Die neue Befahrensverordnung (NordSBefV) für das Wattenmeer sorgt vielerorts für Unmut bei den Betroffenen. Was ist verboten, was erlaubt?
„Das Watt ist nicht mehr barrierefrei!“ So lautet die Headline einer Stellungnahme der Interessensvereinigung der Wattfahrer, Soltwaters e.V. Seit etwa 10 Jahren hat sich der Verein stark in der Ausarbeitung und bei der Mitwirkung der neuen Befahrensverordnung engagiert. Damals wurden erster Ideen des Gesetzgebers und der Nationalparkverwaltungen öffentlich.
Die Befahrensregeln waren bisher einfach gehalten und für Bootfahrer im Wattenmeer einfach zu merken, es galt die sogenannte 3-Stunden-Regel. Bis drei Stunden vor und bis drei Stunden nach Hochwasser durfte die Wattzone 1 mit Sportbooten nicht befahren werden.
Soltwaters betont ausdrücklich, dass sich die Bootfahrer an diese Regeln in der Vergangenheit nach eigener Wahrnehmung gehalten haben und das Gebiet umweltbewusst bereisen. Außerdem werden immer wieder Müllsammelaktionen durchgeführt – ein Beleg dafür, dass die Segler in diesen Gebieten sich auch für den Umweltschutz aktiv engagieren. Warum also die neue Regelung, die die Sportschifffahrt im deutschen Wattenmeer deutlich einschränkt?
Neue ausgewiesene Schutzgebiete eingeführt
Wurde bis vor kurzem noch in Vogel-, Robben-, und Pflanzenschutzgebiete (Seegrasflächen) unterschieden, sammeln sich diese nun unter der Bezeichnung „Besondere Schutzgebiete“, die von der Befahrensverordnung besonders betroffen sind. Die vorherigen Schutzzonen sind um eine erhebliche Fläche vergrößert worden.
Trockenfallen und Ankern ist nun nur an in einigen wenigen ausgewiesenen Stellen erlaubt und nicht mehr wie bislang auch entlang der Fahrwasser. Etwa zwei Drittel des trockenfallenden Wattenmeeres in Schleswig-Holstein darf zwar noch befahren werden, Trockenfallen und Ankern ist nun jedoch nur noch an in einigen wenigen ausgewiesenen Stellen erlaubt und nicht mehr wie bislang auch entlang der Fahrwasser.
Nicht nur Soltwaters, sondern auch viele Segelvereine und Wassersportler der Region sehen diese Regel vor allem für die Sicherheit der Sportschifffahrt in kritischen Situationen als bedenklich an.
Ausnahmen im Seenotfall
Angesichts des §8 Abs. 6 der Befahrensverordnung ist es im Seenotfall jedoch erlaubt, zur Vermeidung der Gefahr für Leib und Leben oder zum Ausweichen eines herannahenden Gewitters mit Starkwindgefahr die Schutzgebiete zu befahren und sich dort auch aufzuhalten:
(1) Die Verbote nach § 6 Absatz 3 Satz 1 gelten nicht für das Befahren
1. zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, wenn dies zu deren Erfüllung erforderlich ist,
2. zur Überwachung und Reparatur von Rohrleitungen und Kabeln nach rechtzeitiger Anmeldung bei der örtlich zuständigen Strom- und Schifffahrtspolizeibehörde,
3. zu Seenot-Rettungseinsätzen,
4. zu Forschungszwecken staatlicher Forschungseinrichtungen des Bundes, der Länder oder eines Mitgliedstaates der Europäischen Union,
5. mit Wasserfahrzeugen bei der rechtmäßigen Ausübung der gewerbsmäßigen Fischerei sowie
6. bei Seenot oder zur Vermeidung sonstiger Gefahren für Leib und Leben.
– Auszug aus der neuen NordSBevF, www.gesetze-im-internet.de
Eingeführt wurden auch Schutzgebietsrouten, früher als sogenannte „Traditionsrouten“ benannt, in denen das Befahren eines besonderen Schutzgebietes auch außerhalb der Fahrwasser ermöglicht wird, unter anderem die „Blaue Balje“ östlich von Wangerooge.
