An diesem Beitrag schreibe ich seit mehr als 2 Wochen. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich die Überschrift geändert habe und was ich alles schon geschrieben und dann doch wieder verworfen habe. Immer wieder dachte ich: Komm, warte noch mit dem Beitrag, vielleicht ist das alles nur hier so, vielleicht wird es besser…
Jetzt fange ich wieder von vorne an und bin richtig traurig, wenn ich an Rumänien zurückdenke. Rumänien, ein Land mit enormen Kontrasten.
Am Tag als ich ankam, fiel es mir schwer, die Gleichgültigkeit mancher Menschen zu akzeptieren. Und genauso habe ich an diesem ersten Tag wiederum unglaublich nette und hilfsbereite Menschen getroffen.
Seemeilen und die Fahrten mit Nomade durch Rumänien sind für mich mittlerweile fast bedeutungslos. Ich hatte in diesem Beitrag, wie so oft, den ein oder anderen Törn beschrieben, aber mittlerweile wieder gelöscht. Die Törns sind unwichtig geworden. Die Begegnungen in Rumänien sind es, um die es diesmal gehen soll.
Die erste „Begegnung“ gab es ein paar Seemeilen vor der Grenze per Seefunk. Da wurde alles, was man in Rumänien bereits von Nomade wusste, nochmals abgefragt. Die zweite Begegnung war das „Abfangmanöver“ der Küstenwache, die ausgerückt ist, um Nomade zur Grenzpolizei zu eskortieren. Sehr freundlich, aber aus meiner Sicht ein wenig übertrieben. Die Bulgarische Grenzpolizei hatte Nomade ja bereits für den Nachmittag bei der Rumänischen angekündigt.
Grenzpolizei und Zoll dann sehr freundlich. Anschließend ging es zum Hafenkapitän, danach zum Sicherheitsdienst und danach hätte eigentlich der Hafenverwalter zu Nomade kommen sollen. Der hatte allerdings keine Lust…
Und so war ich schließlich, nach einem kleinen Papierkrieg, offiziell in Rumänien, in dem mittelgroßen Ort Mangalia und mir wurde freundlich aber bestimmt klar gemacht, dass ich diesen Hafen mit Nomade erst dann wieder verlassen darf, wenn ich bei Hafenkapitän und Grenzpolizei ordentlich ausklariert habe, für eine Fahrt innerhalb der Landesgrenzen, wohlgemerkt!
Einen Schlüssel für den das Tor zum Ponton habe ich nicht bekommen und nachdem ich am nächsten Tag zum zweiten Mal eingeschlossen war und mir zum ersten Mal 2018 der Kragen leicht geplatzt ist, weil der Hafenverwalter (O-Ton: „Ich bin eigentlich nur zum kassieren hier! Ha! Ha! Ha!“), sich einen Dreck für irgendetwas interessiert hat, hatte ich Hoffnung. Denn die Beschwerde beim Hafenkapitän hatte gezogen. Dachte ich…
Hat sie nicht, merkte ich…
36 Stunden nachdem ich den zugesicherten Schlüssel nun doch hätte bekommen sollen, hatte ich immer noch keinen und habe Mangalia (nach einem weiteren kleinen Papierkrieg) wieder verlassen.
Ich hatte Glück und war nur 3 Mal auf dem Ponton eingeschlossen. Andere wurden in der Dusche eingesperrt.
Mir ging es verdammt gut in Mangalia, im Vergleich zu den halbtoten Streunern vor der Wache der Grenzpolizei und mir ging es blendend, im Vergleich zu dem verwahrlosten Kind, welches vor dem verrammelten Tor der städtischen Marina seine dreckigen Klamotten im Salzwasser gewaschen hat, während dahinter auf dem Ponton ganze DREI Tage ununterbrochen das Süßwasser aus einem defekten Wasserhahn lief.
„Ich bin eigentlich nur zum kassieren hier! Ha Ha Ha!“
Ich hätte ihn am liebsten…
Insgesamt 128 Liter Diesel habe ich in der Zeit in Mangalia mit dem Fahrrad von der Tankstelle angekarrt. Eine andere praktikable Lösung gab es nicht. Aber sie tat gut, diese körperliche Ertüchtigung. Damit habe ich mir einen Teil der angestauten Wut auf den Typen abgeradelt.
Also weiter!
