Trollhätte Kanal
Nun geht es also in den nächsten Kanal. Der Trollhätte Kanal. Im Gegensatz zum Göta Kanal wird dieser auch heute noch aktiv von der Frachtschifffahrt genutzt, ist also auch entsprechend ausgebaut. Und angeblich ist er auch dementsprechend unspannend, wenn nicht sogar hässlich. Also wollen wir mal sehen…
Größer ist er vom ersten Moment an tatsächlich. Und bei der ersten Brücke habe ich Glück, denn sie wird grad für einen von der Gegenseite kommenden Frachter geöffnet. Also Vollgas abgelegt und durchgehuscht. Die ersten Meilen sind naturgemäß die spannendsten. Und schon nach einer halben Stunde erwartet mich die erste Schleuse. Im Gegensatz zu den Göta Schleusen geht es hier 6-8m pro Schleuse rauf und runter. Aber da das Wasser nicht frontal durch die Tore gekippt wird, läuft es trotzdem entspannter ab. Ich bin komplett allein. Trotzdem öffnet die Schleuse entgegen der Info aus dem Flyer sofort. Das Schleusen selbst ist hier dann noch mal ne Nummer einfacher. Man hält sich einfach nur mit dem Bootshaken an einer der Leitern fest. Das ganze geht dann so sanft von statten, dass man sich am Ende eher “Wie, schon fertig??”, als “Puh!” denkt. Nur umdrehen sollte man sich nicht, denn dann sieht man beim Bergabschleusen erst die Ausmaße des riesigen Bootsaufzugs. “Da oben war ich eben noch????”.
Die erste Schleuse entlässt einen dann in den Fluß Göta Alv. Der Name Trollhätte Kanal ist nämlich eigentlich irreführend. Nur ca. 10 von 90km der Strecke bis Göteborg sind Kanal. Der Rest folgt dem natürlich Verlauf des Flusses. Das hat beim Fahren in Richtung offenes Meer den Vorteil, dass man bis zu 2,5kn Strom mit sich hat. Und so geht es dann im Affenzahn zur nächsten Station. Andererseits möchte ich den Strom nur ungern für 90km gegen mich haben. Wer also eine Passage der schwedischen Kanäle von West nach Ost plant, sollte das bedenken….
Die nächste Station ist dann Trollhättan. Viel schneller als erwartet stehe ich dort vor der Eisenbahnbrücke. Und die ist echt beeindruckend. Anstatt wie üblich einfach nach oben oder zur Seite wegzuklappen, werden die Schienen und der Radweg einfach komplett 30m in die Höhe gehoben. Und weil ich ja warten muss, habe ich wieder Zeit für unnützes Nachdenken: Warum baut man sowas? Wenn jede Brücke immer anders aussieht, muss jedes Mal wieder ein neuer Architekt ran. Könnte doch viel billiger mit EInheitsmodellen gehen. ;-) Bevor ich meine Gedanken zur Fließbandproduktion von Brücken aber vollenden kann, komme ich auf die Idee mal die Kanalzentrale anzufunken. Nur antwortet da keiner. Also noch mal. Und noch mal. Es bleibt still…. Bis ein Schwede von der anderen Seite kommt, und mal auf schwedisch nachfragt. Und siehe da, sofort wird ihm geantwortet…Das war doch auch schon bei der allerersten Brücke in Vänersborg so. Ich frage mich, ob Henriks Geschichten, dass ausländische Yachten auch mal ein Stündchen länger warten müssen, doch wahr sind…
Aber egal, es geht ja weiter. Trollhättan ist so etwas wie die Hauptstadt des (gleichnamigen – Oh Wunder!) Kanals. Die Schwierigkeit beim Bau eines Kanals vom Vänern zur Ostsee waren nämlich schon seit dem Mittelalter die hier gelegenen Wasserfälle. Erst 1800, mit dem Bau der ersten Kanalschleusen, gelang die Trockenlegung derselbigen. Später wurden dann mehrere riesige Wasserkraftwerke gebaut. Und die machen Trollhättan und den Kanal auch zur eigentlichen Geburtsstätte eines auch in Deutschland operierenden Unternehmens: Vattenfall – Wasserfall. Damals noch unter dem Namen “Königliche Wasserfall Behörde”. Das war mir auch neu. Man mag über die Energieversorger ja denken was man will, aber bestimmt nicht alle sind so mit maritimer Geschichte verknüpft. ;-)
