Kategorie: News & Blogs

Greenpeace untersucht Westatlantik auf Mikroplastikbelastung

Neue Untersuchungen von Greenpeace: Westatlantik stark mit Mikroplastik belastet Wissenschaftler an Bord des Greenpeace-Schiffes analysieren Wasserproben.

Die Konzentration von Mikroplastik ist in der westatlantischen Sargassosee offenbar ähnlich stark wie im großen pazifischen Müllstrudel. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler an Bord des Aktionsschiffes „Esperanza“ nach ihren Untersuchungen während einer Greenpeace-Schiffsexpedition vom Nord- zum Südpol. In einer Wasserprobe fanden die Forscher 1298 Teilchen aus Mikroplastik, die Konzentration ist sogar höher als im pazifischen Müllstrudel. Die Sargassosee ist die Heimat zahlreicher bedrohter Meereslebewesen wie etwa Schildkröten oder Aale. “Das tiefblaue Wasser sieht so wunderbar sauber aus, aber unsere Proben zeigen das Gegenteil”, sagt Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. “Die Sargassosee ist ein Plastikmeer. Es gibt mehr als genug Belege, wie Plastik die Meere verseucht. Wir brauchen dringend einen stärkeren Schutz der Weltmeere.“

Die zum Teil mikroskopisch kleinen Plastikpartikel stammen beispielsweise von Einwegflaschen und Kunststoffverpackungen, das belegen Infrarot-Analysen an Bord der „Esperanza“. Die wissenschaftliche Arbeit ist Teil einer breit angelegten Untersuchung, die zusammen mit wissenschaftlichen US-Instituten, der Universität von Florida und der Regierung von Bermuda durchgeführt wird. Für die Mikroplastikuntersuchung wurde ein sogenannter Manta-Trawl eingesetzt. Diese standardisierte Untersuchungsmethode dient der Analyse von Mikroplastik in Nähe der Wasseroberfläche. Das Greenpeace Team dokumentiert die Bedeutung der Sargassosee für gefährdete Arten und zeigt, wie sich das Plastik auf den Lebensraum auswirkt. Erstmals wurde auch untersucht, ob die in der Sargassosee großflächig verteilten Algenmatten spezielle Lebensbedingungen für Baby-Meeresschildkröten bieten.

Historische Chance: Die UN verhandeln über ein globales Meeres-Schutzabkommen

Mit der Schiffsexpedition will Greenpeace zeigen, dass für die Hohe See dringend ein starkes UN-Schutzabkommen benötigt wird. Zehn Monate lang erforschen sie gemeinsam von Bord der „Esperanza“ besonders schützenswerte und bedrohte Regionen der Hohen See. Greenpeace fordert, bis spätestens zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Aktuell treffen sich die Vereinten Nationen in New York, um über eine Rechtsgrundlage zum Schutz der Hohen See zu beraten. Die dritte von vier Verhandlungsrunden der UN läuft noch bis zum 30. August in New York. Ziel ist ein globaler Vertrag zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Ozeane.

„Die Bundesregierung muss bei den UN-Verhandlungen mit dafür sorgen, enorm wichtige Meeresregionen auf der Hohen See unter Schutz zu stellen „, führt Maack weiter aus. „Die Meere befinden sich in einer nie dagewesenen Krise – Schutzgebiete sind der schnellste Weg heraus.“

Papeete Stadtausflug

Di., 20.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1906, 18.355 sm von HH

„Seelenlose Stadt“, „im Verkehr erstickender Beton-Klotz“, „keine besonderen Sehenswürdigkeiten“, die Beschreibungen Papeetes sind einseitig und eindeutig.
Zwei Drittel aller Einwohner Französisch Polynesiens leben in der Hauptstadt.
Dem Drehkreuz für die Verteilung von Mensch und Ware auf die kleinen Inseln und Inselchen. Jeder Bleistift, jedes Kilo Mehl, der gesamte Diesel und jedes Stück Käse kommt über Papeete rein.
Unser Besuch soll ein Mix aus Sightseeing und Einkaufstour werden. Aber als erstes statten wir dem Stadthafen einen Besuch ab. Wir müssen noch einen Platz finden, wo ich im nächsten Jahr Achim unterbringen kann, wenn ich nach Hause fliege. In der Marina treffen wir Inga und Norbert. Die beiden kennen wir schon ein paar Jahre aus dem Internet, getroffen haben wir uns noch nie. sy-marisol Analog sind die beiden genauso nett wie digital. Natürlich sind sie nett, denn unsere Wege werden sich wahrscheinlich nicht wieder überschneiden.

Inga und Norbert

Danach schleppt Achim mich zum Schiffsausrüster. Ein nerviger Weg durchs Industriegebiet. Papeete zeigt sich von seiner beschriebenen Seite: Autos parken die Fußwege voll, LKWs donnern an uns vorbei. Es wird gehupt und überholt. Hao mit seinen zwanzig Autos war da entspannter. Wir sind im Zweifel, ob wir Großstadt je wieder mögen können.

Aber es gibt im Stadtkern auch ein paar ruhige Ecken. Eine wohltuende Oase ist der Markt mit Obst und Gemüse für die Einheimischen und Souvenirs für die Touristen. Alles nett dekoriert mit Stoffen im typischen polynesischem Blumendruck. Man findet auf den Straßen fliegende Händlern, die an bunten Ständen Obst, Muschelketten und natürlich Perlen verkaufen. Perlen. Perlen wohin das Auge sieht. Billig aufgezogen auf Leder-Imitat-Bänder oder exklusiv in den Schaufenstern der Juweliere präsentiert. Perlen, Perlen, Perlen.

Hübsche Ecken in Papeete

Papeete Markt

Ananas-Verkauf auf der Straße

Die Krönung ist das Perlenmuseum von Robert Wan. Der König unter den Perlen-Machern unterhält einen hübsch gemachten Show-Room in dem man alles über die Austern und die Entstehung einer Perle sehen kann. Robert Wan hat als armer Einwanderer aus China sein Geld als Autoverkäufer und Gelegenheitsarbeiter verdient. Bis er 1974 einen Enkel von Kichimatsu Mikimoto kennen lernte. Mikimoto gelang es vor über 100 Jahren die Methode zu entwickeln mit der eine Perle gezüchtet werden kann. Robert Wan investierte alles in die Perlenzucht und wurde reich. Sehr reich. Er gründete das Imperium ‚Tahiti Perle‘ und ist Besitzer der größten runden Perle, die bislang gezüchtet wurde: Durchmesser 22,93 Millimeter.

Perlenvorhang – der Anteil an Ausschuss Perlen ist riesig

Natürlich kann man neben dem Museum auch Robert Wan Perlen kaufen. Hätten wir nicht gerade die Ankerkette gekauft, so wäre sicherlich für mich ein Kettchen drin gewesen. :mrgreen: So haben wir heute mindestens 90.000 USD gespart.

Größte Perle zum Kauf im Museum – nicht schön, aber teuer 125.000 EUR

Schottland (26): Unter Segeln. Von den Hebriden zur Insel Iona.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Von den Äußeren Hebriden geht es nun zurück Richtung Festland.

Am Morgen vor dem Ablegen war noch alles klar. „Wind mit 18 Knoten aus Südwest. Regen ganztags.“ Na dann los – mit halbem Wind nach Südosten Richtung schottisches Festland.

Ganz einfach hatte das geklungen. Jetzt ist alles anders. Der Wind kommt fast von vorn, aus Südsüdwest. Ich hätte es mir denken können. Er bläst stabil mit über 20 Knoten – wenn gerade keine schwarze Wolke anschleicht und  den Windsack noch weiter aufmacht. Vor dem Regenschauer fauchen dann Böen, die LEVJE auf die Seite legten. Ida, Svens Tochter, ist seit dem Ablegen schlecht, doch sie hält sich tapfer, sagt kein Wort, ist ganz auf ihre Musik oder den Horizont konzentriert, während die Wellen unter Levje hindurch rollen.

Es ist eine unwirtliche Welt, durch die wir uns an diesem Morgen bewegen. Und trotzdem ist dies alles herrlich. Die Wellen, die gischtend unter Levje durchrollen. Die Sturmvögel, die  mit lässigem Flügelschlag zehn Zentimeter vom Want entfernt mitschweben im kräftigen Wind, als wollten sie bei uns an Deck nach dem rechten schauen, um dann locker abzudrehen. Sie bewegen sich, als wären 28 Knoten Wind nur ein Hauch. Was für eine fremdartige, was für faszinierend andere Welt, durch die wir uns bewegen.

 Ich denke an Blaise Pascal. „Es ist herrlich, im Sturm unterwegs zu sein, solange man weiß, dass das Schiff ankommt“. Aber weiß man das immer? Gerade hier? Gerade jetzt? Nichts zum Festhalten. Der Gang unter Deck ist ein Abenteuer. Doch ich fühle mich sicher. Warum nur fühle ich mich hier draußen nur immer wieder so geborgen im Unwirtlichen und dort wo es doch unwirtlicher nicht sein kann?  