Achso, zur Grenzpolizei musste ich plötzlich doch nicht mehr. Keine Ahnung warum. Eine andere Yacht musste, ich nicht. Zu mir ist die Beamtin mit dem Auto gekommen und wollte nur mein Einklarierungspapier sehen.
Ich war allerdings nicht im Besitz eines Einklarierungspapiers! Ich hatte mich selbst darüber gewundert und die Beamten bei meiner Ankunft gefragt, ob ich denn nicht auch irgendwas schriftlich bekomme? „NO“ war die knappe Antwort.
Genauso knapp war meine Antwort an diesem Morgen ebenfalls.
Ratlosigkeit hing in der Luft und drei belanglose Fragen später durfte ich Ablegen.
Unterm Strich wurde extrem viel Wirbel um die Ankunft und das Ablegen von Nomade gemacht. Telefonate wurden geführt, Aktenordner gefüllt und man hatte das Gefühl ein russischer Flugzeugträger läuft ein. Der „Witz“ an der ganzen Sache ist: Nomade wurde nicht ein einziges Mal in Augenschein genommen.
Zoll: „Do you have weapons on bord?“
Nico: „No.“
Zoll: „Ok.“
Springen wir nach Constanta. Anmelden bei Grenzpolizei: 5 Minuten und völlig problemlos. Kein Papierkrieg.
In Constanta habe ich nach meiner Ankunft noch einmal ganz kurz die Segelyacht Sharlyn mit Graham, Yana, Mikhail und Oleg getroffen.
Die S/Y Sharlyn segelt von der Donau zur Wolga. Eine besondere Reise, die noch nie zuvor eine Yacht unter britischer Flagge gemacht hat.
Leider hatten wir kaum Zeit uns länger zu unterhalten. Die Crew der Sharlyn musste Papierkram erledigen und auch ich hing nach der kurzen Polizeikontrolle länger fest. Diesmal im Büro des Yachthafens. Noch nie zuvor habe ich für die Übernachtung in einem Yachthafen ähnlich viele Unterschriften leisten müssen. Eine halbe Stunde hat das Prozedere gedauert, bis ich endlich meine Gebühr entrichten durfte.
Diesel konnte ich dann auch noch besorgen. Diesmal zusammen mit einem Mitarbeiter des Hafens, der mich mit dem Auto zur Tankstelle gefahren und mir die Kanister geliehen hat. Man hat mir das Gefühl vermittelt, das wäre eine Art Service des Yachthafens, bzw. ein Freundschaftsdienst.
Eine Stunde später war ich 40€ (schwarz) für den „Freundschaftsdienst“ los!
Dann kam Doru vorbei.
Doru ist der Kapitän des SAR Schiffes in Constanta. Ein unglaublich netter Kerl, der für viel zu wenig Geld sein Leben riskiert, um andere auf hoher See zu retten.
Ich habe lange mit ihm gequatscht, durfte mir das Schiff anschauen. Ein Finnisches Rettungsboot aus Aluminium mit Jet Antrieb. Sehr schwer zu steuern und durch das geringe Gewicht sehr ungemütlich in schwerer See.
„Bis 6m Wellenhöhe geht es.“
Man merkt Doru an, dass er viel da draussen erlebt hat. Keiner der groß auftischt, wie krass die See doch ist. Ganz leise erzählt er davon.
Am nächsten morgen verabschiede ich mich von ihm und bin mir ziemlich sicher, einem richtigen Helden begegnet zu sein!
Als die Leinen schon fast los sind, kommt Doru nochmal schnell zu mir, drückt mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand und sagt: „Wenn die an der Schleuse Probleme machen, sag, du kennst Doru. Dann wissen sie schon bescheid!“ „Und falls was ist, ruf mich an!“
Danach fahre ich ein letztes Mal übers Schwarze Meer und an diesem Tag ist es ein bisschen anders. Ein bisschen dunkler als an den Tagen davor. Die Wolken hängen tief und ein letztes Mal kommen Delfine vorbei, wie an jedem Tag in diesem noch so unerforschten Meer. Ich hatte riesiges Glück im Schwarzmeer. Ein solches Wetterfenster gibt es nicht oft im Jahr.
Aber ich fühle mich etwas merkwürdig. Weil ich so hier durchgehetzt bin. „Einmal im Leben durchs Schwarze Meer segeln“ das war vor ein paar Monaten so ein Gedanke, der ab und zu mal hochkam.
