Hitzefrei
Mehr als 6 Wochen sind seit dem letzten Beitrag vergangen und bis zum nächsten wird es vermutlich wieder so lange dauern, denn seit es wieder warm ist, nutze ich praktisch jede Gelegenheit, um an Bord zu arbeiten. Für alles andere bleibt kaum Zeit.
Was ich in den letzten Wochen alles geschafft habe, kann ich hier kaum aufzählen. Viel Sisyphusarbeit war jedenfalls darunter, von der man am Ende kaum noch etwas sieht. Zum Beispiel bei den Holzteilen im Flur, so nennen wir mittlerweile den Durchgang an Steuerbord unterm Cockpit. Diesen Raum zu restaurieren hat wesentlich länger gedauert als ursprünglich gedacht. Das lag vor allem an den vielen maroden Holzteilen, die durch den undichten Gaskasten über Jahre gelitten haben.
Manches hatte kaum noch Substanz und es gab Ecken, da waren tatsächlich mehrere Zentimeter Holz einfach weg!
Ursprünglich hatte ich nicht gedacht, dass man in dem Bereich überhaupt noch restaurieren kann, aber diverse Projekte von professionellen Restaurateuren haben mich dann ermutigt, es zu versuchen.
Austauschen wäre zwar günstiger und schneller, doch der Charakter des Oldtimers würde dadurch verloren gehen. Jede Macke, jeder Kratzer erzählt eine Geschichte. Und man stelle sich einmal vor, man würde in einem Schiff alle 20 oder 30 Jahre die Einrichtung gegen das tauschen, was man heute als modern erachtet. All die Klassiker gingen dabei verloren.
Morgenstern ist eben ein Oldtimer und soll es auch bleiben. Natürlich wird an einigen Stellen auch modernste Technik Einzug halten, aber der Charakter soll dabei so weit wie möglich erhalten bleiben.
Und so habe ich im Winter damit begonnen diverse Mahagoni Furniere zu besorgen und das Restaurieren von Massivholz und Furnier zu versuchen. Die Lernkurve war echt flach, das kann ich euch sagen. Die Bereiche, die ich ganz am Anfang restauriert habe, sind aus jetziger Sicht nicht besonders hübsch geworden, aber mittlerweile funktioniert es so gut, dass ich die ausgetauschten Stellen selbst manchmal kaum noch finden kann.
Auch das Herstellen von Mahagoni-Sperrholz klappt nun ziemlich gut. Das musste ich machen, da es praktisch unmöglich ist, in einer Holzhandlung ein Sperrholz zu finden, das exakt zum knapp 5 Jahrzehnte alten Holz passt, welches auf Morgenstern verbaut ist. Wenn man ganz genau hinschaut, gibt es selbst an Bord leicht unterschiedliche Maserungen und Farbtöne. Mahagoni wird über die Jahre unter UV-Licht etwas heller und so muss nicht nur die Maserung passen, will man neben einem vorhandenen Stück Holz mit etwas neuem anschließen, sondern auch der Farbton. Also musste praktisch für jedes Neuteil Furnier individuell ausgesucht und gebeizt werden, oft mit Teststücken vorab und an manchen Stellen auch mit einer Art Verlauf.
Das hat dazu geführt, dass ich mit einigen Holzteilen mehrere Wochen beschäftigt war, um ihnen zu neuem Glanz zu verhelfen, ohne den Charakter zu zerstören.
Ich zeige ganz bewusst noch keine Fotos vom Flur, denn noch ist er nicht ganz fertig. Es fehlen ein paar Randleisten und der Boden muss noch gemacht werden. Das hat jedoch gerade keine Priorität, denn momentan arbeite ich überwiegend an Deck.
Dort gibt es unzählige Minibaustellen, die alle vor dem Herbst fertig sein müssen. Ziel ist es, keine einzige Roststelle in den nächsten Winter mitzunehmen und ein, von außen, erstklassiges Schiff im Hafen liegen zu haben!
