50 JAHRE BIANCA 27 – EINE WIEDERAUFERSTEHUNG
Beim Verfassen meines Berichtes über den Bau meiner Bianca 27 im Jahre 1972, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, einfach mal Christoph um seine Erfahrungen zu befragen, denn immerhin hatte er seine Shalom nach 50 Jahren der Nutzung und dem Tod des vorherigen Eigners, mit einer Unzahl von Baustellen in bedauernswertem Zustand erworben. Das Schiff lag einigermassen verwahrlost in Kiel an Land und wartete auf seine weitere Verwendung, ggf. sogar einer Verwertung.
Die Bianca hätte es nicht besser treffen können, denn in den vergangenen drei Jahren wurde sie nun von Grund auf saniert, strukturell verbessert und verstärkt. Für einen Bootsbauer mit Abschluss ein Projekt, an dem ein Hobbybootsbauer ansonsten schon hätte verzweifeln können. Christoph hingegen hat sich durchgebissen und die Sanierung bis zum Ende durchgeführt, bzw. nervlich durchgehalten. Er hat der Plan, im Sommer 2023 los zu segeln.
Moin Peter, das erste Jahr ist leider nicht fotografisch festgehalten, weil mein Handy unterwegs gestorben ist, mitsamt den Fotos. Dumm gelaufen! Zu Anfang war das Boot weiß und dabei herrlich ausgekreidet. Der Vorsteven war, vom Bugbeschlag aus nach unten gesehen, auf dem ersten Meter nicht mehr existent. Vorne im Boot klaffte ein großes Loch. Die erste große Baustelle war also das Wiederherstellen der alten Rumpfform im Stevenbereich, damit das Schiff überhaupt schwimmfähig war und von Kiel nach Hamburg überführt werden konnte.
Daher ist das Schiff schon so früh von mir lackiert worden, allerdings nur der Rumpf. Deck und Aufbau mussten warten, weil elementare Laminatarbeiten erst im zweiten Jahr erledigt werden konnten. Auch das rote Ungeheuer, der defekte Bukh Motor musste raus … und warten.
Ich habe immer nur im Sommer am Boot arbeiten können, da ich ja auch auf dem Kahn wohne und im Sommer auf der Werft, auf der ich gelernt habe, immer genügend freie Bootstrailer vorhanden waren und ich an Land in der ansonsten leeren Halle habe arbeiten können. Die Winter habe ich auf meiner schwimmenden Baustelle gewohnt, mal hier und mal dort, auch schon mal im City Sportboothafen. Anfangs ohne Motor und Mast, inzwischen, nach drei Sommern, nun mit neuem Rigg und überholtem Dieselwindmotor.
Im zweiten Sommer war das U-Schiff dran. Die Kielflosse ist bei der Bianca im hinteren Bereich ausgeschäumt und über die Jahre vollgelaufen, der Schaum vergammelt. Im Zuge einer Osmosebehandlung, die den halben Sommer dauerte, habe ich den Schaum entfernt und neu ausgeschäumt. Das angehängte Ruder habe ich neu gebaut, das alte war an den Aufhängungspunkten durchgerieben. Interessanterweise haben die Edelstahl Laschen die das GFK Ruder gehalten haben, das Laminat an dieser Stelle komplett durchgescheuert. Darum habe ich im neuen Ruder heute ein Edelstahlrohr einlaminiert, damit sich dieser Schaden nicht wiederholt.
Im dritten Sommer ( 2022) wurde das gesamte Sandwich Deck ( Bug bis Höhe Kockpit) neu gebaut, weil das Sandwich voller Wasser war und das Material kaum noch vorhanden gewesen ist. Zur besseren Belüftung unter Deck habe ich Doradelüfter eingebaut. Die Kajüte von innen restauriert ( viele, viele Holzarbeiten), und am Ende den Motor wieder eingebaut. Nach Abschluss der strukturellen Arbeiten habe ich anschließend den gesamten Aufbau lackiert, nachdem ich auch die Fenster – vormals mit Klemmgummiprofil und dauernd nässend – neugebaut und mit richtigen Rahmen versehen habe. Die Cockpitbänke ( ehemals Sperrholz mit Teakauflage ) waren durchgefault, wurden ebenfalls erneuert desgleichen die Cockpitwinsch Fundamente, die nun solide unterfüttert wurden.