Die nächste Regenwolke schleicht sich an, während wir uns den Inseln Tiree und Coll nähern. Zwei langgezogene Inseln, die  vor uns xwie langgezogene Riegel den Weg versperren. Aber zwischen den Inseln gibt es eine enge Durchfahrt, doch ist sie flach und der Wind weht auflandig. Als wir näherkommen, sieht die südlich liegende Insel Tiree fast unbewohnt aus. Ein Strand mit hellem Sand, ein verlassenes Haus darauf. Glatte Felsen, Strandgras. Mehr nicht. Der Wind frischt kurz auf 30 Knoten auf, die Wellen nehmen zu. Das hatte ich mir anders vorgestellt heute Morgen, als ich den Kurs zwischen den Inseln hindurch in die Seekarte eingab. Die flache Passage liegt in der Abschattung des Windes, dachte ich, also kommen wir bei ruhiger See durch die flache Passage. Kann man natürlich vergessen – auch das hätte ich mir denken können, dass der Wind der langen Inselküste folgt und nicht dem Wetterbericht.  Zudem setzt starker Strom nach Norden und in die Einfahrt. Jetzt umkehren? Gaaaanz blöde Idee. Und nicht nur, weil das ein Umweg von mehreren Stunden um jede der 12 Seemeilen langen Inseln wäre.

Mir sinkt das Herz in die Hose. Da mag die Seekarte mich noch so sehr mit den angegeben Tiefen beruhigen, dass hier keine Gefahr besteht, aufzusetzen. Wenn der Grund auf kurze Distanz von 100 auf 10 Meter ansteigt, weiß man nie, was auflandiger Wind und Welle dort anstellen. „Ich halte ganz südlich auf das einsame Haus am Strand zu“, sage ich Sven, der vor dem Ipad mit der Seekarte sitzt und mich durch die Engstelle lotsen wird. So machen wir das immer. Einer fährt. Der andere liefert die Ansteuerungspunkte. „Halt weiter drauf zu.“, sagt Sven, „wenn die grüne Tonne in Deckpeilung mit der kleinen Insel dahinter ist, dann halte genau auf die Tonne zu und fahr über sie drüber“. Das geht natürlich nicht. Die Tonne ist eine Stahlbombe von der Größe eines Kleinwagens, die da in den Wellen fest verankert ist. „Über sie drüber“ heißt, so nah wie möglich dran vorbei. „Auf dem Kurs ist das Wasser am tiefsten“, sagt Sven noch. Dann lege ich Ruder.

Einen Moment lang fegt noch eine Böe. Dann während wir Kurs auf die Tonne halten, ist das Wasser plötzlich still. Der Wind ist weg. Das Tosen ist vorbei. Keine Wellen mehr. Levje gleitet wie auf einem Dorfteich. Ächzend fällt das Großsegel zusammen, als wäre es wahrhaft erlöst von der dauernden Anspannung. Ich starte den Motor und steuere Levje durch die Engstelle. Den Motor brauche ich nicht, um vorwärtszukommen. Das macht die Strömung, sie schiebt uns durch die Engstelle hindurch. Der Motor hilft uns nur, den Kurs zu halten. Hätten wir ihn nicht, müssten wir jetzt rudern in der fast windlosen See. Der Strom trägt uns an der Tonne vorbei, dann sind wir durch. Die See weitet sich. Frieden und glattes Wasser und langsames Gleiten für einen Moment.

Zwei Stunden später, gegen 16 Uhr. Schreiben fällt mir schwer. Die Wellen liefern ein wirres Muster ab, sie werfen Levje wie einen Tischtennisball hin- und her. Dabei hat es guten Wind hinter Tiree und Coll, wir laufen wir mit 7 Knoten Geschwindigkeit auf eigentlich angenehmsten Kurs, auf Halbwind. Aber angenehm ist hier gerade nichts. Ein Regenschauer geht nieder, während ich fotografiere, meine Kamera wird triefnass vom Regen, von der spritzenden Gischt. Ich bin zu fasziniert von all dem, was ich da sehe.

Eigentlich sollte der Regen die Wellen plattdreschen. Aber Regen ist in Schottland meist ein 10 Minuten Schauer von feiner Gischt, ein Spray, der für Luftfeuchtigkeit 95% sorgt. Und unter Deck für klamme Kleidung und Bettdecken.

Die Wogenkämme kommen aus dem Süden. Das ist wahrscheinlich das einzige, was Schottland mit Sizilien gemeinsam hat: Regen kommt von Süden. Weil das Meer nach Südwesten offen ist, rollen die Wogen von dort als brechende Berge an, die uns mit Gischt überweht, während wir uns über die Tasse mit Brühe hermachen, die Sven heldenhaft unter Deck für uns zubereitet hat. Wo er sich vor dem Herd nur eingespreizt hat, wo selbst an Deck einen geraden Schritt zu machen gerade nicht möglich ist, selbst im kurzen Cockpit nicht. Einen günstigen Moment abpassen, losrennen – und dann vor allem festhalten. Der nächste Ausheber, eine Woge aus Süden, die an Levjes Bordwand bricht, als würde sie detonieren. Ausheber nenne ich sie, denn so eine Welle könnte Dich einfach aus dem Cockpit bis zum Seezaun raushebeln. Also: Sitzenbleiben. Nicht bewegen. Und jedes dringende Bedürfnis einfach vergessen.

Auch Sven kuckt gerade nicht glücklich aus der Wäsche. Am Horizont im Norden eine Insel, die aussieht wie ein Sombrero auf dem Wasser. Eine flache Krempe, mit einer Beule für den 

Kopf in der Mitte. „Dutchmans Cap“ heißt die Insel, des Holländers Mütze, und sie ist genauso leer und unbewohnt wie die übrigen sieben Treshnish-Inseln, zu denen „Dutchmans Cap“ gehört.

17.30. An Wildheit ist der Anblick nicht zu überbieten. Im Norden ragen die Klippen der Insel Mull in die Höhe, überragt von einer grandiosen Wolkenwalze. Wasserfälle schießen von oben herunter.  Davor erkenne ich Staffa, die Insel der aufragenden Basaltkegel. Im Südwesten liegt Iona, die lange Insel. Ein felsiges Eiland mit langem Sandstrand im Nordwesten. Ein bisschen sieht Iona aus wie Robert Louis Stevensons Schatzinsel. Eine flache Insel mit einem Berg in der Mitte, der in der imaginären Schatzkarte Robert Louis Stevenson mit „Fernrohr“ eingetragen ist. Stevenson war Schotte, ganz sicher hat er Iona gekannt. Ob ihm Iona für seine Schatzinsel Vorbild war? Immer wieder verschwindet die Insel hinter den anrollenden Hügelkämmen. 

Wir versuchen im Iona Sound zwischen der Insel und Mull zu ankern. Aber bei diesem Süd, der durch den Sound pfeift, ist an Ankern nicht mal zu denken. Verwegen und müde, wie wir gerade sind, wagen wir uns in eine schmale Felsgasse hinein, an deren Ende ein anderer Segler liegt. Ein Rattenloch, eine Mausefalle als Ankerplatz. Gefangen bei Niedrigwasser zwischen den Felsen? Nein, es fühlt sich nicht gut an. Wir tasten uns durch die Felsen zurück, segeln weiter, ostwärts, finden eine geschützte Bucht nach Norden, mit glattem Wasser und unberührt bis auf ein paar im Wasser liegenden Booten. Keine Menschenseele. Nur eine Seerobbe, die kurz auftaucht. Sich schneuzt. Und gleich wieder verschwunden ist.

Es ist herrlich, im Sturm zu Segeln. Aber noch herrlicher ist es, die Wildheit eines Tages hinter sich zu haben. Den tiefen Frieden eines Hafens, einer sicheren Bucht zu spüren: Das erfüllt mich jedes Mal mehr als das draußen in den Elementen sein. 

Vielleicht kann es ja ohne Wildheit keinen Frieden geben.

Schottland (26): Unter Segeln. Von den Hebriden zur Insel Iona.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Von den Äußeren Hebriden geht es nun zurück Richtung Festland.

Am Morgen vor dem Ablegen war noch alles klar. „Wind mit 18 Knoten aus Südwest. Regen ganztags.“ Na dann los – mit halbem Wind nach Südosten Richtung schottisches Festland.

Ganz einfach hatte das geklungen. Jetzt ist alles anders. Der Wind kommt fast von vorn, aus Südsüdwest. Ich hätte es mir denken können. Er bläst stabil mit über 20 Knoten – wenn gerade keine schwarze Wolke anschleicht und  den Windsack noch weiter aufmacht. Vor dem Regenschauer fauchen dann Böen, die LEVJE auf die Seite legten. Ida, Svens Tochter, ist seit dem Ablegen schlecht, doch sie hält sich tapfer, sagt kein Wort, ist ganz auf ihre Musik oder den Horizont konzentriert, während die Wellen unter Levje hindurch rollen.

