Belfast – Eine Stadt mit vielen Gesichtern
Nach einem entspannten Erkundungstag in Campbeltown brach ich früh am Abend tatsächlich noch nach Belfast auf. Der Wetterbericht passte und irgendwie war mir danach. Durch die irische See und vorbei am Mull of Kintyre sollte es also bei Nacht gehen.
Bevor die Nacht über mich und Nonsuch hereinbracht kam erst erst einmal ein absolut irrer Sonnenuntergang. Davon gibts ja nun wirklich viele, auch und gerade bei Segelbildern, aber dieser hier war wirklich etwas besonderes. Die Sonne versank hinter dem Mull und Kintyre und den Wolken die auf seiner Westseite darauf warteten vom Atlantik über die bergige Halbinsel Richtung Westen zu ziehen. Dabei bekam das Meer eine richtig goldene Farbe und die Wolken ganze tausend verschiedene Farben verpasst. Selbst wenn man schon Hunderte Sonneuntergänge zuvor gesehen hat war das ein einmaliges Spektakel. Zu meinem Abschied aus Schottland verstand ich noch einmal warum die Kelten diesem Landstrich solch eine geheimnisvolle Kultur hinterlassen haben.
Die Nacht war entspannend und fast ereignislos. Der Wind war ruhig, es gab sehr wenig Schiffsverkehr und dank der Nipptide hielten sich auch die Strömungen hier in Grenzen. Ich konnte sogar einige kurze Schlafhäppchen einlegen. Als die Sonne aufging lag das Belfast Lough, die größe Förde vor der Stadt schon direkt vor mir. Und ich dachte für kurze Zeit ich wäre im falschen Film aufgewacht: Hier sah es fast aus wie in der Kieler Förde. Der langgezogene Meeresarm mit einigen kleinen Vororten, am Ende die Großstadt und große Werftkräne, die das Stadtbild prägen. Nur dass die großen gelben Ungetüme hier nicht zur Howaldtswerft sondern zu Harland & Wolff gehören. Der Bauwerft der Titanic…
Die meisten Belfast Besucher legen meistens in einer der Vorortmarinas an und sparen sich den Weg in die Stadt. Versteh ich nicht so ganz, denn da Belfast als Schiffbauerstadt groß geworden ist, gibt es viel maritime Geschichte im Vorbeifahren zu erleben. Der Weg in die kleine City Marina führt zum Beispiel direkt am Baudock der Titanic vorbei. Die Marina selbst liegt dann direkt hinter der alten Werft. Ein Liegeplatz der Geschichte mal ohne Schlossmauern atmet… Was hier ganz witzig ist, ist die Bezahlweise. Auf dem Steg steht einfach mal ein originaler…Parkscheinautomat. Und erst mit der Ticketnummer kommt man nach dem Bezahlen überhaupt vom Steg runter. Dafür habe ich die ganze Zeit keinen Hafenmeister gesehen. So gehts natürlich auch…
Einige Tage bleibe ich bei schlechtem Wetter in Belfast und tauche mal wieder in die Zivilisation ein. Eigentlich das erste Mal seit Inverness. Belfast mit seiner Vielfältigkeit und seiner Geschichte wurde zu keiner Zeit langweilig. Entsprechend der Geschichte der Stadt beginne ich mit der Schiffbauerzeit und besuche das Titanic Museum auf dem alten Werftgelände. Davon gibts ja weltweit ein paar, aber hier wird logischerweise davon erzählt wie das berühmteste Schiff aller Zeiten mit der Stadt und dem zeitgenösisschen Leben zusammenhängt.
In der Innenstadt selbst gibt sich Belfast unglaublich gastfreundlich und modern. Straßenmärkte, durch die Stadt patroullierende Touristenführer die einem mit Rat zur Seite stehen, unzählige Restaurants und kleine Gässchen laden zum Erkunden ein. Belfast scheint sehr hart für den Tourismus zu kämpfen. Und das wohl auch mit Erfolg. Selten hat eine Großstadt so einladend auf mich gewirkt.
Doch bevor es um den Tourismus ging wurde in Belfast ebenfalls gekämpft. Im Nordirlandkonflikt bis in die 90er Jahre hinein war Belfast von einem Bürgerkrieg zwischen irischen Republikanern und pro-britischen Loyalisten geprägt. Wohlgemerkt im ausgehenden 21. Jahrhundert in Westeuropa. Diese Abläufe waren mir bekannt und doch irgendwie kaum vorstellbar, bis ich vor dem Rathaus in der sonst so lebhaften Innenstadt gepanzerte Polizeiwagen sehe. Ganz so friedlich war es hier wohl nicht immer…
Russell, ein irischer Segler den ich schon in Schottland kennengelernt habe, gibt mir einen Tag später eine kurze Stadtführung. Auch durch die damals umkämpften Arbeiterviertel. Und auch im Jahr 2017 ist der Konflikt hier noch sichtbar. Vor allem die Loyalisten „verzieren“ ihre Viertel großflächig mit Fahnen und Statements. Das machen HSV Fans in Nordeutschland zwar auch im Garten, aber hier wirkt das ganze irgendwie unheimlich. Die berühmten Wandmalereien und Peace Walls, echte Mauern in der Stadt um die Konfliktparteien voneinander zu trennen, tun ihr Übriges. Die Straßentore entlang dieser Mauern werden übrigens auch heute noch oft geschlossen. Allerdings auch auf Drängen der Bevölkerung, die ihre Ruhe vor Gewalt und den nervigen Nachbarn haben will…
Im Gesamtbild ist Belfast eine unglaublich lebhafte und vielseitige Stadt. Die Geschichte wird an vielen Ecken deutlich. Auf der anderen Seite blickt die Stadt offen und fröhlich in die Zukunft. Ich beschließe den Besuch der Stadt mit einem Dinner in einem der ältesten Pubs der Stadt, blicke noch ein paar Mal im Hafen auf das Ttanic Museum und überlege wo es als nächstes hingehen könnte…