Segelt, Jungs!
Klar zur Weltumsegelung © Segeljungs
Klar zur Weltumsegelung © Segeljungs
Mi.,29.Jan.20, Pazifik, Tag 2068, 19.796 sm von HH
Die gute Laune haelt sich in Grenzen auf Atanga. Ich muss an Herbert Groenemeyer denken: „Gesichter seh’n verbittert aus, kein Lachen, kein aehnlicher Laut … Zuege verhaermt, ungesund!“ Nun, ganz so schlimm ist es nicht, aber der erste Tag ist (wie immer) schwierig. Wir schweigen viel vor uns hin, jeder kocht sein eigenes Sueppchen. Achim droehnt im Cockpit rum und ich spiele sinnlose Kartenspiele auf dem iPad. Wir haben beide keinen Bock, zu gar nichts. Ich verzichte auf meinen Fruehstueckstee, weil es mir zu anstrengend erscheint, die Teetasse waagerecht zu halten. Ganz zu schweigen von der uebermenschlichen Leistung, den Teebeutel ueber Bord zu werfen. Immer diese ersten zwei nervigen Tage.
Wenn ich koennte, wuerde ich lieber 60 Tage am Stueck segeln, um zehn Mal die ‚ersten beiden Tage‘ zu vermeiden. Und wenn ich so nachdenke, dass uns bestimmt noch 25.000 Meilen bis ’nach Hause‘ trennen – im Idealfall also noch 250 Tage auf See (das ist ja fast ein ganzes Jahr – wer denkt denn ueber so was nach?). Somit also ungefaehr noch 45 Mal die ‚ersten beiden Tage‘. Igitt!
Dabei sind die Bedingungen gar nicht schlecht: drei bis vier Windstaerken, kaum Welle, manchmal ein Squall ohne viel Wind und Regen. Das Bett liegt fast waagerecht, aber wir koennen beide nicht schlafen. Lecker vorgekocht habe ich auch – es gibt eigentlich keinen Grund fuer schlechte Laune. Was ist denn los dieses Mal? Bei schlechteren Bedingungen, war schon mal mehr Spass mit dabei. Wir warten auf Morgen.
Tagesmeilen: 99 – das ist gut fuer den schwachen Wind. Davon 80 Meilen Richtung Ost gut gemacht. Das ist sogar sehr, sehr gut. Schliesslich ist dies unsere schwierigste Achse.
===news=======news======news===
Kakerlaken frei seit acht Tagen!
===news=======news======news===
Geplantes Dach für Dock 10 bei Nacht © Werner Sobek / Lürssen
OB ADHS MEDIKAMENTE DAMALS GEHOLFEN HÄTTEN?
Sie wären bei meiner Abrakadabra Mutter – die liebevolle Umschreibung für eine homöopathisch überaus begabte Dame – niemals über die Schwelle gekommen. Sie hat statt dessen ihren hibbeligen Tausendsassa in Eigenregie selbst gebändigt, wofür sie zumindest 4 Hände hätte brauchen können. Hatte sie aber nicht! Der Knabe hat sich im Laufe der Jahrzehnte dann mühsam selbst gebändigt. Gerade habe ich die Geschichte von Morphy Blitz – vor 5 Jahren aufgeschrieben – wieder gefunden … tief versteckt zwischen 2500 Blogs … verschaffe ich ihr ein wenig Tageslicht.
1st Mate © Kerstin Zillmer
EPILOG – SCHLINGERKURS ZUR NEUEN YACHT
Es hat sich ausgeschlingert, der Kurs ist einer geraden Linie gewichen, mit der Ruth und Thomas samt ihrer vierbeinigen Alarmanlage auf solidem Kiel knallrot in Friesland und der Nordsee als Mordsee die Schweizer Flagge zeigen. Ein Schiff wie eine schweizer Burg, das ruhig seine Bahnen zieht, auch wenn gerade ein Tief durchzieht.
Ich gestehe, ich habe gesündigt, ich habe einem gestandenen Schweizer Mann den Kopf verdreht, habe ihn sediert, eine wenig die Codes dechiffriert und hernach seine Synapsen manipuliert, habe darüber ganz unverhofft einen Menschenfreund entdeckt, den ich manchmal als alter Ego empfinde, der in vielem ähnlich tickt … nur eben schweizerisch … was ich als Kompliment verstanden wissen möchte.
Nach 2 Jahren mit dem „neuen“ Schiff, hat Thomas den folgenden Epilog verfaßt, Wert, eine schöne Geschichte abzurunden, die daraus geworden ist.