Nachdem das Schleusentor in Constanta hinter mir zu ging dachte ich: „Noch einmal im Leben durchs Schwarze Meer segeln!“
Die Schleuse hat keine Probleme gemacht. Es war das typisch rumänische, freundliche Durcheinander, mehr nicht.
Achso, jetzt hätte ich fast etwas vergessen. Geweckt wurde ich an diesem Morgen von der Grenzpolizei. Der Beamte wollte mich aus dem Hafen ausklarieren, was mir prinzipiell ja ganz Recht war. So konnte ich mir den Gang zum Container sparen.
Genutzt hatte es trotzdem nicht viel, denn nach dem Ablegen wurde ich von den Kollegen auf dem Boot der Küstenwache gestoppt. „Wo wollen Sie denn hin?!“
„Na zum Kanal, ich hab doch gerade bei ihrem Kollegen ausklariert!“
„Davon wissen wir nichts!?“
Überspringen wir den Scheiß, ich breche sonst!
Also, ich war jetzt im Donau-Schwarzmeer-Kanal. Am Abend war ich in der Donau und wollte nach Bulgarien Ausklarieren.
Am Zollponton in Cernavoda lag ein Kreuzfahrtschiff. Also bin ich zum Anleger der Grenzpolizei gefahren und wollte wissen, was ich nun machen soll. Ratlosigkeit machte sich breit. Nach Ratlosigkeit wurde telefoniert und irgendwann beschlossen, dass ich am besten nach Calarasi weiterfahre und dort ausklariere.
Also bin ich ein paar Kilometer die Donau hoch gefahren und habe den Haken an einem offiziellen Ankerplatz geworfen. Diese Ankerplätze sind in Karten und mit Schildern am Ufer entsprechend gekennzeichnet und haben eine ausreichende Wassertiefe. Gerade für die erste Nacht im Fluss wollte ich keine Experimente machen.
Ich war zufrieden an diesem Platz.
Leider nur etwa eine Stunde lang. Als ich bereits in der Koje lag, schreit draußen jemand herum. Zwei Fischerboote umkreisen Nomade und verjagen mich schließlich lautstark. Sie wollen genau hier ihre Netze auswerfen und ich soll 500m weiter ankern. Ich hab sie zwar kaum verstanden, „Hau ab hier!“ klingt aber in jeder Sprache ungefähr gleich.
Diskutiert habe ich nicht, dafür waren mir die Kerle zu suspekt. Zum einen war ich deutlich in der Unterzahl und zum anderen passte irgendwie nichts logisch zusammen. Die halb verrotteten Holzboote, die Zahnlücken, die dreckigen Klamotten und die glänzenden Mercury und Honda Motoren am Heck, die dem Gegenwert von Nomade entsprachen.
Das erste was ich gedacht habe war: „Jetzt weiß ich wo die Außenborder sind, die in Berlin Nachts heimlich abgeschraubt werden.“
Geschlafen hab ich nach dem Wechsel des Ankerplatzes trotzdem gut, ich war einfach zu müde für Sorgen machen an dem Abend.
Springen wir nach Calarasi zum Ausklarieren:
Hier erwartet mich ein sehr netter Grenzpolizist, der mich längsseits gehen lässt und die Leinen annimmt. Wir plaudern eine Weile, während wir auf den Zoll warten. Er ist etwa so alt wie ich und hat einen Hund mit an Bord. Einen kleinen wuschigen Mischling. Kein Polizeihund, sein eigener ist es. 18 Jahre ist er bei der Grenzpolizei und keiner weiß was ist, wenn Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum dazu kommen und die Grenzen geöffnet werden. Vielleicht braucht man ihn dann nicht mehr?
Eine Stunde später bin ich wieder in Bulgarien, zum Einklarieren auf der anderen Seite der Donau, die über einige hundert Kilometer die Grenze beider Staaten bildet.
Wie das in Bulgarien lief, beschreibe ich im nächsten Beitrag. Heute geht es nur um Rumänien und deshalb springen wir ein paar Tage und einige hundert Kilometer in die Zukunft, nach Calafat.
