Auf nach Saaremaa!
15.05
In Estland darf ein Ziel nicht fehlen. Kuressaare, im Süden der Insel Saaremaa, und so stand das nächste Ziel von Abruka aus fest. Man erreicht Kuressaare durch eine ganz interessante Baggerrinne, an deren Seite sich kleine Dämme befinden. Voll mit brütenden Vögeln. Im Hafen selbst wurde ich dann noch während des Anlegens von Oskar begrüßt: „Welcome to the Capital of Saaremaa“. Oskar gehört ganz sicher zu den nettesten Hafenmeistern der Ostsee. Auch die Amira treffe ich hier wieder. Wir beschließen, meinen Geburtstag am Samstag zusammen mit dem ersten Grillen der Saison zu feiern und suchen uns nette Plätze in Westland dafür raus. Oskar ist dabei ebenfalls behilflich und empfiehlt uns einen neuen Hafen im Osten der Insel – Lounaranna.
Oskars Reich.
Erstmal wird aber Kuressaare ausgekundschaftet. Kuressaare (dt. Arensburg) ist bereits seit mehreren hundert Jahren ein Kurort, und man merkt schnell warum. Der Strand ist traumhaft und es gibt viel zu entdecken. Überall befinden sich tolle alte Gebäude aus den Kurzeiten, und die ganze Stadt wirkt wie ein interaktives Museum. Die Stadt selber wird überragt wird von der alten Bischofsburg, gebaut anno dunnemals als Residenz für den selben Kollegen aus Riga. Kuressaare ist also irgendwie Privatkurresidenz für Cuxhavener :-P . In der Burg, der besterhaltensten mittelalterlichen Burg in ganz Europa, ist über die ganze Burg verstreut das Regionalmuseum der Insel Saaremaa mit seinen verschiedenen Ausstellungen eingerichtet. Ich habe es tatsächlich mehr als einmal geschafft mich darin zu verlaufen. Die gesamte Geschichte der Insel von prähistorischer Zeit bis zur Besatzung durch die Sowjets wird sehr anschaulich präsentiert. Auch ungewöhnliche Eindrücke gab es zum Mitnehmen: Dass der deutsche Einmarsch 1941 als Befreiung angesehen wurde mag aus estnischer Sicht vielleicht Sinn machen, ist aus deutscher Sicht aber dennoch ungewöhnlich.
Das Sightseeing verbinde ich dann gleich mit dem Einkaufen für die Geburtstaggrillparty. Nicht nur das Lebensgefühl und die Freundlichkeit der Menschen hier in Estland, sondern auch die Preise muten schon eher skandinavisch als baltisch an. Interessant war übrigens auch die Erkenntnis, dass ein Rentnerklappbike besser als jeder Hackenporsche funktioniert. Was durchaus zu amüsierten Blicken in der Stadt geführt hat.
Besser als jeder Hackenporsche!
16.05.
Eingentlich war heute noch ein Hafentag zur Besichtigung der Stadt angesagt, aber irgendwie animiert der Wind zum Weiterfahren. Man könnte dann auf dem Weg nach Lounaranna noch eine andere Bucht anlaufen, welche auf der Karte sehr idyllisch aussieht. Eigentlich wollte ich doch aber noch Bastian heute in Kuressaare treffen, da er ganz zufällig hier unterwegs ist… So legt die Amira um 13 Uhr bereits ab, und ich warte noch auf meinen Besuch. Bastian schafft es nicht nur sich aus seinem engen Programm zu stehlen, sondern hat gleich seine gesamte Gruppe im Gepäck. Ich habe mich über den Besuch sehr gefreut, zumal man ja nun nicht alltäglich Freunde in irgendeinem kleinen Flecken in Osteuropa trifft.
Der Wind hat leider mittlerweile stark nachgelassen, trotzdem lege ich noch ab und fahre der Amira nach Koiguste hinterher. Am Anfang noch unter Segeln, später, wie so häufig bisher, unter Motor. Egal, heute macht mir das nichts aus. Der die Flaute begleitende strahlende Sonnenschein, der spontane Kurzbesuch eines Freundes, ein kaltes estnisches Bier und die Aussicht auf die erste Nacht der Reise vor Anker, lassen meine Laune in ungeahnte Höhen schnellen.
Das Einlaufen in Koiguste schließlich ist spannend. Die eigentlich so detaillierte estnische Papierkarte beschreibt das Umfeld der Bucht überhaupt nicht. Die elektronische Karte weisst eine Barre (Sandbank) in der Einfahrt von 0,6m Tiefe aus. Nur der eigentlich schon überholte Heinrich-Revierführer von 2005 enthält eine detaillierte Karte für die Ansteuerung. Und die stimmt dann auch noch exakt, obwohl der sich dort ehemals befindliche Hafen leider gar nicht mehr existiert. Da frage ich mich, warum man einen Haufen Geld für detaillierte Seekarten ausgibt, die dann entweder keine Informationen enthalten oder sogar schlicht falsch sind, wenn ein 9 Jahre alter Törnführer die richtigen Informationen parat hat…
Anyway, die Bucht von Koiguste ist ein Traum. Ich mache neben der Amira an den Resten der Steganlage vor Heckanker fest, und wir genießen gemeinsam einen traumhaften Abend in dieser menschenleeren Idylle. Keiner hat eine Uhr um und so fällt uns erst spät das erste Mal auf dieser Reise gegen halb 12 auf, dass es gar nicht mehr richtig dunkel wird. Der nordische Sommer ist also angekommen. Es geht mir prächtig.