In Trollhättan geht es deswegen auch ganze 32m hinab. In 4 Schleusen, davon 3 direkt hintereinander. Und wieder bin ich komplett alleine in den Schleusen. Und die sind dieses mal noch eindrucksvoller. Denn immer wenn mindestens 2 Schleusenkammern direkt hintereinander stehen, müssen die Tore in der Mitte logischerweise doppelt so hoch sein. Wenn man also gerade 2 Kammern erniedriegt wurde, blickt man zurück auf diese 30m hohen gigantischen Stahltore. Das erinnert ein wenig an biblische Palasttore oder so etwas. Nur halt eben spannend für Nautiker und nicht Theologen. ;-) In der Mitte wird auch noch bezahlt. Ich frage den Schleusenchefmeistergeneralsekretär dann auch mal vorsichtig, warum auf englische Anrufe nicht reagiert wird: Der Empfang sei schlecht gewesen…. Naja, erinnert irgendwie eher an die Ausrede in einem telefonischen Ehestreit, aber nach meiner Frage wird im Gegensatz dazu zumindest auf einmal geantwortet. :-D
Die Schleusen von Trollhättan sind aber nicht nur eine einzige Schleusentreppe. 2 alte, nicht mehr genutzte, Generationen von Schleusen von 1800 und 1844 sind direkt daneben angesiedelt und heute in eine Art Park umgewandelt. Und dort soll man sehr schön liegen können. Und tatsächlich, man macht dort quasi im Vorhafen der alten Schleusen fest. Das Wasser plätschert durch die maroden Reste der Tore, man liegt direkt neben einem Springbrunnen, den Begriff “Schleusenpark” kann man hier wohl wirklich wörtlich nehmen. Ich habe quasi mitten im Parkteich festgemacht. Schöner geht es nicht. Ein viertes Mal innerhalb von einer Woche bin ich der Meinung, nun aber wirklich den besten Platz erwischt zu haben. Das bestärkt mich nur noch mal darin, dass ich hier wohl noch mal her kommen muss….
Ich verbringe den Nachmittag dann damit durch das Schleusengelände zu stöbern. Schaue mir mal kurz das Museum an, esse den Schleusen angemessen ein vierstöckiges Eis und beobachte die Schleusenpassage eines großen Tankers. Und das ist definitiv sehenswert. Ein wirklich interessanter Tag. Wer in Trollhättan nicht angehalten hat, hat den Kanal nicht wirklich gesehen.
Nachdem sich der Nebel am nächsten Morgen verzogen hat, geht es dann weiter. Und auch hier ist der Kanal noch wirklich ansehnlich. gepflegte Ackerflächen wechseln sich mit Felsen, Wäldern, und den typisch schwedischen Ferienhäusern ab. Der Strom gleicht die Nachteile des kleinen “Rasenmähermotors” der Nonsuch mehr als aus, und so komme ich schnell zur letzten Schleuse. Lilla Edet. Hier stimmen die Gerüchte, denn der hiesige Yachthafen und das gesamte Umfeld ist wirklich alles andere als reizvoll. Aber egal, ich mach ja wieder nur schnell mit dem Bootshaken zur Durchreise fest. Auch hier ist das ganze Schaupiel Herabschleusen in 10 Min. erledigt. Herzlich Willkommen im Erdgeschoss – Herrenmode und Geschenkartikel. Denn dies war die allerletzte Schleuse. Nach 3 Wochen bin ich wieder auf Meeresniveau angekommen. Ein komisches Gefühl. Aber ich mag es, genau wie beim Erreichen von Töre o.Ä über solche Eckpunkte nachzudenken. Sie geben einer solchen Reise erst Kontur…
Ab hier ist dann leider auch alle Binnenromantik vorbei. Der Fluss verliert seine bisherige Lieblichkeit. Immer öfter prägen Industrianlagen, verlassene Ruinen und die Autobahn E6 das Bild. Zum Glück gibts hier nichts mal Häfen die einen zum Anhalten verleiten können. Außer Kungälv. Fast schon in Görteborg. Der Hafen liegt zwar direkt im Schatten der Bohus Festung, die der gesamten Provinz hier seinen Namen, Bohuslän, gibt, aber irgendwie kommt keine rechte Begeisterung auf. Also gehts die letzten 2 Stunden nach Göteborg auch noch in einem weiter. Ein weiterer Vorteil für die Ost-West Passagerichtung, denn durch den Strom wäre man in entgegengesetzter Richtung gezwungen in einem der weniger schönen Häfen anzulegen… Kurz später bin ich also in Göteborg angekommen. Da bleibt einem erst mal nichts anders übrig, als ein Bier aufzumachen und den Freitagabend zu genießen. Ich kann die Ostsee schon wieder riechen….
Insgesamt ist der Kanal wirklich nur Erfahrung. Unansehnlich ist nur der Unterlauf, insbesondere die Gegend um Trollhättan lädt aber durchaus dazu ein, hier nicht nur durchzurasen.