Leuchtturm Wattenmeer Westerhever, Foto: Pixabay
Schwierige Umsetzung für betroffene Sportbootfahrer
Für die Segler und Sportbootfahrer bedeutet die Regelung in diesem Jahr sehr viel manuelle Kartenarbeit, um zu wissen, welche Gebiete überhaupt betroffen sind und wo was erlaubt ist. Der Anhang der neuen Befahrensverordnung, in dem die Gebiete ausgewiesen sind, beinhaltet 277 Seiten, die überwiegend aus tabellarisch gelisteten Koordinaten bestehen.
In der Praxis dürfte es für viele Skipper eine Mammutaufgabe sein, diese Koordinaten einzeln auf die Seekarten zu übertragen. Die Verordnung trat nach der Veröffentlichung der amtlichen Seekarten für das Jahr 2023 in Kraft, so dass die Kartenanbieter die Schutzgebiete erst in dem Jahrgang 2024 werden berücksichtigen können. Die in dem PDF beinhalteten Kartenausschnitte sind für eine genaue Navigation ungeeignet.
„Dieses Verbot kommt komplett überraschend und ohne jegliche sachliche und fachliche Begründung“. (DSV-Vizepräsident Andreas Löwe)
Hauptkritikpunkte der Vereine und Verbände
Dass eine neue Befahrensverordnung beschlossen wird, ist allen Beteiligten bereits seit vielen Jahren klar. Bislang wurde das Befahren der Wattzone durch das Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) von 1995 geregelt. In der Zwischenzeit haben sich um dieses Gesetz jedoch viele Voraussetzungen geändert, wie die gesetzlichen Anforderungen an Nationalparks sowie die Naturschutzregeln im Geltungsgebiet der EU.
Bereits 2015 wurde auf Initiative von Soltwaters eine „Arbeitsgruppe Befahren“ gegründet, um aktiv an der neuen Verordnung mitzugestalten und Einwände von Sportbootfahrern in der Region darzulegen. 2021 wurde ein Referentenentwurf veröffentlicht, um die Formulierung von Einwänden und Stellungnahmen zu ermöglichen. Offenbar wurden die Kritikpunkte und Gegenvorschläge in der finalen Fassung der Befahrensverordnung laut Soltwaters zu wenig berücksichtigt, was wohl die hauptsächliche Kritik an der Neuregelung ausmacht.
Robben im Wattenmeer . Foto: pixabay
Teils wird auch bereits davon gesprochen, den Klageweg zu suchen. Auch der Deutsche Segler-Verband (DSV) prüft derzeit die Möglichkeiten einer Klage und stimmt sich mit den Landessegler-Verbänden dazu ab. Der DSV protestiert vor allem gegen das generelle Wingsurf-Verbot und kritisiert auch seinerseits, dass die Einwände kaum bzw. unzureichend berücksichtigt wurde. Die 17-seitige Stellungnahme vom 03.09.2021 des DSV zum Referentenentwurf ist im Internet öffentlich einsehbar.
Außerdem fühlen sich die Wassersportler offenbar benachteiligt und ungerecht behandelt, weil die Berufsschifffahrt von der Befahrensverordnung kaum betroffen ist, obwohl der Umwelt- und Naturschutz nicht zwischen Sportboot und Offshore-Versorger unterscheidet. Soltwaters schreibt dazu in der Stellungnahme:
Unsere Belange im Punkt Sicherheit werden wir weiterhin im Blick haben und hierauf auch hinweisen, denn Schnellfähren, Offshore-Versorger und Horizontalbohrungen im Wattenmeer unterliegen zurzeit keinen großen rechtlichen Beschränkungen, sorgen aber auch für eine verminderte Sicherheit der Wassersportler und haben u. U. negative Auswirkungen für die Natur. (Soltwaters e.V.)