Nein, Stopp! Da war noch etwas, kurz vor Calafat! Vor der ersten Kurve nach Norden habe ich an einem der abgelegendsten Ankerplätze irgendwo in der Großen Walachei übernachtet. Ich lag bereits lange in der Koje und es war schon dunkel, als ich gehört habe, wie ein Schiff immer näher kam. Dann wurde es hell in der Kajüte, ein Scheinwerfer wurde auf uns gerichtet. Ich bin ziemlich schnell an Deck geflitzt, da lag neben mir die Rumänische Grenzpolizei: „Alles ok bei dir?“
„Ähm, ja, alles ok. Wollen Sie meine Papiere sehen?“
„Nein, wir wissen wer du bist. Wir wollten nur fragen, ob alles ok ist, oder ob du Hilfe brauchst.“
„Ah, ok, danke, aber hier ist alle ok. Ich schlafe nur ein paar Stunden, dann fahre ich weiter nach Calafat.“
In Calafat wollte ich von der Bulgarischen noch einmal kurz auf die Rumänische Seite wechseln. Dafür gab es einen guten Grund, denn ein paar Meilen weiter sollte es laut den letzten verlässlichen Infos die erste Bootstankstelle im Fluss geben. Also bin ich in Calafat an den Anleger des Hafenamts, um noch einmal Einzureisen.
Der Hafenmeister war super hilfsbereit und hat mir die Pontongebühr komplett erlassen, weil sie keine Preisstruktur für Yachten haben. Es gab also nur eine Möglichkeit: Entweder er berechnet ein Passagierschiff (40€ für die ersten 4 Stunden und jede weitere Stunde 5€) oder eben nichts.
Dann sind wir zusammen zur Wache gelaufen. Vorbei an gut einem Dutzend armer Streuner, zu einer verwahrlosten Hütte. Hier sollte ich warten, er ruft die Beamten an und die kommen dann hier her.
Wer auf „Lost Places“ steht, sollte unbedingt nach Rumänien kommen. An diesem Platz hätte man Filme drehen können und das Set wäre bereits perfekt gewesen, für Horrorfilme.
Wenige Minuten später das Groteske. Da kommen zwei schick uniformierte Beamte, in einem ziemlich neuen VW Passat (die teure Polizeiversion) und gehen mit mir in diese Bruchbude, in der ein geflickter Ohrensessel und ein uralter Röhrenfernseher steht. Die Wache der Grenzpolizei, die sonst niemand zu sehen bekommt. Als erstes zeigt mir der gut gelaunte Beamte ein Holzstäbchen. Es sah aus wie die Holzstäbchen, die man aus dem Chinarestaurant kennt. Er wedelt damit vor meiner Nase herum, lacht, und faselt was von „Romanian remote control“.
Ich peile überhaupt nichts und stehe nur achselzuckend da. Dann zeigt er auf die Glotze und schiebt den Holzstab unten in den Fernseher rein. Knöpfe hat die Kiste keine mehr. Er kniet davor, stochert herum und redet mit dem Gerät. Ich denke mal er sagte sowas wie: „Komm schon… na los…“
Nach ein paar Sekunden *brzlt* es, er lacht und die Kiste springt an! Bild ist noch keines da, aber immerhin Ton.
Bild kommt in ein, zwei Minuten, meint er zu mir.
Dann schaut er sich meine Papiere an und schickt mich zurück zum Boot. Er will alles fertig machen und dann vorbeikommen.
Eine halbe Stunde später (ich habe so lange mit dem Hafenmeister geplaudert) ist der Beamte auf dem Ponton. Er ruft schon von weitem laut und gutgelaunt: „Nico! Ich hab deine Papiere fertig!“
Diesmal bekomme ich sogar ein richtiges Einklarierungsformular.
Zwei Tage später klariere ich in Turnu Severin wieder aus. Die ganze Aktion war sinnlos, denn der Yachtponton mit seinen 16 Liegeplätzen und der Tankstelle wurde von einem Tanker blockiert. Ja, ein Tanker, kein Frachter und der Tanker war nicht dort um die Tankstelle zu betanken.
Immerhin, ich konnte bei der Werft daneben festmachen und der Werftchef war enorm hilfsbereit. Ich durfte die private Dusche in dem Gebäude nutzen, habe Wasser bekommen und lag dort wirklich zum Freundschaftspreis.
