einem Wochenende weg. Und irgendwie glaube ich ihm das. Den Vogel abgeschossen hat allerdings ein kleines 3-4m Schlauchboot, als es in den Hafen kam. Wir wunderten uns noch, dass der Kollege mit Trockenanzug, Kopfkamera, Handfunkgerät, und allem PiPaPo in den Hafen einlief. Eher ungewöhnlich für ein kleines Schlauchboot. 20 min und 2 Einkaufswagen später wussten wir dann aber wofür das ganze Equipment da war: Timo bemerkte die Helsinkier Registrierungsnummer des Bootes…. Der war doch tatsächlich mit dem kleinen Ding 45sm über den finnischen Meerbusen geknallt, um sich hier vollzuladen. Respekt.

P1020761_DxO

Den gesamten Tag über wurde es immer heisser, am Ende standen gar 29 Grad auf dem Thermometer. Das ist zwar Balsam für den immer noch von den eiskalten Nächten in der südlichen Ostsee geschundenen Seglerleib, aber an große Stadterkundungsrundgänge war dabei nicht wirklich zu denken. Und so machte ich mal den kurzen Wettercheck für die nächsten Tage. Und das hätte ich mal lieber bleiben gelassen…. Petrus feiert das absehbare Ende dieser tropischen Tage mit Ostwind und lässt es dabei  ganz ordentlich krachen. Die östlichen Orte Estlands, wo ich eigentlich noch eine verlassene Militärbasis besuchen wollte, so wie vor allem das große Traumziel St. Petersburg kann ich bei dieser Vorhersage wohl komplett vergessen. Spätestens nach dem Besuch in Kaliningrad habe ich mir den Besuch von St. Petersburg in den Kopf gesetzt, aber bei Ost-Nordostwinden um 5-6 Bft. ist der 160sm Nonstopschlag von Vergi in Estland mit der kleinen Nonsuch alleine so gut wie unmöglich. Und diese Ostwindlage soll auch noch bis zum Ende sämtlicher Vorhersagen anhalten.  “If Eastwinds appear here at this time of the year, it will stay until midsummer”, ist die Aussage von Timo zu diesem Debakel. Na klasse, das kann ich mir also höchstwahrscheinlich abschminken. So schön es hier ist, um einen Monat in hier herumzudümpeln ist mir meine Zeit zu schade, und die 160sm von Vergi werden bei Ostwind eher zu 300-350sm, das ist nur gegenan bei den Bedingungen im finnischen Meerbusen einfach nicht drin.

Bildschirmfoto 2014-05-24 um 07.21.24

Für einige Stunden vergesse ich, was für ein Glück ich habe so eine Reise überhaupt machen zu können und ärgere mich lautstark darüber, dass das Wetter mir so ein dickes Schnippchen schlägt. Doch halt: Könnte man nicht vielleicht noch vor dem Eintreffen des Ostwindes versuchen nach St. Petersburg zu kommen? Die Wetterprognosen geben das im Moment noch her, doch dann müsste ich Tallinn schon am nächsten Morgen verlassen… Lange überlege ich, ob dieser Plan machbar und sinnvoll ist, und komme zu keinem richtigen Ergebnis. Am Ende entscheide ich mich knapp dazu dieses Traumziel, unter Beachtung der nächsten Wetterprognosen, anzugehen und fahre noch in die Stadt um zumindest einen kleinen Einblick in Tallinn zu bekommen.

Auf den ersten Blick erscheint Tallinn nett und historisch, wie schon viele andere Städte auf meiner Reise. Doch am Ende kommt alles anders: Als ich am nächsten Morgen früh aufstehe um mich auf den Weg zum Grenzhafen Vergi zu machen haben sich die neuesten Vorhersagen bereits um 12 Std. nach vorne verschoben. Das Risiko am Ende doch mitten auf dem langen Weg durch den finnischen Meerbusen ohne erlaubte Nothäfen in die Ostlage zu geraten ist zu groß. Die Berichte von Freunden die diesen Schlag bereits unternommen haben bestärken mich darin, dass ich das mit der Nonsuch lieber bleiben lassen sollte…. Die Enttäuschung ist groß, aber mal abwarten was anstattdessen auf mich wartet.

Ich beschliesse also, noch einige Tage in Tallinn zu bleiben.

 

Morgen geht es in Begleitung meines "Lotsen" Timo in Lohusalu los.
Mächtig was los in der Bucht von Tallinn...
Auf dem Weg.
Olympiahafen Tallinn-Pirita.
Außergewöhnliche Symbolik.
Mit dem Schlauchboot über den finnischen Meerbusen um Sprit zu kaufen. Kann man mal machen.
Nicht gerade die passende Wettervorhersage um nach St. Petersburg aufzubrechen. Und das soll auch noch so bleiben... :(
...Also erstmal ein erster Rundgang durch Tallinn.