Die aktuellen Ereignisse in Griechenland lassen viele Segler in Sorge zurück. Wie geht es weiter? Ist mein Boot noch sicher im Hafen? Kann ich noch sorglos in Griechenland chartern? Was bedeuten die Beschränkungen im Zahlungsverkehr im Alltag? Fragen wie diese und die Presseberichterstattung über Engpässe und den unmittelbar bevorstehenden Austritt aus dem Euro – den GREXIT – legen den Schluss nahe, dass Griechenland am Abgrund steht. Überrascht von den Ergebnissen des Referendums am Sonntag ist Thomas Käsbohrer zurückgekehrt zu seinem Schiff LEVJE im Hafen von Agios Nikolaos auf Kreta, um von hier in seinem Blog MARE PIÙ zu berichten, was die Menschen in Griechenland heute bewegt, wie es ihnen in dieser Krise tatsächlich ergeht und was das alles für den Segler bedeuten mag, der sein Boot in einer griechischen Marina liegen hat.
Wie geht es meinem Boot in Griechenland? © millemari. UG
Das Referendum in Griechenland vom Wochenende, es hat unmittelbaren Einfluss auf das Leben der Menschen. Auf ihr Selbstverständnis, was Griechenland ist und wo es stehen soll in einem europäischen Zusammenhang. Eigentlich ging es um viel mehr und doch zugleich um nichts: Das viel mehr, um das es ging, ist: Wollen 10 Millionen Griechen weiter einen sehr schmerzhaften Weg innerhalb einer wirtschaftlichen Gemeinschaft gehen, mit all den Verpflichtungen und, ja: „Verbindlichkeiten“, die zum Leben in einer Gemeinschaft gehören? Und das Nichts? Es ist die Frage „Wollen 10 Millionen Griechen stattdessen lieber einen ebenso schmerzhaften, aber etwas eigenständigeren Weg gehen?“ Die Antworten auf diese Fragen fallen so ganz anders und vielschichtiger aus, als man sie aus den Medien hierzulande kennt. Das Land, das so viele fast schon abgeschrieben haben – es hat viele Facetten. Ebenso viele, so möchte man meinen, wie Inseln in der Ägäis.
Auf den ersten Blick ist für den Griechenlandreisenden alles wie immer. Anders als erwartet ist die Maschine von München nach Heraklion fast ausgebucht. Im Flugzeug Lachen und Ausgelassenheit. Für die Menschen im Flieger: endlich Ferien. Auf Kreta bietet sich folgendes Bild. Boote, die im Hafen dümpeln, Menschen, die ihren Kaffee in der Sonne genießen, das Warenangebot in Supermärkten und bei Händlern in gewohnter Fülle. Alles also nur Sensationsjournalismus westeuropäischer Medien? Mitnichten. Die Antwort dürfte ein klares „Jein“ sein. Noch ist aber kein Grund zur Stornierung des Griechenland-Törns in Sicht.
Man muss schon etwas genauer hinsehen und vor allem genauer hinhören, um die Auswirkungen der aktuellen Krise auf den Inseln zu erahnen. Und so sieht der aufmerksame Beobachter neben dem aufgrund seiner stabilen Umsätze zufriedenen Autovermieter in Heraklion und der aufrechten Garderobenfrau, die sogar das kleine Trinkgeld nicht annehmen darf, das man ihr anbietet, auch nachdenklich stimmende Bilder von leeren Restaurants. Wer mit den Menschen spricht, erfährt, welche konkreten Auswirkungen es auf das Alltagsleben hat, wenn der Bankautomat zwar 60 Euro täglich ausspuckt, aber viele Griechen gar keine Karte haben, um einen dieser Bankautomaten zu benutzen. Sie sind in Wahrheit oft auf eine kleine wöchentliche Abhebung angewiesen, die die Banken erlauben.
Auf den ersten Blick ist für den Griechenlandreisenden alles wie immer. © millemari. UG
Und was bedeutet die Situation für den Segler auf eigenem Kiel oder an Bord einer Charteryacht? Man hört von Seglern, dass auf Bargeldzahlungen bis zu 10 Prozent Rabatt gegeben werden, während Taxifahrer eine Zahlung mit Kreditkarte ablehnen. Doch während neue Charterbuchungen einerseits drastisch zurückgehen, bietet der Hafen in Agios Nikolaos Urlaubsromantik und wie eh und je flanierende Sommerfrischler. Fern scheinen die Geschichten, die man in den Nachrichten hört von einem Staat im Zusammenbruch, der weder die eigenen Landsleute bezahlen noch die zahlreichen Flüchtlinge versorgen kann, die täglich an die Küsten der Inseln gelangen. Noch ferner die Sorge, das Boot könnte im Hafen nicht mehr sicher sein, da es im Zuge einer bevorstehenden Staatspleite exorbitant besteuert oder schlimmer gar beschlagnahmt werden könnte.
Also gilt es, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen. Thomas Käsbohrer und MARE PIÙ gehen nachsehen. Wer sich als Segler und Liebhaber von Land und Leuten informieren möchte, dem sei der tägliche Klick auf www.marepiu.blogspot.de empfohlen. Denn die Geschichten von MARE PIÙ sind am Menschen ausgerichtet. Wenn ihr „Capitano“ LEVJE im Hafen zurück lässt, um mit Menschen zu sprechen, die üblicherweise in den Medien keine Stimme erhalten – Marinabetreiber, Fischer, Restaurantbesitzer oder kleine Geschäftsleute – entsteht ein komplexeres Bild eines Landes, das trotz seines spontanen Neins zu weiteren Sparmaßnahmen unbedingt an Europa festhalten möchte. Aus aktuellem Anlass berichtet MARE PIÙ täglich über die Ereignisse in Griechenland, die Auswirkungen auf die Menschen auf den Inseln und was dies alles für Segler bedeutet.
„Eigentlich leben wir seit fünf Jahren mit dem Gefühl, dass der Bankrott unserer Banken und unseres Staates jederzeit möglich ist“, sagt denn auch der Betreiber einer Marina auf Kreta und berichtet im selben Atemzug von erfreulich guten Buchungen fürs Winterhalbjahr. Die Realität, so scheint es, ist komplexer, als es manche Tageszeitung wahrhaben will.
Der Blog Mare Più. www.marepiu.blogspot.de
Eine Website über das Leben am Meer. Mit Geschichten vom und über das Meer. Und über die Menschen, die dort leben.
Thomas Käsbohrer: Nach 21 Jahren als Geschäftsführer eines Verlages hat Thomas Käsbohrer seine Route geändert und ist mit seinem kleinen Boot unterwegs durchs Mittelmeer. Der Blog MARE PIÙ folgt locker der Route, die Thomas Käsbohrer und sein Schiff LEVJE, eine Dehler 31, durch das Mittelmeer zurücklegen.
Das Buch: „Einmal München – Antalya, bitte.“ ist erschienen im Verlag millemari. – 1000 Meere. www.millemari.de