Lieber Peter, nun haben wir das vorstehend beschriebene Schiff bereit 2 Jahre lang in Besitz. Und erste Erfahrungen gewonnen. Einige Törns im holländischen Wattenmeer hinter uns. Was uns besonders überzeugt, ist das Verhalten bei starken Wellen. Kurz vor Vlieland hatten wir Wind Bf6+ sowie die auflaufende Flut gegen uns. Von Harlingen aus führt die Abkürzung zum Hafen Vlieland über eine Untiefe. Logisch, dass dort die Wellen heftig, steil und teilweise brechend waren. Aber die Noordkaper pflügte durch dieses Rodeo-Spiel mit stoischer Ruhe, wenig Kränung und ohne knacken, knirschen etc., einfach durch. Überall befinden sich Haltegriffe, genau dort, wo man(n) blind sie sucht. Dieser Langkieler liegt super auf dem Ruder, ist jederzeit unter Kontrolle zu halten. – Die heftigen Wassermassen die über das Deck schlugen spürten wir nicht und für klare Sicht nach vorne sorgten die Scheibenwischer. Ein Deckhaus ist schon einfach toll und den Kollegen zu zuschauen, wie die mit ihren modernen flachen Unterwasserschifffen durch die Wellen brettern, wie sie in ihren Anzügen, Skibrille auf der Nase, sich vor den Wassermassen jeweils wegduckten macht schon Spass, insbesondere dann wenn man im trockenen T-Shirt am Innensteuerstand zusehen kann.
Dieses Schiff zu erwerben war ein goldrichtiger Entscheid. Bis heute ist nicht kaputt gegangen, alle Geräte in Top-Zustand, selbst die Elektrik und Elektronik ist bestens im Schuss. Wir hatten vor 2 Jahren das erste Mal 6 kg Alu-Anoden auf dem Stahlrumpf aufgebracht. – Während 20 Jahren waren keine montiert! Trotzdem hatten wir nirgends Rostspuren,, weder Innen noch Aussen am Rumpf gefunden. Das war ein deutliches Zeichen, dass beim Neubau der Stahlrumpf ausserordentlich gut grundiert wurde (anschliessen die Grundierung mit Epoxy versiegelt). Insofern wären also unsere neuen Anoden gar nicht notwendig gewesen. Sie arbeiten gut, nach 2 Jahren im Süss- und Salzwasser ca. zu 40 % abgenutzt. Dieses Jahr werden die Törns in die Nordsee ausgedehnter und wir sind sicher, dass uns diese Noordkaper jederzeit sicher ans Ziel bringen wird, sofern wir das auch seemännisch sauber ermöglichen.
Peter, Dein Rat dieses Schiff zu wählen war echt wertvoll.
Thomas + Ruth
So.,26.Jan.20, Franz.Polynesien/Tuamotu/Hao, Tag 2065, 19.574 sm von HH
Ungeplant stecken wir mitten drin im Plan für 2020. Ich bekam eine Whatsapp von einer Segelfreundin: „Denkt dran, in Neuseeland muss man rechtzeitig Plätze in der Marina reservieren“. Ach herrje, das ist doch noch so lange hin … sieht unser Terminkalender doch wie folgt aus:
Februar/März: Gambier (sicherste Ecke im Süd-Osten während der Haupt-Zyklon-Zeit)
April: Über die Tuamotu zurück nach Tahiti
Mai: Ich fliege nach Deutschland (hurra, nach fast zwei Jahren), Achim bleibt in Tahiti Die Zyklon-Saison ist vorbei.
Juni: Wir können weiter nach Westen. Zuerst die Gesellschaftsinseln (hier wollen wir nicht so viel Zeit verbringen – teuer, vielfach ist ankern verboten, Aufenthalt auf wenige Tage begrenzt usw. Klangvolle Namen wie Bora Bora lassen wir also links liegen).
Juli bis November: Cook Inseln, Samoa und Tonga (je weiter man nach Westen kommt, desto schöner wird es – so heißt es)
November: Die Zyklon-Saison beginnt erneut, also 1000 Seemeilen nach Neuseeland – wohl eine der schwierigsten Passagen der gesamten Reise, wenn man sich durch Berichte arbeitet.
ab Dezember: Neuseeland
Aber zuerst müssen wir mal Hao verlassen. Das ist nicht so einfach, die Insel hält uns fest. Ob uns nicht fad ist, wurde ich gefragt. Die klare Antwort lautet: ’nein‘! Besteht unser Tag doch nur aus Highlights .
1.) Frühstück – das erste Highlight des Tages. Manchmal mit frischem Baguette, was Achim bereits morgens um fünf Uhr mit dem Fahrrad holt. Sonst mit selbst gebackenem Brot.
2.) Abwaschen, aufräumen, kleine Reparaturen erledigen (Schraube von der Brille weg, Knopf ausgerissen, Loch im Lieblings-T-Shirt, Wackelkontakt an der Stirnlampe) – das ist jetzt alles nicht ganz so highlightig, sondern normales Leben.
3.) Mittagessen – manchmal ein Highlight, manchmal gibt es nur Reste vom Vorabend.
4.) Baden im Türkis. Eindeutig Highlight. Zwar plantscht noch immer der Gedanke an die kleinen Haie mit, die manchmal durch unsere Badewanne ihre Kreise ziehen, aber da die Mütter ihre Kinder ins Wasser lassen, kann es nicht so schlimm sein.
5.) Internet! Unser soziales Highlight des Tages. Mit dem Rad fahren wir zum Rathaus, wo man ab 16:00 Uhr kostenlos surfen kann. Auf Steinbänken unterm Baum haben wir guten Empfang. Das Netzt ist ziemlich lahm, aber wir bekommen, was wir wollen. Und hier beginnt sie, unsere Planung für Neuseeland. Verschiedene Seiten runter laden, lesen kann man es zu Hause, Was wir vergessen nachzusehen, muss bis nächsten Tag 16:00 Uhr warten.
Etwas mühsam, aber wir haben schon eine Menge Infos zusammen getragen.
Wo wir hin wollen, was wir machen wollen und wie lange wir bleiben wollen. Neuseeland, unser heimliches Traumziel! Wir sind bereits auf der Südinsel im Urlaub gewesen, grade in dem Jahr als wir Atanga gekauft hatten: „Hierher mit dem eigenen Schiff, das hätte was“, haben wir in den Sonnenuntergang geseufzt.
6.) Abendessen – frische Sachen gibt es nicht mehr. Außer Zwiebeln, Knoblauch und Kartoffeln leben wir im Augenblick von Konserven. Geht auch. Ein Highlight sind neue Kreationen mit Kokosmilch. Das Zeug kann man wahrlich fast überall dazu geben. Toll!
Surfen vor dem Rathaus
auch so ein Highlight
Ausflug zum Pass
Und schon ist ein weiterer wunderschöner Tag auf Hao zu Ende (aber am Dienstag soll es nun doch weiter gehen – fünf, sechs Tage nach Gambier liegen vor uns).
===news=======news======news======news===
Kakerlaken frei seit fünf Tagen!
===news=======news======news======news===
Crew-Zuwachs Leo, unser neuer Gecko ist total zutraulich, leider ungeeignet zum Kakerlaken jagen, weil zehnmal leichter ist
ESMERALDA OK – WIE ES WIRKLICH GEWESEN IST
Greenline Neo wird demnächst eine Bavaria-Serie © Kerstin Zillmer
FORGUS 35 VON NORWAY NACH GRENADA
Hei Peter, Ich wolle einfach nur mal so ein update geben, und mich für deine Tipps bezüglich unser alten Windpilot Pacific Plus bedanken. Wir sind im Juni 2019 aus Norwegen losgesegelt und sind zur Zeit auf Grenada. Auf den langen Überfahrten haben wir die Anlage wirklich zum Schätzen gelernt, sie funktioniert – so lange man das Schiff nicht überpowert – wirklich klasse! Es macht richtig Spass, ihr bei der „Arbeit“ zuzugucken;-)
In diesem Sinne – noch einmal vielen Dank
Sonnige Grüße aus Grenada – Björn
SY Salty
MIT DER SISSI AUF DER MAXI 120 IN DIE SONNE
Hallo Herr Foerthmann,
ich schreibe Ihnen diese Mail von 14°13’N 48°49’W.
Bislang sind wir mit unserem Windpiloten prima gefahren. Dass wir unterwegs die eine oder andere Schraube verloren haben, war leider so, wir hätten sie öfter kontrollieren sollen.
credit: Jörg Jonas
Wie Sie auf dem beigefügten Bild sehen können, haben wir unter anderem die Schrauben verloren, die den Querträger 880 halten. Ich glaube, sie gehören zu Teil 871, wenn ich das in der Anleitung richtig erkenne. Die beiden Schrauben wurden zu unseren Problemkindern und letztendlich haben wir die Schraube auf der Backbordseite vor ein paar Stunden verloren. Das Gewinde innen ist durch, da hält keine Schraube mehr drin. Vielleicht kommen wir mit der verbliebenen Schraube noch nach Barbados, vielleicht müssen wir uns noch was einfallen lassen.