Auch dieses Projekt besteht überwiegend aus Arbeit, von der man später nichts mehr sehen wird, denn die meisten Roststellen sind so winzig, dass ich manchmal auf dem Bauch liegend mit einem Minifräser daran feile. Es handelt sich dabei um Stellen, an denen mal etwas fallen gelassen wurde, oder wo sich mal ein Steinchen unterm Schuh in den Lack gedrückt hat. Schäden, die man auf fast keinem Foto sieht, die aber gemacht werden müssen, damit sie nicht eines Tages größer werden, so wie es hier und da über die Jahre bereits passiert ist.
Mehrere Hundert einzelne Baustellen sind das, von denen aktuell ca. die Hälfte geschafft ist, auch, weil Sabrina mich in ihrem Urlaub Anfang Juni tatkräftig beim Fräsen und dem anschließenden Farbaufbau unterstützt hat.
Statt an Deck in der Sonne zu liegen, haben wir Akkuladung für Akkuladung in Fräsarbeit umgesetzt. Spaß hat das trotzdem gemacht, denn wenn man sieht, wie das Schiff jeden Tag ein winziges Stück hübscher wird, dann ist das eine erstklassige Belohnung.
Noch dazu lagen wir während dieser Zeit einige Tage vor Anker und haben auch die ein oder andere Fahrt im See unternommen. Wir waren oft mit Filou im Schlauchboot unterwegs und das klappt mittlerweile wunderbar. Filou liebt das Schlauchbootfahren so sehr, dass er auf der Rückfahrt vom Gassigehen oft darin einschläft und nach der Fahrt manchmal gar nicht mehr raus will. Auch das Leben mit ihm an Bord ist einfach nur schön.
Sabrina hat diese Zeit Anfang Juni neben der vielen Bastelei noch genutzt, um ein wenig vertrauter mit Morgenstern zu werden. Für mich ist das Fahren mit dem Boot und alles was damit zu tun hat durch die langen Einhandfahrten selbstverständlich geworden, Sabrina hat allerdings bis vor wenigen Tagen noch kein einziges Mal mit Morgenstern An- oder Abgelegt! Es gab schlicht keine Gelegenheit bisher. In Griechenland war sie nur kurz an Bord, in Wesel saßen wir monatelang wegen Niedrigwasser auf Grund und in Rees hatten wir bisher andere Dinge zu tun.
Am 14. Juni war es aber endlich soweit und nach dem Briefing kam ein nervöses „Leinen los!“
Dann Ablegen, raus aus dem Hafen und erst mal durchatmen.
Ich weiß noch, wie nervös ich selbst war, als ich vor 2 Jahren in Kilada zum ersten Mal an Bord ging und das Boot Einhand aus der Box an den Ankerplatz fahren musste. Von daher konnte ich mich gut in Sabrina hineinversetzen.
Wir haben fast den ganzen Tag auf dem See geübt. Wenden auf engem Raum, Aufstoppen, Rückwärts fahren, Ankern, einfach mal treiben lassen, damit Sabrina ein Gefühl dafür bekommen konnte, wie sich das Schiff verhält, wie die Lateralfläche wirkt und welche Masse bewegt werden muss.
Am Anfang des Tages hatte sie echt Bammel vor Morgenstern, am Ende des Tages kam ein: „Macht richtig Spaß!“
Am nächsten Tag stand An- und Ablegen auf dem Übungsplan. Es klappte so gut, dass Sabrina am Nachmittag auch mal eine kleine Einhandfahrt unternehmen wollte. Auch für mich ein schönes Erlebnis, das Schiff, mit dem ich so lange unterwegs war, einmal selbst vom Steg aus vorbeifahren zu sehen.
Sabrina allein unterwegs.
Also: Es läuft, es geht vorwärts, nur komme ich genau deshalb jetzt im Sommer einfach nicht zum Schreiben. Außer heute, heute ist es echt zu heiß, um an Deck zu arbeiten. Deshalb wird heute geschrieben!
Hier noch eine kleine Fotoauswahl der letzten Wochen: