Einmal quer durch Holland

Bei feinem Segelwetter verließ ich Belgien in Richtung Holland, das letzte Land auf meiner kleinen Reise und ich hoffte so viel wie möglich davon erleben zu können.
Nachdem ich die verkehrsreiche Westerschelde passiert habe geht es durch die Rompootschleuse hinein in das zeeländische Wasserlabyrinth. Also zumindest war das geplant, denn erstmal hielt mich die Schleuse auf. So hatte ich aber die Zeit schon im ersten Moment einen kleinen Einblick von Holland zu bekommen. Jeder kennt die Clichees vonZugbrücken und Windmühlen, doch auch heutzutage sind die Holländer herausragende Wasserbauer. Irgendwann im letzten Jahrhundert wurde nicht nur die Zuidersee (heute Ijsselmeer) sondern auch deben hier die Oosterschelde komplett eingedeicht und dadurch ein ganz neues Revier geschaffen. Durch den monströsen Deich führt nun eben diese Rompootschleuse, überspannt von einer riesigen Brücke durch die selbst größere Segler noch passen. Ein sehr betonlastiger aber imposanter erster Eindruck von Holland.
Als die Schleuse endlich wieder lief ging es in den Hafen auf der anderen Seite wo ich einen multinationalen Abend in Holland mit Belgiern und Franzosen auf einem dänischen Boot verbrachte.

Obwohl es möglich wäre ganz Holland von der belgischen Grenze bis zur Ems mit stehendem Mast binnen zu passieren, ging es erst einmal weiter an der Küste lang. Das Wetter passte so schön. Sonne, eine feine Backstagsbrise und der Geruch von Salzwasser. Balsam für die Seglerseele. Doch noch ahnte ich nicht, dass es der vielleicht letzte sommerliche Segeltag des Sommer werden sollte…

Vorbei ging es an der Hafeneinfahrt von Rotterdam, wo der Verkehr über Funk wieder so exakt und lückenlos wie Flughafen geführt wurde, in das Seebad Schweveningen. Da es auf mich irgendwie nicht so wirklich einladend wirkte ging es nach einem nur kurzen Stop wetter- und tidebedingt in morgens in aller Frühe weiter. Als Entschädigung für den Schlafentzug hatte ich dafür einen traumhaften Sonnenaufgang auf See für mich alleine.

Kurz vor Ijmuiden zog sich der Himmel dann aber zu und es fing an zu regnen. Mit einem mal war die leichte Backstagsbrise nicht mehr so toll, denn wenn der Wind von hinten kommt regnet es immer so schön in die Kajüte und man kann sich nicht mehr hinter der Sprayhood verstecken. Aber egal, muss man eben durch.
In Ijmuiden mündet der Nordzeekanal in die Nordsee (wär man jetzt nicht drauf gekommen, oder?). Über diesen kommt man nach Amsterdam und schließlich ins Ijsselmeer. Da in den nächsten Tagen ihnehin mehr oder weniger Flaute herrschen soll, entscheide ich mich von hier an den Binnenweg zu probieren. Einfach um ein wenig mehr von Holland zu entdecken. So biege ich hier also ab, tucker durch die riesigen Schleusen, wo die Holländer im Gegensatz zu unserer Ministerialbürokratie es im übrigen hinkriegen innerhalb von 2 Jahren die größte Schleuse der Welt einfach mal so zu bauen (Hallo NOK!), und weiter nach Amsterdam. Die Anfahrt auf Amsterdam ist einer Großstadt entsprechend ein besonderes Erlebnis. Immer dichter wird die Bebauung am Ufer des Kanals bevor man schließlich mitten im Stadtzentrum von Amsterdam, direkt gegenüber des Zentralbahnhofes im Sixhaven festmacht. Ein fast schon legendärer Yachthafen, welcher im Sommer aus allen Nähten platzt. Jetzt, Ende September ist es ruhig. Laut Hafenmeister werden „nur“ alle Stege voll. Na dann…
Er sollte Recht behalten, und doch bleibt die Atmosphäre in dem kleinen grünen Hafen mitten im Stadtzentrum überraschend ruhig und familiär. So kann ich Nonsuch beruhigt alleine lassen und die Stadt Amsterdam erkundigen. Tja, was soll man in einem Segelblog groß über Amsterdam erzählen. Ganze Bücher würden sich über diese Stadt füllen lassen. So schlendere ich dann zunächst auch ohne festes Ziel einfach durch Straßen und Grachten und lasse mich einfach treiben. Nett anzusehen, chaotisch, traditionell und modern zugleich. Ich denke das trifft es am besten. Und genau wie viele britische Städte hat sich Amsterdam sein der goldenen Zeit des 17. Jhd. entstammendes Stadtbild weitgehend zu erhalten. In diesen Jahren ist die Stadt nämlich durch den Handel, vor allem der Ostindienkompanie groß und mächtig geworden. Schon damals konkurrierte sie vor allem mit London und Großbritannien. Damals um Handelsplätze und die Macht auf dem Meer, heute um die Gunst von Touristen. So verwundert es nicht, dass mich hier vieles an die Zeit im Vereinigten Königreich erinnert. Die Eindrücke bleiben…

