Am 3. Mai haben wir früh morgens bei Flaute die Leinen in der Zea Marina gelöst und sind langsam aus dem Hafen getuckert. Filou war schon etwas aufgeregt und hat sich wohl gefragt, warum sich sein neues Zuhause plötzlich bewegt. Angst hatte er keine, nur neugierig war er und wir waren nach der ersten Anspannung schnell wieder gelassen und guter Dinge für den Törn nach Korinth.
Windstärke 2 bis 3 aus Nord war gemeldet. Darauf haben wir einige Tage gewartet. Ideale Bedingungen für Filous erste Seefahrt waren also zu erwarten. Die Realität sah nach einer Weile völlig anders aus. Zwar stimmte die Stärke zunächst noch, aber der Wind drehte kurz nach der verkehrsreichen Zufahrt auf Patras auf West! Exakt die Richtung, in die wir wollten.
Erst hatte ich noch die Hoffnung, dass es sich nur um eine Ablenkung am südlichen Kap von Salamina handelt, doch auch danach weiterhin Westwind und er drehte kontinuierlich auf.
Was Sabrina, mir und Nomade nichts ausmachte, wurde für Filou sehr unangenehm. Bei Windstärke 5 hatte sich der Gegenwind dann eingependelt, der Seegang wurde unangenehm ruppig und Filou schwer seekrank. Die Details erspare ich euch, aber es tat uns in der Seele weh, ihn so zu sehen.
Wäre der Platz in der Marina nicht wegen einer Bootsausstellung weg gewesen, wir wären wahrscheinlich wieder umgedreht. Andere Häfen hätten unsere Situation nicht wirklich entscheidend verbessert. Also hat sich Sabrina so gut es ging um Filou gekümmert, während ich versucht habe, die unangenehmsten Wellen so anzusteuern, dass Nomade nicht ganz so wild darüber springt. Eine Qual war das, ihn so krank und hilflos zu sehen. Wir wissen ja beide, wie schlimm Seekrankheit sein kann. Nur kann Filou, im Gegensatz zum Menschen, nicht wissen dass es auch irgendwann wieder vorbei ist.
Bis es soweit war, vergingen Stunden. Stunden der Anspannung und Zweifel. Irgendwann wurde es dann ruhiger. Der Wind war nach wie vor stark, aber der Seegang ließ mit jeder Meile Richtung Kanaleinfahrt wieder nach.
Dort angekommen, haben wir an der Pier festgemacht. Sabrina ist zur Kanalverwaltung gelaufen und hat sich um den Papierkram gekümmert, während ich mit Filou eine Runde gelaufen bin. Es ging ihm schnell wieder besser, bis zu dem Moment, als ein Rudel aus 6 Streunern, die ich nicht gesehen hatte, urplötzlich angerannt kam und sehr aggressiv reagiert hat. Ich hatte so eine ähnliche Situation schon mal mit dem Auto in den Bergen auf der Peloponnes erlebt, wo 3 Herdenschutzhunde ohne Vorwarnung das Auto angegriffen haben. Diesmal waren es 6 dieser großen Hunde und Filou bei mir an der Leine.
Er ist sofort losgerannt und ich bin, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, hinter ihm her. So schnell es ging, in Richtung Nomade. Filou und ich waren schneller als das Rudel. Am Schiff hatten wir etwas Abstand gewonnen. Ich hab Filou geschnappt, aufs Boot gehoben und der Spuk war vorbei! Aufs Schiff haben sie sich nicht getraut und sind wieder abgezogen.
Was für ein Schreck! Zum Glück ist nichts passiert.
Die Fahrt durch den Kanal konnten wir nicht genießen. Wir waren nur froh, dass die Situation so glimpflich ausgegangen ist und Filou im Kanal ruhige Bedingungen hatte.
Nach der Durchfahrt war es nur noch ein kurzes Stück bis zum kleinen Hafen in Korinth. Der Anleger klappte problemlos und es hat nicht lange gedauert, bis es Filou wieder besser ging.
Der erste Eindruck von Korinth und seinem Hafen war sehr gemischt. Die Steganlage vergammelt und von Booten verlassen, viel Müll überall und eine lautstarke Schlägerei zwischen Jugendlichen, kurz nach dem Ankommen.
Aber gut, nach ein paar Minuten sollte man keine Stadt beurteilen. Wir sind deshalb los gelaufen um uns etwas umzusehen. Filou bei uns an der Leine und wieder der Alte. Völlig entspannt und neugierig.
Nach wenigen Metern kam uns der erste Streuner entgegen. Laut war er, aber nicht aggressiv. Er hat kurz die Lage gecheckt, gezeigt wessen Revier das hier ist und alles war ok.