Es ist eine unwirtliche Welt, durch die wir uns an diesem Morgen bewegen. Und trotzdem ist dies alles herrlich. Die Wellen, die gischtend unter Levje durchrollen. Die Sturmvögel, die  mit lässigem Flügelschlag zehn Zentimeter vom Want entfernt mitschweben im kräftigen Wind, als wollten sie bei uns an Deck nach dem rechten schauen, um dann locker abzudrehen. Sie bewegen sich, als wären 28 Knoten Wind nur ein Hauch. Was für eine fremdartige, was für faszinierend andere Welt, durch die wir uns bewegen.

 Ich denke an Blaise Pascal. „Es ist herrlich, im Sturm unterwegs zu sein, solange man weiß, dass das Schiff ankommt“. Aber weiß man das immer? Gerade hier? Gerade jetzt? Nichts zum Festhalten. Der Gang unter Deck ist ein Abenteuer. Doch ich fühle mich sicher. Warum nur fühle ich mich hier draußen nur immer wieder so geborgen im Unwirtlichen und dort wo es doch unwirtlicher nicht sein kann?  

Die nächste Regenwolke schleicht sich an, während wir uns den Inseln Tiree und Coll nähern. Zwei langgezogene Inseln, die  vor uns xwie langgezogene Riegel den Weg versperren. Aber zwischen den Inseln gibt es eine enge Durchfahrt, doch ist sie flach und der Wind weht auflandig. Als wir näherkommen, sieht die südlich liegende Insel Tiree fast unbewohnt aus. Ein Strand mit hellem Sand, ein verlassenes Haus darauf. Glatte Felsen, Strandgras. Mehr nicht. Der Wind frischt kurz auf 30 Knoten auf, die Wellen nehmen zu. Das hatte ich mir anders vorgestellt heute Morgen, als ich den Kurs zwischen den Inseln hindurch in die Seekarte eingab. Die flache Passage liegt in der Abschattung des Windes, dachte ich, also kommen wir bei ruhiger See durch die flache Passage. Kann man natürlich vergessen – auch das hätte ich mir denken können, dass der Wind der langen Inselküste folgt und nicht dem Wetterbericht.  Zudem setzt starker Strom nach Norden und in die Einfahrt. Jetzt umkehren? Gaaaanz blöde Idee. Und nicht nur, weil das ein Umweg von mehreren Stunden um jede der 12 Seemeilen langen Inseln wäre.

Mir sinkt das Herz in die Hose. Da mag die Seekarte mich noch so sehr mit den angegeben Tiefen beruhigen, dass hier keine Gefahr besteht, aufzusetzen. Wenn der Grund auf kurze Distanz von 100 auf 10 Meter ansteigt, weiß man nie, was auflandiger Wind und Welle dort anstellen. „Ich halte ganz südlich auf das einsame Haus am Strand zu“, sage ich Sven, der vor dem Ipad mit der Seekarte sitzt und mich durch die Engstelle lotsen wird. So machen wir das immer. Einer fährt. Der andere liefert die Ansteuerungspunkte. „Halt weiter drauf zu.“, sagt Sven, „wenn die grüne Tonne in Deckpeilung mit der kleinen Insel dahinter ist, dann halte genau auf die Tonne zu und fahr über sie drüber“. Das geht natürlich nicht. Die Tonne ist eine Stahlbombe von der Größe eines Kleinwagens, die da in den Wellen fest verankert ist. „Über sie drüber“ heißt, so nah wie möglich dran vorbei. „Auf dem Kurs ist das Wasser am tiefsten“, sagt Sven noch. Dann lege ich Ruder.

Einen Moment lang fegt noch eine Böe. Dann während wir Kurs auf die Tonne halten, ist das Wasser plötzlich still. Der Wind ist weg. Das Tosen ist vorbei. Keine Wellen mehr. Levje gleitet wie auf einem Dorfteich. Ächzend fällt das Großsegel zusammen, als wäre es wahrhaft erlöst von der dauernden Anspannung. Ich starte den Motor und steuere Levje durch die Engstelle. Den Motor brauche ich nicht, um vorwärtszukommen. Das macht die Strömung, sie schiebt uns durch die Engstelle hindurch. Der Motor hilft uns nur, den Kurs zu halten. Hätten wir ihn nicht, müssten wir jetzt rudern in der fast windlosen See. Der Strom trägt uns an der Tonne vorbei, dann sind wir durch. Die See weitet sich. Frieden und glattes Wasser und langsames Gleiten für einen Moment.

Zwei Stunden später, gegen 16 Uhr. Schreiben fällt mir schwer. Die Wellen liefern ein wirres Muster ab, sie werfen Levje wie einen Tischtennisball hin- und her. Dabei hat es guten Wind hinter Tiree und Coll, wir laufen wir mit 7 Knoten Geschwindigkeit auf eigentlich angenehmsten Kurs, auf Halbwind. Aber angenehm ist hier gerade nichts. Ein Regenschauer geht nieder, während ich fotografiere, meine Kamera wird triefnass vom Regen, von der spritzenden Gischt. Ich bin zu fasziniert von all dem, was ich da sehe.

Eigentlich sollte der Regen die Wellen plattdreschen. Aber Regen ist in Schottland meist ein 10 Minuten Schauer von feiner Gischt, ein Spray, der für Luftfeuchtigkeit 95% sorgt. Und unter Deck für klamme Kleidung und Bettdecken.

Die Wogenkämme kommen aus dem Süden. Das ist wahrscheinlich das einzige, was Schottland mit Sizilien gemeinsam hat: Regen kommt von Süden. Weil das Meer nach Südwesten offen ist, rollen die Wogen von dort als brechende Berge an, die uns mit Gischt überweht, während wir uns über die Tasse mit Brühe hermachen, die Sven heldenhaft unter Deck für uns zubereitet hat. Wo er sich vor dem Herd nur eingespreizt hat, wo selbst an Deck einen geraden Schritt zu machen gerade nicht möglich ist, selbst im kurzen Cockpit nicht. Einen günstigen Moment abpassen, losrennen – und dann vor allem festhalten. Der nächste Ausheber, eine Woge aus Süden, die an Levjes Bordwand bricht, als würde sie detonieren. Ausheber nenne ich sie, denn so eine Welle könnte Dich einfach aus dem Cockpit bis zum Seezaun raushebeln. Also: Sitzenbleiben. Nicht bewegen. Und jedes dringende Bedürfnis einfach vergessen.

Auch Sven kuckt gerade nicht glücklich aus der Wäsche. Am Horizont im Norden eine Insel, die aussieht wie ein Sombrero auf dem Wasser. Eine flache Krempe, mit einer Beule für den 

Kopf in der Mitte. „Dutchmans Cap“ heißt die Insel, des Holländers Mütze, und sie ist genauso leer und unbewohnt wie die übrigen sieben Treshnish-Inseln, zu denen „Dutchmans Cap“ gehört.

17.30. An Wildheit ist der Anblick nicht zu überbieten. Im Norden ragen die Klippen der Insel Mull in die Höhe, überragt von einer grandiosen Wolkenwalze. Wasserfälle schießen von oben herunter.  Davor erkenne ich Staffa, die Insel der aufragenden Basaltkegel. Im Südwesten liegt Iona, die lange Insel. Ein felsiges Eiland mit langem Sandstrand im Nordwesten. Ein bisschen sieht Iona aus wie Robert Louis Stevensons Schatzinsel. Eine flache Insel mit einem Berg in der Mitte, der in der imaginären Schatzkarte Robert Louis Stevenson mit „Fernrohr“ eingetragen ist. Stevenson war Schotte, ganz sicher hat er Iona gekannt. Ob ihm Iona für seine Schatzinsel Vorbild war? Immer wieder verschwindet die Insel hinter den anrollenden Hügelkämmen. 

Wir versuchen im Iona Sound zwischen der Insel und Mull zu ankern. Aber bei diesem Süd, der durch den Sound pfeift, ist an Ankern nicht mal zu denken. Verwegen und müde, wie wir gerade sind, wagen wir uns in eine schmale Felsgasse hinein, an deren Ende ein anderer Segler liegt. Ein Rattenloch, eine Mausefalle als Ankerplatz. Gefangen bei Niedrigwasser zwischen den Felsen? Nein, es fühlt sich nicht gut an. Wir tasten uns durch die Felsen zurück, segeln weiter, ostwärts, finden eine geschützte Bucht nach Norden, mit glattem Wasser und unberührt bis auf ein paar im Wasser liegenden Booten. Keine Menschenseele. Nur eine Seerobbe, die kurz auftaucht. Sich schneuzt. Und gleich wieder verschwunden ist.