An einem Sonntag verlasse ich Amsterdam in Richtung Ijsselmeer. Ein Fehler, denn halb NRW scheint sich ebenfalls auf dem Rückweg zu den Heimathäfenvom Wochenendausflug zu machen. Nachdem es in den letzten Wochen ja stetig leerer und leerer in den Häfen wurde, ist es auf den Fahrwassern und in der Schleuse auf einmal proppenvoll. Wie mag das hier nur im Sommer aussehen…

Doch es kommt noch härter. Der Dunst des Morgens verdichtet sich bald zu richtig fettem Nebel. Die Fahrt zu verlangsamen, Ausguck zu halten und Signale zu tröten halten aber die wenigsten für nötig. Irgendwann passiert mich dann eine fette deutsche Yacht ohne Radar nur wenige Meter an Achtern in voller Fahrt unter Motor. Auf meinen Scheibenwischer entschuldigt man sich in breitestem Kölsch, dass man dringend nach Hause müsse.  Das geschützte und schöne Revier scheint einige komische Sitten zu produzieren.
Die alten Städte am Ijsselmeer sind dafür umso schöner. Hoorn und Enkhuizen, wo ich Station mache, sind ebenfalls im Schatten von Amsterdam zur Zeit der Ostindienkompanie zu Reichtum gekommen. Vielleicht ist Holland nirgendwo so lieblich und typisch wie hier. Kleine Stadthäfen, Traditionssegler, weiß gestrichene Klappbrücken, alte Häuser sowie Pommes und Frikandel am Hafen. Mehr Holland geht nicht und so verbringe ich einige sehr erholsame Tage in diesen Gewässern. Ohne Starkwind, ohne echten Seegang und Untiefen wird mir jetzt so richtig bewusst wie anstrengend Britain manchmal war.

Eigentlich wollte ich hinter den Ostfriesischen Inseln wieder auf die Nordsee segeln und weiter Richtung Heimat schippern. Doch es kommt mal wieder anders. Mittlerweile hat sich kräftiger Ostwind eingestellt. Also mal wieder genau die Richtung in die ich will. Doch hier gibt es einen Ausweg und in der kleinen Hafenstadt Harlingen tauche ich ein die Staande Mastroute und die friesischen Kanäle. Von hier geht es binnen durch bis an die Ems. Wie bei den Kanalpassagen so oft habe ich es anfangs nur als verkehrlichen Ausweg gesehen und war am Ende überrascht wie viel es unterwegs doch zu entdecken gibt. Nicht auf den ersten Metern von Harlinen bis zur friesischen Hauptstadt Leeuwarden zwar, da der Kanal dort eher einem Industriekanal ähnelt, doch ab dort geht es richtig los. Es geht mitten durch die Stadt Leeuwarden hindurch wo man in den alten Wallanlagen der Stadt wie im Park liegen könnte. Für einige der vielen Brücken muss man ein kleines Entgelt bezahlen. Das passiert hier stilecht indem man die Münzen in einem von einer Angel heruntergelassenen Holzschuh legt. Wie im holländischen Heimatfilm.

Hinter der Stadt wird es erst so richtig schön. Der Kanal ist hier eher ein kleiner Fluss, windet sich durch Wälder, Wiesen und kleine friesische Dörfer wie aus dem Bilderbuch. Die vielen Brücken öffnen sich oft schon bei Annäherung wie von Geisterhand, so dass man nicht mal auskuppeln muss. Der Wassersport genießt offenbar einen hohen Stellenwert in Holland, denn auch die Polizei muss schon mal wegen einer kleinen Nuckelpinne unter der Brücke warten…
In der kleinen Stadt Dokkum mache ich für die Nacht direkt unter einer Windmühle fest. Mal wieder wie im Film. Viele verlassen die Staande Mastroute bei der ersten Gelegenheit in Lauwersoog ein paar Stunden hinter Dokkum. Ein Fehler, denn die Landschaft wird danach mit jedem Meter schöner. Die Strecke bis Groningen durch das wilde und mangrovengleiche Lauwersmeer und das Flüsschen Reitdiep ist der vielleicht schönste Abschnitt des Kanals. Und auch die Passage mitten durch die quirlige Studentenstadt Groningen mit ihren zahlreichen Brücken dauert zwar seine Zeit, ist aber echt interessant.


Nach einer Nacht in Groningen wird der letzte Abschnitt bis Delfzijl zwar wieder etwas langweiliger und gradliniger, geht aber schnell vorbei. Da Delfzijl ungefähr so viel Industrie und Charme wie Hamburg Billwerder hat, folge ich dem Rat zweier einheimischer und folge ihnen in den kleinen Sielhafen Termutnerzijl auf der Ems. Die Kutter knarzen friedlich umher, die Schafe auf dem Deich bähen, und dahinter kann ich am anderen Emsufer schon Deutschland erkennen. Es ging einmal quer durch Holland und ich habe wirklich das Gefühl einen Eindruck bekommen zu haben. Und nun freue ich mich auf die Heimat. Noch, wie sich bald herausstellen sollte….