EIN JAHR SPÄTER – BRIEF AN PETER
Moin Peter,
lange ist es her. Genauer: Verdammt lange ist es her. Seit über einem Jahr herrscht in Bezug auf die SHALOM, Anna und meiner Wenigkeit Funkstille und ich finde, dass damit mal wieder Schluss sein kann. Ich weiß zwar nicht, ob überhaupt jemand diesen Bericht noch lesen will und wird, da ich heute nicht mehr auf dem Meer, sondern hauptsächlich an Land, tief verkrochen in warmen Räumen zu finden bin. Gut nur, dass ich auf Publikum keinen großen Wert lege und daher einfach nur aus Spaß in die Tasten haue:
Es ist der 01. April 2018, als ich die Silhouetten meiner SHALOM schon vom weiten erkenne. Ein halbes Jahr hatte ich sie alleine gelassen, gut bewacht von den beiden Hafenmeistern in Den Helder, Niederlande. Ich freue mich riesig bei dem Anblick, weiß ich doch, dass ich mein Boot nun wieder in den Heimathafen führen werde. Denn meine eineinhalb lange Segelreise in die Karibik und zurück endete ja nicht am Startpunkt in Finkenwerder, sondern in dem Königlichem Marineyachthafen Den Helder. Ich hatte einfach keine Lust mehr Ende Oktober auf der Nordsee unterwegs zu sein, zumal SHALOM undicht war wie ein Sieb. Der Hafenmeister bot mir an, dass Boot doch einfach hier liegen zu lassen, er verstünde meine Situation und wolle gewiss nicht an mein Geld. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Die Mutter hätte in zwei Tagen Geburtstag, meine Freundin wartete auf mich und es juckte mich auch in den Fingern alle meine Freunde und Bekannten alsbald wieder sehen zu können.
Aber genug der Ausführungen. Kurzum: Alles lief wie am Schnürchen. Unter Vollzeug lies ich die SHALOM nach Cuxhaven laufen, mit einem kurzen Zwischenstopp auf Helgoland. Völlig leise glitt SHALOM durch die Hafeneinfahrt am Rüschpark, Finkenwerder. Keine anderen Boote waren auszumachen, geschweige denn irgendeine Person an Land. Klar, Anfang April und dann auch noch früh am Morgen, da bleibt ein jeder gerne daheim im Bett. Nur ich war auf den Beinen und zwar putzmunter, hatte ich meine Reise doch erst jetzt wirkloich beendet. Nun wo SHALOM wieder in Hamburg war fiel mir ein Stein vom Herzen.
„Habe ich es doch tatsächlich geschafft. Nun bist du wieder zu Hause“, dachte ich zufrieden und machte mir eine Dose Bier auf. Danach wurde alles aufgeklart und abgeriggt, ein Krantermin wurde vereinbart und nur zwei Wochen später stand das Boot hoch und trocken an Land.
Als ich auf die SHALOM blickte, welche nun keinen Tropfen Wasser mehr unter den Kiel hatte, kam mir meine gesamte Reise wie ein weit entfernter Traum vor, an welchen man sich nur noch schemenhaft erinnern konnte und nicht begreifen mag und kann, dass man das alles wirklich erlebt haben soll. Tausende Meilen hatte ich mit diesem Boot geloggt und nun befindet sich nur noch trockener Kies unter dem Kiel.
Ich brauchte lange um zu realisieren, dass sich mein Alltag nicht mehr um Wetter, Wind und Sonne dreht, sondern viel eher um Arbeit, Lohn und Unterkunft an Land.
Die ersten Monate nach meiner Ankunft ( in Den Helder, nicht in Finkenwerder) arbeite ich bei Obi in Buchholz i.d.N. Im Zuschnitt. Ich sägte OSB-, Siebdruck-, HDF- und Sperrholzplatten. Klebte neue Furnierstreifen auf Spanplatten und träumte dabei vom Meer, weißen Segeln und von dem unglaublichen Gefühl von Freiheit, welches einen durchfährt, wenn man mit seinem eigenen Segelboot auf hoher See ist. Ein unendlicher Raum, welchen man sich in einem Baumarkt, eingeengt zwischen Regalen, Paletten und Menschen nur noch sehr schwer vorstellen kann.
Meine größte Motivation, gerade in den ersten Monaten nach der Ankunft war und ist bis heute Anna.
Unsere intensive Zeit an Bord ist leider einer Wochenendbeziehung gewichen. Seit Oktober diesen Jahres ist sie eingeschriebene Psychologie Studentin in Koblenz, während ich seit dem August meine Sporen auf der Heuer Werft in Finkenwerder verdiene, einen Katzensprung von meiner SHALOM entfernt. Der gute Harry aus Horta war mir in vielerlei Hinsicht ein Vorbild und vielleicht auch ein Spiegel in die Zukunft. Als reisender Bootsbauer stelle ich es mir zumindest deutlich einfacher vor, unterwegs Geld zu verdienen und sich vielleicht sogar an irgendeinem ruhigen Flecken Erde eine neue Existenz aufbauen zu können. An der Stelle: Danke Harry für die Motivation:)
Eine große Beschäftigung für Anna und mich war indes ein neues Kapitel in unserer Geschichte, genauer gleich ein ganzes Buch. Der Verlag Delius Klasing war an unserer Geschichte interessiert und so entstand die Idee für ein eigenes Buch über unsere Reise. Ein größeres Projekt, als Anna und ich es uns vorstellen konnten. Vor allem hatte ich mir vieles anders vorgestellt. In vielerlei Hinsicht war ich mit den Vorstellungen des Verlages nicht zufrieden und es wurde des öfteren ein Tauziehen um jedes Wort. Dennoch: Auch dieses Projekt ist nun abgeschlossen und im Januar soll die erste Auflage rausgehen. Auch sollen wir die Werbetrommel auf der Messe in Düsseldorf rühren.
Anna und ich freuen uns darauf, jedoch eher auf das Hotelzimmer, welches wir von dem Verlag bezahlt bekommen.
Ansonsten gibt es auf der Schnelle nicht mehr viel zu berichten. Ich habe beschlossen die SHALOM wieder herzurichten und sie quasi als mein Gesellenstück zu behandeln. Alles was ich auf der Werft lerne kann ich schon jetzt perfekt an der Alten anwenden, da quasi alles neu gemacht werden muss. Ein Komplettrefit, gewissermaßen. Lohnt sich das? Finanziell auf keinen Fall. Es erfreut mich jedoch zu sehen, wie ich sie Stück für Stück wieder aufbauen kann und mir dabei vorstelle, welche Abenteuer sie dann frisch überholt noch erleben wird. Ob mit mir, oder mit einem ganz neuen Skipper weiß ich noch nicht, da Anna und ich uns eigentlich vergrößern wollen und das in den nächsten Jahren auch in Angriff nehmen werden.
Als abschließendes Fazit lässt sich also sagen: Anna geht es gut, mir geht es gut und auch SHALOM geht es von Tag zu Tag besser. Und ich freue mich, mal wieder einen Artikel für den Windpilot Blog schreiben zu können, ganz egal ob er gelesen, oder gar veröffentlicht wird:)
In dieser Hinsicht wünsche ich jedem Segler da draußen fair winds und viel Glück und schöne Momente im kommendem Jahr!
Es grüßt,
der Christoph