Falls es Ihnen möglich ist, noch am Dienstag (14.1.) per Expresslieferung ein Ersatzteil mitsamt den Halteschrauben nach Frankfurt zu schicken, wäre ich Ihnen unendlich dankbar. Er kommt uns nämlich am 17.1. besuchen, wird also vermutlich vor uns auf Barbados eintreffen. Eine Zahlung kann ich leider erst veranlassen, wenn ich auf Barbados eine Verbindung zum Internet herstellen kann. Über Iridium geht das leider nicht.
Viele Grüße
Jörg Jonas SY Sissi
Ein Zeltnagel aus Stahl.
Auf die einfachsten Dinge kommt man oft nur sehr schwer. Warum das so ist? Keine Ahnung! Ich bin kein Psychologe und habe mich mit dieser Frage auch noch nicht beschäftigt. Was mich jedoch oft beschäftigt und ihr hier ja gelegentlich mitbekommt, ist die Frage, wie man ein bestimmtes technisches Problem am besten löst!
Oft sind solche Technikfragen recht komplex und erfordern taktisches Vorgehen. Meistens setze ich mich dann an mein CAD Programm und fange an zu zeichnen. Manchmal nehme ich mir auch einfach ein Blatt Papier und kritzel darauf herum. Es wird gezeichnet, nachgedacht, gebaut, verworfen und umkonstruiert, bis man irgendwann zum gewünschten Ergebnis kommt.
Umso komplexer das Problem, umso eher komme ich dabei in einen gewissen Flow. Umso simpler das technische Problem, umso schwieriger finde ich es dagegen oftmals, dafür eine verbesserte Lösung zu finden. Bestes Beispiel: Das Rad
So einfach und genial, dass es fast unmöglich ist, etwas zu erfinden was in der Herstellung, Funktion und Haltbarkeit einfacher und besser ist als ein Rad. Wenn man dann noch bedenkt, dass Menschen erst seit ungefähr 6.000 Jahren das simple Rad verwenden, aber bereits vor mehr als 20.000 Jahren (manche Wissenschaftler reden sogar von 60.000 Jahren) den Jagdbogen erfunden haben und seit etwa 7.000 Jahren hochkomplexe Kompositbögen bauen, die in der Herstellung auch heute noch ziemlich viel Know-How und Geschick erfordern, dann verwundert es schon, dass auf so eine einfache Scheibe mit Loch in der Mitte niemand vorher gekommen ist.
Jetzt will ich mein Projekt nicht mit so etwas fundamentalem wie dem Rad vergleichen, denn ich hatte ein vergleichsweise unbedeutendes Problem mit meinen Zeltheringen, bzw. Erdnägeln.
Unmittelbar nach dem Sabrina und ich auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gepilgert sind, wollte ich unsere einfachen Zeltnägel aus Stahl gegen etwas besseres und vor allem leichteres austauschen. Denn diese Stahlnägel mit dem abgeknickten Ende sind einfach nur schrecklich. Zu schwer, zu leicht plastisch verformbar und in der verzinkten Ausführung ruck zuck rostig.
Also begann ich, den Markt zu durchforsten und mir ein Bild davon zu machen, was es so an Heringen und Erdnägeln gibt. Das Angebot dazu ist gigantisch und jeder Hersteller hat natürlich den ultimativ besten aller Heringe auf der Welt im Programm. Um es nicht zu kompliziert zu machen, wollte ich „nur“ einen Ersatz für die normalen Erdnägel, wie man sie für mittelfeste bis harte, erdige Böden braucht. Das Thema Sandheringe ist nochmal ein anderes, auf das ich vielleicht später mal zurückkommen werde.
Jedenfalls gibt es nichts was es nicht gibt. Nägel aus Aluminium, aus Edelstahl, aus Carbon, diverse in Kompositbauweise, geschmiedet, laminiert und mit allerlei hübschen Logos verziert.
Aus Titan findet man wenige, jedoch habe ich mich nach ein paar Vorversuchen mit Carbon und Edelstahl für dieses Material entschieden und einen ganzen Bund Titanstäbe mit 3mm Durchmesser gekauft. Das war vor ziemlich genau 4 Jahren!
Seitdem lagen diese Rohlinge hier in einer der Materialkisten, wurden immer mal wieder in die Hand genommen, betrachtet und …
Nix!
Keine Idee!
Ich hatte absolut keine Ahnung, wie man daraus einen perfekten, einen ultraleichten und praktischen Erdnagel machen kann. Aber genau das war das Ziel. Leichter, einfacher und haltbarer als alles was man kaufen kann, sollte mein Erdnagel sein!