Also sind wir weiter. Tiefer in die Stadt, die so schmutzig war, wie bisher keine andere Stadt in der ich war. Nur in der Fußgängerzone ging es, ansonsten flog der Müll nur so durch die Gassen. Und es war sehr auffällig, wieviel mehr Männer hier unterwegs waren als Frauen. Keine Familien, keine Kinder, fast ausschließlich Männer. Männer, die offensichtlich nichts zu tun hatten. Doch, etwas hatten sie zu tun. Die Leute auf der Straße ganz genau zu mustern und an ihrem besonders coolen Gang zu arbeiten. Naja…
Eine Weile später, der nächste Streuner. Diesmal ein ruhiger Geselle, der bald wieder seines Weges gezogen ist.
Als wir bereits auf dem Rückweg waren ist es dann passiert. Ohne Vorwarnung oder den leisesten Ton wurde Filou von einem Streuner gebissen! So ein Verhalten habe ich noch nie bei einem Hund erlebt! Das Biest hat sich von hinten herangepirscht und hat ihn einfach in die Rute gebissen! Filou hat laut gejault, Sabrina hat ihn mit einem Ruck weggezogen und sich vor ihn gestellt. Der Streuner wollte bereits nachsetzen, da habe ich ihn laut angeschrien, einen Schritt in seine Richtung gemacht und mich gebückt, um etwas aufzuheben, was da gar nicht lag.
Es war ein Bluff, den mir mal jemand erzählt hat und ich hätte nie gedacht, dass er wirklich funktioniert. Aber der Hund hat unmittelbar den Kopf eingezogen und ist abgedackelt!
Warum? Weil er gedacht hat, ich hebe einen Stein auf, um ihn damit zu bewerfen. Das ist das traurige an der ganzen Situation. Denn so aggressiv dieser Hund auch war, so ist er vermutlich nicht von sich aus geworden. Das haben Menschen zu verantworten und sicherlich ist er mehr als einmal mit Steinen beworfen worden.
Wir drei waren jedenfalls bedient. Bedient von den Streunern, die hier ganz anders sind als in den gemütlichen Dörfern und bedient von Korinth, mit seinem Müll und der geladenen Grundstimmung.
Also ab zum Boot und zwischendurch Filous Rute untersuchen. Etwas geschwollen war sie an der Bissstelle, aber geblutet hat sie nicht. Der andere Hund hat allerdings sichtbar kräftig zugebissen.
Kurz vorm Boot, die nächste Überraschung. Drei Jugendliche haben sich auffällig unauffällig das Schiff angeschaut. Wir sind deshalb unauffällig vorbei geschlendert, um zu sehen, ob das nur Neugierde ist, oder etwas anderes dahinter steckt.
Es hat nicht lange gedauert, da war der erste auf dem Schiff. Mehr mussten wir nicht sehen, um zügig die Richtung zu ändern. Die drei hatten das mitbekommen und sind erschrocken wieder runter gesprungen. Gesagt haben wir nichts. Wir sind nur auf dem Steg stehen geblieben und haben sie an uns vorbei gehen lassen. Innerlich habe ich gekocht, aber was willst du in der Situation schon anderes machen. Die Jungs hatten die Köpfe jedenfalls fast auf dem Boden, als sie sich vorbei gemogelt haben.
Was für ein Scheißtag!
Der nächste Tag, der Donnerstag, sollte eigentlich ein ruhiger für uns werden, denn Sabrinas Flug ging am Freitag, sehr früh morgens. Durch Filous Seekrankheit mussten wir allerdings umplanen und es musste schnell gehen.
Ihn für die nächsten Etappen an Bord zu lassen, wäre eine schlimme Quälerei geworden. Denn der Golf von Korinth, durch den ich als nächstes muss, wird von Westwinden beherrscht, die nicht selten Sturmstärke erreichen. Auf ruhiges Segelwetter kann man hier nicht warten. Da sind 5 Beaufort gegenan fast schon Luxus. Also haben wir entschieden, dass Filou mit Sabrina nach Hause fliegen wird. Dieser Plan B stand von vornherein fest, sollte er nicht seefest sein. Wenn er sich überhaupt eines Tages ans Segeln gewöhnen kann, dann nur in ganz kleinen Schritten, mit viel Zeit. Hier im Golf wäre das nicht möglich.
Also umplanen, zumal der Schwell im Hafen, der ihn nun wieder seekrank macht, die Bestätigung ist.