Ausklarieren lief dann so ab:
Ich bin am Vorabend die 2 Kilometer zur Wache gelaufen, um zu fragen, wo ich mit Nomade hin soll. Antwort: „Sie bleiben bei der Werft, denn der Zollponton ist nur für große Schiffe vorgesehen. Kommen Sie morgen früh zu Fuss hier hin.“
Also bin ich am nächsten Morgen wieder zur Wache gelaufen. Diesmal hat man mich gefragt, wieso ich nicht mit dem Boot zum Zollponton gekommen bin!?
Ruhig bleiben…
Aber alles kein Problem, man wollte die Papiere fertig machen und dann zusammen mit mir zu Nomade fahren. Ich hatte mich schon auf das Taxi gefreut, aber daraus wurde nichts, denn nachdem der Papierkram erledigt war, hat sich heraus gestellt, dass der Polizist gerade kein Auto hat.
Wir sind trotzdem gemeinsam langsam losgelaufen und hier habe ich einen Fehler gemacht. Der Mann fragte mich: „Wie weit ist das etwa, bis dort wo sie liegen?“
Nico: „Ziemlich genau 2 Kilometer, wir laufen also etwa 20 Minuten.“
Polizist: „Oh, das ist aber ganz schön weit und ich muss ja auch wieder zurück laufen.“
Kurze Pause…
Polizist: „Ach, wissen sie was, kommen sie einfach mit dem Boot zum Zollponton, ich sorge auch dafür das nichts berechnet wird.“
Also, hab ich den 8. Kilometer zu Fuß voll gemacht, bin mit Nomade zum Zollponton und habe dort meine Papiere bekommen.
Das wars. Das war Rumänien.
Ich habe Rumänien zu einem großen Teil auf diversen Wachen kennengelernt. Nomade wurde in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal von einem rumänischen Offiziellen betreten. Viel Wirbel um nichts.
Was ich gesehen habe ist ein Land, welches (leider) in weiten Teilen seinem Klischee entspricht. Prunkbauten stehen gleich neben ärmsten Plattenbausiedlungen. Den Streunern geht es deutlich schlechter als in Griechenland und hier gibt es kaum noch junge Menschen, die das Land aufbauen könnten.
Rumänien ist also im Moment nicht nur ein Problemkind der EU, die EU bringt auch (noch) große Nachteile für Rumänien selbst mit. Der Werftchef in Turnu Severin findet kaum noch Leute, die für ihn arbeiten, obwohl er schon wesentlich mehr zahlt, als üblich und für seine Arbeitnehmer ein wirklich erstklassiges Umfeld geschaffen hat, inklusive einem Aufenthaltsraum mit moderner Küche und sanitären Anlagen mit Duschen.
Die Menschen waren bis auf wenige Ausnahmen sehr freundlich zu mir, vor allem die Beamten. Sie entsprachen überhaupt nicht dem Klischee. Bakschich wurde niemals erwartet und als ich die Hafengebühr in Constanta aufrunden wollte, hat man stolz abgelehnt.
Aus meiner Sicht hat Rumänien noch nicht die Nachwirkungen der langen Diktatur überwunden.
Umso erstaunlicher ist es, dass ich einmal mit jemandem gesprochen habe, der dieser Ära auch heute noch nachtrauert. „Unter Ceaușescu ging es mir besser!“
Die Betonung liegt auf „mir“.
Millionen Menschen haben schwer gelitten unter dem Mann, den man am ersten Weihnachtstag 1989 als letzten Menschen in Rumänien kurz nach dem Volksaufstand zusammen mit seiner Frau hingerichtet hat. Kinder sind in Gulags gestorben, auch in den 90ern noch, das Volk hatte nichts zu essen.
Und auch heute gibt es sie noch in Rumänien, die verwahrlosten Kinder auf den Strassen, die um Essen oder Geld betteln müssen. Nicht an jedem Ort, aber vor allem in Constanta sind mir mehrere verarmte Kinder begegnet.
Die Menschen in Rumänien tun mir Leid. Sie können zu einem großen Teil nichts für den schlechten Zustand des Landes. Hier gab es kaum die Hilfen, die andere Ostblockländer nach 1989 bekommen haben. Rumänien war zu weit weg und der Zustand des Landes zu schlecht, als dass man Hoffnung hatte.
Ich denke nicht, dass Rumänien ein hoffnungsloser Fall ist, aber es wird noch sehr lange dauern, bis hier wirklich alles in Ordnung ist.