Immer mal wieder habe ich diverse Versuche angestellt, aber nichts war optimal. Eine Querbohrung am Kopf? Schwächt das Material! Eine Querbohrung in einem Ende mit vergrößertem Querschnitt? Machbar, aber unnötige Gewichtserhöhung! (Gibt es zum Beispiel bereits vom Hersteller „Hilleberg“) Eine Carbonhülse? Nicht haltbar! Ein Gewinde für Austauschköpfe? Zu kompliziert und anfällig in der Praxis. Einfach abknicken? Zu schwer und nervig in der Handhabung…
So verging Jahr um Jahr und ich hatte keine zufriedenstellende Lösung. Bis vor ein paar Tagen. Da saß ich Abends in der Werkstatt, war gerade mit allen Arbeiten fertig und dachte mir: Nimm doch mal wieder die Titanstäbe in die Hand. Und zack! Da war sie, die Idee. So simpel, dass ich zunächst dachte: Das kann doch nicht die Lösung sein!?
Wenn es wirklich so simpel ist, warum ist dann noch niemand vor mir auf die Idee gekommen, einen Zeltnagel aus Titan exakt so zu bauen? Oder gibt es solche Erdnägel etwa schon und ich habe sie nur noch nicht entdeckt?
Alle Zweifel kurz beiseite geschoben, das WIG Schweißgerät aufgebaut und mit 30 Ampere und ordentlich Argon in 2 Sekunden eine Kugel aus flüssigem Titan an einem Ende des Stabs geformt.
Anschließend die andere Seite auf der Drehmaschine angespitzt und eine Schlinge aus Dyneema mittels eines Stopperstek unter die Kugel geknotet. Fertig!
Den praktischen Einsatz beim Campen gilt es noch zu bestehen, aber im Test haben sie sich bereits als äußerst wirksam gezeigt. Titan ist nicht nur deutlich leichter als Stahl, sondern auch wesentlich elastischer. Wenn also Hindernisse, wie Steine im Boden sind, dann schlängelt sich der Titanhering daran vorbei und kommt beim ziehen wieder gerade aus der Erde, während sich Stahl eher plastisch verformt und ständig gerichtet werden muss.
Die Kugel am oberen Ende verhindert wirksam ein abrutschen der Zeltleine. Mit einer einfachen, zuziehenden Schlaufe rutscht die Leine selbst dann nicht ab, wenn der Hering leicht in Zugrichtung geneigt ist.
Die Schlaufe aus Dyneema dient zum herausziehen des Erdnagels und markiert diesen als netten Nebeneffekt.
Die Kugel hat nicht nur die Aufgabe, die Zeltleine zu halten, sondern lässt sich auch prima hämmern, um durch harte Böden oder Gestein zu kommen. Das funktioniert bei vielen Erdnägeln weniger gut, weil bei manchen konstruktionsbedingt die Kraft zu stark außermittig eingeleitet wird, sollte man nicht perfekt die Mitte treffen. Noch dazu ist bei einigen Erdnägeln der Kopf nicht für solche Belastungen ausgelegt. Eine verschweißte Kugel leitet die Kraft dagegen optimal weiter und ist fast unzerstörbar.
So einfach kann es manchmal sein.
Und nun der Gewichtsvergleich mit anderen Erdnägeln.
Stahlnagel „Standard“ 180mm Länge: 18,5 Gramm
Titannagel „Hilleberg – Stinger“ 160mm Länge: 14,0 Gramm
Alunagel „Nordisk – Aluminium Nail“ 160mm Länge: 10,0 Gramm
Titannagel „Nordisk – Titan Nail“ 155mm Länge: 8,0 Gramm
„Weinmannscher Titannagel ohne lässigen Namen“ 205mm Länge: 6,52 Gramm
Ich habe nun 17 solcher Erdnägel für unsere nächste Tour angefertigt. 16 benötigen wir, einer ist als Backup dabei. Für uns bedeutet das Upgrade auf diesen Erdnagel einen Gewichtsvorteil von 203 Gramm gegenüber den 17 Erdnägeln aus Stahl. Hört sich vielleicht für manche nach wenig an, aber genau so funktioniert Gewichtsoptimierung beim Trekking oder Camping. Es gibt nicht das eine Bauteil, mit welchem man auf einen Schlag viel Gewicht sparen kann, sondern Dutzende Kleinigkeiten, die in der Summe bei einer optimierten Ausrüstung dann mehrere Kilogramm auf dem Rücken oder in den Packtaschen sparen.