The Ghan
02.10-04.10.24, Australien/SA/Harina+Parachilna, Tag 307-309 Roadtrip, 25.174 km total, Tages-km 72+136
Nachdem in den 1860er Jahren endlich ein Track von Adelaide nach Darwin gefunden und eine Telegrafenleitung installiert wurde, wollten die Australier auch eine Bahnstrecke in Süd-Nord-Querung aufbauen. 1878 begann man in Adelaide mit dem Bau – erst 50 Jahre später erreichte die erste Bahn Alice Springs. Dieser Zug bekam den Namen ‚The Ghan‘. In Anlehnung an die Afghanen, die Kamele (Dromedare eigentlich, aber nur auf Deutsch – ich bleibe beim Begriff Kamel) nach Australien brachten und mit Kamel-Karawanen die Versorgung abgelegener Siedlungen übernahmen.
Es gab nicht nur Karawanen, sondern sogar sechsspännige Kamel-Kutschen (Foto: aus der Farina Ausstellung)
Der erste Roadtrain. Der Ghan und diese Roadtrains machten die Kamele überflüssig. (Foto: aus der Farina Ausstellung)
Wir stehen in Farina. Einer Ruinenstadt mit ehemaliger Ghan-Bahnstation. 1882 hielt hier das erste Mal ein Zug. Der kleine Ort wuchs auf 300 Personen an – das Maximum in der Geschichte Farinas. Besonders boomte das Dorf in den zwei Jahren, als hier die Endstation vom Ghan gewesen war. Hier wurde Vieh verladen. Glückritter und Pioniere kamen vorbei. Drei Hotels konnten zur Hochzeit nebeneinander existieren.
Dann wurde die Strecke weiter nach Norden ausgebaut. Auf der dreitägigen Fahrt von Adelaide nach Alice fanden die Übernachtungen in anderen Städten statt: Port Augusta, Quorn und Marree. Diese Orte existieren noch heute. Farina verlor sich in der Bedeutungslosigkeit. Dazu kamen viele Jahre mit extremer Dürre. Das Dorf war nicht zu halten. 1975 verließ Ben Murray, der letzte Einwohner, Harina. Der Ort verfiel.
2008 sammelten ein paar Freiwillige Spenden und bauten einige der Ruinen wieder auf. Errichteten Hinweisschilder mit der bunten Geschichte Harinas und räumten den Friedhof auf. Ein unterirdischer Ofen der alten Bäckerei wurde reaktiviert und seitdem gibt es sechs Wochen im Jahr frisches Brot in Farina. Bäcker aus dem ganzen Land führen hier alte Backkunst vor. Ein Campingplatz entstand und somit ist im Juni in Farina der Teufel los. Wir sind zu spät und mit zwei anderen Campern die einzigen im Museumsdorf.
Halb aufgebaute/restaurierte Häuser in Farina.
Farina – gegründet 1878 – verlassen einhundert Jahre später.
Jeder, der durch die Ruinen bummelt, ist gehalten Artefakte zu sammeln und an den Häusern abzulegen. Eine hübsches Sammelsurium.
Für alle Gräber ohne Stein errichteten die Freiwilligen ein Kreuz. Eine Sektion des Friedhofs, die als ’nicht geweihte Erde‘ gekennzeichnet wurde, hat 2008 ein Bischof nachträglich geweiht. So eine Friedhofsabteilung ist uns bisher noch nicht begegnet.
Tafeln zeigen die Begrabenen des Friedhofs. Die Familie Finn hat es besonders hart getroffen. Hohe Kindersterblichkeit in den Gründerjahren.
Eines der wenigen Kinder der Finns, Nathaniel, hat es geschafft.
Wenn die Landschaft Antwort gibt, warum man hier nicht sehr alt wurde.
Ein toller Übernachtungsplatz. Nicht nur wegen der nett aufbereiteten Geschichte. Der Stellplatz am trockenen Bach ist idyllisch. Kein Internet vorhanden und wer heiß duschen möchte, muss erst einen Holzofen anheizen (wir verzichten). Hunderte Kakadus fliegen unter lautem Geschrei ihre Runden. Und das erste Mal, dass die quirligen Wellensittiche, die uns seit Wochen begleiten für ein Foto still halten.