Es ist herrlich, im Sturm zu Segeln. Aber noch herrlicher ist es, die Wildheit eines Tages hinter sich zu haben. Den tiefen Frieden eines Hafens, einer sicheren Bucht zu spüren: Das erfüllt mich jedes Mal mehr als das draußen in den Elementen sein. 

Vielleicht kann es ja ohne Wildheit keinen Frieden geben.

Bootssport erleben im Rahmen von „Werder Maritim“

Menschen für den Bootssport zu begeistern, das ist das Ziel der bundesweiten Kampagne „Bootssport erleben“. Vom 30.8. bis 1.September 2019 gastiert die Kampagne im Rahmen von „boot & fun inwater“ in der Marina Havelauen in Werder an der Havel. Dabei sein macht gleich doppelt Spaß: die gleichzeitig stattfindende inwater boat show stellt rund 60 Boote von bis zu 18 Metern Länge aus, dazu können sich Besucher über einen Streetfood Market und Verkaufsstände freuen.

Im Rahmen der Kampagne „Bootssport erleben“ stehen Motorboot für kostenlose Testfahrten zur Verfügung, die Anmeldung erfolgt direkt vor Ort, die Testfahrten werden von erfahrenen Skippern begleitet.

Die bundesweite Kampagne für den Einstieg in den Bootssport bietet auf insgesamt fünf regionalen Veranstaltungen die Gelegenheit, das Ruder in die Hand zu nehmen und im Rahmen von kostenlosen Probefahrten die Faszination Bootssport selbst und hautnah zu erleben. Einfach einsteigen und ablegen lautet das Motto.

Der ADAC bietet gerade zum Einstieg in den Bootssport viele hilfreiche Informationen zu Themen wie

Sportbootführerschein,
Gebrauchtbootkauf,
Internationaler Bootsschein,
ADAC Wassersportversicherungen,
Tipps zum Trailern,
ADAC Yachtcharter
u.v.m.

Unsere ADAC Experten für Themen rund um den Wassersport sind zum letzten 2919er Event der Kampagne ebenfalls vor Ort und beantworten gerne alle Fragen – für Einsteiger & Fortgeschrittene.

 

Rund Tahiti

Mo., 12.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1898, 18.355 sm von HH

Bereits um 7:00 Uhr stehen wir an der Autovermietung und nehmen den reservierten Hyundai in Empfang. Ich ziehe beim ‚Streichholz ziehen‘ den Kürzeren und muss fahren. Aber das viel beschriebene Auto-Chaos um Papeete hält sich in Grenzen. Wir kommen besser durch als erwartet, schon vor 9:00 Uhr erreichen wir die ‚Taina Marina‘ (eine große Marina vor den Toren Papeetes). Dabei haben wir erst in zwei Stunden einen Termin mit Mat, der unsere Wanten fertig gestellt hat. Wir gehen Mat in der weitläufigen Marina suchen und werden fündig. Er freut sich, dass wir so früh da sind, das kommt ihm terminlich sehr entgegen. Prima, so freuen sich alle. Unsere „Pflicht“ ist erfüllt und wir haben das Auto.

Taina Marina

Die teure ‚Taina Marina‘ mit einem großen Anker- und Mooringfeld davor. Wir überlegen, ob dieser Platz für uns geeignet ist, wenn wir wieder nach Tahiti zurück kommen.

Die Bucht Matavai

 

Eine geschichtsträchtige Bucht: Die Segelprominenz des 18. Jahrhunderts hat sich in dieser Bucht die Ankerkette in die Hand gegeben. James Cook landete hier mit seiner ‚Endeavour‘ und ein paar Jahre später die ‚Bounty‘, bevor die berühmte Meuterei begann.
James Cook kam 1769 nach Tahiti, weil er als ein Teil einer internationalen Mess-Kampagne den Venus-Transit beobachten sollte. Diese Kampagne diente der Bestimmung der Entfernung Sonne-Erde und der Abstände der anderen Planeten unseres Sonnensystems. 77 Mess-Stationen weltweit lieferten 1769 verlässliche Daten die zur Abstandsberechnung heran gezogen werden konnten.
Beim Venustransit stehen Sonne, Erde und Venus in einer Linie. Wäre die Venus nicht so weit entfernt, würde diese Konstellation zu einer Sonnenfinsternis führen, so sieht man beim Transit die Venus nur als schwarzen Fleck vor der Sonne. Wer diese Phänomen beobachten möchte, muss sich allerdings noch bis 2117 gedulden. Nur viermal in 243 Jahren kommt es zum Venustransit.
Zwanzig Jahre später landeten in der Bucht die Missionare, die im Namen Gottes den christlichen Glauben verbreiteten und den Einheimischen ihre Identität nahmen. Die Kirchenmänner leisteten ganze Arbeit. Keine einhundert Jahre nach den ersten Missionaren, fanden sich Europäer, die ihr Glück in der Südsee suchten, betrogen. „Die glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien kennen vom Leben nichts anderes als seine Süße“, hoffte Gauguin 1890 in einem Brief an einen Malerkollegen, bevor ihn 1891 auf Tahiti die Realität einholte. Die viel beschriebene Leichtigkeit der einheimischen Bevölkerung war aus seiner Sicht bereits verschwunden.

Die wenigen Sträde, die es gibt, sind pechschwarz

Wir lassen Papeete links liegen, die Stadt können wir besser per Bus besuchen. Also einmal rund Tahiti bitte. Im Prinzip gibt es nur eine Straße auf Tahiti Nui – dem großen Tahiti. Einmal ringsum an der Küste entlang – 120 Kilometer. Es gibt zwei Orte, den Moloch Papeete, der den Ruf einer hässlichen Stadt genießt, und Taravo, der Ort am Ende der Bucht, wo wir vor Anker liegen. Diese Städte sind durch ein endloses Straßendorf miteinander verbunden. Haus an Haus reiht sich neben der gut ausgebauten Straße aneinander. Gleich hinter den Häusern wachsen die Berge steil in die Luft. Die wahre Schönheit Tahitis liegt im unbewohnten Inselinneren. Das ist nur über geführte Wanderungen von mehreren Tagen zu erreichen.

Stichstraßen, die ins Inselinnere führen, gibt es so gut wie keine. Nur ein hübscher Wasserfall ist per Auto zu erreichen. Die Küste ist wild an der Windseite. An der steilen Lavaküste gibt es Blow-Holes, die von der Dünung pfeifend mit Wasser gefüllt werden und ihre Fontänen meterhoch in den Himmel schießen. Die Westseite ist brav und etwas langweilig. Strand gibt es nur selten, man kommt nicht ans Wasser, alles ist zu gebaut.

Blow-Holes im Norden von Tahiti

Perfekte Wasserfall-Dusche – heute ist hier Baden verboten

Von weitem geht es mit den Haaren ;-)

Noch ein technischer Nachtrag:
Der Wassermacher läuft wieder. Das Einlassventil war verklemmt. Mit ein paar Handgriffen war das Problem schnell gelöst. Den Wasserhahn hat Achim auch gefunden :lol: , die Tanks sind voll und wir wieder unabhängig. Es kann also bald weiter gehen. Noch einmal mit dem Bus nach Papeete, noch etwas einkaufen und wir sind startklar.

"Gleich gibts was auf die Ohren!" Die 26. und 27. Neuerscheinung bei millemari.

Soeben bei millemari. erschienen: 
Die Hörbücher AM BERG und STURM.
Jetzt kostenlos reinhören!

Kaum jemand segelt freiwillig raus bei Windstärke 8 oder 9 Beaufort. Hier berichten ganz normale Segler, die genau das erlebten, über ihre dramatischsten Stunden auf dem Meer. In Ostsee, Nordsee, Ijsselmeer und Mittelmeer. Über das, was sie richtig oder falsch gemacht haben. Und darüber, was in ihnen vorging, als sie unbeabsichtigt ihre Extremsituation zu meistern hatten. 
Mit diesem Hörbuch schrumpft die lange Fahrt am Morgen zum Boot beträchtlich!

Als Buch.
Als gebundene Geschenk-Ausgabe.
Als E-Book.
Jetzt neu als Audiobook.
-> Jetzt kostenlos eine Guten-Morgen-Geschichte anhören: Hier!

„Spannender als viele Romane!“. 
„Packender als so mancher Thriller“.

Die Bergretter sehen ihr Leben und das, was sie in den Bergen erleben, naturgemäß anders. „Ich hab eigentlich nichts zu erzählen“, antworten sie bescheiden, wenn man sie nach ihren Erlebnissen in den Bergen fragt. Aber schon nach wenigen Minuten ist klar, dass sie Geschichten erlebten, die das Leben dieser Männer und Frauen und der Geretteten für immer prägten. Hier kommt eine Sammlung ihrer spannendsten Geschichten – als Begleiter auf der Fahrt in die Berge. Oder als Gute-Nacht-Geschichte. Aber das müssen Sie selber rausfinden, wie gut Sie danach einschlafen. 

Als Buch.
Als gebundene Geschenk-Ausgabe.
Als E-Book.
Und jetzt neu als Audiobook.
-> Jetzt kostenlos eine Gute-Nacht-Geschichte anhören: Hier! 

PS: We care! Bergretter bezahlen ihre Ausrüstung, mit der sie auf Einsatz gehen, 
ausschließlich aus der eigenen Tasche. 
Mit dem Hörbuch unterstützen wir die Bergretter genauso wie mit dem Buch: 
Wir überweisen vom Nettoverlagserlös 25% an die Bergretter.

"Gleich gibts was auf die Ohren!" Die 26. und 27. Neuerscheinung bei millemari.

Soeben bei millemari. erschienen: 
Die Hörbücher AM BERG und STURM.
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Kaum jemand segelt freiwillig raus bei Windstärke 8 oder 9 Beaufort. Hier berichten ganz normale Segler, die genau das erlebten, über ihre dramatischsten Stunden auf dem Meer. In Ostsee, Nordsee, Ijsselmeer und Mittelmeer. Über das, was sie richtig oder falsch gemacht haben. Und darüber, was in ihnen vorging, als sie unbeabsichtigt ihre Extremsituation zu meistern hatten. 
Mit diesem Hörbuch schrumpft die lange Fahrt am Morgen zum Boot beträchtlich!

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„Spannender als viele Romane!“. 
„Packender als so mancher Thriller“.

Die Bergretter sehen ihr Leben und das, was sie in den Bergen erleben, naturgemäß anders. „Ich hab eigentlich nichts zu erzählen“, antworten sie bescheiden, wenn man sie nach ihren Erlebnissen in den Bergen fragt. Aber schon nach wenigen Minuten ist klar, dass sie Geschichten erlebten, die das Leben dieser Männer und Frauen und der Geretteten für immer prägten. Hier kommt eine Sammlung ihrer spannendsten Geschichten – als Begleiter auf der Fahrt in die Berge. Oder als Gute-Nacht-Geschichte. Aber das müssen Sie selber rausfinden, wie gut Sie danach einschlafen. 

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Mit dem Hörbuch unterstützen wir die Bergretter genauso wie mit dem Buch: 
Wir überweisen vom Nettoverlagserlös 25% an die Bergretter.

Schlimmer geht nicht

So., 11.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1897, 18.355 sm von HH

Wenn du denkst, schlimmer kann es nicht kommen, dann liegt irgendwo ein Schild ‚Coiffeur‘ herum. „Haarschnitt – Erwachsene 10 USD, Kinder 5 USD“. Das Schild gehört zu Ava, die sich auf dem kleinen maritimen Flohmarkt in der Marina etwas dazu verdienen möchte:
Sie ist jung, Amerikanerin und eigentlich ganz nett. Ich zeige auf ihr Schild und sie nickt: „Kann sofort los gehen“.
Wir leihen uns einen Stuhl, ich mache meine Haare im Waschbecken in der berühmten Männerdusche nass und wir verziehen uns in eine Ecke.
„Du kannst aber Haare schneiden ?“, vergewissere ich mich. Ich berichte ihr von meinem schlimmen Erlebnis in Mexiko und dem schiefen Pony in Kolumbien.
Sie lacht und nickt erneut und macht einen kompetenten Eindruck: „Wenn das Haar zu schwer ist, sitzt es nicht. Es muss leichter werden. Ich dünne es etwas aus.“ Für diesen Zweck hat sie sogar ein Rasiermesser dabei. Vertrauensvoll lasse ich mir einen Umhang umlegen und nehme Platz. Ohne Spiegel fehlt mir eine optische Kontrolle, aber es fühlt sich alles richtig an.
Ava fängt nach Friseur-Art das plaudern an. Wo sie herkommt und dass sie eigentlich Web-Designerin ist. „Ich bin kreativ im Netz und beim Haareschneiden“ Ich werde nicht misstrauisch, sondern unterhalte mich weiterhin nett mit ihr. Dabei höre ich das Messer kratzen und die Schere klappern. „Leicht muss es ein! Leicht!“ Das Messer kratzt, die Haare fliegen.

Der halbblinde Spiegel in der Dusche gaukelt mir ein ‚okay‘ vor. Achim sagt nichts zu meiner Frisur, sondern zuppelt nur an einzelnen Strähnen herum. An Bord werde ich dann das Ausmaß der Katastrophe gewahr. Schlimmer geht es nicht. Der Pony ist an den Seiten kürzer als in der Mitte. Stellenweise ist das Haar so ‚leicht‘, dass ganze Partien fehlen. Hinter den Ohren zum Beispiel. Und an einer Pony-Seite. Und auch vor den Ohren … Die dünnen Haare stehen wie Antennen vom Kopf ab. Nicht zu bändigen. Und ich dachte, schlimmer als in Mexiko kann es nicht werden.

Achim sagt jetzt doch etwas zu meiner Frisur als er Fotos machen soll: „Es sieht wirklich scheiße aus!“ :mrgreen: Es geht doch nichts über einen liebenden Ehemann. „Du kannst dir ja eine Pudelmütze aufsetzen“. Und viele gute Ratschläge mehr.
Ich glaube, ich gehe jetzt etwas das Meer anschreien.

große Katastrophe

Aus Datenschutz-rechtlichen-Gründen war die Redaktion gezwungen, das Gesicht unkenntlich zu machen.

Wofür ist so eine Langfahrt gut?

Fr., 09.Aug.19, Franz.Polyn./Tahiti/Phaeton, Tag 1895, 18.355 sm von HH

In erster Linie, um die eigene Frustrations-Grenze zu testen! :mrgreen:
Achim hat mir gebeichtet, dass er heute Morgen im Dinghy gesessen hat und erst mal aufs Meer hinaus schreien musste. Dass ich sowas mache … aber er … , da muss es schon knüppeldick kommen. Schuld an diesem Ausbruch ist unser Wassermacher.
Frohgelaunt sitzen wir auf dem blitzsauberen Kahn, freuen uns des Lebens und schmieden Pläne. Und der liebe Gott lacht sich schon wieder einen ins Fäustchen.

Der Wassermacher, der vor dem Landstand noch einwandfrei funktionierte, macht plötzlich keinen Liter Wasser mehr. Die Hochdruckpumpe läuft, baut aber keinen Druck mehr auf. Es ist nicht das erste Mal, dass wir mit dem Wassermacher Probleme haben. Die besagte Pumpe ist bereits schon einmal getauscht worden. Und die Vorpumpe bereits zweimal.
Kontakt zum Hersteller ist aufgenommen. Achim möchte seinen Rat, bevor er die Hochdruckpumpe auseinander nimmt. In Polynesien ohne Wassermacher zu sitzen, ist ein schlecht gewählter Ort. Wir haben noch 50 Liter Trinkwasser in Flaschen. Unsere Reserve auf See, falls mal ‚etwas sein sollte‘. Die wird schnell aufgebraucht sein. Und neues Trinkwasser steht noch im Supermarkt und der ist für kiloschwere Transporte unangenehm weit entfernt.
Brauchwasser ist nicht so das Problem; es regnet häufig genug, da können wir Wasser auffangen. Aber bei dem Lauf, den wir haben, vermuten wir, dass es nie wieder regnen wird. Da wir seit über drei Wochen nichts mehr gefangen haben, besteht unser Wasservorrat noch aus ungefähr 250 Litern. Das ist in 14 Tagen weg, wenn wir weiter so herum aasen.

Das Wasser in der Werft ist ungeeignet, zu viel Sand in der Leitung. Dann erinnern wir uns bei unserer Ankunft von einer Zapfstelle für Trinkwasser am anderen Ende der Bucht gehört zu haben. Also macht Achim sich mit Kanistern im Dinghy auf den Weg. Am nördlichen Ende wird die Bucht schlammig und flach. Viel zu flach für den Außenborder. Achim steigt aus und zieht das Dinghy hinter sich her, schwer durch den Schlick stapfend. An Land läuft er am schmutzigen Ufer entlang, sucht nach dem beschriebenen Wasserhahn.
Ein paar Häuser stehen am Ufer, ein Gartenschlauch liegt auf dem Rasen. Soll das die Zapfstelle sein? Wohl eher nicht. Zu dem Gartenschlauch gehört ein zähnefletschender Hund, der sich vor Achim aufbaut und ihm unmissverständlich zu verstehen gibt, wer der Chef im Garten ist. Achim greift eine Kokosnuss, der Köter versteht und haut ab. Hunde reagieren seit Südamerika mit eingeklemmten Schwanz darauf, wenn man sich nach einem Stein bückt. Die Tiere sind Kummer gewöhnt.
Achim stapft noch eine Weile weiter am Ufer entlang auf der Suche nach dem Wasserhahn und gibt schließlich auf. Auf dem Rückweg zum Schiff schreit er dann den unschuldigen Ozean an.

Die Wasserhahnsuche

Wie es jetzt weiter geht, wissen wir noch nicht. Wir haben ja noch andere Baustellen.
Morgen haben wir ein Auto gemietet und fahren nach Papeete. Dort haben wir neue Wanten bestellt (Da war doch was – in Gambier festgestellt – ihr erinnert euch? Das zweite gebrochene Want – in Hao entdeckt – habe ich gar nicht mehr erwähnt).

Die Bestellung der Wanten ist auch so eine Geschichte: Mat von ‚Mat Rigging Services‘ will Vorkasse! Akzeptiert aber keine Kreditkarten. Nur Überweisung oder Bargeld. Eine Überweisung auf sein Konto scheitert, weil unser Banking-Programm keine ‚Cours de Franc Pacific‘ überweisen kann. :roll:
Also cash. Aber wie kommt das Geld nach Papeete? Und das noch diese Woche, weil Mat in den Urlaun geht? Wir sind auf dem Yard noch mit dem Schiff beschäftigt und nach Papeete und zurück fahren, da ist mehr als ein halber Tag verpufft.
Wir haben Vertrauen in unseren französischen Nachbarn Gilbert, der sein Schiff an Land gerade blau spritzt und in Papeete wohnt. Wir drücken ihm 700 Dollar in die Hand mit der Bitte, diese bei Mat Rigging abzugeben. Kann man ja mal machen, man hat dem Mann ja bereits dreimal geholfen seinen Kompressor ins Auto zu heben und dreimal ein kleines Schwätzchen gehalten. Das muss reichen, um jemanden gut genug kennen zu lernen.
„Mach ich gerne für euch“, sagt Gilbert und nimmt das Geld. Am nächsten Tag kommt eine Quittung per Mail von Gilbert – mit Foto: ‚Geld erhalten‘ bestätigt Mat.

Von England nach Irland und Schottland (25): Ein Friedhof am Meer. Zwei Männer im Krieg.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Nach Islay bin ich jetzt unterwegs auf den Äußeren Hebriden, der Insel South Uist.

Wenn man auf South Uist nordwärts fährt und irgendwo von der Straße rechts abbiegt, kommt man im Nordwesten dort, wo die Wiesen voller Schafgarben enden und in den hellen Sandstrand übergehen, den Friedhof der Insel. 

Ein klein wenig ist auch dieser Inselfriedhof das Abbild der Insel und der Menschen, die darauf leben. Auf South Uist leben im Durchschnitt etwa 5,5 Bewohner auf einem Quadratkilometer – ein Kilometer für eine Familie. Vielleicht prägt so viel Abstand zu den Nachbarn ja nicht nur fürs Leben, sondern auch für das, was danach kommt. Auch ihren Verstorbenen räumen die Inselbewohner mehr Abstand zueinander ein, als auf Friedhöfen in unseren Breiten üblich ist. Großzügig verteilt über das steinummauerte Areal stehen Gruppen von Gräbern zusammen, dann wieder erheben sich in der Weite der Blumenwiese einzelne alte Grabkreuze und Grabplatten. 

Auf South Uist gilt die Korrelation, nach der sich nur ausgesprochen wenige Menschen einen Quadratkilometer und einen Friedhof teilen, auch für die weißen Strände ganz im Westen. Sven und seine Tochter Ida, die mit mir reisen, erscheinen mir unten am Strand so fern, so verloren, wie man es wohl nur an diesem Ort sein kann. Ich wandere langsam über den Friedhof, der Wind vom Meer zaust mir Haare und Regenjacke, während ich langsam hügelauf wandere, zum höchsten Punkt des Friedhofs. Hinaus aufs Meer schaue.

Und versinke in den alten Inschriften, die Geschichten erzählen. Da ist das Grab der Mary Ulph, die hier auf der Insel vor wenigen Jahren im Juli im gesegneten Alter von 101 Jahren verstarb. Ob sie allein lebte, und immer hier auf der Insel war? 

Oder das Grab des Alexander Campbell, der 24jährig verstarb, „killed in action, Europe 1940“. Als wäre dies Europa ein Ort fern wie umkämpfter Stern irgendwo in der Galaxis, von dem South Uist weit weit weg liegt.

Friedhöfe sind für die Lebenden, nicht für die Toten. Und hier auf dem Friedhof von South Uist scheinen es häufig weit entfernt lebende Angehörige, die ihren Eltern auf dem Friedhof einen Stein setzten, als hätte sie etwas bewogen, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.

In einer Ecke des Friedhofs eine Reihe vier gleiche weiße Steine. Vier Inschriften, drei namenlos, die Reste britischer Seeleute von versenkten Schiffen des II. Weltkriegs, die hier irgendwo an den Stränden angespült wurden. Doch eines der vier Gräber trägt Namen:

Angus M. MacLean, Schiffszimmermann, 
torpediert und vermisst 
auf S.S. CLAN MACFADYEN 
26. November 1942 im Alter von 33 Jahren. 
Die See ist sein Grab.

Abgesehen davon, dass ich fast auf den Tag genau nur 18 Jahre nach Angus MacLeans Ableben geboren wurde, ist die Tatsache verblüffend, dass Nachkommen noch vier Jahrzehnte später ein Geschehnis, wie es sie zehntausendfach gab, erwähnen.

Wahrscheinlich beginnt die Geschichte des Angus MacLean hier in einem Weiler auf South Uist. Ich finde zunächst keine weiteren Spuren über ihn. Doch zurück im Auto habe ich für 5 Minuten Internet. Und finde die folgende Geschichte.

Angus MacDonald MacLean ist 1909 geboren. Vermutlich ging er in irgendeine winzige Inselschule, vielleicht mit 16 zu einem Bootsbauer in Loch Boisdale in die Lehre .Oder an einem der Sandstrände, auf die die Fischer ihre Boote hinaufzogen, wenn sie vom Meer kamen. Vielleicht verschlug es ihn auch hinüber ans Festland, nach Glasgow, wo die Werften waren und wo es Arbeit gab in Hülle und Fülle. In einer Kleinstadt in der Nähe, in Irvine in der Grafschaft Ayrshire, einem kleinen Ort im Westen, war 1923, mitten in der

Wirtschaftskrise ein Dampffrachtschiff auf Kiel gelegt und gebaut worden, die CLAN MACFADYEN. 127 Meter lang war sie, eineinviertel Fußballfelder, ein stattliches Schiff, ihre stählernen Laderäume reichten achteinhalb Meter unter die Wasseroberfläche und konnten fast sieben Tonnen Ladung aufnehmen. Sie war gebaut, Frachten von Übersee nach Großbritannien zu schaffen: Tabak und Zucker und Rum und Hanf – eben alles, was die Kolonien produzierten und Großbritannien brauchte, um den Tee zu süßen oder Seile für den Schiffbau zu drehen. Wann Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN und bei Kapitän Percy Edgar Williams anheuerte, ist nicht klar, ob freiwillig als Mittzwanziger oder Anfang 30 als zwangsweise zur britischen Handelsmarine Rekrutierter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet, und vermutlich war er da schon Vater einer kleinen Tochter, die mit ihrer Mutter auf South Uist aufwuchs. Jedenfalls findet sich Angus MacDonald MacLeans Name unter der 94-köpfigen Besatzung der CLAN MACFADYEN, die bei Kriegsausbruch unter Dampf irgendwo zwischen der Insel Mauritius und dem nördlichen Brasilien unterwegs war, um Waren für die Heimat zu laden. Waren, die Großbritannien dringender benötigte denn je zuvor. Die Insel hungerte. Sie wurde belagert. Belagert von deutschen Schiffen. Von U-Booten.

Unter den Seeleuten, die den Auftrag hatten, die Insel zu belagern und Großbritannien von allem Nachschub abzuschneiden, war auch der bei Kriegsausbruch 23jährige Georg Staats aus Bremen. Er war sieben Jahre jünger als Angus MacLean. Mit 19, etwa da, als Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN anheuerte, trat er in die Kriegsmarine ein, das war 1935, weswegen er und die anderen Offiziersanwärter im Ausbildungsjahrgang 1935 nur „Crew 35“ genannt wurden. „Crew 35“ kannte sich, hielt Kontakt untereinander, als der Krieg ausbrach und Georg Staats als Wachoffizier auf ein U-Boot kam. 1941, da war Georg Staats gerade 26 Jahre alt, bekam er ein eigenes Kommando über ein noch größeres U-Boot. U-508 war mit das Modernste, was die Kriegsmarine an U-Booten aufbieten konnte. Als Kapitänleutnant erhielt Georg Staats zusammen mit seinen 56 Mann Besatzung den Auftrag, in der Karibik zu patroullieren und britische Frachter bereits dort zu versenken, wo sie sich zeigten.