Fehlte nur noch eine neue Schiebelukgarage, die ich aus Sperrholz mit Teakauflage gebaut habe.
Ich könnte noch hundert weitere Baustellen aufzählen, aber unterm Strich ist nun eigentlich alles neu, nur die Windsteueranlage von der Hurley 18 ist noch nicht montiert. Dafür aber schon die Solarplatten.
Und das beste: Seit heute kann ich behaupten, dass ich dieses Jahr wieder auf Langfahrt gehe!
Im Juli/ August geht’s los! Dafür habe ich all die Mühen auf mich genommen und drei Sommer lang in einer Bootshalle an Land gewohnt, während ich mit Glasfaserstaub bedeckt war.
Ich freue mich auf Segeln!
So Peter, ich ergänze gerne weiter, wenn da noch Fragen sind.
Habe leider nur Fotos aus diesem letzten Sommer, alle anderen sind mit dem letzten Handy gestorben… Auch den Text habe ich mit dem Handy getippt, ich muss mir mal dringend wieder ein Computer besorgen….
Ich wünsch dir ein schönes Jahr 2023, bis denne!
Christoph
Moin Christoph,
da fehlt nur noch die eine Antwort auf die Frage, die durchaus erhellen wird / würde, warum Du Dir diese Baustelle ins Herz geholt hast? Für mich einzige Erklärung … ein Preis, bei dem man sich hat entscheiden MÜSSEN… Magst Du das beantworten? Es würde die Geschichte abrunden.
Anbei Fotos eines Bügels für die PACIFIC LIGHT in Edelstahl, den Du recht einfach selbst erstellen kannst.
Allerbest
Peter
Ach so, ja klar: Das Boot gehörte einem Ehepaar aus Kiel, beide Mitte 40. Der Ehemann ist 2018 plötzlich verstorben. Über deinen Blog kannte die Witwe wohl meine Geschichte ein wenig. Eines Tages sah ich auf eBay Kleinanzeigen die Anzeige ‚Bianca 27‘,damals für 6000€ zu verkaufen. Ich schrieb ihr, dass es ein schönes Boot sei und ich ihr Glück beim Verkauf wünsche. Ich suchte zu dem Zeitpunkt nach Booten in der Größe, tatsächlich hatte ich mich schon mit dem Gedanken befasst, ein Bianca irgendwann vielleicht zu kaufen.
Da das Boot sehr runter war und sie meinen Namen erkannte, gab sie mir da Boot für 1000€, weil sie wusste dass ich Bootsbauer bin und noch wichtiger, dass ich damit eine große Reise unternehmen würde. Der verstorbene Mann hatte davon immer geträumt. So kam ich zu dem Boot. Das ist jetzt drei Jahre her. Bisher war ich kein einziges mal mit dem Boot segeln gewesen.
Christoph
Christoph hat im Jahre 2016 nach dem Abitur eine Hurley 18 bei EBAY für ein Taschengeld erworben, weitere € 30,00 für eine angebliche Windpilot Anlage ausgegeben, die allerdings keine gewesen ist, und hat sodann eine bemerkenswerte Reise angetreten – Hamburg – Gomera – Mindelo – Martinique – Horta – Hamburg, die ihn verändert hat. Über diese Reise hat er gemeinsam mit Anna Haubrich, die ihn über einige Monate begleitet hat, ein Buch geschrieben Per Anhalter über den Atlantik Christoph hat danach eine Lehre zum Bootsbauer absolviert, mit der er nahezu zeitgleich mit der Fertigstellung seiner Bianca nun fertig geworden ist. Die Abreise im Sommer 2023 erscheint hier als der logische Weg für diesen jungen Mann.
02.01.2023
Peter Foerthmann