Und uns läuft eine Tannenzapfenechse über den Weg. Anders als andere Echsen haben die Zapfen kaum einen Fluchtrieb. Sie bleiben mit ihrem dicken Körpern und kurzen Beinen einfach sitzen und drohen. Als Achim vorbei geht, wird er angefaucht und ihm die blaue Zunge gezeigt. Urige Viecher, die sogar beißen sollen – ohne Gift – wenn man sie in die Enge treibt.
Alles an dieser dicken Wurst von gut 30 cm Länge ist auf Krawall gebürstet.
Zur blauen Zunge gibt es ein deutliches Fauchen als Warnung.
Wie eben aus der Zoohandlung gekauft. Männchen rechts, Weibchen links.
Hier wir doch hemmungslos geknutscht im Wald.
Am Fluss stehen ein paar Eukalypten. Der Tisch ist aus alten (unbehandelten) Eisenbahnschwellen gezimmert.
Unsere Freunde, die Fliegen, wohnen auch in Farina. Wir bleiben deshalb nur eine Nacht und ziehen 70 Kilometer weiter nach Parachilna. Wir müssen etwas Zeit schinden. Geplant war, dass wir direkt in den Ikara-Flinders-Ranges Nationalpark fahren, aber Schulferien in Südaustralien, die wir nicht auf dem Plan hatten, kreuzen unsere Pläne. Erst in drei Tagen sind wieder Plätze frei in Flinders. Okay, bleiben wir also drei Nächte in Parachilna. Ebenfalls ein ehemaliger Ghan-Bahnhof.
Im Gegzug zu Farina lebt Parachilna. Einwohner: beachtliche 6 Personen! Der Campingplatz ist abgewirtschaftet, bietet aber einen tollen BlicK auf die Flinders-Kette. Und es gibt eine Camp-Küche. Die ist zwar auch abgewohnt, aber sie hält die Fliegen fern. Abschattungen jeder Art hassen die lästigen Buschfliegen und bleiben weg.
Der Wagen mal vor anderer Kulisse als der ewigen Ebene der letzten Wochen.
Um den Ort herum kann man prima im Busch umherstrollen. Wir stolpern über zwei weitere Tannenzapfenechsen.
Somit haben wir einen angenehmen Aufenthalt in der Outbback-Metropole Parachilna.
Das Hotel – das einzig verbliebene Haus aus Ghan-Zeiten – hat den Dreh raus. Obwohl der Highway hier wenig befahren ist, kehren augenscheinlich nahezu alle Besucher der Flinders Ranges hier ein. Besonders mittags stapeln sich die Autos vor der Tür. Das Prairie-Hotel bietet Bush-Meat als Spezialität. Geneigte Gäste können hier Kamel, Emu und Känguru-Schwanz genießen.
Prairie Hotel – in sechs Wochen werden Hotel und Campingplatz geschlossen. Zu heiß wird es, die Gäste bleiben aus. Parachilna wird dann einfach abgeschlossen.
Känguruschwanz im Supermarkt. Noch mit Fell dran. Erst einmal gesehen bisher.
Der Stockman von Parachilna – ein Künstler hat diesen einsamen Reiter wirkungsvoll vor die Prärie errichtet. Alleskomplett aus Eisenteilen.
Der Streckenbau des Ghans, der fünfzig Jahre gedauert hatte, fand bereits 1980 sein Ende. Als Schmalspurbahn hatte die Bahn das falsche Format und die Strecke durchs Outback erscheint ebenfalls suboptimal. Es regnet zwar selten, aber wenn, dann überfluten große Flächen, die auch Zügen zu schaffen machten. Die Unzuverlässigkeit vom Ghan war damals legendär. Der häufigste Witz berichtet über eine hochschwangere Frau, die sich beim Schaffner über das Steckenbleiben des Zuges im Matsch beschwerte. Warum es nicht weiterginge, Sse wolle ihr Kind in Alice und nicht in der Wüste zur Welt bringen. „Gute Frau, wie können sie auch in ihrem Zustand mit dem Ghan fahren wollen?“ „Als ich einstieg, war ich noch nicht schwanger!“
Heute auch ein Witz der Bahn in Deutschland?
Fatamorgana oder echt? Das wird sich der Lokführer früher auch schon gefragt haben.
Eine der alten Loks.es heißt, dass der Ghan, wenn die Wüste erblüht ist, im Outback angehalten hat, damit die Passagiere Blumen pflücken konnten.
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