Auf dieser ersten Feindfahrt, auf der der 26jährige Georg Staats sein Boot über den Atlantik nach Kuba, vor Havanna und vor Floridas Keys führte, klagte der Kommandant über den Gesundheitszustand seiner Crew in der Hitze. Über Abmagerung, über schlimme Hautausschläge. Wie fühlte sich das an, 82 Tage in einer karibisch feuchtheißen Stahlröhre mit 56 Anderen auf engstem Raum?

Der Befehlshaber der U-Boote ist nach  der Rückkehr alles andere als zufrieden. Mit nur zwei versenkten Schiffen bekommt Kapitänleutnant Staats Druck von oben. Von ganz ganz oben. Lapidar heißt es vom BdU, dem Befehlshaber der Uboote: „Die hier bewiesene Zähigkeit wird anerkannt. In der Ausnutzung der Erfolgschancen ist die Durchführung der Unternehmung jedoch nicht befriedigend.“ Im einzelnen werden dem jungen Kapitän und seiner Besatzung zu schnelles Tauchen vor dem Feind, zu große Schussdistanzen, gar „persönliche Versager“ angekreidet. Hatte der Kapitänleutnant unter den 56 Besatzungsmitgliedern einen Feind auf dem eigenen Boot, der sein Vorgehen minutiös nach oben berichtete?

Auf der nächsten Feindfahrt sollte das alles besser werden. Wiederum lief das U-Boot Mitte Oktober 1942 in den Nordatlantik und und in die Karibik aus und kreuzte vor Trinidad. Diesmal liefen die Dinge besser. In den drei Wochen, bevor er am Morgen des 26. November  die am Horizont zickzackende CLAN MACFADYEN sichtete, hatte Staats bereits drei britische Frachtschiffe versenkt. Kaum hatten sie sie entdeckt, heftete sich Georg Staats umgehend an die Fersen der Zickzack laufenden CLAN MACFADYEN.

Was Angus MacLeod, der Schiffszimmermann an diesem Tag machte, ist nicht klar. Vermutlich den üblichen Schiffsdienst. Ausbesserungsarbeiten am Schiff, irgendwas rottete und rostete immer in der Hitze. Kontrolle der Ladung, 6 Tonnen Zucker, der Rest Hanf aus Südamerika. Anschließend ging er in die Mannschaftsmesse zum Mittagessen. Vielleicht saß er dort noch, als Georg Staats um 13.08 Ortszeit drei Torpedos auf die MAC FADYEN feuern ließ. Doch von dem Unheil, das um die Mittagszeit um Haaresbreite durchs türkis leuchtende Wasser an dem 127 Meter langen Frachter vorbeiging, hat von den 94 Mann Besatzung der CLAN MACFADYEN keiner etwas bemerkt. Sie waren ahnungslos.

Georg Staats heftete sich erneut ans Kielwasser des immer noch mit Zickzackkurs laufenden Frachters. Erst spät in der Nacht stellte U-508 die CLAN MACFADYEN erneut. Um 00.08 Uhr feuerte das U-Boot erneut zwei Torpedos auf den Frachter. Sie trafen ihn mittschiffs. Was danach kam, war nur eine Sache von Minuten. Das über hundert Meter lange Schiff brach sofort auseinander und sank innerhalb von vier Minuten. Die meisten der Seeleute auf der CLAN MACFADYEN wurden vermutlich im Schlaf überrascht. Oder waren sie alle an Deck, weil sie seit Stunden wussten, dass ein deutsches U-Boot irgendwo unter ihnen lauerte? Und sie jeden Moment in der Weite des Atlantik ein Torpedo treffen konnte und sie auseinander reißen würde?

Von den 94 Mann Besatzung schafften es nur zehn Mann auf die Rettungsflöße. Ein Frachter entdeckte die drei treibenden Flöße nach drei Tagen auf und las auf, wer auf ihnen noch lebte. Vier Mann setzten sie in Port of Spain auf Trinidad noch lebend an Land. 

Angus MacLeod, der Schiffszimmermann, war nicht unter ihnen.

Georg Staats hat den sieben Jahre älteren Schiffszimmermann Angus MacLead nie kennengelernt. Er hat ihn vielleicht in jener Nacht im Inferno als einen der Schatten wahrgenommen, die ins Wasser sprangen. Der Kapitänleutnant überlebte den Schiffszimmerman von South Uist um fast ein Jahr, bis am 12. November 1943 ein amerikanischer B-24 Bomber U-508 vor der Küste Nordspaniens vor Cabo Ortegal aufspürte und seine Bomben auf das wild um sich feuernde U-Boot abwarf. U-508 ging mit allen 57 Besatzungsmitgliedern unter, während nur wenige Kilometer entfernt der Bomber ins Meer rauchend stürzte. Auch dies war nur eine Sache von Minuten. 

Als ich vor dem Grab des Angus M. MacLean stehe und die Hortensien sehe, gebe ich ihm ein Versprechen: Seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte zweier Männer im Krieg, die sich nie sahen. Und die der Krieg für einen winzigen Augenblick zusammengeführt hatte.

Hinweis.
Für die Details zu dieser Gesschichte bin ich folgenden Webseiten zu Dank verpflichtet:
uboat.net für die Crewlisten der CLAN MACFADYEN.
ubootarchiv.de für die Textpassage des BdU.

Von England nach Irland und Schottland (25): Ein Friedhof am Meer. Zwei Männer im Krieg.

Anfang Juni bin ich von der Isle of Wight aufgebrochen
und über die Scilly-Isles nach Dublin und Schottland.

Nach Islay bin ich jetzt unterwegs auf den Äußeren Hebriden, der Insel South Uist.

Wenn man auf South Uist nordwärts fährt und irgendwo von der Straße rechts abbiegt, kommt man im Nordwesten dort, wo die Wiesen voller Schafgarben enden und in den hellen Sandstrand übergehen, den Friedhof der Insel. 

Ein klein wenig ist auch dieser Inselfriedhof das Abbild der Insel und der Menschen, die darauf leben. Auf South Uist leben im Durchschnitt etwa 5,5 Bewohner auf einem Quadratkilometer – ein Kilometer für eine Familie. Vielleicht prägt so viel Abstand zu den Nachbarn ja nicht nur fürs Leben, sondern auch für das, was danach kommt. Auch ihren Verstorbenen räumen die Inselbewohner mehr Abstand zueinander ein, als auf Friedhöfen in unseren Breiten üblich ist. Großzügig verteilt über das steinummauerte Areal stehen Gruppen von Gräbern zusammen, dann wieder erheben sich in der Weite der Blumenwiese einzelne alte Grabkreuze und Grabplatten. 

Auf South Uist gilt die Korrelation, nach der sich nur ausgesprochen wenige Menschen einen Quadratkilometer und einen Friedhof teilen, auch für die weißen Strände ganz im Westen. Sven und seine Tochter Ida, die mit mir reisen, erscheinen mir unten am Strand so fern, so verloren, wie man es wohl nur an diesem Ort sein kann. Ich wandere langsam über den Friedhof, der Wind vom Meer zaust mir Haare und Regenjacke, während ich langsam hügelauf wandere, zum höchsten Punkt des Friedhofs. Hinaus aufs Meer schaue.

Und versinke in den alten Inschriften, die Geschichten erzählen. Da ist das Grab der Mary Ulph, die hier auf der Insel vor wenigen Jahren im Juli im gesegneten Alter von 101 Jahren verstarb. Ob sie allein lebte, und immer hier auf der Insel war? 

Oder das Grab des Alexander Campbell, der 24jährig verstarb, „killed in action, Europe 1940“. Als wäre dies Europa ein Ort fern wie umkämpfter Stern irgendwo in der Galaxis, von dem South Uist weit weit weg liegt.

Friedhöfe sind für die Lebenden, nicht für die Toten. Und hier auf dem Friedhof von South Uist scheinen es häufig weit entfernt lebende Angehörige, die ihren Eltern auf dem Friedhof einen Stein setzten, als hätte sie etwas bewogen, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen.

In einer Ecke des Friedhofs eine Reihe vier gleiche weiße Steine. Vier Inschriften, drei namenlos, die Reste britischer Seeleute von versenkten Schiffen des II. Weltkriegs, die hier irgendwo an den Stränden angespült wurden. Doch eines der vier Gräber trägt Namen:

Angus M. MacLean, Schiffszimmermann, 
torpediert und vermisst 
auf S.S. CLAN MACFADYEN 
26. November 1942 im Alter von 33 Jahren. 
Die See ist sein Grab.

Abgesehen davon, dass ich fast auf den Tag genau nur 18 Jahre nach Angus MacLeans Ableben geboren wurde, ist die Tatsache verblüffend, dass Nachkommen noch vier Jahrzehnte später ein Geschehnis, wie es sie zehntausendfach gab, erwähnen.