Ich beschreibe euch diesen Tag nicht im einzelnen, das wäre zuviel. Aber während Sabrina telefoniert und das Internet durchforstet hat, bin ich kilometerweit durch die Stadt gelaufen, um einen Mietwagen zu organisieren. Abends um 19 Uhr hatte ich ihn und Sabrina ist es gelungen, einen Flug für für die beiden für den nächsten Tag nach Amsterdam zu bekommen. Bei einer Gesellschaft, die auf Hunde spezialisiert ist. Auch wenn der Flug unangenehm für ihn wird, so hat das Flugzeug wenigstens einen extra Raum, der klimatisiert ist und nicht so laut.
Während Sabrina am Abend ihre Sachen gepackt hat, war ich mit dem Zusammenbau von Filous Flugbox beschäftigt.
Am nächsten morgen, der Aufbruch.
Klappte alles völlig problemlos und Filou ist während der Autofahrt zum Flughafen ganz gut drauf gewesen. Übergeben musste er sich auch nicht.
Die Wartezeit am Flughafen haben wir vor dem Gebäude auf einer Wiese verbracht.
Als es dann soweit war, sind wir zusammen rein gegangen. Filou war plötzlich der Star. Durfte an der Leine umher laufen, wurde permanent gestreichelt und fotografiert und war plötzlich: Fluggast
Nach dem einchecken wurden wir zur Kontrolle für ungewöhnliche Gegenstände geschickt. Während Sabrina die Formalitäten erledigt hat, kam eine Zollbeamtin auf Filou und mich zu. Sie fragte, ob er fliegt und wohin. Dann schaute sie ihn genau an, streichelte ihn, klopfte mir auf die Schulter und meinte mit einer Träne im Auge zu mir: „Danke, dass ihr ihn mitnehmt.“
Ich war völlig perplex und hätte selbst fast geheult!
Wir haben uns dann noch kurz unterhalten und es stellte sich heraus, dass sie sich selbst um Streuner kümmert. Ihr war sofort klar, dass Filou auch mal einer war.
Danach ging alles ganz schnell. Filou musste in die Box, was ohne Probleme geklappt hat und ist zusammen mit Sabrina durch die Sicherheitskontrolle gegangen. Dort musste er nochmal kurz raus, damit die Box geröntgt werden konnte. Dann war er weg und wurde in Richtung Flugzeug gebracht. Auch Sabrina musste nun los und ich war wieder allein.
Während für Filou nun der schwere Teil begann, habe ich weiterhin am Flughafen gewartet. Ich wollte erst los fahren, wenn wirklich sicher war, dass beide im Flugzeug und unterwegs sind.
Sabrina konnte nach dem Bording sehen, wie Filou in seiner Box zum Flugzeug gebracht wurde und ich konnte kurze Zeit später, mit Blick auf die Startbahn sehen, wie die beiden abgehoben sind.
Ich stehe eigentlich total auf fliegen, aber bei diesem Start, der lehrbuchmäßig ablief, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Mir tat Filou Leid.
Danach ging es zurück zum Boot und nicht lange, nachdem ich dort wieder angekommen war, kam auch die erleichternde Nachricht aus Amsterdam: Flugzeug gelandet!
Die zweite Nachricht dann unangenehm: Eine halbe Stunde lang, starke Turbulenzen!
Die dritte Nachricht: Ich hab Filou wieder, es geht ihm gut, er freut sich total!
Da hab ich vor Freude feuchte Augen bekommen und war froh, das wir diese Entscheidung getroffen haben. Denn in Korinth hat Nomade am Anleger getanzt. Hier war plötzlich Sturm!
Aber Filou war in Sicherheit und es ging ihm gut. Mein Papa hat die beiden dann mit dem Auto nach Deutschland gebracht und mein Schwager ist mit Sabrina am nächsten Tag nach Belgien gefahren, um unser Auto am Flughafen Charleroi abzuholen. Von dort aus ist Sabrina ja nach Athen geflogen. Ein Flug mit Filou dorthin war aber nicht zu bekommen.
Und jetzt? Jetzt geht es ihm in Wesel gut. Mein Papa kümmert sich um ihn, während Sabrina auf der Arbeit ist und der Hund meiner Eltern (wir leben ja im gleichen Haus) hat Filou sofort als neues Familienmitglied akzeptiert.
Und in Griechenland? Hier ist die Kacke am dampfen! Nomade hatte sehr spät abends nochmals Besuch von drei Jugendlichen. Eine sehr angespannte Situation an Deck war das. Ansonsten wurde ich angepöbelt und um Geld „gefragt“. Da ja allerdings Sturm war, konnten wir nicht dort weg.
Vom ersten Einhandtörn mit Nomade berichte ich dann beim nächsten Mal.
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