Wahrscheinlich beginnt die Geschichte des Angus MacLean hier in einem Weiler auf South Uist. Ich finde zunächst keine weiteren Spuren über ihn. Doch zurück im Auto habe ich für 5 Minuten Internet. Und finde die folgende Geschichte.

Angus MacDonald MacLean ist 1909 geboren. Vermutlich ging er in irgendeine winzige Inselschule, vielleicht mit 16 zu einem Bootsbauer in Loch Boisdale in die Lehre .Oder an einem der Sandstrände, auf die die Fischer ihre Boote hinaufzogen, wenn sie vom Meer kamen. Vielleicht verschlug es ihn auch hinüber ans Festland, nach Glasgow, wo die Werften waren und wo es Arbeit gab in Hülle und Fülle. In einer Kleinstadt in der Nähe, in Irvine in der Grafschaft Ayrshire, einem kleinen Ort im Westen, war 1923, mitten in der

Wirtschaftskrise ein Dampffrachtschiff auf Kiel gelegt und gebaut worden, die CLAN MACFADYEN. 127 Meter lang war sie, eineinviertel Fußballfelder, ein stattliches Schiff, ihre stählernen Laderäume reichten achteinhalb Meter unter die Wasseroberfläche und konnten fast sieben Tonnen Ladung aufnehmen. Sie war gebaut, Frachten von Übersee nach Großbritannien zu schaffen: Tabak und Zucker und Rum und Hanf – eben alles, was die Kolonien produzierten und Großbritannien brauchte, um den Tee zu süßen oder Seile für den Schiffbau zu drehen. Wann Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN und bei Kapitän Percy Edgar Williams anheuerte, ist nicht klar, ob freiwillig als Mittzwanziger oder Anfang 30 als zwangsweise zur britischen Handelsmarine Rekrutierter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits verheiratet, und vermutlich war er da schon Vater einer kleinen Tochter, die mit ihrer Mutter auf South Uist aufwuchs. Jedenfalls findet sich Angus MacDonald MacLeans Name unter der 94-köpfigen Besatzung der CLAN MACFADYEN, die bei Kriegsausbruch unter Dampf irgendwo zwischen der Insel Mauritius und dem nördlichen Brasilien unterwegs war, um Waren für die Heimat zu laden. Waren, die Großbritannien dringender benötigte denn je zuvor. Die Insel hungerte. Sie wurde belagert. Belagert von deutschen Schiffen. Von U-Booten.

Unter den Seeleuten, die den Auftrag hatten, die Insel zu belagern und Großbritannien von allem Nachschub abzuschneiden, war auch der bei Kriegsausbruch 23jährige Georg Staats aus Bremen. Er war sieben Jahre jünger als Angus MacLean. Mit 19, etwa da, als Angus MacLean auf der CLAN MACFADYEN anheuerte, trat er in die Kriegsmarine ein, das war 1935, weswegen er und die anderen Offiziersanwärter im Ausbildungsjahrgang 1935 nur „Crew 35“ genannt wurden. „Crew 35“ kannte sich, hielt Kontakt untereinander, als der Krieg ausbrach und Georg Staats als Wachoffizier auf ein U-Boot kam. 1941, da war Georg Staats gerade 26 Jahre alt, bekam er ein eigenes Kommando über ein noch größeres U-Boot. U-508 war mit das Modernste, was die Kriegsmarine an U-Booten aufbieten konnte. Als Kapitänleutnant erhielt Georg Staats zusammen mit seinen 56 Mann Besatzung den Auftrag, in der Karibik zu patroullieren und britische Frachter bereits dort zu versenken, wo sie sich zeigten.

Auf dieser ersten Feindfahrt, auf der der 26jährige Georg Staats sein Boot über den Atlantik nach Kuba, vor Havanna und vor Floridas Keys führte, klagte der Kommandant über den Gesundheitszustand seiner Crew in der Hitze. Über Abmagerung, über schlimme Hautausschläge. Wie fühlte sich das an, 82 Tage in einer karibisch feuchtheißen Stahlröhre mit 56 Anderen auf engstem Raum?

Der Befehlshaber der U-Boote ist nach  der Rückkehr alles andere als zufrieden. Mit nur zwei versenkten Schiffen bekommt Kapitänleutnant Staats Druck von oben. Von ganz ganz oben. Lapidar heißt es vom BdU, dem Befehlshaber der Uboote: „Die hier bewiesene Zähigkeit wird anerkannt. In der Ausnutzung der Erfolgschancen ist die Durchführung der Unternehmung jedoch nicht befriedigend.“ Im einzelnen werden dem jungen Kapitän und seiner Besatzung zu schnelles Tauchen vor dem Feind, zu große Schussdistanzen, gar „persönliche Versager“ angekreidet. Hatte der Kapitänleutnant unter den 56 Besatzungsmitgliedern einen Feind auf dem eigenen Boot, der sein Vorgehen minutiös nach oben berichtete?

Auf der nächsten Feindfahrt sollte das alles besser werden. Wiederum lief das U-Boot Mitte Oktober 1942 in den Nordatlantik und und in die Karibik aus und kreuzte vor Trinidad. Diesmal liefen die Dinge besser. In den drei Wochen, bevor er am Morgen des 26. November  die am Horizont zickzackende CLAN MACFADYEN sichtete, hatte Staats bereits drei britische Frachtschiffe versenkt. Kaum hatten sie sie entdeckt, heftete sich Georg Staats umgehend an die Fersen der Zickzack laufenden CLAN MACFADYEN.

Was Angus MacLeod, der Schiffszimmermann an diesem Tag machte, ist nicht klar. Vermutlich den üblichen Schiffsdienst. Ausbesserungsarbeiten am Schiff, irgendwas rottete und rostete immer in der Hitze. Kontrolle der Ladung, 6 Tonnen Zucker, der Rest Hanf aus Südamerika. Anschließend ging er in die Mannschaftsmesse zum Mittagessen. Vielleicht saß er dort noch, als Georg Staats um 13.08 Ortszeit drei Torpedos auf die MAC FADYEN feuern ließ. Doch von dem Unheil, das um die Mittagszeit um Haaresbreite durchs türkis leuchtende Wasser an dem 127 Meter langen Frachter vorbeiging, hat von den 94 Mann Besatzung der CLAN MACFADYEN keiner etwas bemerkt. Sie waren ahnungslos.

Georg Staats heftete sich erneut ans Kielwasser des immer noch mit Zickzackkurs laufenden Frachters. Erst spät in der Nacht stellte U-508 die CLAN MACFADYEN erneut. Um 00.08 Uhr feuerte das U-Boot erneut zwei Torpedos auf den Frachter. Sie trafen ihn mittschiffs. Was danach kam, war nur eine Sache von Minuten. Das über hundert Meter lange Schiff brach sofort auseinander und sank innerhalb von vier Minuten. Die meisten der Seeleute auf der CLAN MACFADYEN wurden vermutlich im Schlaf überrascht. Oder waren sie alle an Deck, weil sie seit Stunden wussten, dass ein deutsches U-Boot irgendwo unter ihnen lauerte? Und sie jeden Moment in der Weite des Atlantik ein Torpedo treffen konnte und sie auseinander reißen würde?

Von den 94 Mann Besatzung schafften es nur zehn Mann auf die Rettungsflöße. Ein Frachter entdeckte die drei treibenden Flöße nach drei Tagen auf und las auf, wer auf ihnen noch lebte. Vier Mann setzten sie in Port of Spain auf Trinidad noch lebend an Land. 

Angus MacLeod, der Schiffszimmermann, war nicht unter ihnen.

Georg Staats hat den sieben Jahre älteren Schiffszimmermann Angus MacLead nie kennengelernt. Er hat ihn vielleicht in jener Nacht im Inferno als einen der Schatten wahrgenommen, die ins Wasser sprangen. Der Kapitänleutnant überlebte den Schiffszimmerman von South Uist um fast ein Jahr, bis am 12. November 1943 ein amerikanischer B-24 Bomber U-508 vor der Küste Nordspaniens vor Cabo Ortegal aufspürte und seine Bomben auf das wild um sich feuernde U-Boot abwarf. U-508 ging mit allen 57 Besatzungsmitgliedern unter, während nur wenige Kilometer entfernt der Bomber ins Meer rauchend stürzte. Auch dies war nur eine Sache von Minuten. 

Als ich vor dem Grab des Angus M. MacLean stehe und die Hortensien sehe, gebe ich ihm ein Versprechen: Seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte zweier Männer im Krieg, die sich nie sahen. Und die der Krieg für einen winzigen Augenblick zusammengeführt hatte.

Hinweis.
Für die Details zu dieser Gesschichte bin ich folgenden Webseiten zu Dank verpflichtet:
uboat.net für die Crewlisten der CLAN MACFADYEN.
ubootarchiv.de für die Textpassage des BdU.